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Hausarbeit (Hauptseminar), 2019
24 Seiten, Note: 2,0
Geschichte Europas - Neuzeit, Absolutismus, Industrialisierung
Einleitung
1 Stadtentwicklung zu Beginn des 19. Jahrhunderts
2 Transatlantische Emigration
2.1 Statistische Zahlen der italienischen Auswanderer
2.2 Wer waren die Auswanderer?
2.3 Der Umgang Argentiniens mit den Einwanderern
2.4 Die Schaffung eines nationalen Zugehörigkeitsgefühls
3 Das italienische Staatsangehörigkeitsrecht
3.1 Auf dem Weg zur Einigung
3.2 Die Massenemigration bis 1914
3.3 Das legge Crispi oder das Gesetz der sozialen Gerechtigkeit (1876 - 1896)
3.4 Berufliche Situation der Emigranten in Argentinien
3.5 Zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von 1912
4 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
„Aus der stummen und unterschiedslosen Masse von unwissenden Bauern, von Tagelöhnern und Scharlatanen, aus der Schande der italienischen Massen im Ausland entwickelte sich eine geschlossene Schar unter der Führung von Anführern und Generälen zur Eroberung eines neuen Kontinentes. [ ...] Wir zeigen der Welt, dass Italien fähig ist, einen Typus von Kolonisation zu schaffen, der weitaus vollkommener und entwickelter als derjenige englische Art ist. Während die friedliche Eroberung des englischen Kolonisten immer von einer militärischen Dominanz begleitet war [ ...] ist die italienische Kolonisation immer frei und unabhängig gewesen.“1
Dieses Zitat macht deutlich, dass Italien während der Zeit der Kolonisation, die im Zusammenhang mit der Industrialisierung in sämtlichen politischen Lagern diskutiert wurde, auch mitreden wollte. Länder wie die Niederlande, das Deutsche Reich oder auch Frankreich, konnten auf dem Afrikanischen Kontinent große Erfolge mit der Gründung von Kolonien verzeichnen.
Diese Arbeit zeigt die Bemühungen Italiens während der transatlantischen Emigration auf. Sie zeigt Statistiken und bemüht sich darum zu erklären, weshalb der italienische Staat seine Staatsangehörigkeitsrechte über den Atlantik hinaus erweiterte. Dabei soll folgende Frage beantwortet werden. Kann man bei der Emigration von Italiener nach Argentinien überhaupt von Kolonialisierung sprechen?
Im ersten Kapitel wird kurz die Stadtentwicklung im 19. Jahrhundert erklärt, die als Folge der Industrialisierung eingeleitet wurde. Das zweite Kapitel legt die transatlantische Emigration dar. Dabei wird sich hauptsächlich mit Statistiken auseinandergesetzt. Außerdem wird über den Umgang Argentiniens mit den Emigranten diskutiert und es wird erläutert, wie ein Nationalgefühl geschaffen wurde. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem italienischen Staatsangehörigkeitsrecht, welches durch die Auswanderung neu diskutiert und beschlossen wurde. Dabei geht das Kapitel kurz auf die Entwicklung Italiens zur Unabhängigkeit ein. Es beschreibt die Massenemigration und die ersten Gesetze, bis es schließlich zur Reform des Staatsangehörigkeitsrecht von 1912 übergeht. Die Arbeit schließt mit einem Fazit ab, in dem nochmal alles zusammenfassend dargestellt wird und die zuvor gestellte Frage eine Antwort bekommt.
Mit den Stadtsystemen und mit den Beziehungen zwischen Stadt und Land sind die Wanderungsbewegungen verbunden. Sie greifen immer wieder über die Grenzen hinaus. Der Dynamik und Bedeutung des Migrationsgeschehens insgesamt werden eine solche Perspektive nicht gerecht. Die Zuwanderung war schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr die wichtigste Wurzel städtischen Bevölkerungswachstums. Sie veränderte jedoch die Struktur der städtischen Gesellschaft, deren Zusammensetzung nach sozialer Schicht und Geschlecht, hinsichtlich ethnischer oder nationaler Identität wie auch religiöser oder konfessioneller Zugehörigkeit. Die hohe Mobilität wurde als Bedrohung des inneren Zusammenhalts städtischer Gesellschaften angesehen. Zu- und Abwanderung betraf indessen nicht nur verschiedene Gruppen innerhalb der städtischen Gesellschaft. Sie veränderte zugleich deutlich die städtischen Raumstruktur. Diese war ihrerseits Veränderungen ausgesetzt, die nicht allein aus den Bewegungen der städtischen Bevölkerung resultierten. Ebenso wichtig waren Prozesse der Segregation, die zum einen die räumliche Verteilung von Handels-, Transport- und Produktionsfunktionen neu ordneten und zum anderen zu einer sozial homogeneren Zusammensetzung einzelner Stadtviertel führten. Beides verschob nicht zuletzt das Verhältnis von Zentrum und Peripherie, so dass Europas Städte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts grundlegend ihr Gesicht veränderten.2
Die Binnenwanderung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schien von völlig neuer Qualität zu sein. Im Falle einer großen Metropole wie London etwa konnte eine abnehmende Bedeutung der Zuwanderung beobachtet werden. Man führte dies auf die deutlich gesunkene Sterberate zurück und war sich deshalb auch bewusst, dass die meisten Großstädte Süd- und Osteuropas weiterhin deutlich abhängiger vom Zustrom auswärtiger Bevölkerung blieben. In der neueren Forschung konnte man drei wesentliche Punkte des Ausmaßes räumlicher Mobilität im 19. Jahrhundert feststellen. Erstens, diese Mobilität nahm im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu. Zweitens ging sie zumindest in Nordwesteuropa im 20. Jahrhundert und beschleunigt nach dem Ersten Weltkrieg deutlich zurück. Und drittens war sie nichts grundsätzlich Neues, sondern stand in direkter Kontinuität zu den zahlreichen Wanderungsbewegungen des frühen 19. Jahrhunderts. Was sich indessen grundlegend veränderte war die Umkehrung des Raumverhältnisses von Kapital und Arbeit im gewerblichen Bereich. Die Produktionsstätten verlagerten sich in die Randgebiete und die Arbeiter zogen mit.3
Aber nicht nur mit Blick auf das Ausmaß räumlicher Mobilität sind die zeitgenössischen Einsichten bis heute eindrucksvoll. Wer aber waren diese Zuwanderer und woher kamen sie?4 Wie eng Zu- und Abwanderung korrelierten ist seither ebenso deutlicher geworden wie die Bedeutung rein saisonaler und rein temporärer Wanderungen.5 Es gab offensichtlich also eine große Zahl von Migranten, die arbeitssuchend von Ort zu Ort zogen. Sie waren überwiegend jung, männlich und unverheiratet.
Die städtischen Gesellschaften Europas waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts also kaum in Auflösung begriffen. Aber sie waren doch höchst unterschiedlich strukturiert.6 Das Wissen um das unterschiedliche soziale Gepräge verschiedener Stadtviertel wandelte sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts grundlegend. Die Wohnverhältnisse europäischer Großstädte unterschieden sich mit Blick auf eine Reihe verschiedener Dimensionen wie Raumstrukturen, Besiedlungs- und Wohndichte sowie Wohnungsausstattung.7 In den meisten kontinentaleuropäischen Metropolen wurde das schon im 18. Jahrhundert verbreitete mehrgeschossige Mietshaus immer dominanter. Es gab es enorme Unterschiede, doch kann man in der Trennung des Schlaf-, Wohn-, Koch- und Essbereiches und in der gehobenen Ausstattung der Wohnungen so etwas wie einen kleinsten gemeinsamen
Abb.:1 Anmerkung der Redaktion: Die Abbildung wurde von entfernt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nenner bürgerlichen Wohnens in Europa ausmachen.8
Drei oder besser vier Zimmer stellten wohl das Minimum für eine bürgerliche Wohnung dar. Unterhalb dieser Grenze war es kaum möglich, gemäß bürgerlicher Vorstellungen von Privatheit zu sprechen. Das Kleinbürgertum bildete hinsichtlich der Wohnformen keine Übergangszone zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft. Zum einen war die Grenze zwischen Wohnung und Werkstatt bzw. Laden oft sehr durchlässig und zum Andern waren mit Lehrlingen, Gesellen und Gehilfen bis ins 20. Jahrhundert hinein Familienfremde sehr viel enger in den Haushalt einbezogen.9 Trotz der voranschreitenden industriellen Entwicklung in Europa zog es immer mehr Menschen über den Atlantik in die sogenannte „Neue Welt“. Am Beliebtesten waren dabei Länder wie die USA oder Argentinien.
Die Auswanderung von Europäern über den Atlantik während des 19. und 20. Jahrhunderts, ist ein Kernbestandteil der jüngeren Geschichte Europas.10 Menschen Spaniens, Irlands, Italiens oder auch Schwedens zog es über den Atlantik. Besonders die Einwohner Italiens sollen hier näher untersucht werden.
Offizielle Statistiken für die Auswanderung aus Italien beginnen 1876, nicht lange nach der Vereinigung des Landes im Jahr 1861. Tatsächlich begann die Auswanderung aus Italien jedoch wesentlich früher. Italiener aller Bevölkerungsschichten, Kaufleute, Bankangestellte, Angehörige religiöser Orden und des Militärs, Studenten, verbannte Politiker und Aktivisten waren während der Jahrhunderte und Jahrzehnte vor dem Risorgimento11 in unterschiedlichen Zahlen in verschiedene Länder Europas emigriert. Ab dem 19. Jahrhundert fand diese Auswanderung auch über den Atlantik hinweg statt. Von den geschätzten 550.000 Italienern, die zwischen 1789 und 1871 das Land verließen, gingen über 50 Prozent auf den amerikanischen Doppelkontinent.12 Die Industrialisierung begann in Norditalien erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Bis die Industrialisierung Süditalien erreichte, dauerte es noch wesentlich länger. Italien besaß daher einen Überschuss an Einwohnern, die hauptsächlich landwirtschaftlich tätig waren. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wuchs Italiens Bevölkerung um mehr als siebeneinhalb Millionen Menschen. Die Nachfrage überstieg das Angebot, was zu einer zunehmenden Verarmung führte. Da Verdienstmöglichkeiten in Italien begrenzt waren begann am Ende des 19. Jahrhunderts eine Auswanderungsbewegung in großem Umfang. Zwischen 1876 und 1900 verließen mehr als fünf Millionen Italiener ihre Heimat, und die jährlichen Zahlen stiegen bis zum Jahrhundertende stetig an.13
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wegen der schwierigen politischen, wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Bedingungen in Italien gingen hunderttausende Italiener nach Südamerika - das Ende des 19. Jahrhunderts mit Europa als beliebtestem Auswanderungsziel der Italiener gleichzog. Anfang des 20. Jahrhunderts nahm die Wanderung von Süditalien nach Nordamerika zu, so dass die Vereinigten Staaten bald Südamerika überholten und die Beliebtheit Europas einholten. Die Erwartung höherer Löhne führte dazu, dass sich Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Menschen nach Nordamerika aufmachten, während Italien die bedeutendste Auswanderungsphase seiner neueren Geschichte durchmachte. Fast neun Millionen Italiener verließen das Land zwischen 1900 und dem Ersten Weltkrieg. In diesem Zeitraum gingen viele von ihnen in die Vereinigten Staaten, nach Argentinien und Brasilien.14 Zwischen 1880 und 1920 machten Italiener die größte Migrantengruppe in Argentinien aus.
Spanische und italienische Einwanderung nach und Auswanderung aus Argentinien 1861 - 1920
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.: 3
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Italiener emigrierten vor allem aus ländlichen Gebieten nach Buenos Aires in Argentinien. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren es überwiegend Norditaliener, die es nach Südamerika zog. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts gingen überwiegend Menschen aus dem südlichen Teil des Landes nach Argentinien.15
Die Mehrzahl der Migranten Italien, die sich auf den Weg über den Atlantik machten, waren jung, unverheiratet und unqualifiziert. Junge, ledige Menschen mit geringer Arbeitserfahrung hatten weniger zu verlieren als ihre älteren, besser ausgebildeten Zeitgenossen, die Familienverantwortung trugen. Hierbei dominierten Männer bei der italienischen transatlantischen Emigration in einem Verhältnis von etwa vier zu eins. Ein weiterer Grund für die Überzahl von Männern aus Italien war die hohe Rückwanderungsrate. Einige der Italiener waren bereits verheiratet, und ihre Ehefrauen warteten in Italien auf die Rückkehr ihrer Männer. Nach 1900 begannen jedoch auch Italienerinnen in größerer Anzahl auszuwandern, dennoch blieben sie in der Minderheit bis nach 1913, als ihre Anzahl erstmals die der Männer überstieg.16
Die meisten Arbeiter waren wenig qualifiziert. Es gab jedoch auch viele qualifizierte Arbeiter wie Ärzte, Lehrer und Ingenieure. In Buenos Aires gelang es den Italienern von schlechten Jobs langsam zu besseren aufzusteigen Die Gewerkschaften, die sich bildeten, waren fast ausschließlich das Produkt italienischen Migranten. Italiener hatten großen Anteil daran, dass sich die argentinische Industrie Union gründete. Bis zum Jahr 1914 war die Zahl der Ausländer in Argentinien auf 30 % angestiegen. Davon waren fast die Hälfte Italiener.
Tab. 4: Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung in Argentinien nach den Volkszählungen 1869-1895-1914
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle; Rosoli, Un quadro globale, S. 18 u. Devoto, Estudio sobra la emigración, S. 23.
Abb.: 4
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Wohl kein anderes Land der Neuen Welt ist von den großen Migrationsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts so tiefgreifend geprägt und verändert worden wie Argentinien. Zwischen 1870 und 1930 trafen rund sechs Millionen Europäer in Argentinien ein. Die Verfassung von 1853 manifestierte die Führungsrolle, die zukünftige Einwanderer für das
[...]
1 Zitat Luigi Einaudi 1899 aus: Gironda, Vito Francesco. Die Politik der Staatsbürgerschaft. Italien und Deutschland im Vergleich 1800- 1914, Göttingen 2010. S. 142.
2 Friedrich Lenger, Metropolen der Moderne. Eine europäische Stadtgeschichte seit 1850, S.84f.
3 Friedrich Lenger, S. 85 f.
4 Ebd. S. 86 f.
5 Ebd. S. 89.
6 Ebd. S. 90, 97.
7 Ebd. S. 114 ff.
8 Ebd. S. 120.
9 Friedrich Lenger, S. 120f.
10 https://d-nb.info/1036245640/34. Stand 17.08.2019.
11 Risorgimento ist eine Bewegung, die für Freiheit und nationale Unabhängigkeit kämpfte und ca. 1815 entstand. Einer der wichtigsten Protagonisten war von Anfang an Giuseppe Mazzini, der ein einiges, republikanisches und demokratisches Italien wollte.
12 https://d-nb.info/1036245640/34. Stand 17.08.2019.
13 Ebd.
14 https://d-nb.info/1036245640/34. Stand 17.08.2019.
15 Ebd.
16 https://d-nb.info/1036245640/34. Stand 17.08.2019.