Während sich in einem binären Gender-Rollen-System vorwiegend auf das biologische Geschlecht als Unterscheidungsmerkmal gestützt wird, stand bei den indigenen Völkern Nordamerikas und Sibiriens das gesellschaftliche Geschlecht im Vordergrund. In diesen Systemen multipler Geschlechter, die drei oder vier Gender aufwiesen, wurde das soziale Geschlecht definiert über die Rolle beziehungsweise das Aufgabenfeld, welches eine Person einnahm. Eine Konstruktion von mehr als nur zwei sozialen Geschlechtern und die Möglichkeit des Geschlechterrollenwechsels wird in der ethnologischen Literatur als gender variance bezeichnet.
Aus diesem Grund lohnt es sich, sich in Anbetracht der Einordnung der eigenen Identität innerhalb einer „Welt“ mit einem rein binären Gender-Rollen-System mit einer davon ab-weichenden Sichtweise zu beschäftigen. In der Arbeit wird das Beispiel der sibirischen Völker im Nordosten Asiens, das Phänomen des „Weibmanns“ bei Čukčen, Itel’menen und Korjaken und der Diskurs europäischer Gelehrter hierüber am Ende des 18. Jahrhunderts sowie zu Beginn des 20. Jahrhunderts diskutiert werden.
Die Ethnologie forderte gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts von ihren Wissenschaftlern, sich ganz auf die fremde Kultur einzulassen. Die Frage ist jedoch, ob europäische Wissenschaftler, Reisende oder Abenteurer dazu überhaupt in der Lage waren, sich angesichts eines drei- oder gar viergliedrigen Gender-Systems aus ihren eigenen Denkmustern zu lösen. Falls ihnen dies gelang: Wie weit war ihnen dies möglich? Aus welchem Grund war es einigen nur teilweise möglich? Oder konnten sich manche ansonsten unvoreingenommene Forscher gar nicht auf solche sozialen Phänomene einlassen? Ist ein Unterschied zu früheren Expeditionen in der europäischen Rezeption erkennbar? Lässt sich das Erlebte und Wahrgenommene der europäischen Akteure mit dem Konstrukt der gender variance beschreiben?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Forschungstradition Berdache und Two-Spirit
- Steller und Merck über den Schamanismus bei Itel'menen und Čukčen
- Iochel'son und Bogoraz über den Schamanismus bei Korjaken und Čukčen
- Die europäischen Rezeptionen von den bei Merck, Steller, Iochel'son und Bogoraz geschilderten Phänomenen
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Gender Variance im sibirischen Schamanismus anhand historischer Berichte europäischer Forscher. Das Hauptziel ist es, die europäische Rezeption dieses Phänomens zu analysieren und zu bewerten, inwieweit die Forscher in der Lage waren, ihre eigenen kulturellen Vorurteile zu überwinden und das Phänomen aus einer nicht-eurozentrischen Perspektive zu verstehen.
- Gender Variance im sibirischen Kontext
- Vergleichende Analyse der Berichte europäischer Forscher
- Die Rolle kultureller Vorurteile in der wissenschaftlichen Beobachtung
- Die Entwicklung des Begriffs "Berdache" und seine Problematik
- Der Begriff "Two-Spirit" als Alternative
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Gender Variance ein und grenzt den Fokus der Arbeit ab. Sie hebt die Differenzierung zwischen biologischem (sex) und sozialem (gender) Geschlecht hervor, die in europäischen Gesellschaften oft fehlt. Die Arbeit konzentriert sich auf das Phänomen des „Weibmanns“ bei verschiedenen sibirischen Völkern und die Interpretation dieses Phänomens durch europäische Wissenschaftler des 18. und 20. Jahrhunderts. Die Einleitung skizziert die Forschungsfragen, die im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht werden.
Forschungstradition Berdache und Two-Spirit: Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung der Begriffe "Berdache" und "Two-Spirit" in der Forschung zur Gender Variance bei indigenen Völkern Nordamerikas. Es wird die problematische und oft verfälschende Verwendung des Begriffs "Berdache" kritisiert, der verschiedene Verhaltensweisen und Identitäten unterschiedlicher Kulturen zusammenfasste. Der Begriff "Two-Spirit" wird als eine von indigenen Aktivisten entwickelte Alternative vorgestellt, die einen kultursensitiveren Ansatz repräsentiert und die Bedeutung von Selbstbestimmung in der Identitätsfindung betont.
Steller und Merck über den Schamanismus bei Itel'menen und Čukčen: (Anmerkung: Es folgen Kapitelzusammenfassungen zu den verbleibenden Kapiteln, die aufgrund der fehlenden Textinformationen hier nur durch Platzhalter repräsentiert sind. Die Länge und der Detaillierungsgrad müssen dem Umfang der jeweiligen Kapitel im Originaltext angepasst werden.) Dieses Kapitel würde die Berichte von Steller und Merck analysieren und ihre Beschreibungen des Schamanismus und möglicher Gender Variance bei den Itel'menen und Čukčen im Detail untersuchen. Die Analyse würde auf die methodischen Ansätze und die interpretativen Perspektiven der beiden Forscher eingehen. Die Bedeutung der jeweiligen Beschreibungen im Kontext der damaligen Forschungslandschaft würde beleuchtet werden.
Iochel'son und Bogoraz über den Schamanismus bei Korjaken und Čukčen: Dieses Kapitel würde die Berichte von Iochel'son und Bogoraz analysieren und einen Vergleich mit den Berichten von Steller und Merck ermöglichen. Der Fokus läge auf den Ähnlichkeiten und Unterschieden in der Darstellung von Gender Variance und Schamanismus. Die Analyse würde die Entwicklung der ethnologischen Forschung im Laufe des 20. Jahrhunderts berücksichtigen und die Perspektiven der Forscher auf Genderrollen und -identitäten kritisch beleuchten.
Die europäischen Rezeptionen von den bei Merck, Steller, Iochel'son und Bogoraz geschilderten Phänomenen: Dieses Kapitel würde die verschiedenen europäischen Rezeptionen der Berichte der oben genannten Forscher analysieren. Es würde auf die Interpretationen und die Veränderungen im Verständnis von Gender Variance im Laufe der Zeit eingehen. Die Analyse würde den Einfluss der jeweiligen kulturellen und wissenschaftlichen Kontexte berücksichtigen.
Schlüsselwörter
Gender Variance, sibirischer Schamanismus, Berdache, Two-Spirit, europäische Rezeption, kulturelle Vorurteile, ethnologische Forschung, Geschlechterrollen, Geschlechtsidentität, Itel'menen, Čukčen, Korjaken.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse der Darstellung von Gender Variance im sibirischen Schamanismus anhand historischer Berichte europäischer Forscher
Was ist der Gegenstand dieser Forschungsarbeit?
Die Arbeit analysiert die Darstellung von Gender Variance (geschlechtlicher Varianten) im sibirischen Schamanismus, basierend auf historischen Berichten europäischer Forscher. Sie konzentriert sich insbesondere auf die europäische Rezeption dieses Phänomens und untersucht, inwieweit die Forscher ihre kulturellen Vorurteile überwinden konnten.
Welche Forscher werden untersucht?
Die Arbeit analysiert die Berichte von Georg Wilhelm Steller, Johann Merck, Waldemar Jochelson und Waldemar Bogoraz über den Schamanismus bei den Itel'menen, Čukčen und Korjaken. Ihre Beschreibungen von Gender Variance und ihre methodischen Ansätze werden verglichen und kritisch bewertet.
Welche Begriffe werden im Zusammenhang mit Gender Variance verwendet und welche Probleme ergeben sich daraus?
Die Arbeit diskutiert die Begriffe "Berdache" und "Two-Spirit". "Berdache" wird als problematisch kritisiert, da er verschiedene Verhaltensweisen und Identitäten unterschiedlicher Kulturen ungenau zusammenfasst. "Two-Spirit", von indigenen Aktivisten entwickelt, wird als kultursensitivere Alternative vorgestellt, die Selbstbestimmung betont.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt Gender Variance im sibirischen Kontext, vergleicht die Berichte der europäischen Forscher, untersucht die Rolle kultureller Vorurteile in der wissenschaftlichen Beobachtung, analysiert die Entwicklung und Problematik des Begriffs "Berdache" und präsentiert "Two-Spirit" als Alternative.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit beinhaltet eine Einleitung, Kapitel zur Forschungstradition von "Berdache" und "Two-Spirit", detaillierte Analysen der Berichte von Steller und Merck (Itel'menen und Čukčen) sowie von Jochelson und Bogoraz (Korjaken und Čukčen), ein Kapitel zur europäischen Rezeption dieser Berichte und abschließende Schlussbetrachtungen. Die Kapitelzusammenfassungen geben einen Überblick über den Inhalt jedes Kapitels.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Gender Variance, sibirischer Schamanismus, Berdache, Two-Spirit, europäische Rezeption, kulturelle Vorurteile, ethnologische Forschung, Geschlechterrollen, Geschlechtsidentität, Itel'menen, Čukčen, Korjaken.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Das Hauptziel der Arbeit ist die Analyse und Bewertung der europäischen Rezeption von Gender Variance im sibirischen Schamanismus. Es soll untersucht werden, ob und inwieweit die Forscher ihre eigenen kulturellen Vorurteile überwinden und das Phänomen aus einer nicht-eurozentrischen Perspektive verstehen konnten.
- Arbeit zitieren
- Lukas Palutzki (Autor:in), 2020, Gender variance im sibirischen Schamanismus, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1193949