Woran es liegt, dass sich weiterhin wenig Männer in der Frühpädagogik, insbesondere in Kindertageseinrichtungen, vorfinden und mit welchen Hindernissen sie in der Berufswahl und der Ausübung zu rechnen haben, wird in dieser Arbeit betrachtet. Der Ruf nach mehr Männern in den institutionellen Kindertageseinrichtungen ist in den letzten Jahren auf politischer und medialer Ebene präsenter geworden und zeigt, wie die zunehmende Anzahl männlicher Vertreter beweist, Wirksamkeit in der Praxis. Betrachtet man dies im Augenschein der Vielfalt und Unterschiedlichkeit, ist dies ein positiver Trend. Doch bleibt die Empfehlung der Europäischen Union aus dem Jahr 1996, den Anteil männlicher Fachkräfte auf 20 % auszubauen, auch aktuell noch in weiter Ferne.
Inhalt
1. Einleitung
2. Anteile von Männern und Frauen in Kindertageseinrichtungen
3. Modellprogramm „MEHR Männer in Kitas“ und dessen Ziele
4. Hindernisse für Männer in Kindertageseinrichtungen
4.1. Gesellschaftliche Männlichkeitskonstruktion
4.2. Auswirkung der weiblichen Übermacht für Männer
4.3. Bezahlung, Karriere und gesellschaftliche Wertschätzung
4.4. Erwartungshaltung an den Mann in der pädagogischen Arbeit
4.5. Skepsis und Generalverdacht
5. Resümee
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Quelle Fachkräftebarometer.de Personal in der Kindertagesbetreuung nach Geschlecht und Tätigkeitsfeldern 2006 und 2018
Abbildung 2 Auszug aus Schuler (2013), S. 240
Abbildung 3 Diversity-Rad, Quelle: Thomas Hörnig - Vielfalt.pdf
1. Einleitung
Mit dem Satz „Aber du bist doch ein Mann!“, wurde ich von einem Kind an meinem ersten Tag als Praktikant in einer Stuttgarter Kindertageseinrichtung (Kita) empfangen. Offenbar eine Ausnahmeerscheinung in dieser Einrichtung. Aber nicht nur in dieser Einrichtung. In der Ausbildung, in den jeweiligen Studiengängen sowie in der Berufswelt findet man(n) ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der Frühpädagogik vor. Der Ruf nach mehr Männern in den institutionellen Kindertageseinrichtungen ist in den letzten Jahren auf politischer und medialer Ebene präsenter geworden und zeigt, wie die zunehmende Anzahl männlicher Vertreter beweist, Wirksamkeit in der Praxis. Betrachtet man dies im Augenschein der Vielfalt und Unterschiedlichkeit ist dies ein positiver Trend. Doch bleibt die Empfehlung der Europäischen Union aus dem Jahr 1996, den Anteil männlicher Fachkräfte auf 20 % auszubauen, auch aktuell noch in weiter Ferne. Woran es liegt, dass sich weiterhin wenig Männer in der Frühpädagogik, insbesondere in Kindertageseinrichtungen, vorfinden und mit welchen Hindernissen sie in der Berufswahl und der Ausübung zu rechnen haben soll in dieser Arbeit betrachtet werden.
Zunächst wird in Kapitel 2 auf Statistiken der Geschlechterverteilung und deren Entwicklung in den letzten Jahren eingegangen. Anschließend wird das Programm „MEHR Männer in Kitas“ betrachtet, dass das Ziel hat den Anteil männlicher Fachkräfte in Deutschland zu steigern. Die Hindernisse, die vor allem Männer in den Einrichtungen und der Gesellschaft vorfinden, werden in Kapitel 4 aufgezeigt. Einen kurzen Exkurs in die Bereiche Diversity und Inklusion/Exklusion wird es dahin geben, dass sich trotz aller Bemühungen, Männer überwiegend und weiterhin in einer exklusiven Situation befinden.
Anmerkung: Der Fokus in dieser Arbeit wird das männliche, biologische Geschlecht (sex) bzw. Eigenschaften/Verhalten von Männlichkeit (gender) gelegt. Insbesondere in Bezug auf das dritte Geschlecht (intersexuell, divers oder ähnliches) ist festzuhalten, dass dieses aus Gründen der spezifischen Fragestellung nicht näher berücksichtigt wird. Dies ist auch fehlender, dem Thema zuordenbarer Literatur geschuldet. Nicht auszuschließen ist, dass intersexuelle Personen in den Statistiken der männlichen oder weiblichen Gruppe zugeordnet wurden. Wird in der Arbeit von Frühpädagogik gesprochen bezieht sich dies auf das pädagogische Arbeitsfeld mit Kindern im Alter von 0-6 Jahren die überwiegend in Krippen und Kindergärten, zusammengefasst als Kindertageseinrichtungen, durchgeführt wird.
2. Anteile von Männern und Frauen in Kindertageseinrichtungen
Die weibliche Übermacht in den Kindertageseinrichtungen lässt sich nicht nur subjektiv (siehe Anmerkung des Kindes in der Einleitung) sondern auch objektiv darstellen. Eine Auswertung des Deutschen Jugendhilfeinstituts (DJI) hat ergeben, dass sich die Anzahl der Männer in Deutschen Kindertagesbetreuung in den Jahren von 2006 bis 2018 mehr als verdreifacht hat. Der Anteil an männlichen Fachkräften liegt, trotz der Verdopplung von 3,1 % auf 6,0 %, jedoch deutlich hinter dem der weiblichen Fachkräfte. Rechnet man die Kindertagespflege heraus,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Quelle Fachkräftebarometer.de Personal in der Kindertagesbetreuung nach Geschlecht und Tätigkeitsfeldern 2006 und 2018 verbessert sich der Anteil leicht auf 6,2%.
Zum 01.03.2019 stehen in Deutschland den 42.965 männlichen Fachkräften 603.980 weibliche Fachkräfte (jeweils ohne Verwaltungspersonal) in den Tageseinrichtungen für Kinder gegenüber (vgl. Destatis, 2019). Dies bestätigt die steigende Tendenz aus den vergangenen Jahren. Aber auch das weiterhin bestehende Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen.
Der Bund und die Bundesländer haben in den vergangenen Jahren mehrere Programme entwickelt um den Anteil an männlichen Fachkräften zu erhöhen. Das in Deutschland vermutlich bekannteste Modellprogramm, „MEHR Männer in Kitas“ wird im folgenden Kapitel thematisiert.
3. Modellprogramm „MEHR Männer in Kitas“ und dessen Ziele
Unter „MEHR Männer in Kitas“ wurden 16 verschiedene Modellprojekte unter der Förderung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem Europäischen Sozialfond (ESF) zwischen 2011 und 2013 durchgeführt. Der Schwerpunkt lag neben der Gewinnung von männlichen Fachkräften auf folgenden Bausteinen.
a. Koordinationsstelle Männer in Kitas: Koordination zwischen den Akteuren der Politik, Trägern und Personal.
b. Quereinsteigerprogramm Männer in Kitas: Fokus auf Berufswechsler mit dem Wunsch sich zum Erzieher ausbilden zu lassen.
c. Tandemstudie: Untersuchung welche Unterscheidungen zwischen männlichen und weiblichen Fachkräften in der pädagogischen Arbeit vorhanden sind.
(vgl. BMFSFJ, 2011, S. 5)
Wie Budde, Thon und Walgenbach aufführen, ist zu hinterfragen, ob es nicht primär die Politik statt der Männer selbst ist, die den Anstieg des Männeranteils wünscht (vgl. ebd., 2014, S. 17). Gründe hierfür können sein: dem Ruf nach Diversity gerecht zu werden und insbesondere dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken (vgl. Aigner, Koch, Poscheschnik, Rohrmann, & Strubreither, 2012, S. 72, Rohrmann, 2012b, S. 125 f.).
Betrachtet man die folgende zentrale Zielsetzung des Modellprojekts „MEHR Männer in Kitas“,
- in den mitwirkenden Kindertageseinrichtungen den Anteil von Männern als Erzieher zu steigern
- die Berufszufriedenheit der Erzieher in den Kitas zu erhöhen und damit ihren Verbleib dort zu sichern
- das Berufsbild des Erziehers in der Modellregion zu verbessern
- durch Kooperationen verschiedener Akteure Instrumente zu entwickeln, die zu einer nachhaltigen Erhöhung des Anteils männlicher Fachkräfte in Kitas führen
- eine qualitätsvolle geschlechtersensible frühkindliche Bildung zu gewährleisten (BMFSFJ, 2011, S. 2) lässt sich herausheben, dass Punkte wie das Image des Erzieherberufs, die Rahmenbedingungen sowie notwendige Maßnahmen zum Verbleib in den Einrichtungen Hindernisse für die Männer (und teilweise auch für Frauen) im Umfeld institutioneller Kinderbetreuungseinrichtungen darstellen können. Das Ungleichgewicht der Geschlechter in den Kindertageseinrichtungen hängt unmittelbar mit diesen Hindernissen zusammen. Einen Überblick über diese Hindernisse zeigt das nachfolgende Kapitel 4.
4. Hindernisse für Männer in Kindertageseinrichtungen
Die definierten Ziele aus dem Projekt „MEHR Männer in Kitas“ im Kontext der Gewinnung von mehr Männern für den Beruf des Erziehers zeigen, dass es für Männer ganz offensichtlich keine Selbstverständlichkeit ist als Erzieher in der Frühpädagogik zu arbeiten. Die Gründe hierfür werden im Folgenden als Hindernisse angesehen. Per Dudendefinition stellt ein Hindernis ein Umstand oder ein Sachverhalt dar, der eine Schwierigkeit darstellt beziehungsweise die Erreichung von Zielen erschwert oder sogar verhindert.
4.1. Gesellschaftliche Männlichkeitskonstruktion
Die Vorstellung von Männlichkeit in unserem Kulturkreis (Eine Gruppe mit gleichen Vorstellungen von Normen und Werten) ändern sich dahingehend, dass es gesellschaftsfähig geworden ist die Kindererziehung auch den Männern zu übertragen (vgl. Rohrmann, 2012, S. 117, Budde, Thon, & Walgenbach, 2014, S. 15). Während dies in diesem Kontext überwiegend der innerfamiliären Kindererziehung zuzuschreiben ist zeigt sich, dass der Beruf des Erziehers/der Erzieherin weiterhin der stereotypen (verallgemeinernde) Frauenrolle zugeordnet ist und dadurch ein Hindernis für Männer darstellen kann (vgl. Cremers & Krabel, 2012, S. 145). Insbesondere die traditionelle, durch die Gesellschaft und Kulturkreise geschaffene, Männlichkeit des Mannes stellt für viele Erzieher (oder Interessierte) ein Hindernis dar. Denn nach diesem Verständnis stehen die Männer für die Rolle des Familienernährers. Mit dem Einkommen (s. Kapitel 4.3) aus der Erziehertätigkeit lässt sich für viele die Rolle des Familienernährers nicht vereinbaren (vgl. Cremers, Krabel, & Calmbach, 2015, S. 67-68).
Als hegemoniale Männlichkeit bezeichnet Connell diese sozialwissenschaftliche Theorie, dass Männer vor allem Frauen aber auch andere Männer ihrer eigenen Person und Macht unterordnen (vgl. Connell 2015, zit. n. Andrä, S. 54, 2019). Die Erzieher werden somit aus Sicht der hegemonialen Männer unterdrückt und nicht gleichwertig angesehen.
Männlichkeit wird also nicht nur dem biologischen Geschlecht (sex) zugeordnet sondern mehr noch dem Verhalten, als Reaktion auf den veränderbaren Einfluss sozialer (Umwelt-) Einwirkung der Kulturkreise (vgl. Andrä, 2019, S. 22 ff.).
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