Inwiefern können Hinweisgebersysteme eine präventiv hemmende Wirkung auf potenzielle Wirtschaftsstraftäter auslösen? In der Arbeit werden die grundlegenden Ziele und Methoden von Hinweisgebersystemen den vier Merkmalen des kriminologischen Erklärungsmodells des Fraud Diamonds gegenübergestellt und es wird analysiert, ob die Charakteristika von Hinweisgebersysteme potenzielle Kriminelle von Wirtschaftsstraftaten zurückhalten können.
In den letzten Jahren traten wiederholt Schlagzeilen auf, in denen Hinweise zu Missständen in Unternehmen durch Hinweisgeber bekannt gemacht wurden. Eine der bekanntesten Hinweisgeber der jüngsten Zeit ist Edward Snowden, der im Jahr 2013 Enthüllungen über eine starke Überwachung durch die USA öffentlich machte. Ein Schwerpunkt dieser publizierten Unterlagen war die Terrorabwehr. Dieser Fall erreichte aufgrund der Sensibilität und der internationalen Relevant der Daten eine weltweite Bekanntheit.
Solche Fälle machen deutlich, dass die Implementierung von Hinweisgebersystemen eine wesentliche Rolle bei der Kriminalitätsbekämpfung spielen. Die gesetzlichen Regelungen werden innerhalb der EU und auch in Deutschland formuliert und müssen in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Damit wird das Ziel verfolgt, Personen mit Kenntnis über wirtschaftskriminelle Handlungen eine sichere Plattform zu bieten, diese zu melden. Die Systeme erfüllen damit eine aufdeckende Wirkung. Eine präventive Wirkung ist wünschenswert. Dafür müssten die Hinweisgebersysteme jedoch bereits vor Durchführung einer rechtswidrigen Tat auf den potenziellen Täter einwirken und ihn von der Planung und Durchführung abhalten. Um diese Wirkung zu erreichen, sind Kenntnisse über die Tätermotive von Wirtschaftsstraftätern notwendig.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Ziel der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
2. Wirtschaftskriminalität
3. Motivstrukturen der Wirtschaftsstraftäter
4. Kriminologische Erklärungsmodelle
5. Fraud Diamond
5.1 Motivation
5.2 Gelegenheit
5.3 Rechtfertigung
5.4 Fähigkeit
6. Hinweisgebersysteme
6.1 Hinweisgeber
6.2 EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern
6.3 Hinweisgebersysteme und Compliance
7. Qualitative Studie
7.1 Untersuchungsdesign
7.2 Datenanalyse & Interpretation der Ergebnisse
7.2.1 Motivation
7.2.2 Gelegenheit
7.2.3 Rechtfertigung
7.2.4 Fähigkeit
8. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Das Erklärungsmodell Fraud Triangle mit der Erweiterung zum Fraud Diamond. (Quelle: Eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Gegenüberstellung Charakteristika des Fraud Diamonds und Hinweisgebersystemen.
1. Einleitung
In den letzten Jahren traten wiederholt Schlagzeilen auf, in denen Hinweise zu Missständen in Unternehmen durch Hinweisgeber bekannt gemacht wurden. Eine der bekanntesten Hinweisgeber der jüngsten Zeit ist Edward Snowden, der im Jahr 2013 Enthüllungen über eine starke Überwachung durch die USA öffentlich machte. Ein Schwerpunkt dieser publizierten Unterlagen war die Terrorabwehr.1 Dieser Fall erreichte aufgrund der Sensibilität und der internationalen Relevant der Daten eine weltweite Bekanntheit. Informationen von Hinweisgebern müssen jedoch nicht immer solche globalen Ausmaße haben. Der Gammelfleisch-Skandal 2006 ist ein großes Fallbeispiel aus Deutschland. Dabei entdeckt der LKW-Fahrer, der für die Zustellung von Fleisch an Kunden und Weiterverarbeitungsbetrieben verantwortlich war, dass das im Großlager befindliche Fleisch falsch etikettiert wurde. Diese Meldung löste eine umfangreiche Prüfung von Fleischlagern aus, die Tonnen an nicht mehr verzehrbarem Fleisch zu Tage brachten, das noch vertrieben werden sollte.2 Solche Fälle machen deutlich, dass die Implementierung von Hinweisgebersystemen eine wesentliche Rolle bei der Kriminalitätsbekämpfung spielen. Die gesetzlichen Regelungen werden innerhalb der EU und auch in Deutschland formuliert und müssen in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Damit wird das Ziel verfolgt, Personen mit Kenntnis über wirtschaftskriminelle Handlungen eine sichere Plattform zu bieten, diese zu melden. Die Systeme erfüllen damit eine aufdeckende Wirkung. Eine präventive Wirkung ist wünschenswert. Dafür müssten die Hinweisgebersysteme jedoch bereits vor Durchführung einer rechtswidrigen Tat auf den potenziellen Täter3 einwirken und ihn von der Planung und Durchführung abhalten. Um diese Wirkung zu erreichen, sind Kenntnisse über die Tätermotive von Wirtschaftsstraftätern notwendig.
1.1 Ziel der Arbeit
Das Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist die Beantwortung der zentralen Forschungsfrage „Inwiefern können Hinweisgebersysteme eine präventiv hemmende Wirkung auf potenzielle Wirtschaftsstraftäter auslösen?“. Dabei werden die grundlegenden Ziele und Methoden von Hinweisgebersystemen den vier Merkmalen des kriminologischen Erklärungsmodell des Fraud Diamonds gegenübergestellt und es wird analysiert, ob die Charakteristika von Hinweisgebersysteme potenzielle Kriminelle von Wirtschaftsstraftaten zurückhalten können.
1.2 Aufbau der Arbeit
Diese wissenschaftliche Arbeit gliedert sich in acht Kapitel: Der einleitende Teil befindet sich im ersten Kapitel. Die Kapitel zwei bis vier beinhalten erforderliche Informationen zur Wirtschaftskriminalität und den Täterstrukturen. In den anschließenden Kapiteln fünf und sechs werden die relevanten theoretischen Grundlagen und Definitionen für diese Untersuchung ausführlich dargestellt: Kapitel fünf erläutert das kriminologische Erklärungsmodell Fraud Diamond und Kapitel sechs Hinweisgebersysteme und Hinweisgeber. In Kapitel sieben wird der gesamte Forschungsprozess transparent ausgeführt und die Ergebnisse analysiert. Der resümierende Abschluss der Arbeit befindet sich in Kapitel acht. Die anschließenden Seiten enthalten das Literaturverzeichnis.
2. Wirtschaftskriminalität
Wirtschaftskriminalität wird als die „Summe der Straftaten, die in Unternehmen, an Unternehmen und durch Unternehmen begangen werden"4 beschrieben. In Deutschland existiert lediglich diese pauschale Beschreibung. Es umfasst jede Tat, für die eine besondere Professionalität in der wirtschaftlichen Betätigung notwendig ist, um sie zu begehen. Zusätzlich schädigen diese Taten die Allgemeinheit und beeinträchtigen das Wirtschaftsleben. Eine weitere Kennzeichnung von wirtschaftskriminellen Straftaten ist die Notwendigkeit von kaufmännischen Kenntnissen bei der Aufklärung.5
Im Bereich der Wirtschaftskriminalität verzeichnet das Bundeslagebild 2018 einen Rückgang wirtschaftskrimineller Straftaten in Bezug zum Vorjahr. Diese Statistik spiegelt jedoch lediglich die amtlich registrierten Vorgänge. Es fehlen alle wirtschaftskriminellen Straftaten aus dem „Dunkelfeld“. Diese Dunkelziffer an Straftaten, die der Polizei nicht gemeldet werden, aber stattfinden, werden als sehr hoch eingeschätzt.6 Der Mangel dieser Zahlen schränkt die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik hinsichtlich des Rückgangs solcher Straftaten ein. Die Polizei geht davon aus, dass die Summe aus den gemeldeten Straftaten und den Straftaten aus dem Dunkelfeld eher eine Steigerung der Anzahl wirtschaftskrimineller Handlungen zeigen würden anstatt eines Rückgangs.7 Ein Grund für die hohe Dunkelfeldziffer ist unter anderem die mangelnde Anzeigebereitschaft. Dieses Problem soll nun mit der Etablierung von Hinweisgebersystemen und einer EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern gelöst werden. Damit sollen Wirtschaftsstraftaten primär aufgedeckt werden und gleichzeitig präventiv auf potenzielle Straftäter einwirken.
3. Motivstrukturen der Wirtschaftsstraftäter
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PWC) untersuchte 2009 die Motivstrukturen von Wirtschaftsstraftätern. Dabei fanden sie heraus, dass diese Personen überwiegend männlich sind. Außerdem identifizierten sie fünf unterschiedliche Grundtypen: Der egozentrische, der frustrierte und der narzisstische Visionär. Neben diesen drei unterschiedlich charakterisierten Visionären gibt es noch die Grundtypen des Abhängigen und des Naiven. Der egozentrische Visionär ist ein ausgesprochen intelligenter Mann, der sein Leben vollumfänglich auf die Erreichung seiner Ziele und Visionen ausrichtet. Er zeigt keine oder nur sehr wenige Emotionen; seine Handlungen sind überlegt und berechnend. Sind rechtswidrige Taten für die Erreichung seiner Ziele notwendig, dann schreckt er nicht davor zurück. Analog zum egozentrischen Visionär, handelt es sich beim frustrierten Visionär auch um eine sehr intelligente Person. Jedoch ist diese bei der Erreichung seiner Ziele weniger erfolgreich und seine Handlungen zielen nicht auf egoistische Ziele hin, sondern sind sozial motiviert. Sein ständiges Scheitern kollidiert mit seinen hohen Erwartungen und das resultiert in Frustration. Dem narzisstischen Visionär sind die Anerkennung und Wertschätzung von außen das Wichtigste. Dafür setzt er auch Unwahrheiten über sich und seine Projekte ein, um besser dazustehen. Seine ausgeprägteste Charaktereigenschaft ist ein übersteigertes Selbstbild. In Abgrenzung zu den Visionären steht der Abhängige. Wie seine Bezeichnung assoziieren lässt, definiert sich dieser Grundtyp durch Abhängigkeiten zu anderen Menschen. Diese Verbindungen sind für ihn essenziell. Seine größte Angst ist es, diese zu verlieren. Für den Erhalt dieser Bindungen ist er auch bereit, rechtswidrige Handlungen zu begehen.
Als letzten Grundtyp identifizierte PWC den Naiven. Geprägt mit einem geringen Bildungsrad, grenzt er sich von den anderen Grundtypen ab. Er ist zurückhaltend und schüchtern. Seine Ziele richten sich nach denen, die ihm von außen vorgegeben werden. Zu deren Erreichung nutzt er auch illegale Handlungen. Anders als bei den vorausgegangenen Grundtypen, kann ihm selten eine bewusste rechtswidrige Handlung unterstellt werden, denn er war meistens zu naiv und wusste es nicht besser.
Was alle Grundtypen vereint, ist die Tatsache, dass Geld lediglich eine notwendige Sache ist, um tieferliegende Wünsche zu befriedigen. Lediglich die Wünsche variieren zwischen den Grundtypen. Sie reichen von der Befriedigung narzisstischer Neigungen bis hin zur Bekämpfung von sozialen Verlustängsten.8
[...]
1 Vgl. Niesen [2017], o.S.
2 Vgl. Prosinger [2013], o.S.
3 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die Verwendung männlicher, weiblicher und diverser Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle drei Geschlechter.
4 Landeskriminalamt Niedersachen [o.J.], o.S.
5 Vgl. Landeskriminalamt Niedersachen [o.J.], o.S.
6 Vgl. Bundeskriminalamt [2019] o.S.
7 Vgl. Bundeskriminalamt [o.J.], o.S.
8 Vgl. Pricewaterhouse Coopers [2009], o.S.