Anhand von Primärquellen und aktueller Sekundärliteratur gibt die Arbeit einen genauen Überblick über das Phänomen rechtsextremer Musik, welches sich keineswegs bloß auf Deutschland beschränkt. - Es wird die Entstehung und Geschichte dieser Subkultur behandelt; vorbehaltlos werden alle in den Musiktexten aufzufindenden Themen und der entsprechende Hintergrund offengelegt. Anschließend geht es um den zentralen Aspekt des Vertriebs sowie um die Hörerschaft rechtsextremer Musik - bezeichnend für diese Arbeit - denn dem soziale Blickwinkel muss hier der Vorzug gegeben werden; tiefgehende musikalische Analysen erweisen sich als sinnlos bzw. unmöglich. Zuletzt werden noch einige Entwicklungstendenzen aufgezeigt. Das Fazit: gerade wegen der heute allgemeinen Verfügbarkeit des Internet ist bezüglich der rechtsextremen Musik noch keineswegs ein Ende in Sicht.
Inhaltsverzeichnis
Quellenangabe
1. Rechtsextreme Musik - ein (ausschließlich) deutsches Phänomen?
2. Entstehung und Geschichte der rechtsextremen Musik in Deutschland
2.1 Skinheads
2.2 Böhse Onkelz
2.3 Message-Rock
2.4 Regionale Verteilung der Bands
3. Inhalte und Texte
3.1 Gewalt
3.2 Deutschland
3.3 Treue und Ehre
3.4 Täter-Opfer-Problematiken
3.5 Tod
3.6 Kulte
3.7 Frauen
3.8 Alkohol und Drogen
3.9 Feindbilder
3.9.1 “Ausländer”
3.9.2 Linke
3.9.3 Der Staat
3.9.4 Christen
4. Vertrieb und Verbreitung
5. Die Konsumenten
5.1 Einteilung der Hörerschaft
5.2 Frauen als Konsumenten?
5.3 Männlichkeit(ssehnsucht) als Beweggrund?
6. Entwicklungstendenzen
Quellenangabe
- Farin, Klaus/Flad, Henning, Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland, in: Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.): Reaktionäre Rebellen, Rechtsextreme Musik in Deutschland, Berlin, 2001.
- Musik, http://www.turnitdown.de/musik/html (27.04.2005, [15:30 MEZ])
- Neuerscheinungen, 2005, http://www.8mal11.de/shopindex.htm (05.06.2005, [16:30 MEZ])
- Heß, Rudolf, 'Schlussworte vor dem Nürnberger Tribunal', 1946, http://www.leverkusener-aufbruch.com/content/ht4.html (11.06.2005 [20:30 MEZ])
- Ruopollo, Mario, Rechtsextremer Einfluss auf Jugendmusik, 2005, http://d-a-s-h.org/dossier/05/01_einfluss.html (09.06.2005, [17:00 MEZ])
Rechtsextreme Musik
1. Rechtsextreme Musik - ein (ausschließlich) deutsches Phänomen?
Zwar entstand in den 1990er Jahren in Deutschland die weltweit größte rechtsextreme Musikszene überhaupt, dennoch ist populäre rechtsextreme Musik keineswegs ein ausschließlich deutsches Phänomen. Ein Großteil der hierzulande unter Neonazis und Skinheads begehrten Tonträger wird in den USA hergestellt und auch durch US-amerikanische Anbieter, wie zum Beispiel Panzerfaust Records - ein Versand und Label, das es seit Januar 2005 unter diesem Namen nicht mehr gibt - über deren Websites vertrieben. Die Verlagerung der Produktionen ins Ausland ist eine beliebte Methode unter rechtsradikalen deutschen Musikern, durch welche hauptsächlich der Belangung aufgrund strafrechtlich relevanter Textinhalte entgangen werden soll. Jedoch nicht nur die Produktionen deutscher Bands finden im Ausland statt; es gibt auch dort rechtsextreme (Musik-)Szenen, mit denen die Deutschen nicht immer etwas zu tun haben möchten: fast immer findet eine strikte Absonderung der deutschen zu osteuropäischen Rechtsradikalen statt, was sich auch in einigen Texten niederschlägt. Besonders viele rechtsextreme Musikgruppen außerhalb Deutschlands sind in anderen europäischen Ländern (Schweden, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Tschechien, Jugoslawien, u.a.) und in Nordamerika (v.a. USA) zu finden.
2. Entstehung und Geschichte der rechtsextremen Musik in Deutschland
Die Verwendung und Perfektionierung von Musik zu Propagandazwecken fand erstmals durch das Regime des Nationalsozialismus statt. Goebbels wollte 1934, wörtlich, die “Macht über die Herzen eines Volkes” gewinnen, wozu Musik erstmals instrumentalisiert, also mit den entsprechenden Texten versehen wurde, um dann hauptsächlich in den damaligen Institutionen verbreitet zu werden und somit auch nahezu das ganze “Volk” zu erreichen. Auch nach dem Krieg wurde solches rechtsextremes Liedgut in den entsprechenden Vereinigungen, zum Beispiel der Wiking-Jugend, weiter gepflegt, jedoch mit dem entscheidenden Unterschied, dass es nun praktisch nicht mehr an die Öffentlichkeit trat und Aufsehen erregte, da dieses teils immer noch nationalsozialistische Liedgut ausschließlich im kleinen Kreis gepflegt wurde, somit nicht von der Mehrheit der Gesellschaft wahrgenommen werden konnte und dies von Staatsseite aus natürlich auch nicht geschehen sollte. Dass einige Teile des Schlagers und der Volksmusik noch nationalistische und rassistische Ideologiefragmente enthielten, war für das öffentliche Bewusstsein von einer eher geringen Relevanz. In den Fokus einer Wahrnehmung durch die breite Masse rückte Musik mit rassistisch-revisionistischen Inhalten erst wieder in den Jahren nach der Wiedervereinigung, in denen sie sich einer öffentlichen Relevanz wie schon lange nicht mehr erfreute. Damit wurde jene Musik zu dieser Zeit auch das wichtigste Verbreitungsmittel braunen Gedankenguts, hauptsächlich unter Jugendlichen. Mit Musik ließ sich ein wesentlich höherer Verbreitungserfolg rechtsextremer Ideen erzielen, als mit allen traditionellen Strategien, die bisher in der BRD verfolgt worden waren. Bis zum Beginn der neunziger Jahre hatte diese neue Form der rechtsextremen Musik jedoch lediglich ein Schattendasein gespielt. Um 1977 wurde die offiziell erste Rechtsrockband Ragnaröck von Mitgliedern des Nationaldemokratischen Hochschulbundes (NHB), der Studentenorganisation der NPD, gegründet; eine Musikgruppe, die nun erstmals revisionistische Textinhalte mit Rockmusik verband und damit gezielt Jugendliche ansprechen wollte. Unter anderem bedingt durch diese und viele andere Bands, die ihr nachfolgen sollten, kann ein Ausspruch Kardinal Joseph Ratzingers vor Mitgliedern der römischen Nationalakademie von 1997 möglicherweise nicht als generell falsch bezeichnet werden, welcher kurz und knapp lautete: “Hardrock ist Teufelswerk”[1]. Es ist wenig erstaunlich, dass auch vielen anderen Menschen Rockmusik oder Heavy Metal in Verbindung mit derartigen Texten, wenn vielleicht nicht als das Werk Satans, so doch zumindest als besonders primitiv, aggressionsfördernd und gewalttätig erscheinen musste. Ab Beginn der Neunziger, als der Rechtsrock allgemein bekannt wurde, und somit die schönen Erinnerungen, die viele mit Rockmusik verbanden, ebenso wie die ehemals politisch-progressive Haltung dieser Musikrichtung dahinzuschwinden drohten, begannen viele, das Problem des Rechtsrocks wie auch das des Rechtsradikalismus im Ganzen, auf gesellschaftliche Randzonen zu verlagern. Daran hatten sicherlich auch die Medien einen großen Anteil: im Mittelpunkt der Berichterstattung der Ereignisse von Hoyerswerda, Rostock, Solingen, Mölln u.a. standen nicht selten die gewaltbereiten Skinheads, welche somit auch ins Zentrum der allgemeinen Empörung rückten und die nun wiederum in den Köpfen vieler das eigentliche Zentrum der Probleme darstellten, obgleich sie nur der kleine, sichtbare Teil einer stark anwachsenden Subkultur waren. Einer Subkultur, die zwar nicht nur, aber hauptsächlich aus Amateuren bestand, was auch besonders auf die Musikgruppen zutraf. Auch sie waren und sind Teil einer Szene, die ihr Auftreten oft veränderte und dies auch weiterhin tun wird.
2.1 Skinheads
Die deutsche Skinheadszene, welche sich ab Beginn der Achtzigerjahre mit einer eigenen Subkultur (Konzerten, Fanzines, Plattenfirmen, u.s.w.) herausbildete, war im Gegensatz zur britischen der Sechzigerjahre schon immer, mehr oder weniger eindeutig, rechtsgerichtet. Auch das Gewalttäterimage und der Spaß der Skinheads, anderen Angst einzujagen, was sich ja schon in ihrem typischen Outfit eindeutig äußerte, waren von Beginn an vorhanden. Den deutschen Skinheads fehlte die starke ideologische Verwurzelung in der Arbeiterklasse, es wurde “weiße” Musik, nämlich zunächst Punk (in der Sprache der Skinheads als “Oi!” bezeichnet) gehört und obwohl die meisten Oi!-Bands nicht rechtsextrem oder sogar antifaschistisch eingestellt waren, war es nun - Anfang der Achtziger - erstmals möglich, gleichermaßen Skinhead und Rassist zu sein; eine Möglichkeit, welche die meisten auch ‘wahrnahmen’. Sie ignorierten die schwarzen Wurzeln ihrer Kultur, die zeitlich und räumlich weit entfernt von ihnen lagen und wandten sich schließlich auch vom links apostrophierten Punk mehr und mehr ab - es gab bereits neu gegründete Skinheadbands. Zwar lebten in Deutschland auch unpolitische oder linksgerichtete Skins, aber diese waren schon immer gegenüber den rechtsgerichteten in der Unterzahl gewesen. Nun versuchten auch Kameradschaften und andere rechtsextreme Organisationen, beispielsweise die Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS) unter Führung des als homosexuell geltenden und 1991 vermutlich an Aids gestorbenen Michael Kühnen, neue Mitglieder aus den Subkulturen (Skinheads, Fußball-Hooligans) für sich zu gewinnen. Jedoch standen viele rechtsextreme Skinheads solchen Organisationen äußerst skeptisch gegenüber: die “Scheitel-Nazis” zeigten einfach zu wenig Einsatzbereitschaft, zu wenig Gewaltbereitschaft und waren für die meisten wohl viel zu sehr das, was oft als 'kleinbürgerlich' bezeichnet wird. Die Skinheads waren zwar nationalistisch und rassistisch eingestellt, aber trotz dieser Tatsachen war für viele sowohl eine Haltung gegen die Diktatur des Nationalsozialismus oder eine neue Diktatur, als auch die Abneigung gegenüber dem Führerkult prägend; möglicherweise lag dies in ihrer Herkunft begründet, viele Skinheads dieser Zeit waren früher Punker gewesen. Diese Geschichte weisen auch die Böhsen Onkelz auf, die wohl bekannteste und wichtigste Band der deutschen Skinheadszene, die bis heute einen szeneinternen Kultstatus besitzt.
2.2 Böhse Onkelz
Vielen rechtsextremen Bands dienten die Böhsen Onkelz als Vorbild; umso öfter wurden sie denn auch beschimpft und in diversen Liedern als “Verräter” bezeichnet, als sie 1987 ihren offiziellen Ausstieg aus der Szene bekannt gaben. Im Jahre '79 als No-Name-Punkband gegründet, hatten sie als Punker zunächst Konflikte mit ausländischen Jugendgangs in Frankfurt am Main, weshalb sie auch - nach eigenen Angaben - die später indizierte Demotape “Türken raus!” aufnahmen. Sie traten zwar nie offiziell für die NPD oder andere rechtsextreme Organisationen ein, beteuerten auch immer wieder, politisch völlig desinteressiert gewesen zu sein, eine nationalistisch-rassistische Einstellung der schnell zum Skinheadkult konvertierten Onkelz lässt sich aber dennoch nicht verleugnen. Selbst mit der angeblich so wenig geliebten NPD lässt sich eine gewisse Sympathie unterstellen, denn ihr nach 1980 veröffentlichtes Lied “Deutschland den Deutschen” weist im Titel eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Bundestagswahlslogan der NPD von 1980 auf, welcher “Ausländerstopp - Deutschland den Deutschen!” lautete. Wenn die Onkelz wirklich so entschieden gegen organisierte Rechtsextreme gewesen wären, so hätten sie sich zumindest Gedanken über die Außenwirkung ihrer Aufnahmen machen müssen. Denn unter anderem diese Außenwirkung war von entscheidender Bedeutung für viele junge Skinheads, die sich immer mehr in Richtung organisierter Rechtsradikaler orientierten. Als was auch immer sich die Onkelz selbst definierten, sie gewannen mit der Veröffentlichung ihrer ersten und bekanntesten LP “Der nette Mann” (1984) einen Einfluss, der weit über Frankfurt hinausreichte. Spätestens durch das Verbot der LP im Jahre 1986 wurde diese zum Kultobjekt, die Band erfuhr nochmals einen Auftriebsschub und wurde in der rechten Szene noch beliebter. Nachdem sich allerdings immer mehr Skinheads den Organisationen der Neonazis zuwandten und auch die neu Hinzukommenden meist schon ideologisch eher Neonazis als Skinheads waren, gingen die Onkelz auf Distanz, um nach einigem Klagen und Bedauern über den starken Rechtsdrift der Szene ihren oben schon erwähnten Ausstieg bekannt zu geben.
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[1] Ratzinger, Joseph, 1997, zitiert bei: Farin, Klaus/Flad Henning: Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland, in: Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.): Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland, Berlin, 2001, S. 172, Anm. 2.