Ich möchte in meiner Arbeit auf mögliche Definitionen transhumanistischer Menschenbilder eingehen und deren Vorstellungen der Grenzüberschreitungen menschlicher Möglichkeiten mit Hilfe technologischer Mittel und Verfahren aufzeigen, um dann im Besonderen das Menschenbild Sorgners zu betrachten, da er Nietzsches Denken als fruchtbar für transhumanistische Werte erwähnt.
Ein weiterer Aspekt, der es meines Erachtens interessant macht Sorgners Menschenbild zu betrachten, ist seine Zugehörigkeit zur deutschsprachigen Denkschule. Im Anschluss werde ich Nietzsches Darstellungen des Übermenschen genauer durchleuchten und seinen vermeintlichen Bezug zum Transhumanismus darlegen. Mit Hilfe ausgewählter Literatur will ich aufzeigen, dass die Einvernahme Nietzsches als ersten Transhumanisten durch einen Personenkreis der transhumanistischen Bewegung ein Trugschluss ist. Schlussendlich wird ersichtlich werden, dass Nietzsches letzter Mensch transhumanistische Werte verkörpert und Nietzsches „Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen“ wenig Anhaltspunkte für transhumanistische Werte aufweist. Die Conclusio dient mir dazu, das Wesentliche zusammenzufassen.
Inhaltsverzeichnis
Problemaufriss und Zielstellungen
1 Transhumanistische Menschenbilder – mit Technik zur Perfektion?
1.1 Definitionen von transhumanistischen Menschenbildern im Überblick
1.2 Enhancement als Mittel zur Verbesserung
1.2.1 Digital- technologisches Enhancement: Prothesen und Cyborgs
1.2.2 Neuro- Enhancement: Happy Pills and Smart Drugs
1.2.3 Genetisches Enhancement: neue Freiheit und ethnische Brisanz
2 Die 12 Säulen transhumanistischer Diskurse nach Prof. Dr. Stefan Lorenz Sorgner
3 Gilt Nietzsche als erster Transhumanist?
3.1 „Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch, – ein Seil über einem Abgrunde.“
3.2 „Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben.“
4 Conclusio
Persönliche Anmerkung
Literaturverzeichnis
Problemaufriss und Zielstellungen
Gleich vorweg sei gesagt, dass es ein transhumanistisches Menschenbild nicht gibt, sondern vielmehr verschiedene Zugänge existieren. Als ein besonderer Aspekt erscheint mir die Hinwendung zu Nietzsche als propagierten Ahnherr des Transhumanismus, welcher besonders von Sorgner (2014, 2016a, 2016b) und More (2013) dargelegt und verteidigt wird. Eine genaue und kritische Betrachtung dieser Sichtweise gilt meinem Interesse, weshalb ich zu meiner Fragestellung komme: Das transhumanistische Menschenbild – gilt Nietzsche als erster Transhumanist? Ich möchte in meiner Arbeit auf mögliche Definitionen transhumanistischer Menschenbilder eingehen und deren Vorstellungen der Grenzüberschreitungen menschlicher Möglichkeiten mit Hilfe technologischer Mittel und Verfahren aufzeigen, um dann im Besonderen das Menschenbild Sorgners zu betrachten, da er – wie erwähnt – Nietzsches Denken als fruchtbar für transhumanistische Werte erwähnt. Ein weiterer Aspekt, der es meines Erachtens interessant macht Sorgners Menschenbild zu betrachten, ist seine Zugehörigkeit zur deutschsprachigen Denkschule. Im Anschluss werde ich Nietzsches Darstellungen des Übermenschen genauer durchleuchten und seinen vermeintlichen Bezug zum Transhumanismus darlegen. Mit Hilfe ausgewählter Literatur will ich aufzeigen, dass die Einvernahme Nietzsches als ersten Transhumanisten durch einen Personenkreis der transhumanistischen Bewegung ein Trugschluss ist. Schlussendlich wird ersichtlich werden, dass Nietzsches letzter Mensch transhumanistische Werte verkörpert und Nietzsches Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen wenig Anhaltspunkte für transhumanistische Werte aufweist. Die Conclusio dient mir dazu das Wesentliche zusammenzufassen.
1 Transhumanistische Menschenbilder – mit Technik zur Perfektion?
„Der Begriff Menschenbild bildet das Grundverständnis über das Wesen des Menschen ab. Nach Haeberlin (2005) sind unbewusste und verinnerlichte Menschenbilder, die zwischen den Extremen ‚der Mensch ist von Natur aus gut’ und ‚der Mensch ist böse’ polarisieren, notwendig, um spontan handeln zu können.“ (Haeberlin, 2005, S. 83) Ein reflektiertes, bewusstes und verinnerlichtes Menschenbild verhindert die Gefahr einer Auslieferung durch Vorurteile und Ideologie (vgl. Haeberlin, 1999, S. 18). „Der Begriff ‚Transhumanismus’ wurde 1957 von Julian Huxley in dessen Buch ‚New Bottles for New Wine’ zum ersten Mal schriftlich erwähnt.“ (Sorgner, 2016b, S. 191) Transhumanismus beschreibt einen Übergang von der präsenten humanen Lebensart zur posthumanen Lebensweise, wo endgültig ein Leben ohne Leid, Entbehrung und Konflikte erwartet wird (vgl. More, 2013, S. 4). Oberstes Ziel ist eine Verbesserung des Menschen.
1.1 Definitionen von transhumanistischen Menschenbildern im Überblick
Vorweg sei betont, dass Menschenverbesserung als Ziel nichts Neues darstellt. Beginnend bei den Griechen, wo Wissenschaft, Sophia, Verbesserung verspricht, über den aufklärerischen Bildungsbegriff, der eine moralisch- kulturelle Verbesserung einfordert, bis hin zu eugenischen Tendenzen ab dem 20. Jahrhundert, lassen sich Verbesserungskonzepte ausmachen (vgl. Damberger, 2014, S. 7-10; Lohmann, 2014, S. 17-21; Knoepfler, 2018, S. 160; Glockentöger/ Bittner/ Fangerau, 2012, S. 73ff.). More (2013) beschreibt mittelalterliche Alchimisten als Prototranshumanisten (vgl. More, 2013, S. 9). Transhumanismus kann als technisch betonter Humanismus verstanden werden, der mit Wissenschaft und Vernunft agierend, durch Manipulation – Enhancement – das Menschsein verbessern will (vgl. More, 2013, S.3f.). Damit will More (2013) die legitime Verbindung zum Humanismus herstellen, der rein durch Bildung und Kultur zur Erhöhung des Menschen führen will. „Für Transhumanismus sind auch Begrifflichkeiten wie ‚Ingenieursposthumanismus’ oder ‚naturalistisch gewendeter Posthumanismus’ in Verwendung“. (Coenen, 2009, S. 268). „Der Transhumanismus lässt sich als ein Element des Ingenieursposthumanismus begreifen, der zu diesem in einem ähnlichen Verhältnis steht wie der Sozialismus zum Kommunismus. Er versteht sich überwiegend als dessen Vorstufe oder Voraussetzung.“ (Coenen, 2009, S. 268) Für Sorgner besitzen der Posthumanismus und der ‚naturalistisch gewendeter Posthumanismus’ eine völlig andere Herkunft und einen völlig anderen kulturellen Kontext und damit keine Parallelitäten zum Transhumanismus. Der Begriff ‚Posthumanismus’, der 1977 durch Ihab Hassan geprägt wurde, stellt eine Weiterentwicklung der Postmoderne dar und philosophiert über eine Neukonzeptionalisierung des Menschen.“ (Sorgner, 2016a, S. 191) „Teilgebiete der Forschung bezüglich Künstlicher Intelligenz, Nanotechnologie, Genetik, Informationstechnologie und Robotik, die sich mit Fragen betreffend ‚Menschsein’ und ‚biologischen Grenzen beschäftigen’, können mit ihrer Intention, ein neues – anderes! – Leben schaffen zu wollen, in Beziehung zum Transhumanismus gesetzt werden.“ (Watson, 2014, S. 126) „Transhumanismus ist nicht gleich Hyperhumanismus, der ein dualistisches Weltbild vertritt.“ (Sorgner, 2016a, S. 141) „Die wichtigste Aussage des Transhumanismus ist die ‚Bejahung des Nutzens von Technologien zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Entstehung des Posthumanen’.“ (Sorgner, 2016a, S.142) Das Posthumane, als menschliche Weiterentwicklung, trägt zur Verbesserung des Lebens bei, da ständig verändernde Lebensbedingungen Anpassungen verlangen, die endgültig zum Bild führen, dass Posthumane in den Computer hochgeladene Persönlichkeiten sein können, was unter dem Begriff ‚Mind Uploading’ reüssiert. Das posthumane Mind Uploading setzt eine naturalistische Anthropologie voraus (vgl. Sorgner, 2016a, S. 142f.). Zwischen Post- und Transhumanismus siedeln Sorgner und der Künstler Jamie del Val den Metahumanismus, der als jenseits des Humanismus zu betrachten ist, an (vgl. Sorgner, 2016b, S.193). Transhumanist*innen verfolgen das Ziel der Selbstbestimmung bezüglich Selbstreparatur und Selbstzüchtung und wollen keine Regulierungen von Staatsseite. Wie in jeder Denkrichtung gibt es verschiedene politisch induzierte Strömungen. Der demokratischen Transhumanismus und der Extropianismus stehen einer Minderheit des sozialistischen Transhumanismus gegenüber. Daneben gibt es auch einen radikalen Flügel, der traditionelle humanistische Werte im Dienste des Fortschritts in Frage stellt und vollends überwinden will. Die World Transhumanist Association fühlt sich für wissenschaftliche und philosophische Diskurse ebenso zuständig wie für transhumane Kunstprojekte (vgl. Metz & Seeßlen, 2012, S. 492ff.). Endgültig kann Transhumanismus als eine der Humanoptimierung verschriebene Ideologie determiniert werden, die als Absicht eine Überwindung des Menschseins mit Hilfe wissenschaftlich- technische Errungenschaften hat, die den Veränderungsprozess beschleunigen sollen (vgl. Coenen, 2009, S. 268).
„Der Transhumanismus ist eine philosophische Strömung mit ideologischen Tendenzen – eine Weltanschauung, die sich nicht darauf beschränkt, die Welt nur anzuschauen, sondern bewusst und konsequent an ihrer Veränderung arbeitet, um über (lat. „trans“) das Menschliche (lat. „humanum“) hinaus zu gelangen. Man kann den Transhumanismus daher auch als politische Bewegung verstehen, die in Ansätzen dementsprechend organisiert ist, zum Beispiel in der Gruppierung „Humanity+“, die 1998 als „World Transhumanist Association“ gegründet wurde.“ (Schmaus, 2016, S. 207)
1.2 Enhancement als Mittel zur Verbesserung
Die Debatte über Menschenverbesserung scheint so alt wie die Menschheit zu sein. Der vorherrschende Zeitgeist entscheidet über potentielle Verbesserungsphantasien und eventueller Umsetzungen. Bildung, moralische Einstellungen und das staatliche Gemeinwesen prägten und prägen den Diskurs, der zur Steigerung des Guten im Menschen führen soll. Technologien erwecken die Phantasie der Singularität, die den Homo sapiens obsolet erscheinen lässt (vgl. Lohmann, 2014, S. 17ff.). Human Enhancement Technologien sind nach gängiger Definition Behandlungen, Operationen, und medizinische Verbesserungsversuche an Menschen, die nicht krank sind (vgl. Coenen, 2009, S. 110). Menschliche Eigenschaften und Kapazitäten sollen mit allen möglichen Methoden gezielt über konventionelle Normen optimiert werden (vgl. Woyke, 2010, S. 21f.). Unter dem Namen NBIC Convergence Technologien werden radikale Eingriffe diskutiert, die eine selbstbestimmte Form der Evolution und ein posthumanes Überwinden der Gattungsgrenzen versprechen. NBIC steht für Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und für Technologien, die auf den Kognitionswissenschaften basieren (vgl. Coenen, 2009, S. 108). Der Schwerpunkt liegt auf einer Verbesserung bzw. Wiederherstellung des menschlichen Leistungsvermögens, sowie einer qualitativen Aufwertung aller Lebensbereiche. 1995 tauchten erstmals Spiele wie Star Wars Force Trainer und Mindflex auf, die eine direkte Gehirn- Computer- Steuerung ermöglichten. Gehirn-Computer-Schnittstellen als Enhancement gibt es vor allem in spezialisierten Forschungslabors, die Computer-Interfaces für Menschen, die weder Hände noch andere Körperteile benutzen können, entwickeln, weshalb der Gedanke entsteht, dass NBIC Convergence Technologien – vermeintlich – ein gesundes, normales Leben für alle in Reichweite rücken lassen. Die Masterminds von NBIC Convergence Technologien geraten wegen angedachter Eingriffe bei gesunden Menschen in Kritik (vgl. Watson, 2014, S. 128f.).
1.2.1 Digital- technologisches Enhancement: Prothesen und Cyborgs
„Der Mensch 2.0 wird sich nicht allein durch biologische Eingriffe ins [sic] sein Genom verändern, sondern auch durch die Integration (digital) technologischer Bauteile in seinen Körper und vielleicht auch durch nanotechnologische Interventionen.“ (Stengel, 2017, S. 77) Der Mensch in seiner Einzigartigkeit vollführt den Akt der Überwindung seiner Mängelstruktur, was durch seine Wesensart der Lebendigkeit, Bewusstheit, Selbstbestimmtheit und Orientierungsbedürftigkeit gelingt. Prothesen, Exoskelett oder Kraftanzüge, die behinderten Menschen zu mehr Lebensqualität verhelfen, sowie alle Gehilfen, Seh-, Hörbehelfe, Implantate und auch transplantierte Organe, die zur Leidminderung eingesetzt werden sind begrüßenswerte digital- technologische Weiterentwicklungen. Das Cochlea- Implantat für Gehörlose und das Retina- Implantat für Blinde als angewandte Beispiele verdeutlichen, dass technologisches Enhancement ist per se nicht als problematisch zu betrachten ist.
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