Welche Implikationen haben Enhancement-Strategien, im Besonderen genetisches Enhancement, im Sinne des Transhumanismus für Menschen mit Behinderung? Da eine umfassende Bearbeitung der Fragestellung im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, wird eine Reduzierung hinsichtlich einer Darlegung der Problematik anhand des schwachen nietzscheanischen Transhumanismus Sorgners und eine Eingrenzung Richtung genetischen Enhancement vorgenommen.
Das Menschenbild ist einem kulturellen und geschichtlichen Wandel unterlegen. Auch existiert ein allgemeingültiges Menschenbild nicht. Dennoch sind menschliches Denken und Handeln einem – meist unbewussten – Menschenbild zugeordnet, das kaum in Frage gestellt oder mit anderen Menschenbildern verglichen wird.
Was heißt nun Menschenbild? Die humanistische Strömung der Renaissance ließ den Menschen als Individuum in den Mittelpunkt der philosophischen Weltbetrachtung rücken und damit eine Anthropologie mit ihren widersprüchlichen Menschenbildern prosperieren. Was ist ein Mensch, und was ist er nicht? Diese Frage, grundlegend für jede einzelne Person, die mit der zu gebenden Antwort im Regelwerk der staatlichen Rechtsordnung, der Ethik und Moral bewertet wird oder bewertet, ist einer Debatte unterworfen, die aktuell durch medizinisch-technologische Fortschritte wie etwa Robotik und Gentechnologie an Prägnanz gewinnt. Dieser Diskussion bedarf es, im Sinne einer pädagogischen Anthropologie, bildungstheoretischer und -praktischer Implikationen. Das Nebeneinander von Ansichten über Menschen und ihren diversen Lebensstilen braucht mehr denn je einen gelebten Diskurs.
Inhaltsverzeichnis
Problemaufriss und Fragestellung
1 Heilpädagogik und Enhancement – ein kurzer Überblick über ein ambivalentes Zusammenspiel
2 Das Menschenbild des Transhumanismus nach Sorgner
3 Eine kritische Ausschau: Welche Bedeutung haben Enhancement-Strategien, im Besonderen genetisches Enhancement, im Sinne des Transhumanismus für beeinträchtigte Menschen?
3.1 Position 1: Erziehung und genetisches Enhancement sind als idente Menschenverbesserungstechniken auszumachen.
3.2 Position 2: Mit der radikalen Pluralität des Guten und dem damit verbundenen Ausleben der negativen Freiheit ist davon auszugehen, dass Behinderung auch als erwünscht durch selektives genetisches Enhancement herbeigeführt wird.
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
„Es ist die Signatur des technischen und anthropotechnischen Zeitalters, daß Menschen mehr und mehr auf die aktive oder subjektive Seite der Selektion geraten, auch ohne daß sie sich willentlich in die Rolle des Selektors gedrängt haben müßten. Man darf zudem feststellen: Es gibt ein Unbehagen in der Macht der Wahl, und es wird bald eine Option für Unschuld sein, wenn Menschen sich explizit weigern, die Selektionsmacht auszuüben, die sie faktisch errungen haben.“ (Sloterdijk 1999, S. 44)
Problemaufriss und Fragestellung
Das Menschenbild ist einem kulturellen und geschichtlichen Wandel unterlegen. Auch existiert ein allgemein gültiges Menschenbild nicht. Dennoch sind menschliches Denken und Handeln einem – meist unbewussten – Menschenbild zugeordnet, das kaum in Frage gestellt oder mit anderen Menschenbildern verglichen wird. Professionist*Innen sozialer Berufe sind dazu angehalten, ihr Menschenbild bewusst artikuliert dazulegen, da sie ihre normativen Wertvorstellungen und Haltungen direkt an ihre Klientel, seien dies beispielsweise Kranke, Bedürftige oder Unmündige, herantragen.
Was heißt nun Menschenbild? Die humanistische Strömung der Renaissance ließ den Menschen als Individuum in den Mittelpunkt der philosophischen Weltbetrachtung rücken und damit eine Anthropologie1 mit ihren widersprüchlichen Menschenbildern prosperieren2. Was ist ein Mensch, und was ist er nicht? Diese Frage, grundlegend für jede einzelne Person, die mit der zu gebenden Antwort im Regelwerk der staatlichen Rechtsordnung, der Ethik und Moral bewertet wird oder bewertet, ist einer Debatte unterworfen, die aktuell durch medizinisch-technologische Fortschritte wie etwa Robotik und Gentechnologie an Prägnanz gewinnt. Dieser Diskussion bedarf es, im Sinne einer pädagogischen Anthropologie3, bildungstheoretischer und -praktischer Implikationen.
„Menschen sind genuin pädagogische Wesen: Wie auch immer man den Menschen denken will oder kann, er muss auch in einer pädagogischen Betrachtungsweise erscheinen. Ohne Lernen oder Erziehung lässt sich der Mensch ebenso wenig verstehen, wie Lernen oder Erziehung ohne Vorstellungen vom Menschen. Dass mit dieser Fokussierung auch eine Reduzierung verbunden ist, liegt auf der Hand; Menschen sind immer mehr als nur pädagogische Wesen; doch es gibt keine wissenschaftliche Perspektive, die keine Reduktionismen birgt. Insofern lässt sich präziser sagen: Der Mensch ist auch ein genuin pädagogisches Wesen.“4
Wimmer5 verweist darauf, dass neue technologische Entwicklungen, die Utopisches als bald realistisch erscheinen lassen, und die Unklarheit der heutigen Definition von Bildung6 die zentralen Herausforderungen zukünftiger bildungswissenschaftlicher Diskurse sind7. Der sich artikulierende Zielkonflikt zwischen Bildungsvorstellungen, die sich primär an den Erfordernissen der neoliberalen Gesellschaft und hier insbesondere des Arbeitsmarkts orientieren und jenen, die der freien Entfaltung des Individuums Priorität einräumen8, verdeutlicht, dass die „herkömmliche“ humanistische Bildung am Ende ist. Die Debatte rund um Transhumanismus und Enhancement9 demonstriert die Reichweite plakativ. Erziehung und Bildung werden durch Naturwissenschaft und Technik pragmatisch ergänzt oder gar ersetzt. Die Verschmelzung Mensch - Maschine ist in den öffentlichen Debatten angekommen, wie Zeitungsartikel10 zeigen.
Damit erfahren die im Humanismus eingesetzten Bildungs- und Kultivierungspraktiken im Transhumanismus eine Ablöse durch eine Selbstkultivierung mit Hilfe technischer Mittel. Bedenklich ist dabei der Umstand, dass aus einem aktiven, durch Bildung und Erziehung „geformten“ Wesen ein Passives, durch Technik Gestaltetes wird.
Im Spartenschulbereich11, dem Arbeitsfeld der Autorin, ist ein stärker werdender Trend hin zur pharmakologischen Einnahme verschreibungspflichtiger Medikamente, wie Ritalin, durch Eltern, damit deren Kinder leistungsfähiger werden und kontrollierbarer gefördert werden können, bemerkbar. Auffällig ist, dass Konsequenzen und Nebenwirkungen als unwichtig verdrängt werden. Zudem lässt sich ein stärker werdender kontroverser Umgang mit Behinderungen12, der sich durch Verständnis gegenüber Behinderungen, die durch Geburtstraumata oder Unfälle entstanden sind, und Unverständnis gegenüber genetisch bedingten Behinderungen zeigt, feststellen. Dieser Umstand scheint gentechnischen Errungenschaften geschuldet zu sein.
Menschen mit Behinderung sind aufgrund ihrer Nicht-Heilbarkeit eine Herausforderung an unsere Gesellschaft, da jeglicher Normalisierungsversuch – medizinischer, therapeutische oder pädagogischer Natur – zum Scheitern verurteilt ist, was einer Beleidigung der westlichen, hochentwickelten Kultur gleichkommt13. Auch hier ist der Einzug der Biowissenschaften mit der Möglichkeit der körperlichen Transformation durch Transplantation, Implantation und Gentechnik von großer Bedeutung, versprechen diese doch Normalisierung oder Verbesserung. Diese Möglichkeiten, die im weiteren Sinne ein Müssen implizieren, lassen Pluralismus und Toleranz als obsolet erscheinen. Das Nebeneinander von Ansichten über Menschen und ihren diversen Lebensstilen braucht damit mehr denn je einen gelebten Diskurs, weshalb sich die Frage aufdrängt:
Welche Implikationen haben Enhancement-Strategien, im Besonderen genetisches Enhancement, im Sinne des Transhumanismus für Menschen mit Behinderung?
Da eine umfassende Bearbeitung der Fragestellung im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, wird eine Reduzierung hinsichtlich einer Darlegung der Problematik anhand des schwachen nietzscheanischen Transhumanismus Sorgners und eine Eingrenzung Richtung genetischen Enhancement vorgenommen.
Um ein der Arbeit zugrunde liegendes Eingehen auf die relevanten Begriffe Transhumanismus und Enhancement zu ermöglichen und um die Problematik des Human Enhancement bearbeiten zu können, bedarf es einer grundlegenden Darstellung von Begrifflichkeiten: Was ist Transhumanismus? Zudem ist es notwendig Enhancement einer Definition zu unterziehen. Common- Sense- Explikationen werden herangezogen, um nicht gar zu sehr auszuschweifen. Damit wird nicht auf verschiedenste Auslegungen eingegangen.
Wimmer14 definiert Transhumanismus als die Überwindung des Menschseins durch Verschmelzung mit der Maschine15 auf ironische Weise:
„Diese Form des transhumanistischen Futurismus könnte man auch als den forcierten Versuch verstehen, die Ideen der abendländischen Metaphysik endlich zu realisieren und den Hegelschen Geist zu vollenden, d.h. in als einzig Reales buchstäblich zu verabsolutieren, d.h. abzutrennen von der Endlichkeit seiner Körperlichkeit und ihn unsterblich und unendlich zu machen.“16
Im Transhumanismus wird, allgemein zusammenfassend, eine Weiterentwicklung humanistischer Ideale angestrebt, die durch Optimierungsmethoden – Human Enhancement – eine Perfektionierung des Menschen erreichen will. Nach Missomelius17 werden unter dem Begriff Human Enhancement von Bioethiker*Innen Eingriffe gebündelt, die Vervollkommnung menschlicher Eigenschaften und Vermeidung beziehungsweise Ausmerzung menschlicher Defizite erwirken sollen18. Diese Definition dient als die der Arbeit zugrundeliegende.
Die Diskussion um Transhumanismus ist laut Wimmer keineswegs neu: Foucault, Nietzsche, Heidegger, Adorno und Turing haben sich mit der Problematik beschäftigt. Die Radikalität und Undurchlässigkeit der anthropologischen Grenzen zum Tier wie auch zur Maschine werden seit sehr langer Zeit bezweifelt – nicht nur hinsichtlich des vermeintlichen Alleinstellungsmerkmals der Rationalität, sondern auch hinsichtlich der Körperlichkeit19.
Allzu negativ darf der Zustand nicht betrachtet werden, denn das Zukünftige20 liegt eben noch in der Zukunft und kann nur als Utopie betrachtet werden. Dennoch ist mit einem deutlichen Entwicklungsfortschritt bezüglich Künstlicher Intelligenz, Nanotechnologie, Genetik, Informationstechnologie und Robotik und einer einhergehenden Veränderung ins Ungewisse zu rechnen. Der Mensch in seiner Einzigartigkeit vollführt mit der technologischen Revolution den Akt der Überwindung seiner Mängelstruktur hin zum, von einzelnen Transhumanisten propagierten, nietzscheanischen Übermenschen21.
Im ersten Kapitel wird ein kurzer Überblick über den Wandel des Menschenbilds in der Heilpädagogik mit relevanten Facetten von Human Enhancement dargelegt, um ein grundlegendes Verständnis hinsichtlich des Phänomens Enhancement zu erlangen. Dabei wird der Schwerpunkt auf geschichtliche Gegebenheiten, die mit der Thematik der Fragestellung betreffend Enhancement und Behinderung einhergehen, liegen und nur diese werden angeführt. Im Kapitel 2 wird das Menschenbild des schwachen nietzscheanischen Transhumanismus nach Sorgner einer Betrachtung unterzogen, um anschließend im dritten Kapitel die Bedeutung von transhumanistischen Enhancement-Strategien betreffend genetisches Enhancement für Menschen mit Behinderung zu explizieren. Auf diese Weise werden zwei Positionen Sorgners genauer betrachtet, da ein Mehr die Länge der Arbeit sprengen würde. Das Menschenbild Sorgners wird deshalb zur exemplarischen Betrachtung hinzugezogen, weil es einerseits weitreichend in Gesellschaft und Politik eindringt und so als Weltanschauung gelten kann, was auch auf die transhumanistische Bewegung mit Human Enhancement allgemein zutrifft und andererseits aus dem deutschsprachigen Raum entspringt, da Sorgner als deutscher Philosoph mit Schwerpunkt Post- und Transhumanismusforschung gilt. Das Fazit dient, beginnend mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse, der Beantwortung der Forschungsfrage und einem kritischen Ausblick.
1 Heilpädagogik und Enhancement – ein kurzer Überblick über ein ambivalentes Zusammenspiel
Eine historische Betrachtung des Begriffs Human Enhancement wird in den Veröffentlichungen vernachlässigt, da der mediale Diskurs eine andere Richtung vorgibt, nämlich den hinsichtlich neuester Technologien und gesellschaftlicher Akzeptanz. Das Anliegen dieses Absatzes ist es daher einen Überblick über historische Ideen hinsichtlich Human Enhancement zu bieten und diese Perspektiven mit historischen Gegebenheiten in der Heilpädagogik zu verknüpfen, um so ein Gesamtbild hinsichtlich des Menschenbilds der Behinderten im ethisch-zeitlich-gesellschaftlichen Kontext zu erlangen, das dennoch – der geschichtlichen Dimension geschuldet – nur als bruchstückhaft geltend gemacht werden kann.
Von der Antike ins 19. Jahrhundert: Platon, Aristoteles, Locke, Salzmann, Heinsius
Beginnend im antiken Griechenland und Rom lässt sich mit Haeberlin22 verdeutlichen, dass das Ideal des Schönen, Sittlichen und körperlich Tüchtigen gilt und als Maßstab für den Umgang mit Missgestalteten herangezogen wird. Der Wert des Menschen misst sich an seiner Brauchbarkeit. Sowohl Tötung missgebildeter Neugeborener als auch Abtreibung bei unerwünschter Schwangerschaft werden zum Interesse des Gemeinwohls erhoben und sind derart sowohl bei Platon und Aristoteles belegt23. Die Offenheit und Wandelbarkeit des Körpers verlangt, als kulturellen Bestandteil, Menschenverbesserung durch asketisches Verhalten und Körpertraining24. Foucault25 beschreibt Askese in diesem Sinne als Selbstformierung des Subjekts:
„Man könnte das [die Selbstformierung des Subjekts, Anm. d. Autorin] als eine asketische Praxis bezeichnen, wenn man Askese in einem sehr allgemeinen Sinne fasst, also nicht im Sinne einer Moral des Verzichts, sondern in dem einer Einwirkung des Subjekts auf sich selbst, durch die man versucht, sich selbst zu bearbeiten, sich selbst zu transformieren und zu einer bestimmten Seinsweise Zugang zu gewinnen.“26
Das Schicksal behinderter Menschen im Mittelalter, also zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert, lässt sich als desolat beschreiben. Die Aufnahme von Behinderten in Klöster wird durch Schenkungen geleitet und kann daher in keiner Weise als selbstlos und gemeinnützig beurteilt werden27. Locke (1632-1704) gilt als Vorreiter der Aufklärung und der Vorstellung, dass ein Heilen mit erzieherischen Mitteln möglich sei28. Das Menschenbild des vernünftigen und selbstbestimmten Menschen kontrastiert zum Bild des unvernünftigen und fremdbestimmten Behinderten29. Ab etwa 1750 tritt eine Verbesserung der Lebensumstände ein. Die Kirche steht in der Pflicht einen Beitrag zur Verbesserung des menschlichen Daseins zu leisten30. Salzmann (1744-1811) Philanthrop der Aufklärung sieht die Gottesebenbildlichkeit als Verpflichtung zum Streben nach Vollkommenheit. Die Natur dient als Maßstab aller Dinge. Für Glockentöger/ Bittner/ Fangerau31 zeigt sich daher eine Verbindung zum Human Enhancement, weil die Vervollkommnungstendenz mit der menschlichen Natur in Verbindung gebracht wird32. Ab dem 19. Jahrhundert soll eine Verbesserung des Menschen sowohl religiös als auch moralisch konnotiert sein, wie Heinsius 1809 plakativ darlegt:
„Wahrheit und Tugend im Sinne Jesus‘, der Apostel und Luthers erkannte der Berliner Schulmann (und spätere Deutschlehrer Otto von Bismarcks) Theodor Heinsius als „die köstlichsten, die größten, die theuersten Güter der Menschheit“, die es zu erhalten gelte, und zwar „durch Ausrottung von Wahn und Aberglauben […] durch Steuerung der Unsittlichkeit und des Lasters, […] durch Menschenveredelung und Menschenverbesserung […].“33
[...]
1 Unter Anthropologie ist die „Lehre vom Menschen“ zu verstehen. Laut Bohlken und Thies Handbuch Anthropologie (2009) lässt sich das Wort vom lateinischen anthropologia etymologisch herleiten. In der griechischen Antike ist unter anthropologein das Tratschen im kritischen Kontext zu verstehen (vgl. Bohlken/Thies 2009, S. 1).
2 Vgl. Bohlken/Thies 2009, S. 1.
3 Implizite und explizite Vorstellungen vom Menschen und seiner Bildsamkeit fließen in Erziehung und Bildung mit ein. Bildsamkeit ist nach Herbart „als Bestimmtsein des Menschen zur Mitwirkung an der Gesamtpraxis und mithin als Bildsamkeit zu rezeptiver und spontaner Leiblichkeit, Freiheit, Geschichtlichkeit und Sprache menschlicher Praxis [zu] fassen.“ (Benner 82015, S. 74)
4 Wulf/Zirfas 2014, S. 9.
5 2014a.
6 Die Wurzeln des Bildungsbegriffs reichen bis in das 14. Jahrhundert zurück, wobei er einem Bedeutungswandel unterliegt, der über theologische Spekulationen zum Menschen als Ganzes führt und bei Humboldts Bildungsbegriff des Neuhumanismus seinen Höhepunkt erfährt (vgl. Koller 2004, S. 73-74). Jeder einzelne Mensch soll das Höchstmaß seiner Potentialentfaltung verwirklichen. Dennoch ist Bildung ein gesellschaftlicher Prozess, indem alle Charaktere zusammen das höchste Maß an Bildung erzielen, das ein Einzelindividuum niemals zu erreichen vermag (vgl. ebd., S. 78-79). Bildung ist als Wechselwirkung von Individuum und Welt zu sehen, die „allgemein, rege und frei sein“ [soll]. (Koller 2004, S. 81-83)
7 Vgl. Wimmer 2014a, S. 47-49.
8 Der Zielkonflikt, der sich, durch technologische Errungenschaften, die eine globale Transformation rasant voranschreiten lassen, stellt sich dringlicher denn je dar. Es scheint wahrlich so, als ob der gegenwärtige Zielkonflikt zwischen Bildung und Brauchbarkeit ein alter und ewiger Konflikt unter anderen Vorzeichen und – historisch bedingt – einer anderen Qualität, ist. Seit der geisteswissenschaftlichen Epoche der Aufklärung sind die Begriffe Autonomie, Emanzipation und Mündigkeit eng mit Bildung verbunden. Bildung ist demzufolge stets auch ein Maß für die selbsttätige und selbstbestimmte Ausprägung der unverwechselbaren individuellen Persönlichkeit. Bildungsprozesse vollziehen sich zwischen Individuum und Umwelt, welcher eine entscheidende Rolle bezüglich Qualität zukommt. Das Verständnis der Pädagogik galt und gilt zudem einem Bemühen um einen Beitrag zur positiven Veränderung von Gesellschaft: „Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.“ (Artikel 26, Punkt 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948)
Neben einem Kompetenzerwerb und Lebenslangem Lernen braucht es deshalb Bildung zur Herausformung von Persönlichkeit, zum kritischen Betrachten der Umstände und zum Reflektieren. Die gegenwärtige Technologisierung, die als Endszenario Mensch- Maschine- Verschmelzungen verspricht, verlangt nach einer bewussten Betrachtung und einem Nachfragen, wie wir Menschen unser Leben gestalten wollen (vgl. Wimmer 2014b, S. 261).
9 Der Begriff Enhancement bedeutet wörtlich Verbesserung, Erhöhung, Steigerung. Human bedeutet menschlich. Genauer spezifiziert soll die Lebenszeit verlängert werden, die psychischen Fähigkeiten gesteigert werden, die Persönlichkeit mit ihrem Emotionshaushalt verbessert werden und genetisch auf eine Verbesserung der Nachkommenschaft eingewirkt werden (vgl. Heil 2010, S. 42).
10 Hier sei der Standard erwähnt, der jeden Freitag ein Schwerpunkt über Zukunftstechnologien schaltet.
11 Darunter versteht man Schulen für Körperbehinderte, psychisch kranke Kinder, schwerst geistigbehinderte Kinder und Krankenhausschulen.
12 Darunter sind Menschen mit andersartig wahrnehmbaren Eigenschaften hinsichtlich des Körperlichen, Kognitiven, Sprachlichen, Emotionalen oder Verhaltens gemeint.
13 Vgl. Dederich 2007, S. 47.
14 2014b.
15 Vgl. Wimmer 2014b, S. 253.
16 Wimmer 2014b, S. 252.
17 2016.
18 Vgl. Missomelius 2016, S. 122-123.
19 Vgl. Wimmer 2014b, S. 246-247.
20 Ein Blick in das Zukünftige ist laut Wimmer (2014a) als konstitutiv für die pädagogische Praxis und Reflexion zu betrachten, da Menschsein zeitlich gefasst immer auch ein zukünftiges Sein bedeutet (vgl. Wimmer 2014a, S. 45).
21 Aber vorweggesagt: Enhancement- Technologie ermöglicht Kontrolle über einzelne Fähigkeiten und Verbesserung, die bisher unmöglich waren, was aber keiner Selbsttranszendenz im Sinne Nietzsches Übermenschen entspricht. Der Mensch entwickelt sich dadurch zu einem nihilistischen letzten Menschen, der ohne Wertvorstellungen und Ziele seine Grundbedürfnisse befriedigt. Nietzsches Übermensch ist man dann, wenn man ohne Technologien als Ersatzreligion mutig sein Dasein bestreitet, Neuerungen kritisch begegnet und einen reflektierten Zugang hinsichtlich wissenschaftlicher Errungenschaften zeigt (vgl. Damberger 2017, S. 165-166).
22 2005.
23 Vgl. Haeberlin 2005, S. 99-102.
24 Vgl. Dermühl 2015, S. 32.
25 72017.
26 Foucault, 72017, S.275.
27 Vgl. Haeberlin 2005, S. 102-103.
28 Vgl. Haeberlin 62002, S. 25.
29 Vgl. Dörner 2004, S. 156.
30 Vgl. Lohmann 2014, S. 17.
31 2012.
32 Vgl. Glockentöger/ Bittner/ Fangerau 2012, S. 76.
33 Heinsius 1809, S. 239; zit. n. Lohmann 2014, S. 19.