Die Hausarbeit thematisiert Augustus Maßnahmen zur Wiederherstellung der traditionellen mos maiorum in der Oberschicht. Mit dem Hinblick auf die mos maiorum erörtert diese Hausarbeit folgende Frage: Inwieweit dienten die Ehegesetze des Augustus der Wiederherstellung der mos maiorum? Die Antwort auf diese Fragen ermöglichen einen tieferen Einblick in Augustus Etablierungs-, Stabilisierungs- und Legitimierungsmaßnahmen für das neue monarchische Herrschaftssystem.
Der erste römische Kaiser Augustus betont in seinem Tatenbericht seine Verbundenheit mit der Tradition. Er erklärt, er habe multa exempla maiorum wieder zum Leben erweckt und selbst multarum rerum exempla als Leitfaden überliefert. Die Idealisierung der mos maiorum, der Sitten der Vorfahren, war für Augustus daher ein Grundelement seiner Politik. Mit der Verabschiedung seiner Ehegesetze, die einen nachhaltigen Eingriff in das Privatleben darstellten, versuchte Augustus die mos maiorum wiederherzustellen.
Augustus Ehegesetze umfassen die strafrechtliche lex Iulia de adulteriis über die Verfolgung des Ehebruchs und die beiden zivilrechtlichen Gesetze lex Iulia de maritandis ordinibus und die lex Papia Poppaea über die Eheschließung. Gegenstand dieser Untersuchung sind die zivilrechtlichen Gesetze, die aufgrund von schwieriger Zuordnung und Einfachheit in der Forschung, hier als lex Iulia et Papia zusammengefasst werden.
Diese Gesetze werden im Spiegel des römischen Geschichtswerks von Cassius Dio betrachtet, da dieser die gesellschaftlichen Auswirkungen beleuchtet. Dabei wird Augustus Traditionsverständnis in der Rede analysiert, die Dio Augustus über die Intention der Ehegesetze halten lässt. Eine besondere Bedeutung für die Quelleninterpretation kommt dem Autor Cassius Dio zu, weshalb in einem nächsten Schritt Augustus Rede in Hinblick auf die Einstellungen und Erzählmethoden des antiken Autors Cassius Dio untersucht wird.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Historischer Kontext
2.1 Augustus Ehegesetze zwischen Tradition und Innovation
2.2 Rechtliche Regelungen der lex Iulia et Papia
3 Quellenanalyse: Augustus‘ Rede zu den Ehegesetzen (Cass. Dio 56, 2-10)
3.1 Augustus Traditionsverstandnis
3.2 Cassius Dio uber Augustus und die lex Iulia et Papia
4 Fazit
5 Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1 Quellen
5.2 Literatur
1 Einleitung
„Legibus novis me auctore latis multa exempla maiorum exolescentia iam ex nostro saeculo reduxi et ipse multarum rerum exempla imitanda posteris tradidi“1
Mit diesen Worten verdeutlicht der erste romische Kaiser Augustus in seinem Tatenbericht seine Ver- bundenheit mit der Tradition. Er erklart, er habe multa exempla maiorum wieder zum Leben erweckt und selbst multarum rerum exempla als Leitfaden uberliefert. Die Idealisierung der mos maiorum, der Sitten der Vorfahren, war fur Augustus daher ein Grundelement seiner Politik. Mit der Verabschiedung seiner Ehegesetze, die einen nachhaltigen Eingriff in das Privatleben darstellten, versuchte Augustus die mos maiorum wiederherzustellen. Die Forschung ist sich uber den Begriff mos maiorum als „Fundament alien gesellschaftlichen und politischen Handelns der Romer“ einig.2 Zudem ist bekannt, dass die Schop- fer und Trager der mos nur die nobiles, die Angehorigen des Amtsadels, waren.
Dies fuhrt zum Gegenstand dieser Hausarbeit: Sie thematisiert Augustus MaBnahmen zur Wiederher- stellung der traditionellen mos maiorum in der Oberschicht. Mit dem Hinblick auf die mos maiorum mochte diese Hausarbeit folgende Frage erortern: Inwieweit dienten die Ehegesetze des Augustus der Wiederherstellung der mos maiorum ? Die Antwort auf diese Fragen ermoglichen einen tieferen Einblick in Augustus Etablierungs-, Stabilisierungs- und LegitimierungsmaBnahmen fur das neue monarchische Herrschaftssystem.
Augustus Ehegesetze umfassen die strafrechtliche lex Iulia de adulteriis uber die Verfolgung des Ehe- bruchs und die beiden zivilrechtlichen Gesetze lex Iulia de maritandis ordinibus und die lex Papia Poppaea uber die EheschlieBung.3 Gegenstand dieser Untersuchung sind die zivilrechtlichen Gesetze, die aufgrund von schwieriger Zuordnung und Einfachheit in der Forschung, hier als lex Iulia et Papia zusammengefasst werden.
Um die Frage nach der Rolle der lex Iulia et Papia zu beantworten, beschaftigt sich folgendes Kapitel mit ihrem historischen Kontext. Dabei sollen in einem ersten Teil die Ehegesetze als Schnittpunkt zwi- schen Tradition und Innovation beleuchtet werden. Der zweite Teil dieses Kapitels dient mit Hilfe der Untersuchungen von Angelika Mette-Dittmann 1999 der Annaherung an die rechtlichen Regelungen der lex Iulia et Papia. AnschlieBend sollen diese Gesetze im Spiegel des romischen Geschichtswerks von Cassius Dio betrachtet werden, da dieser die gesellschaftlichen Auswirkungen beleuchtet. Dabei soll Augustus Traditionsverstandnis in der Rede analysiert werden, die Dio Augustus uber die Intention der Ehegesetze halten lasst (Cass. Dio 56,2-10). Eine besondere Bedeutung fur die Quelleninterpretation kommt dem Autor Cassius Dio zu, weshalb in einem nachsten Schritt Augustus Rede in Hinblick auf die Einstellungen und Erzahlmethoden des antiken Autor Cassius Dio untersucht wird.
2 Historischer Kontext
2.1 Augustus Ehegesetze zwischen Tradition und Innovation
Im Zentrum der traditionellen Wertvorstellungen in der romischen Republik stand die familia, das heiBt das Verhaltnis zwischen ihren Mitgliedern. Hinzukommt das Verhalten der familia gegenuber ihrer ordo, das dem sozialen Status in der hierarchisch strukturierten Gesellschaft entsprach.4 Als MaBstab fur moralisch-sittliches Verhalten galt die mos maiorum, die Sitte der Vorfahren, die das soziale Leben nach Geschlecht, gesellschaftlichem Stand, Status und personenrechtlicher Stellung leiten sollte. Die Einhaltung traditioneller Verhaltensweisen war ein offentliches und personliches Anliegen, denn sie stabilisierte das politische System. So ging ein VerstoB gegen die mos maiorum - wie Ehebruch oder Scheidung - mit materiellen Folgen wie Vermogensverschiebungen einher, die wiederum das finanzielle Gleichgewicht, die Machtverhaltnisse sowie den sozialen Status der Familien der Oberschicht verandern konnten.5 Ausgeformt wurde sie von der aristokratischen Fuhrungsschicht, deren moralisch-sittliches Verhalten einst Grundlage ihrer Herrschaftsform war, da es ihre Zugehorigkeit zur Nobilitat legiti- mierte.6 Pina Polo 2004 charakterisiert die mos maiorum als ein Wesensmerkmal der nationalen Identitat der Oberschicht.7 Aufgrund von veranderten kulturellen und soziopolitischen Verhaltnissen in der spa- ten romischen Republik sprachen unzahlige Historiker und Dichter von dem Verfall romischer Sitten.8 Der beklagenswerte Zustand der mos maiorum sei Ursache und gleichzeitig Symptom fur die Krise Roms und die Entstehung von Burgerkriegen.
Als Reaktion auf den Ruf nach gesetzgeberischen MaBnahmen gegen die Auflosung der mos maiorum setzte Augustus Sittengesetze offentlich durch und ahndete normwidriges Verhalten. Nach Augustus konne die Wiederherstellung der res publica nur gelingen, wenn die Normen der mos maiorum wieder an Gultigkeit gewinnen wurden.9 Baltrusch 1989 fasst Augustus Motive fur die Sittengesetze fur Sena- toren, als „die Kompensation des politischen Machtverlustes durch Steigerung des sozialen Ansehens“ zusammen. 10 Denn mit Augustus Begrundung des Prinzipats ging ein Machtverlust des Senats einher, doch Augustus konnte nicht auf die Legitimation durch den Senat verzichten.11 Die Sittengesetze sollten demnach das Ansehen der Senatoren steigern, um Spannungen zwischen ihnen und Augustus zu losen und so das System durch den Aufbau eines rechtlichen Rahmens fur deren Verhaltnis zu stabilisieren. Die Ehegesetze nehmen wohl die bedeutendsten und nachhaltigsten Eingriffe in das Privatleben ein.
Augustus sah die juristische Grundlage seiner gesetzgeberischen Ausubung in den Vollmachten der tri- bunicia potestas, der Amtsgewalt eines Volkstribuns.12 Der Senat legitimierte Augustus Gesetzgebungs- auftrag mit der cura legum et morum, die die mores einschloss und so auf der gleichen Stufe mit den leges, Gesetzen, behandelte.13 Augustus bezeichnet seine Gesetze als novae leges, neue Gesetze.14 Bel- len 1987 sieht den Grund dafur in der Hervorhebung eines einschneidenden Wandels der Gesellschaft zu einem besseren Zustand. Gleichzeitig soll Augustus auf die Innovation seiner Gesetze verweisen.15 Mit der lex Iulia et Papia setzte sich Augustus uber seither ubliche Traditionen hinweg: Das Einhalten der mos maiorum geschah in der Republik als ungeschriebener Konsens der Betroffenen und wurde durch die staatlichen Eingriffsrechte regimen morum der Zensoren kontrolliert.16 Augustus Verabschie- dung der Ehegesetze stelle nach Mette-Dittmann 1999 keinen revolutionaren, sondern traditionellen Prozess dar, da viele Gesetztitel thematisch an die republikanische Tradition anknupfen.17 Neu unter Augustus war zum einen, dass rechtliche Regelungen aus sozialen Bereichen hinzukamen, die Auswir- kungen auf die Rechtbeziehungen innerhalb der familia ausubten.18 Zum anderen wendete Augustus die Gesetze mit legislativer Disziplinierung an, was in der Oberschicht Ohnmacht und Kontrolllosigkeit ausloste. 19
Aus diesem Grund gab es betrachtlichen Widerstand gegen die Ehegesetze. Die Gruppe mit dem groBten und offenen Widerstand waren die Ritter,20 die unter Augustus einen fur sie zum ersten Mal drastischen Eingriff in ihr Privatleben erfahren mussten.21 Denn Augustus machte die Einbeziehung der Ritter in die politische Verantwortung zu einem wichtigen Aspekt seiner Politik, wodurch ihre Nahe und somit ihre Loyalitat gesichert werden sollte.22 Mette-Dittmann vertritt die These, dass sich Augustus Ehegesetze als EtablierungsmaBnahme fur das neue monarchische Herrschaftssystem an alle Schichten der romi- schen Gesellschaft richtet. Der Schwerpunkt lag trotzdem in der Oberschicht, die die Senatoren und Ritter einschloss, um dessen gesellschaftliches Ansehen zu heben.23
Augustus Gesetze folgen auf einer Seite der republikanischen Tradition und auf der anderen Seite wei- sen sie einen innovativen Charakter auf. Die Ehegesetze sind somit Teil des Etablierungsprozesses eines neuen Herrschaftssystems, das durch die Anlehnung an die traditionelle hierarchische Gesellschafts- struktur beruft.
[...]
1 R. Gest. div. Aug. 8: „Durch neue, auf meine Veranlassung hin eingebrachte Gesetze habe ich viele Einrichtungen der Vater, die in unserer Epoche schon zu verschwinden drohten, wieder zum Leben erweckt und selbst in vielen Belangen Beispiele zur Befolgung der Nachwelt uberliefert. “ Ubers. nach WEBER 2015, 31.
2 Eine Untersuchung des Begriffs mos maiorum siehe LINKE 2000, hier 25f.
3 METTE-DITTMANN 1999, 15f.
4 Zu romischen Wertbegriffen siehe BLEICKEN 1975, 347-396.
5 Ebd., 364.
6 LINKE 2000, 46-53.
7 PINA POLO 2004, 171.
8 Hor. carm. 3,6: „Fruchtbar an Schuld hat diese Zeit zuerst das Ehebett befleckt, Haus und Geschlecht: aus dieser Quelle ergofi Verderben sich auf Vaterland und Volk“. Ubers. nach FARBER 1966, 126-131.
9 R. Gest. div. Aug. 8.
10 BALTRUSCH 1989, 135; zum politischen Machtverlust des Senats siehe KIENAST 1982/2014, 151-181.
11 Zur Rolle des Senats zu Augustus Zeiten siehe BRUNT 1984.
12 R. Gest. div. Aug. 6.
13 BELLEN 1987, 312-317; R. Gest. div. Aug. 6.
14 R. Gest. div. Aug. 8: „Legibus novis me auctore [...]“
15 BELLEN 1987, 309.
16 Eine systematische Darstellung der Eingriffe in das Privatleben der Senatoren siehe BALTRUSCH 1989, 5-127, hier 5; zur moralischen Tradition in der romischen Republik siehe EARL 1967.
17 METTE-DITTMANN 1999, 20f.
18 Ebd., 21; BELLEN 1987, 345.
19 BALTRUSCH 1989, 183.
20 Cass. Dio 56,1,2.
21 BALTRUSCH 1989, 184.
22 Ebd., 136.
23 METTE-DITTMANN 1999, 199.