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Hausarbeit, 2007
26 Seiten
1. DIE AGGRESSIV-DISSOZIALE VERHALTENSSTÖRUNG
1.1 Diagnostik nach DSM-IV und ICD-10
1.2 Komorbide Störungen
1.3 Ursachen für die Entwicklung aggressiver Verhaltensmuster
2. HYPERKINETISCHE STÖRUNGEN - ADHS
2.1 Diagnostik nach DSM-IV und ICD-10
2.2 Komorbide Störungen
2.3 Ursachen für die Entstehung einer hyperkinetischen Störung
3. THERAPIEFORMEN
Quellen
Mit dem Eintritt eines Kindes in den Kindergarten, kommen auf dieses verschiedene neue Situationen zu, die bewältigt werden müssen. Der - im Optimalfall - schützende Rahmen der Familie ist in der Betreuung im Kindergarten nicht mehr gegeben. Das Kind muss somit in Anpassung an die neue Umgebung die eigene soziale Kompetenz erweitern und festigen. Zu den Entwicklungsaufgaben, die im Kindergartenalter bewältigt werden müssen, zählen neben dem Erlangen einer gewissen Selbstständigkeit in den profanen Dingen des Alltags, wie beispielsweise das selbstständige Anziehen nach dem Mittagsschlaf ganz klar auch die Sprachentwicklung und die Fähigkeit der klaren Ausformulierung eingener Bedürfnisse. Diese kognitiven Ausdifferenzierungen fördern nach Koglin und Petermann die Aufmerksamkeitsleistung und Merkfähigkeit des Kindes und tragen zu einer verbesserten Phantasietätigkeit bei, die dem Kind in Spielsituationen zugute kommt. Einige Kinder jedoch scheinen diesen neuen Anforderungen jedoch nicht gewachsen zu sein oder ihnen gelingt die Anpassung an die neue Lebenssituation nicht so leicht, wie es bei anderen Kinder der Fall ist. Sie fallen durch ein schwieriges Temperament auf und stellen Erzieherinnen und Eltern vor Herausforderungen, die viel Geduld und Verständnis erfordern, jedoch mit pädagogischem Geschick durchaus gefördert werden können. Ein kleiner Teil erfordert jedoch so viel Aufmerksamkeit, dass dies in einer normalen Betreuung kaum zu schaffen ist. Diese Kinder können unter einem der im Folgenden dargestellten Störungen im Kindes- und Jugendalter gehören und sollten so früh wie möglich entsprechend ihrer Defizite gefördert werden.
Die aggressive-dissoziale Störung gehört zu den extemalisierenden Verhaltensstörungen und wird in der Regel ausschließlich bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert. Eine der vier Merkmalsgruppen, die die Diagnose „Störung des Sozialverhaltens“ bilden, ist das aggressive Verhalten gegenüber Menschen und Tieren. Um Merkmale präzise erfassen zu können, erscheint es sinnvoll, dissoziales Verhalten und die verschiedenen Formen aggressiven Verhaltens unterscheiden zu können.
Als dissozial werden Verhaltensweisen angesehen, die soziale Regeln und Prinzipien des Zusammenlebens verletzen. Aggressives Verhalten geht darüber hinaus, ist gegen Personen oder Objekte gerichtet und kann einen physischen oder emotionalen Schaden verursachen. Die Fokussierung auf die Schädigung von Personen und Gegenständen erschwert das Zusammenleben mit anderen Menschen erheblich und macht so laut Kadzin (1997), die aggressiv-dissoziale Störung zu einem der häufigsten Vorstellungsanlässe in der kinder- und jugendpsychotherapeuti sehen Praxi s.
Da die Langzeitprognose für diese Störung relativ schlecht ausfällt und dazu oft eine unzureichende Therapiemotivation vorliegt, handelt es sich hierbei um eine der kostenträchtigsten Störungen überhaupt.
Um die Heterogenität aggressiven Verhaltens erfassen, komorbide Störungen identifizieren und psychosoziale Beeinträchtigungen und Kompetenzen abschätzen zu können ist es sinnvoll, die auftretenden Aggressionsformen durch unterscheidliche Verfahren der Aggressionsdiagnostik zu untersuchen und einzuordnen. Diese Verfahren unterscheiden sich hinsichtlich ihres Zugangs (indirekt vs. direkt), der Erfassungsbreite (spezifischer vs. breiter Bereich psychischer Störungen) oder ihrer Strukturiertheit (hoch vs. niedrigstrukturiert). (Vgl 4, S. 45)
Diese Verfahren sollen hier nicht näher erläutert werden, jedoch werde ich nachfolgend kurz auf die verschiedenen Formen aggressiven Verhaltens eingehen. Aggressives Verhalten kann unterteilt werden in offenes und verdecktes aggressives Verhalten, sowie in reaktive und proaktive Aggression.
Von offenem aggressivem Verhalten spricht man bei heftigen Wutausbrüchen mit Zerstörung von Gegenständen, Drohungen und offen gezeigter verbaler und physischer Aggression. Die offene Form der Aggression ist feindselig, impulsiv und unkontrolliert.
Wohingegen die verdeckte Form kontrolliert und instrumentalisiert und sich in Lügen, Stehlen, Betrügen, verstecktem Provozieren und in heimlicher Rache (z. B. Feuer legen) äussert.
Bei aggressivem Verhalten, welches explosiv bei geringen Anlässen als Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung oder Provokation durch das soziale Umfeld auftritt, spricht man von impulsiv-reaktiver Aggression.
Proaktiv-aggressives Verhalten wird zielgerichtet und funktional eingesetzt und zielt auf persönliche (soziale Dominanz) oder materielle Vorteile, die durch die Verletzung derRechte anderer Menschen erreicht werden sollen. (Vgl. 2, S. 295) Die Unterscheidung in rein proaktive und reaktive Aggression kann in der Praxis jedoch nur selten getroffen werden, da in den meisten Fällen ein Mischtyp der Aggressionsformen vorliegt.
Zur Beschreibung geschlechtsspeziefischer Aggressionsformen hat Petermann zusätzlich die Unterscheidung zwischen körperlicher., also in offener und direkter Konfrontation mit dem Opfer auftretende Aggression, und der indirekten, die sozialen Beziehungen einer Person betreffenden, manipulativen Form der Aggression eingeführt. Die direkte, körperliche sowie die instrumentelle Aggression wird eher mit dem männlichen Geschlecht in Verbindung gebracht und liegt laut Petermann in den Besonderheiten und der Funktionalität der Aggression für geschlechtsspezifische psychosoziale Entwicklungsaufgaben - bei Jungen insbesondere durch das starke Dominanzsstreben in der Gruppe begründet. Wohingegen für Mädchen die indirekt-aggressiven Verhaltensformen in sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen von besonderer Bedeutung sind. Weiterhin neigen Mädchen eher zu emotionaler Aggression aufgrund des Verlustes von Selbstkontrolle, das auch in enger Beziehung zu selbstverletzendem Verhalten steht. Während aggressives Verhalten bei Jungen bereits früh beobachtet werden kann, tritt dieses bei Mädchen trotz vergleichbarer Entwicklungsperioden (schwieriges Temperament, kognitive Defizite, mangelndes Impulskontrolle) meist erst zu Beginn der Pubertät, also ab dem 11. Lebensjahr auf. Dies versucht Petermann durch die Verminderung der Selbstachtung aufgrund starker körperlicher Veränderungen in Verbindung mit nachlassender elterlicher Kontrolle zu erklären.
Im Gegensatz zu Jungen verfügen Mädchen über stärker ausgeprägtes prosoziales Verhalten und differenzierte soziale Fertigkeiten, die aggressives Verhalten reduzieren können. Die differenzierte Entwicklung kann einerseits durch unterschiedliche Reaktion der Eltern auf aggressives Verhalten bei einem Jungen und bei einem Mädchen erklärt werden. Darüber hinaus werden Unterschiede in der biologischen Reifung, sowie der kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung angeführt. So durchlaufen Mädchen diese Entwicklung schneller als Jungen und „generieren somit beispielsweise in einem früheren Alter prosoziale stattaggressiveProblemlösestrategien“. (Vgl. 4, S. 19)
Ein weiteres Kennzeichen dieses Störungsbildes ist die generelle Verweigerungshaltung (oppositionelles Trotzverhalten), die sich in verbalen Äußerungen und Verhaltensweisen gegenüber Erwachsenen zeigt und meist als aufsässig, provokant und feindselig empfunden wird.
Robbins (1991; 1996) konnte in seinen Untersuchungen eine Verbindung zwischen aggressiv-opposotionellem Verhalten im Kindesalter und der Entwicklung einer antisozialen Persönlichkeitsstörung sowie dem Substanzmißbrauch im Erwachsenenenalter empirisch belegen.
Die aggressiv-dissozialen Verhaltensstörung beginnt in der Kindheit oder im frühen Jugendalter und ist gekennzeichnet durch ein „sich wiederholendes Verhaltensmuster, das die Verletzung grundlegender Rechte anderer sowie wichtiger, altersrelavanter Normen und Regeln umfasst.“ (Vgl. 3, S. 3)
Nach DSM-IV müssen klinisch bedeutsame, psychosoziale Beeinträchtigungen auftreten und eine bestimmte Anzahl der folgenden Verhaltensweisen vorliegen, um die Diagnose „Störung des Sozialverhaltens“, als aggressiv-dissoziales Verhalten, zu rechtfertigen:
Aggressives Verhalten gegenüber Menschen und Tieren:
Dazu gehört das Einschüchtern oder Bedrohen anderer, das Anzetteln von Schlägereien, das Benutzen von Waffen (Schlagstöcke, Steine, zerbrochene Flaschen, Messer, Gewehre), die anderen schweren körperlichen Schaden zufügen können, körperliche Grausamkeiten gegenüber anderen, das Quälen von Tieren, Stehlen in Konfrontation mit dem Opfer (Überfälle, Taschendiebstahl, Erpressung, bewaffneter Raubüberfall) und das Zwingen anderer zu sexuellen Handlungen.
Zerstörung von Eigentum:
Unterteilt in zwei Symptome: Der vorsätzlichen Zerstörung fremden Eigentums und/oder der vorsätzlichen Brandstifung mit der Absicht, schweren Schaden zu verursachen.
Betrug oder Diebstahl:
Das beeinhaltet das Einbrechen in fremde Wohnungen, Gebäude oder Autos, häufiges Lügen mit der Absicht, sich Güter oder Vorteile zu verschaffen oder Verpflichtungen zu entgehen (andere „hereinlegen“) und das Stehlen von wertvollen Gegenständen ohne Konfrontation mit dem Opfer (Ladendiebstahl, Fälschungen).
Schwere Regelverstöße:
In Form von häufigem Schuleschwänzen schon vor dem 13. Lebensjahr, häufigem „über Nacht wegbleiben“ vor dem 13. Lebensjahr zutrotz elterlicher Verbote und/oder mindestens zweimaligem Weglaufen (über Nacht) von zu Hause (oder einmalig mit Abgängigkeit über einen längeren Zeitraum).
Die Diagnose „Störung des Sozialverhaltens“ und die weniger schwerwiegende „Störung mit oppositionellem Trotzverhalten“ sind nach DSM-IV voneinander abzugrenzen. Wohingegen der ICD-10 die Störung mit oppositionellem Trotzverhalten als Subgruppe der Störung des Sozialverhaltens behandelt und so auf die Übergänge von oppositionellem Trotzverhalten „zu den massiveren Formen aggressiv-dissozialer Verhaltensstörung“ hinweist. (Vgl. 4 Döpfner S.5) Weiterhin wird nach DSM-IV nach Störungsbeginn (vor oder nach dem 10. Lebensjahr) und Intensität (gering, moderat, hoch) unterschieden, wobei ein früher Beginn andere komorbide Störungen aufweist, als ein späterer. Der spätere Beginn führt in der Regel zu einer geringeren Zahl von Beeinträchtigungen und einer günstigeren Prognose als der frühe Beginn, der die Wahrscheinlichkeit des Auftretens delinquenter Handlungen, des Stehlens, des Substanzmissbrauchs, der vermehrten offenen Aggression und die Unterbringung außerhalb des Elternhauses erhöht. (Vgl. 3, S. 5)
Die ICD-10 unterscheidet sechs verschiedene Typen der „Störung des Sozialverhaltens“ je nach Symptomatik, Umgebung, betroffenen sozialen Bereichen und komorbiden Störungen:
Typ 1 - Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens (F91.0)
Dieser Typ wird diagnostiziert, wenn sich das aggressiv-dissoziale Verhalten völlig auf den häuslichen Rahmen oder die Interaktion mit Familienmitgliedern beschränkt und oppositionelles/trotziges Verhalten übersteigt.
Typ 2 - Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (F91.1) Der zweite Typ wird diagnostiziert, wenn das aggressive Verhalten das oppositionell/trotzige Verhalten übersteigt und mit einer andauernden Beeinträchtigung der Beziehungen des Kindes zu anderen Personen erhergeht (insbesondere Beziehungen zur Gruppe der Gleichaltrigen)
Typ 3 - Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen (F91.2) Der dritte Typ beschreibt aggressives bzw. ein andauerndes delinqunetes Verhalten, das das oppositionelle/trotzige Verhalten übersteigt bei bestehender guter sozialer Einbindung in die Altersgruppe.
Typ 4 - Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten (F91.3)
Dieser Typus tritt vorwiegend vor dem neunten Lebensjahr auf und ist gekennzeichnet durch ungehorsames und trotziges Verhalten bei Fehlenden schweren delinquenten oder aggressiven Verhaltensweisen.
Typ 5 - Andere bzw. nicht näher bezeichnete Störung des Sozial verhaltens (F91.8/F91.9)
Bei diesem Störungstyp werden die Kriterien einer Störung des Sozialverhaltens erfüllt, jedoch ist eine Zuordnung zu einer spezifischen Subgruppe der Störung des Sozialverhaltens nicht möglich.
Typ 6 - Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen (F92) Dieser Typus beschreibt eine Störung des Sozialverhaltens bei gleichzeiti bestehender Störung der Emotionen.
Da sich einige psychische Störungen in ihrer Symptomatik mit der Störung des Sozialverhaltens überschneiden, sind bei der Klärung der vorliegenden Kriterien verschiedene differenzialdiagnostische Abgrenzungen vorzunehmen.
So ist es notwendig zu ergründen, ob sich die beobachtbare Störung des Sozialverhaltens infolge aussergewöhnlicher Belastungen (Emigration, Flucht), krisenanfälliger Entwicklungsübergänge (Pubertät, Schuleintritt, Schulwechsel) oder belastender Lebensereignisse (Krankheit, Tod) als Anpassungsstörung manifestiert hat. Treten die Symptome im Anschluss an die psychosozialen Belastungen nur bis zu sechs Monate in ausgeprägter Form auf, wird nach ICD-10 die Diagnose „Anpassungsstörung mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens“ (F43.24) gestellt. Wohingegen für die Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens eine Auftretensdauer von mindestens sechs Monaten gefordert wird.
Eine zweite diffemzialdiagnostisch abzugrenzende Störung ist laut ICD-10 die „Emotionale Störung mit Geschwisterrivalität“ (F93.3). Dieses Störungsbild kann diagnostiziert werden, wenn bei einem Kind aggressives Verhalten gegenüber dem jüngeren Geschwister und oppositionelles Verhalten gegenüber den Eltern in aussergewöhnlich hoher Intensität und über eine Dauer von mindestens vier Wochen besteht. Das oppositionelle Verhalten gegenüber dem jüngeren Geschwister muss gemäß ICD-10 innerhalb der ersten sechs Monate nach dessen Geburt beginnen. Als weitere Abgrenzungsmerkmale zur Störung des Sozialverhaltens sind in diesem Fall Phänomene wie Schlafstörungen, Verstimmungen und Regression zu betrachten. Im DSM-IV wird diese Diagnose nicht erfasst, da Geschwisterrivalität oft mit der oppositionellen Verhaltensstörung einhergeht und nach DSM-IV in diesem Fall ausschließlich eine oppositionelle Verhaltensstörung diagnostiziert wird.
Die dissoziale oder auch antisoziale Persönlichkeitsstörung (F60.2) stellt einen weiteres differentialdiagnostisch abzuklärendes Störungsbild dar, das sich im Kern mit den Symptomen der Störung des Sozialverhaltens deckt. Beide Störungen bezeichnen ein stabiles Verhaltensmuster, welches den sozialen Normen der jeweiligen Altersgruppe nicht entspricht und die Grundrechte anderer Personen verletzt. Das ICD-10 fordert im Gegensatz zum DSM-IV keine erkennbare Diagnose im Vorfeld und auch keine Beschränkung des Alters, in der die Diagnose gestellt wird. Im DSM-IV wird die dissoziale Persönlichkeitsstörung als antisoziale Persönlichkeitsstörung (301.7) bezeichnet und kann frühestens ab dem 18. Lebensjahr diagnostiziert werden - wobei bei der betroffenen Person bereits vor dem 15. Lebenjahr eine Störung des Sozialverhaltens erkennbar gewesen sein muss. Somit stellt die antisoziale Persönlichkeitsstörung nach DSM- IV eine entwicklungspathologisch an die Störung des Sozialverhaltens anschließende Form ein und derselben Störungsform dar, deren Symptome lediglich durch altersspezifische Verhaltensprägungen divergieren. (Vgl. 3, S. 8)
Darüber hinaus gibt es Differentialdiagnosen, wie die „tiefgreifende Entwicklungsstörung“, die „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“, die „Störung der Impulskontrolle“, die „manische Episode“ einer bipolaren Störung, die „schizophrene Störung“ und bei sexuellen Übergriffen eine „Störung der Sexualpräferenz“ (insb. Pädophilie) die bei der Erhebung der einzelnen Kriterien berücksichtigt werden müssen. Die ADHS tritt besonders häufig in Kombination mit einer Störung des Sozialverhaltens auf und kann differentialdiagnostisch, sowie als Komorbide Störung betrachtet werden.
Das aggressive Verhalten geht oft mit einer Reihe weiterer psychischer Störungen einher. Oft manifestiert sich vor dem aggressiven Verhalten eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Auf diese werde ich im zweiten Teil meiner Arbeit noch näher eingehen. Das aggressive Verhalten kann dann als Folge der psychosozialen Beeinträchtigungen durch die ADHS gesehen werden.
Weitere Komorbide Störungen sind die Störungen durch Substanzkonsum, Störungen der Impulskontrolle und die depressive Störung. (Vgl. 3, S. 12 f.)
Biologische Einflussfaktoren
Das männliche Geschlecht
Da aggressive-dissoziales Verhalten viermal häufiger bei Jungen auftritt als bei Mädchen, kann das männliche Geschlecht per se als Risikofaktor für aggressives Verhalten gesehen werden. Während Loeber und Hay (1997) davon ausgehen, dass es im Säuglingsalter noch keine geschlechtsspezifischen Unterschiede bezüglich möglicher Vorläufer aggressiven Verhaltens gibt, konnten Weinberg und Tronick (1997) bereits im Säuglingsalter Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Säuglingen finden, die den emotionalen Ausdruck betreffen. So seien Jungen emotional labiler und zeigten häufiger negative Affekte als Mädchen, die eher positive Emotionen zeigen und somit ihre Gefühle und Stimmungen besser regulieren. Weiterhin konnte in einer Untersuchung neun bis zwölf Monate alter Säuglinge von Davis und Emory (1995) eine signifikante Erhöhung des Speichelcortisols bei Jungen nach leichten Stressituationen gefunden werden, wohingegen der Cortisolwert im Speichel der Mädchen nach derselben Situation gleich blieb. Im beobachtbaren Verhalten hingegen konnten bei diesem Test keine Unterschiede festgestellt werden. Die derzeitige Befundlage für das Säuglingsund Kleinkindalter ist laut Döpfner jedoch widersprüchlich und unzureichend. Im Vorschulalter scheinen Mädchen jedoch über eine bessere Emotionsregulation zu verfügen. Deutlicher werden die Unterschiede im Schulalter. In deutschen, sowie in internationalen Studien zur Häufigkeit psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter konnten ausnahmslos qualitative und quantitative Geschlechtsunterschiede belegt werden. Ob diese auf biologische oder psychosoziale Faktoren zurückzuführen sind, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
Prä- undperinatale Risiken
Der Konsum von legalen und illegalen Drogen in der Schwangerschaft können nachweislich schädigende Effekte auf den Fetus haben. Insbesondere der Konsum von Nikotin steht nach Scheithauer et. al. (2000) in enger Beziehung zu der Ausbildung einer Störung des Sozialverhaltens im Kindes- und Jugenalter und Alkohol und Drogenmissbrauch im Jugend- und Erwachsenenalter. Dies kann einerseits durch eine pränatale Beeiträchtigung der Hirnentwicklung des Fetus, andererseits auch durch psychosoziale Belastungen der Mutter während und nach der Schwangerschaft eine Verhaltensauffälligkeit beim Kind auslösen.
Der Zusammenhang von Nikotinkonsum während der Schwangerschaft und der Entstehung der Hyperkinese konnte durch eine Studie von Pomerleau (1995) belegt werden.
Ähnliche Korrelationen konnten zwischen Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft und späteren kognitiven Störungen und Verhaltensauffälligkeiten des Kindes als Folge des Fetalen-Alkohol-Syndrom und der abgeschwächteren Form, der fetal alcohol effects ermittelt werden.
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