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Seminararbeit, 2018
20 Seiten, Note: 1.0
1. Einleitung und Fragestellungen
2. Die Komödie in der neudeutschen Literatur des 19. Jahrhunderts
3. Das Werk „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“
3.1 Exkurs: Der österreichische Staatsbankrott des Jahres 1811
3.2 Handlung, Bedeutung, Interpretation
4. Das Motiv der Menschenfeindlichkeit
4.1 Die Menschenfeindlichkeit bei Raimund und anderen Autoren ...
4.2 Wichtige Entstehungsfaktoren der Menschenfeindlichkeit
5. Zusammenfassung und abschließende Bemerkungen
6. Literaturverzeichnis
„Das Lachen und sein Anlass, das Komische, scheinen sich aller Regelhaftigkeit zu entziehen (...): Kaum eine literarische Gattung scheint in ihrer Wirkung (...) so prekär wie die Komödie.“1
Im Sinne dieser Feststellung über die Beschaffenheit der Komödie handelt es sich beim im Rahmen dieser Seminararbeit behandelten Werk „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ von Ferdinand Raimund um eines mit zahlreichen komödiantischen Elementen, die auch in der Bearbeitung negativ behafteter Themenkomplexe zum Einsatz kommen. So wird es auf den folgenden Seiten in erster Linie um das sowohl historisch relevante als auch allgegenwärtige Phänomen der Menschenfeindlichkeit gehen, deren Motive bereits hochrangige Schriftsteller wie etwa Raimund und Molière beschäftigten, aber bedauerlicherweise auch in die Gegenwart hineinreichen.
Im Zuge der vorliegenden Seminararbeit werden zunächst Rolle und Stellenwert der Komödie in der neudeutschen Literatur des 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt gestellt, ehe auf das von Ferdinand Raimund verfasste Werk „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ Bezug genommen wird. Einer kurzen Beschreibung der Geschichte folgt eine umfassende Untersuchung des Motivs der Menschenfeindlichkeit, die Raimund in erster Linie im Kontext des Staatsbankrotts des Jahres 1811 beschäftigt. Diesem Phänomen wird aber nicht lediglich im historischen Längsschnitt erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt; ergänzend zu einem kurzen Vergleich in der Bearbeitung zwischen Raimund und früheren Generationen von Schriftstellern wie etwa von Shakespeare oder Molière werden auch wesentliche Entstehungsfaktoren der Menschenfeindlichkeit skizziert und entsprechende Einbettungen in den geschichtlichen Kontext vorgenommen. Die Umsetzung der hier beschriebenen Vorgehensweise dient vor allem der Beantwortung der Forschungsfragen, welchen Einfluss das Motiv der Menschenfeindlichkeit auf dessen literarische Verarbeitung Raimunds im Rahmen des Werkes „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ hat sowie welche Parallelen sich zwischen historischer und kontemporärer Bedeutung dieses Phänomens herausarbeiten lassen.
In teilweise noch höherem Maße als sonstige Literaturformen hat die Komödie gerade im deutschsprachigen Raum eine historische Entwicklung durchlaufen, die von vielfältigen Veränderungen geprägt ist. Eine wesentliche Eigenschaft der Komödie bzw. des „Komischen“ scheint aber die eingeschränkte Möglichkeit zur Theoretisierung zu sein, deren Grenzen laut Fischer „wesentlich darin ihren Grund [haben], dass das Komische nicht merkmalhaft objektivierbar ist, sondern sich immer nur aus einer bestimmten Subjekt/Objekt-Konstellation ergibt“.2 Mit anderen Worten: Das Komische bzw. Komödiantische schwebt nie einfach im „luftleeren Raum“, sondern bezieht sich in aller Regel auf sehr konkrete Gegenstände und/oder Personen, deren Bedeutung vom Autor in einer Art und Weise hervorgehoben wird, die eine pointierte komödiantische Bearbeitung dieser Subjekte und Objekte, auch und vor allem im gegenseitigen Zusammenspiel, ermöglicht und veranschaulicht.
Damit in Einklang steht auch die vom Reallexikon vorgenommene Interpretation der Komödie in der neudeutschen Geschichte, die hervorhebt, dass sich „(d)ie Komiktheorie der Frühen Neuzeit (...) nicht auf eine einheitliche Tendenz festlegen [lässt]: Neben psychologisierenden Theorien gibt es solche, die das Komische aufgrund spezifischer Eigenschaften des Gegenstandes zu erklären versuchen“.3 Gemeinsam haben die hier beschriebenen Auffassungen also in erster Linie die grundsätzliche Überzeugung, dass sich eine pointierte Darstellung „des Komischen“ immer nur dann zur Gänze realisieren lässt, wenn sich im Rahmen eines Werkes konkrete Elemente hervortun, die als Bezugspunkte der komödiantischen Bearbeitung dienen. Dies können beispielsweise Charaktereigenschaften der Protagonistin bzw. des Protagonisten, die Art der Entwicklung zwischenmenschlicher Beziehungen zwischen Haupt- und Nebenfiguren oder auch Paradoxien und Widersprüche zwischen den Einstellungen und entsprechenden Verhaltensweisen verschiedener Personen sein, um nur einige zu nennen.
Worin aber besteht die bereits angesprochene dynamische Entwicklung der Komödie als literarische Publikationsform im historischen Zeitverlauf? Diese Frage lässt sich primär mit Blick auf einen sich in ausgeprägtem Maße während der Epoche der Aufklärung vollziehenden gesellschaftlichen Wandel beobachten, der sich für die Literaten der damaligen Zeit natürlich keinesfalls unbemerkt vollzog, sondern im Gegenteil zu einem zentralen Bezugspunkt künstlerischer wie literarischer Werke emporstieg. Eine „wesentliche Zäsur“ ist demnach gemäß Fischer „sicherlich nicht schon in der Antike, auch nicht in der Renaissance oder der Klassik zu suchen, sondern in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und ihrer Ausdifferenzierung einer bürgerlichen Privatsphäre“.4 „Das Private“ wurde spätestens mit dem ausgehenden 18. sowie dem beginnenden 19. Jahrhundert gewissermaßen zum „Hort der moralischen Norm“5, was sich vor allem darin widergespiegelt haben dürfte, dass der Fokus des literarischen Erkenntnisinteresses nun in sehr viel höherem Maße auf die privaten Lebensbedingungen der Menschen gerichtet war. Eine Zunahme sozialkritischer Ansätze ist vor diesem Hintergrund kaum wegzudiskutieren: Sozioökonomische Gegensätze zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Ständen werden gerade zu Raimunds Zeiten in einem bis dato nicht gekannten Ausmaß thematisiert und mit großer literarischer Akribie bearbeitet.
Ging es einleitend vermehrt um „Motive“ des Autors bei der Ausarbeitung seines Werkes, soll der Präzision halber an dieser Stelle zumindest kurz darauf eingegangen werden, was damit konkret gemeint ist: Unter einem „Motiv“ versteht man demnach eine „kleinere stoffliche Einheit, die aber bereits ein inhaltliches situationsmäßiges Element und damit einen Handlungsansatz darstellt“6, wohingegen „Einzelstücke sogenannter Züge und Bilder, die der näheren Charakterisierung, dem Schmuck, der Stimmung oder auch der geistigen Erhellung des Inhalts dienen“ nicht als Motive zu verstehen sind, da diese stets „Personen und Sachen nicht isoliert, sondern im Zusammenhang (zeigen)“.7
Der folgende Teil dieser Arbeit beschäftigt sich nun sowohl mit dem Aufbau der Geschichte „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ als auch mit den zahlreichen darin enthaltenen Motiven des Autors, zu deren Bearbeitung ganz gewiss auch sozialkritische Elemente herangezogen worden sind.
Das sogenannte ,romantisch-komische Original-Zauberspiel' Ferdinand Raimunds mit dem Titel „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ wurde im Herbst des Jahres 1828 am Wiener Leopoldstädter Theater uraufgeführt und erlangte binnen weniger Jahre internationale Berühmtheit.Raimund bediente sich in der Ausarbeitung seines Werkes des sogenannten „Besserungsstückes“, einer Spielart des Zauberstückes, das primär durch eine im Mittelpunkt der Handlung stehende Figur gekennzeichnet ist, die sich aus Dummheit, Unzufriedenheit oder Vermessenheit von der konventionellen Gesellschaftsordnung zu distanzieren entscheidet. Die besagte ,Besserung' kommt indes durch eine Art Rettungsaktion nicht kalkulierbarer Kräfte in Gestalt magischer Figuren zustande, auf die zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher eingegangen wird, und erweist sich nur dann als glaubwürdig, wenn sie auf so genuine, authentische Weise ausgestaltet ist, dass sich das entsprechende Publikum tatsächlich damitidentifizieren kann.
Bemerkenswert ist hierbei vor allem die Beobachtung, dass sich die Strahlkraft des Stückes innerhalb eines so kurzen Zeitraums auf ein Publikum ausdehnte, das weit über die ursprünglich anvisierte Zielgruppe hinausreichte: „Mit ,Der Alpenkönig und der Menschenfeind' verließ höchst erfolgreich ein Werk, das der Wiener Komödie entstammt (...) den Bereich, für den es ursprünglich bestimmt und in seiner Struktur, Sprache, seinem Personal und seiner Ideologie in hohem Maße verpflichtet war“.6 78
Dieser Erfolg ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass es dem Autor auf herausragende Weise gelungen ist, eine Reihe zum damaligen Zeitpunkt hoch relevanter und brennender Themen in seinem Werk zu bearbeiten, die bei weitem nicht nur die lokale Wiener Bevölkerung betrafen, sondern vergleichbare Zielgruppen in zahlreichen anderen (europäischen) Ländern (nicht nur) zum Zeitpunkt der Publikation beschäftigten. Zu diesen sind etwa die Problematik der sozialen Disparitäten zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Ständen, aber auch das damit verbundene Misstrauen der (vor allem ,einfachen') Bevölkerung infolge des Staatsbankrotts des Jahres 1811 sowie die zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlicher zu thematisierende und mitunter daraus erwachsende Menschenfeindlichkeit zu zählen.
Der österreichische Staatsbankrott des Jahres 1811 avancierte, wenn auch nicht unbedingt auf den ersten Blick, zu einem den Zeitgeist des frühen bis mittleren 19. Jahrhunderts im mitteleuropäischen Raum nachhaltig prägenden Ereignis, auf das auch im Rahmen des Werkes „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ zumindest mittelbar Bezug genommen wird. Die massiven Kriegsreparationen, zu deren Entrichtung sich das österreichische Kaisertum infolge zahlreicher militärischer Niederlagen gezwungen sah, verschlangen nach einiger Zeit einen so hohen Anteil der Staatseinnahmen, dass im Jahre 1811 schließlich der Staatsbankrott ausgerufen werden musste. Dies führte vor allem auf Seiten der ,einfachen Bevölkerung' zu einer rasanten Entwicklung nachhaltigen Misstrauens in die politischen Akteure, mit denen fortan in erster Linie Steuerverschwendung, Ausbeutung der ,kleinen Leute' sowie eine massive Verschärfung sozialer Missstände für ohnehin unterprivilegierte gesellschaftliche Schichten in Verbindung gebracht wurden. Somit kann es kaum als verwunderlich gelten, dass aus diesem Misstrauen ein gesellschaftliches Klima erwuchs, das wohl mit „defensivem Egoismus“treffend umschrieben sein dürfte:
8 Schmidt-Dengler, Wendelin (1977): Raimund - Der Alpenkönig und der Menschenfeind. In: Die deutsche
Komödie - vom Mittelalter bis zur Gegenwart (S. 160). August Bagel Verlag, Düsseldorf.
Viele Menschen zogen sich in ihren eigenen kleinen Mikrokosmos und somit in ihren „allerprivatesten Bereich“ zurück und entwickelten durch diese soziale Isolation mitunter misanthrope Züge, die zahlreiche Betroffene einer ganzen Generation negativ prägen sollten. Dieser Rückzug hatte während der Epoche des als heute so bezeichneten „Vormärz“, die von immer stärker aufkommendem, durch Verfolgung und Unterdrückung gekennzeichnetem Nationalismus geprägt war, freilich auch mit der weitläufig um sich greifenden Angst vor Pauperismus und Bespitzelung zu tun: Der Übergang vom Agrar- zum Industriestaat begann sich zu vollziehen und war mit immensen sozialen Abstiegsängsten in weiten Teilen der Bevölkerung, die so recht niemandem mehr zu trauen vermochten, verbunden. Diesen historischen Kontext gilt es in der Interpretation des im Rahmen dieser Seminararbeit behandelten Stückes unbedingt zu beachten, denn die damaligen gesellschaftlichen Missstände liefern beeindruckende Erklärungsmuster für die Herausbildung einer sich immer stärker herausbildenden Misanthropie in der österreichischen Gesellschaft, als deren Opfer sich im Übrigen auch der Schriftsteller Ferdinand Raimund selbst sah.
Ohne einer reinen Inhaltsangabe des Werkes übermäßig viel Raum geben zu wollen, ist zumindest eine grobe Skizzierung der Handlung von Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ für eine detailliertere Analyse unerlässlich. Beim misanthropen Protagonisten namens Rappelkopf handelt es sich um einen (ehemalig) wohlhabenden, angesehenen Buchhändler, der aufgrund vermeintlich betrügerischen Verhaltens in seinem beruflichen Umfeld beinahe finanziell ruiniert wird und infolge dieser Geschehnisse beginnt, einen anderen - negativeren - Blick auf seine Mitmenschen zu entwickeln. Von seiner (gefühlten) Großzügigkeit und Naivität gebrandmarkt, verfestigt sich bei Rappelkopf infolgedessen eine Art grundsätzliches Misstrauen, was sich nicht zuletzt darin manifestiert, dass er in jeder Handlung etwas Böses, Vergiftetes zu wittern beginnt. Die Konsequenz ist der totale Rückzug in die Isolation: Seine Familie und Dienerschaft leben ebenso wie er selbst bar jeder konkreten Perspektive, die nicht zuletzt auch in einen massiven Realitätsverlust zu münden droht.Für die Figur des Protagonisten bedient sich Raimund in diesem Sinne des Motivs eines global enttäuschten, frustrierten Hypochonders und seiner
[...]
1 Warning, Rainer (1976): Komik/Komödie. In: Das Fischer Lexikon (Literatur Band 2, S. 897). Fischer Taschenbuch Verlag, Berlin.
2 Warning, Rainer (1976): Komik/Komödie. In: Das Fischer Lexikon (Literatur Band 2, S. 897). Fischer Taschenbuch Verlag, Berlin.
3 Kablitz, Andreas (1998): Komik, Komisch. In: Reallexikon Komik/Komödie (S. 291). Bereitgestellt von: Universität Wien (26.06.2013).
4 Warning, Rainer (1976): Komik/Komödie. In: Das Fischer Lexikon (Literatur Band 2, S. 927). Fischer Taschenbuch Verlag, Berlin.
5 Warning, Rainer (1976): Komik/Komödie. In: Das Fischer Lexikon (Literatur Band 2, S. 927). Fischer Taschenbuch Verlag, Berlin.
6 Frenzel, Elisabeth (1978): Stoff-, Motiv- und Symbolforschung (4. durchgesehene und ergänzte Auflage, S. 24ff.). Metzler Verlag, Stuttgart.
7 Frenzel, Elisabeth (1978): Stoff-, Motiv- und Symbolforschung (4. durchgesehene und ergänzte Auflage, S. 24ff.). Metzler Verlag, Stuttgart.
8 Schmidt-Dengler, Wendelin (1977): Raimund – Der Alpenkönig und der Menschenfeind. In: Die deutsche Komödie – vom Mittelalter bis zur Gegenwart (S. 160). August Bagel Verlag, Düsseldorf.
Hausarbeit, 32 Seiten
Seminararbeit, 26 Seiten
Kulturwissenschaften - Allgemeines und Begriffe
Hausarbeit (Hauptseminar), 31 Seiten
Hausarbeit (Hauptseminar), 25 Seiten
Hausarbeit, 32 Seiten
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