Diese Arbeit beschäftigt sich mit verschiedenen Fragestellungen gesundheitsbezogener Führung.
1. Personale und strukturelle Führung
2. Praktische Führungsdilemmata
3. Transformationaler und transaktionaler Führungsstil
Inhaltsverzeichnis
1. Aufgabe 1: Personale und Strukturelle Fuhrung
2. Aufgabe 2: Praktische Fuhrungsdilemmata
3. Aufgabe 3: Transformationaler und transaktionaler Fuhrungsstil
Literaturverzeichnis
1. Aufgabe 1: Personale und Strukturelle Fuhrung
Moderne Fuhrung ist anspruchsvoller als je zuvor. Anforderungen steigen stetig und werden zudem komplexer.1 Umso vielseitiger und unterschiedlicher sind allerdings auch die Fuhrenden in den Unternehmen. Personlichkeit, Charisma, Ausstrahlung und die individuellen Eigenschaften der Fuhrungskraft stehen immer mehr im Zentrum nachhaltiger und erfolgreicher Personalauswahl und pragen daher auch den gelebten Fuhrungsstil der jeweiligen Organisation.2
Angewandtes Fuhrungsverhalten differenziert sich nicht allein durch die Methoden, sondern bereits in der Grundgesinnung und Orientierung des Fuhrenden3. Im besten Fall spiegelt die Personalfuhrung die im Unternehmen gewunschten und geltenden Werte wider, verhalt sich entsprechend der informellen und formellen Normen und identifiziert sich mit der Vision des Konzerns. Auf kleinster Ebene - dem direkten Kontakt mit den gefuhrten Mitarbeitern - bleiben der Fuhrungskraft jedoch sehr viele Handlungs- und Entscheidungsspielraume fur das im Alltag gezeigte Fuhrungsverhalten.4
Die Forschung untersucht daher seit mehreren Jahrzehnten wirtschaftlich und menschlich erfolgreiche Fuhrer und entwickelt immer wieder neue Konzepte, die neue, aber auch bestehende Fuhrungskrafte ubernehmen und in ihre Arbeit implementieren konnen.
Um nun allerdings auf diese Merkmale und Arten erfolgreicher Fuhrung eingehen zu konnen, ist vorab zu definieren, was uberhaupt unter dem Begriff der Fuhrung verstanden werden kann. Grundsatzlich ist Fuhrung jede Form der Einflussnahme auf Andere und somit die Gelegenheit, Interessen (der Person selbst oder der Organisation) auch gegen den Willen Anderer durchzusetzen. Dieser Machteinsatz kann direkt oder indirekt erfolgen und lasst sich bei jeder Interaktion zwischen dem Fuhrenden und den Gefuhrten beobachten.5
Ausgehend von der Annahme, dass ein Vorgesetzter immer Macht auf seine Mitarbeiter ausubt, konnen jedoch verschiedene Quellen von Macht und somit auch andere Formen der Einflussnahme unterschieden werden.
Personale Macht auf der einen Seite zeichnet sich dadurch aus, dass der Fuhrende im direkten Kontakt mit dem Gefuhrten steht.6 Ein uberwiegend personaler Stil - also Fuhrungsverhalten bei dem personale Macht ausgeubt wird - ist mitarbeiterorientiert, individuell und lebt durch die unmittelbare Einwirkung auf die Arbeitskraft.7 Beschaftigte fuhlen sich verstanden, bekommen direktes Lob und erleben Wertschatzung und Anerkennung in ihrer Tatigkeit. Probleme und Konflikte werden auf unkomplizierte, personliche Weise geklart und die zwischenmenschlichen Beziehungen profitieren von einem sehr engen Zusammenhang der Arbeitnehmer. Eine personale Fuhrungskraft weist vor allem eine ausgepragte Empathie und eine gute Menschenkenntnis sowie uberdurchschnittliche Soft Skills auf. Den groBten Nachteil hat rein personales Fuhrungsverhalten in der Ganzheitlichkeit und dem Vernetzen verschiedener Probleme, Prozesse und Fachbereiche. Durch die individuelle Betrachtung der jeweiligen Mitarbeiter kommt es zu Differenzierungen, die wiederum zu Ungleichbehandlungen fuhren konnen. Im personalen Stil ist daher insbesondere auf eine einheitliche Vorgehensweise zu achten.
Demgegenuber steht die strukturelle Macht. Hierbei ist der Kontakt im Fuhrungsverhaltnis indirekt, mittelbar oder apersonal und wird eher durch Bedingungen und Strukturen deutlich.8 Die Beschaftigten erleben hier vor allem gute Planbarkeit, Ubersicht sowie reduzierte Verantwortung und Komplexitat.9 Ausgepragt strukturelle Fuhrungsweisen bieten die Moglichkeit, durch Regeln, Ablaufe und Hierarchien ein System zu schaffen, in dem der Arbeitnehmer wenig Autonomie hat und somit weniger Fehler geschehen. Allerdings besteht gleichzeitig auch die Gefahr einer Unterforderung beziehungsweise einer psychologischen Unterdruckung. Zudem sind Erfolge und ein verwertbares Feedback schwerer messbar als im direkten personlichen Kontakt. Anpassungen oder Optimierungen konnen daher erst mittelbar durchgefuhrt werden und zeigen erst verzogert ihre Wirkung. Ein struktureller Vorgesetzter uberzeugt durch Weitsicht, gute Ubersicht und Kontrolle, kann gut mit Zahlen und Fakten umgehen und weiB, wie er darauf zu reagieren hat.
Die beiden hier sehr plakativ dargestellten Fuhrungsweisen lassen eine Unterteilung von Fuhrungsverhalten zu, konnen aber in der Praxis selten so klar gemessen werden. Wie zu Beginn des Kapitels erlautert, ist jede Fuhrungskraft einzigartig und agiert unter anderem anhand personlicher und organisationaler Werte und Gedankenkonstrukte, die von auBen nicht sichtbar und oft unbewusst verankert sind. Eine erfolgreiche Fuhrung im Sinne einer wirtschaftlichen und menschlichen Betrachtung braucht beide Aspekte, sodass die beiden Machtarten sich in gewisser Weise gegenseitig bedingen.
An dieser ist auszufuhren, was Erfolg fur eine Fuhrungskraft bedeutet. Der Begriff des Erfolges oder Misserfolges ist zutiefst subjektiv zu bewerten und kann nicht immer nachverfolgt oder belegt werden. In erster Linie zahlt im betrieblichen Kontext naturlich der Unternehmenserfolg, welcher sich anhand von Umsatz- und Effizienzfaktoren ablesen lasst. Jedoch beeinflussen den Bestand und die Wettbewerbsfahigkeit einer Firma auch viele kleinere, unscheinbarere Eigenschaften, wie etwa die Personalbindung, die Arbeitgeberattraktivitat, die psychologische Motivation der Belegschaft sowie die Konformitat und Identifikation im und mit dem Unternehmen. Wenn also eine Fuhrungskraft erfolgreich sein soll, muss sie sowohl personliche als auch strukturelle Aspekte abdecken und moglichst viele Bedurfnisse der Beteiligten befriedigen. Dabei sind Interessen der Geschaftsfuhrung und der Organisation an sich ebenso zu berucksichtigen, wie die personenbedingter der Fuhrungskraft selbst und die der Mitarbeiter.10
Alles in allem lasst sich sagen, dass eine erfolgreiche Fuhrungskraft die Vorteile und Eigenschaften struktureller und personaler Machtanwendung kennen und nutzen sollte. Auch wenn betriebliche Machtverhaltnisse oder die Auswirkungen der Ausubung im Fuhrungsverhaltnis nicht immer messbar oder klar sichtbar sind, so hilft die in diesem Kapitel getroffene Abgrenzung dabei, Fuhrungsverhalten besser nachzuvollziehen und somit Merkmale und Aspekte erfolgreicher Fuhrung abzuleiten, um daraus konkrete Empfehlungen fur die Praxis abzuleiten.
Was sich hierfur in der Praxis wesentlich leichter untersuchen und messen lasst als die Machtarten, sind die angewandten Fuhrungsinstrumente. Jeder Vorgesetzte wendet Methoden an, trifft Entscheidungen und steuert Systeme und Prozesse. Diese menschenbezogene Komponente unterscheidet sie von den Fachkraften und eher aufgabenorientierten Mitarbeitern. Die gezeigte Fuhrungsinstrumente lassen sich dann wiederum den beiden obigen Machtquellen zuordnen, woraus sich dann eine Tendenz im Fuhrungsstil ableitet.
Personale Instrumente sind alle MaBnahmen, die im personlichen Kontakt mit den Beschaftigten vorgenommen werden. Allen voran ist hier das Mitarbeitergesprach zu nennen, da dieses die unmittelbarste Interaktion zwischen dem Fuhrenden und den Gefuhrten darstellt.11 Solche Gesprache bilden die Informationsgrundlage fur die meisten personellen Entscheidungen und deuten daher auf den Kern personaler Macht.12 Bewertungen beziehungsweise betriebliche Beurteilungen werden ebenso aufgrund dieser Interaktionen festgesetzt wie die Planung fachlicher und personlicher Entwicklungen durch Fort- und Weiterbildungen.
Grundsatzlich gibt es viele verschiedene Arten eines Mitarbeitergesprachs, die entsprechend ihrem Zweck von der Fuhrungskraft eingesetzt werden konnen. Klassischerweise werden in den meisten Organisationen regelmaBig Zielsetzungs-, Beurteilungs-, Forderungs- oder Entwicklungsgesprache sowie Fuhrungsdialoge und Interventionen (z. B. zur Problem- und Konfliktlosung) durchgefuhrt. Gemein haben diese Interaktionen zwischen dem Fuhrenden und dem Mitarbeiter, dass sie innerbetriebliche Verhaltnisse festigen oder klaren und einen Regelungscharakter haben. Letztgenanntes wird durch verbindliche Vereinbarungen (wie etwa einer Zielvereinbarung oder der Planung von WeiterbildungsmaBnahmen) erzeugt und zeichnet aus, wie effektiv ein Mitarbeitergesprach gefuhrt wurde.13
Entscheidend fur die Wirkung der Vereinbarung ist auBerdem der Handlungs- und Entscheidungsspielraum des Gefuhrten beim Dialog. Idealerweise wird der Beschaftigte in alle Uberlegungen und Festsetzungen mit eingebunden und hat fortwahrend die Moglichkeit, auf den Prozess einzuwirken. Durch diesen Kontakt zum Mitarbeiter wird nicht nur die Effektivitat des Gesprachs sichergestellt, sondern auch die Gesundheit beider Seiten gefordert, weil die Interaktion auf Augenhohe verlauft und beide Seiten ausreichend respektiert und anerkannt werden konnen.14
Bei Mitarbeitergesprachen spielen auBerdem folgende Faktoren eine Rolle:15
- Die Personlichkeit des Vorgesetzten und der Arbeitskraft sowie aller anderen Beteiligten an der Sache: Jeder Arbeitnehmer ist individuelle, verfolgt eigene Wunsche und Ziele, hat andere Probleme und identifiziert sich auf eine unterschiedliche Weise beziehungsweise zu einem anderen Grad mit der Organisation. Diese subjektiven Eigenschaften der Person wirken sich in der Kommunikation aus, insbesondere weil es bei Fuhrung und jeglicher menschlichen Kommunikation ein Zusammenspeil zwischen der Sach- und der Beziehungsebene gibt.16
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1 Vgl. Lippe (2015), S. 14-16; Novotny/Sprenger (2016), S. 120-122
2 Vgl. Hohn/Pinnow/Rosenberger (2017), S. 1-3; Furtner/Baldegger (2016), S. 16-17
3 Zur Vereinfachung und zur besseren Lesbarkeit wird hier auf eine gendergerechte Ausdrucksweise verzichtet.
4 Vgl. Hohn/Pinnow/Rosenberger (2017), S. 6-9 und 19-25; Furtner/Baldegger (2016), S. 230
5 Vgl. Becker (2002), S. 359
6 Vgl. Becker (2002), S. 343
7 Vgl. Weibler (2001), S. 117
8 Vgl. Becker (2002), S. 343
9 Vgl. Neuberger (2002), S. 39-40
10 Vgl. Lippe (2015), S. 6-7
11 Vgl. Becker (2002), S. 362-364
12 Vgl. Becker (2002), S. 362-363
13 Vgl. Becker (2002), S. 364
14 Vgl. Hohn/Pinnow/Rosenberg (2017), S. 35-39
15 Vgl. Becker (2002), S. 362-365
16 Vgl. Gurt (2013), S. 6-7