Ziel dieser Arbeit ist es, René Descartes‘ erkenntnistheoretische Position zu rekonstruieren und ein grundlegendes Verständnis von seinem Gottesbegriff und Gottesbeweis zu gewinnen. Dies soll schrittweise erreicht werden, indem die Meditationen in chronologischer Reihenfolge erläutert werden. Hierbei werde ich die zentralen Begriffe herausstellen, in ihren jeweiligen Kontext einordnen und in Bezug zur Existenz Gottes setzen.
Mit seinen Meditationen über die Erste Philosophie aus dem Jahre 1641 verfasste der französische Philosoph René Descartes eines der bedeutendsten metaphysischen Werke in der Geschichte der abendländischen Philosophie. In seinen sechs Meditationen schreibt Descartes einen Monolog, welcher die Verschiedenheit der Seele vom Körper und die Existenz Gottes zu beweisen versucht, indem er sich mit seiner eigens entwickelten Methode des Zweifels aller Wahrscheinlichkeiten entledigt und zu gesichertem, beweisbarem Wissen vorzudringen versucht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die erste und die zweite Meditation
2.1 Der methodische Zweifel
2.2 Der menschliche Geist und Körper
3. Die dritte und vierte Meditation
3.1 Das Dasein Gottes
3.2 Das Wahre und das Falsche
4. Die fünfte und sechste Meditation
4.1 Gott und die materiellen Dinge
4.2 Gott und die Natur
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Mit seinen Meditationen über die Erste Philosophie aus dem Jahre 1641 verfasste der französische Philosoph René Descartes eines der bedeutendsten metaphysischen Werke in der Geschichte der abendländischen Philosophie. In seinen sechs Meditationen schreibt Descartes einen Monolog, welcher die Verschiedenheit der Seele vom Körper und die Existenz Gottes zu beweisen versucht, indem er sich mit seiner eigens entwickelten Methode des Zweifels aller Wahrscheinlichkeiten entledigt und zu gesichertem, beweisbarem Wissen vorzudringen versucht.
Jede seiner aufeinander aufbauenden Meditationen über die Erste Philosophie stellt einen einheitlichen Gedankengang dar, welcher im Idealfall Schritt für Schritt von seinen LeserInnen nachvollzogen werden kann. In der ersten Meditation führt Descartes seinen methodischen Zweifel ein, um den Verstand von Vorurteilen zu befreien und sichere Wissensgrundlagen zu schaffen. Die zweite Meditation beschreibt, warum der menschliche Geist und der menschliche Körper zwei verschiedene Substanzen sind und was sich aus dieser Tatsache schließen lässt. In der dritten Meditation findet sich Descartes‘ zentrale Argumentation für die Existenz Gottes, der vollkommenen und ursprünglichsten Ursache. Die vierte Meditation behandelt die Begriffe von Wahr und Falsch und zeigt in diesem Zuge, warum und wann der Mensch irrt. In der fünften Meditation erläutert Descartes zuerst das Dasein materieller Dinge, um in der sechsten und letzten Meditation die „evidentesten“1 Gründe für das Dasein Gottes noch einmal aufzuzeigen.
Ziel dieser Arbeit ist es, René Descartes‘ erkenntnistheoretische Position zu rekonstruieren und ein grundlegendes Verständnis von seinem Gottesbegriff und Gottesbeweis zu gewinnen. Dies soll schrittweise erreicht werden, indem die Meditationen in chronologischer Reihenfolge erläutert werden. Hierbei werde ich die zentralen Begriffe herausstellen, in ihren jeweiligen Kontext einordnen und in Bezug zur Existenz Gottes setzen. Da jene Begriffe zwar in einzelnen Meditationen im Fokus stehen, sich jedoch trotzdem durch Descartes‘ gesamtes Werk ziehen, ist es nicht möglich, ausschließlich auf eine bestimmte Meditation pro Begriff einzugehen, weshalb die Grenzen zwischen den Meditationen teilweise verschwimmen.
Bei den zentralen Begriffen handelt es sich neben dem Dasein Gottes um den methodischen Zweifel, den menschlichen Geist und Körper, das Wahre und das Falsche in Zusammenhang mit Irrtümern, sowie dem Willen und Verstand des Menschen und letztlich das natürliche Licht, welches uns ermöglicht, die Dinge klar und deutlich zu erkennen.2 Um jenes Licht und gesichertes Wissen zu erreichen, müssen sich die LeserInnen zunächst einmal von allem trennen, was sie bisher für wahr hielten und ein neues Fundament errichten. Dies, so Descartes, gelingt am besten auf dem Weg des methodischen Zweifels.
2. Die erste und die zweite Meditation
2.1 Der methodische Zweifel
Descartes‘ methodischer und radikaler Zweifel an dem gesamten Wissen, welches er zeitlebens für wahr hielt, gründet auf der Tatsache, dass er die menschliche Sinneswahrnehmung nicht grundsätzlich als vertrauenswürdig erachtet. Der Grund für sein Misstrauen sind Sinnestäuschungen, welche er am Beispiel der Gegenüberstellung von Traum und Wachzustand illustriert.
Descartes stellt zu Beginn seiner Meditationen über die Erste Philosophie die These auf, „dass nie durch sichere Merkmale der Schlaf vom Wachen unterschieden werden kann [...]“3, denn es kommt vor, dass das träumende Ich davon überzeugt ist, gerade wach und in der realen Welt zu agieren, obwohl es eigentlich im Bett liegt und schläft. Daraus schließt er, dass die Dinge, derer sich das Ich so sicher zu sein scheint, allesamt zweifelhaft und unsicher seien. Er stellt einen Mangel, bzw. ein falsches Vorgehen im Erkennen des Menschen fest und entwickelt die Methode des Zweifels, um diesem Mangel entgegen zu wirken.4 Descartes grenzt sich aufgrund seines strengen methodischen Vorgehens von solchen Menschen ab, die alles derart anzweifeln, dass sie einen Realitätsverlust erleiden und den Verstand verlieren. Er gibt sich in einer Art Zweifelsexperiment absichtlich der Täuschung hin, alle Meinungen für falsch zu halten.5 So macht er die Annahme, es gäbe einen Gott, der das Ich täuscht und ihm lediglich vorgaukelt, es gäbe wirklich sinnlich Wahrnehmbares, wie z.B. die Erde und ihre Gestalten, Farben und Töne.
Descartes akzeptiert vorerst seinen Mangel im Erkenntnisvermögen, der ihn zu diesem Zeitpunkt noch daran hindert, das Wahre zu erkennen und nimmt sich vor, keinem unsicheren, zweifelhaften Wissen mehr zuzustimmen.6
Im Verlauf der Meditationen über die Erste Philosophie verfolgt Descartes den Weg des Zweifels und gelangt zu tieferen Erkenntnissen über Gott und dessen Existenz. Er schließt gegen Ende, dass die Sinne zwar zuweilen täuschen, es jedoch falsch sei, sie deshalb radikal in Zweifel zu ziehen. Viel eher solle man sie einer gründlichen Prüfung durch den Verstand und das Gedächtnis unterziehen, um sich einer Sache sicher zu sein. Auf diese Weise hebt er auch das Problem der Unterscheidung von Wachzustand und Traum auf. Denn was zweifelsfrei in Wirklichkeit und im Wachzustand passiert, steht stets in Verbindung mit dem gesamten übrigen Leben. Betritt ein Mensch unser Leben, so wissen unser Verstand und unser Gedächtnis, woher dieser Mensch kam und in welcher Beziehung er zu uns steht, wohingegen wir das nicht über Geister oder Wahnvorstellungen aus unseren Träumen wissen.7 Der Traum ist für Descartes ein wichtiges Mittel, um seinen Gottesbeweis anschaulich zu erklären, denn er stellt fest, dass die Bilder, die uns im Traum erscheinen, immer nach dem Vorbild von etwas erscheinen, das wirklich ist.8 Er spricht von einem in einfacherer und allgemeinerer Form wirklich Seienden, welches die Ursache all der Einbildungen und Vorstellungen in unserem Bewusstsein ist. Bildhafte Vorstellungen können unwahr sein und sind zweifelhaft. Doch es scheint in Zusammenhang mit „reinem Erkennen“9 etwas zu geben, das von „allem bereits Angezweifelten“ verschieden ist.10
2.2 Der menschliche Geist und Körper
„Ich denke, also bin ich“11, ist wohl einer der berühmtesten Sätze der Geschichte der Philosophie. Descartes beweist mittels des methodischen Zweifels, dass sein Ich wirklich existiert, weil es Bewusstsein hat, also denkt. Dies erfordert eine genaue Untersuchung des menschlichen Geistes und Körpers, sowie auch der vom Ich verschiedenen und nicht notwendigerweise menschlichen Körper.
Sinne und Körper können täuschen. Das Ich ist jedoch fähig zu denken, zu zweifeln und schließlich anzunehmen, dass weder Körper, noch Sinne existieren. Wenn das Ich also denkt, dass es nichts gibt, gibt es immer noch das Ich, das diesen Gedanken denkt. Selbst unter der Annahme, es gäbe einen Gott, der das Ich täuscht, bestätigt sich die Existenz des Ich. Denn um von einem Gott getäuscht werden zu können, muss das Ich existieren. Descartes kommt so zu dem Schluss, dass es „notwendig wahr“ ist, dass das Ich existiert.12 Das Ich ist weder der menschliche Körper, noch etwas in diesem Körper verbreitetes.
[...]
1 René Descartes: Meditationen über die Erste Philosophie, Lat. - dt., Reclam, hrsg. u. mit e. Einleitung von Gerhart Schmidt, 1986, Ditzingen, S.61, Z. 7
2 Vgl. Ebd., S.6
3 Ebd., S.67, Z. 6f.
4 Vgl. Ebd., S.64 - 75
5 Vgl. Ebd., S.73
6 Vgl. Ebd.
7 Vgl. Ebd., S. 213
8 Vgl. Ebd., S. 67
9 Vgl. Ebd. S. 179, Z. 19
10 Vgl. Ebd., S 77
11 René Descartes, Philosophische Schriften in einem Band, franz. - dt., Felix Meiner Verlag Hamburg, 1996, Teil 4, Abschnitt 3, S. 55.
12 René Descartes, a.a.O., S. 79, Z. 21f.