Die Hausarbeit untersucht, welchen Einfluss Literaturzeitschriften im achtzehnten Jahrhundert auf den Erfolg eines Romans hatten. Der Erfolgsroman "Agnes von Lilien" des späten achtzehnten Jahrhunderts von Caroline von Wolzogen wird nicht nur von Schlegel hoch gelobt, sondern von der Gesellschaft des achtzehnten Jahrhunderts mit großer Spannung gelesen und diskutiert. Der Roman stellt einen großen Erfolg der weiblichen Schriftstellerinnen in der bisher von Männern dominierten literarischen Szene dar.
Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wollen immer mehr Frauen von dem typischen Rollenbild abweichen und suchen dafür ihren Weg in die Öffentlichkeit. Zum einen geben sie selbst Zeitschriften heraus, wie Sophie von La Roche die "Pomona für Teutschlands Töchter" oder Ernestine Hofmann die Zeitschrift "Für Hamburgs Töchter". Frauen geben nicht nur Zeitschriften heraus, sondern veröffentlichen auch als Schriftstellerinnen in anderen Zeitschriften. So publizieren sie in den "Horen", der "Iris", in "Kunst und Alterthum" und noch vielen anderen Zeitschriften, welche in der Regel von Männern herausgegeben werden. Die Schriftstellerszene durchmischt sich durch die Zeitschriften und Frauen bekommen mehr Raum zugesprochen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Zeitschrift Horen
2.1 Autor*innen in den Horen
3 Der Roman Agnes von Lilien
3.1 Agnes von Lilien als Frauenroman
3.2Inhalt
3.3Die Autorin - Caroline von Wolzogen
4 Agnes -von Lilien im Kontext der Horen
4.1 Zeitschriftenpublikation in Fortsetzungen
4.1.1 Erster Teil
4.1.2 Zweiter Teil
4.1.3 Dritter Teil
4.1.4 Vierter Teil
4.1.5 Bedeutung der Fortsetzungen fur Agnes von Lilien
4.2 Anonymitat der Autorin
4.3 Geheimnisse
4.4KritikderGesellschaft
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
,,Der bedeutendste und anziehendste Aufsatz unter alien originaldeutschen, die seit geraumer Zeit in den Horen gestanden haben, ist wohl Agnes von Lilien.“1 Dieser Erfolgsroman des spa- ten 18. Jahrhunderts von Caroline von Wolzogen wird nicht nur von Schlegel hoch gelobt, son- dern von der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts mit groBer Spannung gelesen und diskutiert.
Der Roman stellt einen groBen Erfolg der weiblichen Schriftstellerinnen in der bisher von Man- nern dominierten literarischen Szene dar. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts wollen immer mehr Frauen von dem typischen Rollenbild abweichen und suchen dafur ihren Weg in die Of- fentlichkeit. Zum einen geben sie selbst Zeitschriften heraus, wie Sophie von La Roche die Pomonafur Teutschlands Tochter oder Ernestine Hofmann die ZeitschriftFwr Hamburgs Toch- ter 2 Frauen geben nicht nur Zeitschriften heraus, sondern veroffentlichen auch als Schriftstellerinnen in anderen Zeitschriften. So publizieren sie in den Horen, der Iris, in Kunst und Al- terthum und noch vielen anderen Zeitschriften, welche in der Regel von Mannern herausgege- ben werden.3 Die Schriftstellerszene durchmischt sich durch die Zeitschriften und Frauen be- kommen mehr Raum zugesprochen.
Die Genres sind aber immer noch stark getrennt. Mannern wird eher Dichtung und Drama zu- geordnet, wahrend Frauen sich dem Romangenre widmen, wie auch Caroline von Wolzogen. Diese Hausarbeit beschaftigt sich mit dem Roman Agnes vonLilien von Caroline von Wolzogen. Dieser erschien anonym 1796 und 1797 in Schillers Horen und erlangte schnell groBe Beliebt- heit in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts.
Welchen Einfluss Zeitschriften auf den Erfolg eines Romans haben, soil in dieser Arbeit unter- sucht werden. Hierbei wird der Roman nicht als Ganzes, sondern im Kontext dieses Mediums betrachtet. Die Frage, ob der Erfolg des Romans Agnes von Lilien durch das Zeitschriftenme- dium begunstigt wurde, steht dabei im Mittelpunkt. Denn nicht nur Schlegel, sondern auch an- dere groBe Schriftsteller wie Goethe, Humboldt oder Korner loben Agnes von Lilien und deren bis dahin unbekannte Verfasserin. Diese Arbeit will Grande festmachen, welche den Erfolg begunstigten, wie beispielsweise die Fortsetzungen in vier Zeitschriften, die anonyme Verfasserin oder die Geheimnisse innerhalb des Romans.
Mit einbezogen wird hierbei der gesellschaftliche Stand der Schriftstellerinnen Ende des 18. Jahrhunderts. Werden die Schriftstellerinnen auf eine Stufe mit den Schriftstellern gestellt, oder sind sie ihnen untergeordnet?
Fur einen besseren Kontext werden dafur zunachst die Horen und Agnes von Lilien im Gesam- ten betrachtet, um so eine Grundlage fur die spatere Untersuchung zu bilden.
2 Die Zeitschrift Horen
Die Horen ist eine von Friedrich Schiller herausgegebene Zeitschrift. Sie wurde von 1795 bis 1797 monatlich vom Cotta-Verlag Tubingen publiziert.
Die Intention Schillers ist es, die geistige Elite mit dieser Zeitschrift auf ein einheitliches Kon- zept zu bringen. In der Ankundigung der Horen im Dezember 1794 verrat Schiller deren Ziel. Die aktuellen politischen und kulturellen Diskussionen sollen in der Zeitschrift nicht themati- siert werden, obwohl die Nachwehen der franzosischen Revolution auch noch in Deutschland spurbar sind. Dagegen soil in ten Horen das rein Menschliche, die Schonheit und die Wahrheit in den Mittelpunkt geruckt werden.
[Denn] je mehr das beschrankte Interesse der Gegenwart die Gemuter in Spannung setzt, einengt und unterjocht, desto dringender wird das Bedurfnis, durch ein allgemeines und hoheres Interesse an dem, was rein menschlich und uber alien Einflub der Zeiten erhaben ist, sie wieder in Freiheit zu setzen und die politisch geteilte Welt unter der Fahne der Wahrheit und Schonheit wieder zu vereinigen.4
Damit schlagt Schiller eine asthetische Losung vor. Durch Kunst, Lekture oder Theater soil der Mensch zur Freiheit gelangen. Diese Intention macht die Horen zu einer programmatischen Zeitschrift des 18. Jahrhunderts.5 Die Literaturprogrammatik dieser Zeit wird vor allem in der Ankundigung Schillers zu den Horen als sehr treffend betrachtet.
Das Zielpublikum der Zeitschrift sind sowohl Manner als auch Frauen. Dadurch will Schiller mit seiner Zeitschrift den Charakter ,,eines nichtgelehrten Joumals“6 aufbauen, welches fur alle eine attraktive Unterhaltung darstellen soil. Auch der Name der Zeitschrift, Horen, was Gottin- nen der Schonheit und Ordnung bedeutet, soil das weibliche Publikum anlocken. Der Name lasst zudem klassizistische Motive erkennen, da er sich an der Antike orientiert.
Das Heranschaffen von interessanten Artikeln stellt fur Schiller eine groBe Herausforderung dar. Durch viele theoretische Texte macht sich bei den Leser*innen der Vorwurf der Trocken- heit breit.7 Die Abonnentenzahlen der Horen sinken. Der Verleger Cotta, sowie auch Humboldt wollen Schiller dazu bewegen, vermehrt leichte Lekture in dte Horen aufzunehmen. So schreibt Humboldt 1975 an Schiller: „Vermeiden Sie Aufsatze im Schlage der meinigen und der Fich- tischen, sorgen Sie, soviel es geht, fur leichte (war’s auch manchmal lose) Ware, und die Horen gehen gewiB recht gut.“8 Zur leichten Gattung zahlen Romane. Doch Schiller fallt es nicht leicht, von den groBen Autoren Goethe oder Schlegel geeignetes Material fur die Horen zu bekom- men.9 Erst mit der Agnes von Lilien gelingt es Schiller, einen Erfolgsroman in den Horen zu veroffentlichen.
2,1 Autor*innen in den Horen
In der Ankundigung zu den Horen fuhrt Schiller ein Autorenverzeichnis auf. Er nennt darin 25 Autoren, unter welchen auch beruhmte Namen wie Goethe, Schlegel, Fichte oder Humboldt zu finden sind. Besonders Goethe soil eine groBe Leser*innenschaft anlocken, wie Schiller gegen- uber Cotta zugibt.10 Auffallend istbei dieser anfanglichen Autorenliste, dass keine einzige Frau zu finden ist. Selbst angesehene Schriftstellerinnen wie Sophie von La Roche sollen nicht in der Zeitschrift veroffentlichen. Doch Schiller muss seine Autorenliste im Laufe der Zeit anpas- sen und verandern.
Durch die schon erwahnten Vorwurfe der Trockenheit muss die Zeitschrift in ihrem Inhalt leichter werden und besser unterhalten. Da das zum obersten Ziel der Horen wird, muss der Herausgeber Schiller seine Anspruche an die Schriftsteller andem und Schriftstellerinnen in die Autorenliste aufnehmen. Ab der neunten Ausgabe 1797 publizieren auch Frauen in den Horen, da diese weder „dramatische noch philosophische Beitrage“11 liefern, welche nur schwer zu verstehen sind. Der GroBteil der weiblichen Beitrage besteht aus Gedichten.12 Der Autorinnen- anteil steigt danach schnell an und neben Sophie Mereau sind auch Louise Brachmann, Frie- derike Bruhn, Amalie von Imhoff, Elisa von der Recke und Caroline von Wolzogen in den Horen vertreten.13
Infolgedessen wird ein Leistungsabfall der Horen beklagt, welcher den Autorinnen zugeschrie- ben wird. Es sei nach Korner nun „keine sonderliche Ehre mehr, an den Horen Theil zu neh- men.“14 Doch wenn das gesamte Mitarbeiterverzeichnis der Horen betrachtet wird, sind die genannten sechs Autorinnen immer noch eine Minderheit, weswegen ihnen nicht der Leistungsabfall zugeschrieben werden kann.15
Ein Grund fur die Unterreprasentation der Schriftstellerinnen in den Horen kann die zeitgemaBe eigene Rollenzuschreibung sein. Frauen des 18. Jahrhunderts sehen sich in Bezug auf die Schriftstellerei in einer Schulerrolle, wohingegen die Manner die Fuhrungsrolle ubernehmen.
Das Vertrauen der Frauen in das eigene Schaffen sowie die Identifizierung mit diesem ist des- wegen nicht besonders groB. Oft gelangen ihre Texte nur uber Vermittlungsinstanzen zu Schiller. Diese ermuntern die Schriftstellerinnen, Texte fur Schillers Horen bereit zu stellen. Solche Vermittler*innen waren beispielsweise die Schwagerin Schillers, Caroline von Wolzogen oder Heinrich Meyer, ein Freund Goethes.16
3 Per Roman Agnes von Lilien
Agnes von Lilien ist ein Bildungsroman der Schwagerin Schillers, Caroline von Wolzogen. Er erscheint 1797, wirdjedoch auf 1798 vordatiert und wird in zwei Banden bei Johann Friedrich Unger herausgegeben. Zuvor erschien der erste Teil des Romans 1796 und 1797 in den Horen, Schillers Zeitschrift.17
Der Roman gilt als einer der bekanntesten Frauenromane des 18. Jahrhunderts und macht die Autorin Caroline von Wolzogen zu einer bekannten Schriftstellerin. Die Handlung ist komplex und voller Geheimnisse, welche im Laufe des Romans aufgeklart werden.
3,1 Agnes von Lilien als Frauenroman
Agnes vonLilien gilt als ein typischer Frauenroman des 18. Jahrhunderts und erfreut sich groBer Beliebtheit. Das Genre des Romans erlebt im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts einen Auf- schwung und ist besonders bei Schriftstellerinnen beliebt.18 Die Romanform erleichtert es den Frauen in der Schriftstellerszene Anschluss zu finden. Das liegt zum einen daran, dass es im Roman keine festen formellen Vorgaben gibt. AuBerdem sind die Schwellenangste in diesem Genre fur die Frauen deutlich geringer. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ist der Roman ein unbeliebtes Genre und gilt eher als niedrige Kunst. Die literarisch angesehenen Formen sind bis dahin die Dichtung und das Drama.19
Der Romans Agnes von Lilien behandelt das typische Thema eines Frauenromans: die psychi- schen Befindlichkeiten des Helden. In diesem Roman ist dies die Protagonistin Agnes. Dass weibliche Heldinnen zu den zentralen Personen in den Werken werden, ist ein auffalliges Merk- mal des Frauenromans.20
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1 Schlegel, Friedrich2005: S. 267.
2 vgl. Weckel, Ulrike 1998: S. 28 f.
3 vgl. Brandes, Helga 1990: S. 42.
4 Schiller, Friedrich 1871: S. 266 f.
5 vgl. Schieth, Lydia 1987: S. 71.
6 ebd.: S.71.
7 vgl. ebd.: S. 74.
8 Schiller, Friedrich 1943, Bd. 35: S. 320.
9 vgl. Schieth, Lydia 1987: S.72f.
10 vgl. ebd.: S. 71.
11 ebd.: S. 75.
12 vgl. ebd.: S. 75.
13 vgl. ebd.: S. 75.
14 SchlegelanKomer, zitiert nach: ebd.: S. 75.
15 vgl. ebd.: S. 75.
16 vgl. ebd.: S. 76.
17 vgl. Anz, Thomas 2005: S. 266.
18 vgl. Gallas, Helga / Heuser, Magdalene 1990: S. 2.
19 vgl. Brandes, Helga 1990: S. 44.
20 vgl. Gallas, Helga / Heuser, Magdalene 1990: S. 3 f.