Aufgrund der Veränderungen im Bereich des Gesundheitswesens, z.B. eine frühere Entlassung der Patienten, eine Zunahme chronischer Erkrankungen, ein steigender Kostendruck und somit die Erhöhung des Schulungsbedarfs und die Übertragung einer vermehrten Verantwortung auf die Patienten sowie ihrer Familien für alle Aspekte der Versorgung, sind Patientenschulungen zu einem Megatrend und integralem Bestandteil im Bereich der praktischen Gesundheitsfürsorge sowie ein Grundpfeiler der Patientenversorgung chronischer Erkrankungen geworden. Dabei nimmt die Diabetesschulung einen fundamentalen Bereich der allgemeinen Patientenschulung ein. Es gibt aber noch erhebliche Defizite in der Durchführung und Wahrnehmung der Diabetesschulung. Bei der Entwicklung eines Unterrichtsplans für eine Diabetesschulung müssen die Grundprinzipien der Erwachsenenbildung und die Didaktik gründlich durchdacht sein.
Die entscheidende Frage ist deshalb, wie und mit welchen Maßnahmen eine Diabetesschulung konkret durchgeführt und ausgestaltet werden sollte. Deshalb wollen wir mit unserer Arbeit die Thematik aus pädagogischen Gesichtspunkten analysieren und so einen Beitrag zur Aufklärung leisten.
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
1.1 Methodik
1.2 Wissenschaftliche Begründung der Themenwahl
2. DIE KONZEPTUALISIERUNG EINER DIABETES- SCHULUNG
2.1 Grundlagen und Ziele von Patientenschulungen
2.2 Bedeutung der Diabetesschulung
2.3 Notwendige Vorüberlegungen für eine Diabetes-schulungskonzeption
2.4 Vorstellung von Diabetesschulungskonzepten
2.4.1 Das Schulungsmodell von Lembcke et al
2.4.2 Das Schulungsprogramm von Wendt et al
3. DAS EIGENKONZIPIERTE DIABETESSCHULUNGS-KONZEPT
3.1 Darlegung des allgemeinen Schulungsrahmens
3.2 Die inhaltlichen Themen der Schulung
3.2.1 Begriffserklärung des Diabetes
3.2.2 Zusammenspiel zwischen Zucker und Insulin
3.2.3 Unterteilung des Diabetes
3.2.4 Gründe und Entstehungsweise des Diabetes Typ II
3.2.5 Perspektiven für den Diabetes Typ II Erkrankten
3.3 Die Methodenwahl der Schulung
3.3.1 Eine allgemeine Übersicht von Lehrmethoden
3.3.2 Die Entscheidung für eine Methode: Das Lehrgespräch
3.4 Die Darstellung der ersten Schulungseinheit
3.4.1 Ein Überblick über die Auftaktveranstaltung
3.4.2 Die einzelnen Schulungsabschnitte
3.4.2.1 Der Einstieg in die Schulung
3.4.2.2 Die Grundlagenvermittlung des Diabetes
4. EINE PROBLEMATIK AUS PÄDAGOGISCHER SICHT
5. RESÜMEE UND AUSBLICK
6. LITERATURVERZEICHNIS
EIDESSTATTLICHE ERKLÄ
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Die sechs zentralen Komponenten einer Patientenschulung (vgl. Petermann 1997, S. 3f)
Abbildung 2: Die möglichen Lernziele einer Schulung (eigene Darstellung)
Abbildung 3: Charakteristische Unterschiede zwischen Diabetes Typ I und II (vgl. Standl/Mehnert 1998, S. 38; Wagner 2000, S. 365)
Abbildung 4: Klassifikationen von Lehrmethoden (eigene Darstellung)
Abbildung 5: Das Zweiwegverfahren beim Lehrgespräch (vgl. Gonschorek/Schneider 2000, S. 165)
Abbildung 6: Das Grundgerüst der Auftaktveranstaltung (eigene Darstellung)
1. EINLEITUNG
1.1 Methodik
Bei unserer Literaturrecherche sind wir systematisch und pragmatisch vorgegangen. Wir haben die uns zur Verfügung stehenden Mittel eingesetzt und Maßnahmen durchgeführt, um eine größtmögliche Quellenerhebung zu realisieren. Für die Anfertigung unserer Hausarbeit nutzten wir Fachliteratur aus verschiedenen Informationsquellen. Wir recherchierten zu Beginn in drei verschiedenen Bibliotheken in Neubrandenburg:
1. In der Medizinischen Fachbibliothek des Dietrich- Bonhoeffer- Klinikums Neubrandenburg (DBK) gingen wir manuell vor und suchten in den dafür zugehörigen Bibliotheksbereichen nach den Begriffen “Diabetesschulung“, “Diabetes“ und “Seminarmethoden“. Es war Literatur zu finden. Wir konnten anhand dieser Bücher weitere Begriffe zu diesem Thema ermitteln.
2. In der Regionalbibliothek von Neubrandenburg gaben wir die Suchbe-griffe “Diabetesschulung“, “Diabetes“, “Seminar-“ und “Unterrichtsmethoden“, “Patientenschulung“, “Erwachsenenbildung“, “Didaktik“ und “Kommunikation“ in den Suchkatalog des Computers ein. Auch hier fiel die Suche positiv aus.
3. In der Bibliothek der Hochschule von Neubrandenburg war es erneut mit den o.g. Suchbegriffen und eines Suchkatalogs möglich, Literatur zu finden.
Das Internet war eine weitere Recherchemöglichkeit unserer Hausarbeit. Wir ermittelten entsprechende Seiten unter “www.google.de“ mit Hilfe der zuvor genannten Begriffe. Aufgrund einer hohen Trefferquote war eine konkrete Auswahl von Internetseiten nicht möglich.
Unsere letzte Maßnahme war eine Befragung und Visite in der Diabetes-schulungseinrichtung im Dietrich- Bonhoeffer- Klinikum und in der Diabe-tesschwerpunktpraxis PROMOTIO® in Neubrandenburg. Dort konnten wir uns praktische Einblicke und Anregungen für unsere Arbeit einholen.
1.2 Wissenschaftliche Begründung der Themenwahl
Aufgrund der Veränderungen im Bereich des Gesundheitswesens, z.B. eine frühere Entlassung der Patienten, eine Zunahme chronischer Erkrankungen, ein steigender Kostendruck und somit die Erhöhung des Schulungsbedarfs und die Übertragung einer vermehrten Verantwortung auf die Patienten so-wie ihrer Familien für alle Aspekte der Versorgung, sind Patientenschulungen zu einem Megatrend und integralem Bestandteil im Bereich der praktischen Gesundheitsfürsorge sowie ein Grundpfeiler der Patientenversorgung chro-nischer Erkrankungen geworden. Dabei nimmt die Diabetesschulung einen fundamentalen Bereich der allgemeinen Patientenschulung ein. Es gibt aber noch erhebliche Defizite in der Durchführung und Wahrnehmung der Diabe-tesschulung. Bei der Entwicklung eines Unterrichtsplans für eine Diabetes-schulung müssen die Grundprinzipien der Erwachsenenbildung und die Di-daktik gründlich durchdacht sein.
Die entscheidende Frage ist deshalb, wie und mit welchen Maßnahmen eine Diabetesschulung konkret durchgeführt und ausgestaltet werden sollte. Deshalb wollen wir mit unserer Arbeit die Thematik aus pädagogischen Gesichtspunkten analysieren und so einen Beitrag zur Aufklärung leisten.
Zu Beginn geben wir einen Überblick, welche Grundüberlegungen man be-denken muss, bevor ein Diabetesschulungskonzept entwickelt werden kann. Eingehen werden wir dabei auf die allgemeine Patientenschulung, die Dia-betesschulung und die Vorüberlegungen zur Diabetesschulungskonzeption. Anschließend werden wir aus der Fachliteratur zwei verschiedene Diabetes-schulungsprogramme vorstellen.
Danach gehen wir zur Hauptthematik über und stellen unser eigenes Diabe-tesschulungskonzept vor, indem wir den allgemeinen Rahmen erläutern und dazu den vorgesehenen theoretischen Inhalt und die methodische Vorge-hensweise der Schulung darlegen. Daraufhin werden wir das Gesamtkonzept unserer Diabetesschulung im Detail näher vorstellen. Zum Schluss wird eine Problematik hinsichtlich der Pädagogik aufgezeigt. Abschließend reflektieren wir unsere Ausführungen in einem Resümee und Ausblick.
2. DIE KONZEPTUALISIERUNG EINER DIABETES- SCHULUNG
2.1 Grundlagen und Ziele von Patientenschulungen
Jeder Patient braucht Informationen, fachlichen Rat und Unterstützung, um seine gesundheitliche Situation richtig einzuschätzen und zu verstehen. Nur dann kann er selbstständig und aktiv seine eigene Gesundheit fördern und erhalten. Um dieses Bestreben zu erreichen, bedarf es Patientenschulungen. Klug- Redman (1996, S. 11) definiert den Begriff Patientenschulung folgen-dermaßen: „Patientenschulung ist der beratende Vorgang, eine Veränderung im Verhalten oder im Wissen von Patienten zu erreichen.“ Durch entspre-chende Schulungen, die gesetzlich im § 43 Nr. 2 SGB V verankert sind, sollen die angestrebten Ziele der Patientenschulung u.a. eine Verbesserung des Wissens über das Krankheits- und Behandlungsbildes, Ansporn zu Eigenaktivierung, Steigerung der Behandlungsmotivation, Überwachung der Krankheitsaktivität und eine verbesserte Lebensqualität erreicht werden. (vgl. Hasche 1996, S. 280; Lamparter-Lang 1997, S. 12)
Die sechs wichtigsten Elemente, die den Zweck einer Patientenschulung aufzeigen, sind in der nachfolgenden Abbildung (s. Abb. 1) dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die sechs zentralen Komponenten einer Patientenschulung
(vgl. Petermann 1997, S. 3f)
2.2 Bedeutung der Diabetesschulung
Es besteht in der Literatur ein Konsens in der Auffassung, dass die Diabe-tesschulung einen großen Stellenwert hat und ein unerlässlicher Teil im umfangreichen Therapiekonzept von Diabetikern darstellt. (vgl. Toeller 1996, S. 91; Vogel/Kulzer 1997, S. 233; Standl/Usadel/Mehnert 1999, S. 103; Hal-ler 2005, S. 5; RKI 2005, S. 21; DDU 2006, S. 25) Diese Ansicht ist darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Studien bewiesen haben, dass durch den Einsatz von Schulungsprogrammen die Mortalitäts- und Morbiditätsrate ge-senkt und somit deutliche Verbesserungen in den Behandlungsergebnissen erreicht werden konnten. (vgl. Vogel/Kulzer 1997, S.237ff)
Aber schon in den zwanziger Jahren hat Joslin (1924, zit. nach: Toeller 1996, S. 92f) erkannt, dass Diabetikerschulungen eine bedeutende und wichtige Stellung im Rahmen der Therapie zukommt und wie notwendig sie sind: um glücklicher und länger zu leben, Alltagsprobleme bewältigen zu können, im täglichen Leben zu bestehen und ein befriedigendes und produktives Leben zu führen.
Diabetesschulungen haben das Ziel, einen selbstverantwortlichen und selbst-bewussten Umgang mit der Krankheit zu vermitteln, indem der Betroffene aktiv in die Schulung und die Behandlung einbezogen wird. Gemeinsam mit dem Arzt und den anderen Teammitgliedern der Schulung sollen in einem partnerschaftlichen Verhältnis und in einem kontinuierlichen Prozess seine Probleme gelöst und Strategien zur Bewältigung des Alltags erarbeitet wer-den. (vgl. Sailer 2001, S. 54) Der Diabetiker erhält die nötige Handlungskom-petenz (Selbstmanagementfähigkeiten), Selbstkontrolle, Motivation und die erforderlichen Kenntnisse, um sich einerseits selbst zu helfen und anderer-seits sein eigener Experte zu werden. (vgl. Vogel/Kulzer 1997, S. 236)
Letztendlich soll durch die Durchführung von Diabetesschulungen die Stoff-wechseleinstellung verbessert, Folgeerkrankungen und Akutkomplikationen des Diabetes, zahlreiche Krankheitstage, Hospitalisierung, frühzeitige Ar-beitsunfähigkeit verringert oder vermieden und dementsprechend die Le-benserwartung erhöht werden. (vgl. Toeller 1996, S. 92; Sailer 2001, S. 54)
2.3 Notwendige Vorüberlegungen für eine Diabetesschu- lungskonzeption
Damit die o.g. Ziele realisiert werden können und ein konkretes Schulungs-programm konzipiert und ausgestaltet werden kann, sind mehrere Überle-gungen notwendig. Erst wenn man die Rahmenbedingungen strukturell im Einzelnen kennt und festgelegt hat, kann ein auf den jeweiligen Fall abge-stimmtes Konzept entwickelt werden. Im Mittelpunkt der Überlegungen zu ei-ner Schulungskonzeption sollte stets der Schulungsteilnehmer stehen.
Zuallererst müssen grundlegende Überlegungen vorgenommen werden. Am Anfang ist zu klären, um welchen Diabetestyp es sich handelt. Danach ist der Diabetiker, sein soziales Umfeld und sein persönlicher Schulungs-, Lern-, In-formationsbedarf und der -grad des Patienten zu analysieren und zu beur-teilen. Auch ist zu überlegen, ob eine Beteiligung der Familie an der Schu-lung sinnvoll ist. Des Weiteren ist die Indikation und der Zugang der Schu-lung zu bedenken. (vgl. Vogel/Kulzer 1997, S. 241f; Canobbio 1998, S. XXIII) Jede Schulung hat ganz individuelle Ziele, die sie sich setzt, verfolgt und an denen sie sich orientiert. Diese werden anhand der nachfolgenden Abbildung (s. Abb. 2) aufgezeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Die möglichen Lernziele einer Schulung (eigene Darstellung)
Zur weiteren Konzeptualisierung einer Schulung müssen einige näher ins Detail gehende Überlegungen angestellt werden. Zu bedenken ist der Schulungsrahmen und die Schulungsform. Die Diabetesschulung kann ent-weder stationär, teilstationär oder ambulant erfolgen. Sie kann dann in einer Großgruppe, Kleingruppe oder auch als Einzelschulung stattfinden. Dabei ist zu erwägen, welche Gruppenstärke zu wählen ist. Außerdem sind der zeitliche, inhaltliche und räumliche Rahmen sowie die benötigten Hilfsmittel zu bestimmen. Des Weiteren ist ein entsprechendes Schulungsteam zusam-menzustellen. Zum Schluss ist die in der Schulung anzuwendende Didaktik bzw. Arbeitstechnik festzulegen. (vgl. Vogel/Kulzer 1997, S. 245ff)
Die einzelnen o.g. Faktoren ergeben im Zusammenspiel als Resultat ein auf die Situation passendes Schulungskonzept. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von unterschiedlichen Konzepten entwickelt und publiziert. Nachfol-gend sollen zwei Schulungsprogramme kurz thematisiert werden.
2.4 Vorstellung von Diabetesschulungskonzepten
2.4.1 Das Schulungsmodell von Lembcke et al.
Das erste Schulungskonzept ist nach dem Braunschweiger Modell von Lembcke et al. (1997, S. 47ff) entwickelt worden. Diese Schulung ist für Typ I und Typ II Diabetiker, schwangere Diabetikerinnen sowie Jugendliche vorgesehen, die dann ambulant in einer Diabetologischen Schwerpunktpraxis geschult werden. Dabei ist es auch möglich, Angehörige mitzuschulen. Das Schulungsprogramm hat einen modularen Aufbau und gliedert sich in drei Phasen: Vorschulung, Hauptschulung und Nachschulung. Darin sind folgen-de Inhalte integriert: Grundlagen der Stoffwechselsituation bei Diabetes und daraus abgeleitete therapeutische Maßnahmen, Ernährung bei Diabetes, Insulininjektionstechniken und -strategien, Diabetische Komplikationen und Begleiterkrankungen, außergewöhnliche Situationen (Sport, Reisen, Krankheit) sowie Fußpflege. Diese Themen werden zielgruppen- und ziel-personenorientiert vermittelt und durch praktische Anwendungen eingeübt. Die modulare Schulung kann je nach Bedarf als Gruppenschulung oder auch als Einzelunterricht durchgeführt werden. Es kann auch eine Kombination von Gruppen und eine variable Themenwahl auftreten. Die Schulung umfasst für nichtinsulinpflichtige Patienten vierzehn Stunden und für Typ I und insu-linpflichtige Typ II Diabetiker sechsunddreißig Stunden. Das Schulungsteam setzt sich aus dem Arzt und dem Diabetesassistenten zusammen, die die Module und die Lernziele mit den Teilnehmern auswählen und festlegen.
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