Von der Han-Dynastie (206 v. Chr.-220 n. Chr.) bis zu dem Untergang der Qing-Dynastie im Jahr 1911 diente der Konfuzianismus1 als offizielle Staatslehre in China2 und beeinflusste unter anderem auch die Entwicklung von Recht und Rechtsideen. Im Zusammenhang mit Rechtsideen traditioneller, konfuzianischer Klassiker gelten Gewohnheiten oder auch Verhaltensnormen (li) als grundlegende Quelle von Recht3 und somit als grundlegende Quelle sozialer Ordnung. Als weitere Quelle diente das durch die Autorität des Herrschers festgelegte Gesetz (fa), das als „Sanktionsnorm“ bei Verstößen gegen die „Primärnorm“ li galt.4 Der von Konfuzius vertretene Glaube an die Erziehbarkeit des Menschen und seine Selbstdisziplin5 sollte eine Ausrichtung des Rechtswesens auf Grundlage der li bilden. 6 Dieser Glaube geht einher mit dem Gedanken der Harmonie7, die letztlich das entscheidende Element für das Gleichgewicht zwischen fa und dem zwischenmenschlichen Verhalten auf Basis der li darstellen soll. Die in der vorliegenden Arbeit vorgenommene Untersuchung des formellen Rechts des Strafrechts im Qing-Recht, dem Strafverfahren, ist stets vor diesem Hintergrund zu sehen.8 Ausgehend von einer kurzen Einführung zur Kodifizierung von Vorschriften in der Qing-Dynastie werden im Verlauf dieser Arbeit bestimmte strafverfahrensrechtliche Grundsätze aufgezeigt. In dem sich anschließenden Teil der Arbeit wird die Frage aufgeworfen, ob sich und in welcher Weise sich diese im Qing-Recht niedergeschlagen haben. Dabei wird der Grundsatz nulla poena sine lege in einem gesonderten Kapitel behandelt. Es ist unabdingbar, eine kurze Darstellung über die Automatismen im Strafverfahren selbst voranzustellen. Mit Rücksicht auf den Umfang der vorliegenden Arbeit werden nicht alle strafverfahrenstechnischen Einzelheiten behandelt. Die Arbeit schließt mit einem Fazit über die sich aus der Untersuchung ergebenden „Rechtstaatsgedanken“ und einer Feststellung einer historisch bedingten Verflechtung von Recht und Verwaltung.
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Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die Kodifikation im Qing-Recht
- III. Die Existenz des Akkusations- und Inquisitionsprinzips im obligatorischen Untersuchungsverfahren im Qing-Recht unter Berücksichtigung des Offizialprinzips
- 1. Das obligatorische Untersuchungsverfahren im Überblick
- 1.1 Prüfung durch den Magistraten als unterste Justizbehörde
- 1.2 Prüfung durch die übergeordneten Behörden auf Provinzebene
- 1.2.1 Prüfung durch den Präfekten
- 1.2.2 Prüfung durch die Kreisbehörde
- 1.2.3 Prüfung durch den (General-) Gouverneur
- 1.3.1 Prüfung durch das Ministerium für Strafwesen
- 1.3.2 Prüfung durch das Ministerium für Strafwesen, das Zensorat und den „Obersten Gerichtshof“
- 1.4 Der Kaiser
- 2. Grundsätze des Strafverfahrens im obligatorischen Untersuchungsverfahren
- 2.1 Das Akkusationsprinzip
- 2.2 Das Offizialprinzip
- 2.3 „Ausgleichende Bestrafung für eine falsche Beschuldigung“ und „Ausgleichende Folter“
- 2.4 Das Inquisitionsprinzip
- 1. Das obligatorische Untersuchungsverfahren im Überblick
- IV. Der Grundsatz nulla poena sine lege und seine Auswirkungen im Qing-Recht
- 1. Rückwirkungsverbot
- 2. Analogie
- V. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Strafverfahren im Qing-Recht und analysiert die zentralen strafverfahrensrechtlichen Grundsätze unter besonderer Berücksichtigung des Prinzips nulla poena sine lege.
- Kodifizierung des Strafverfahrens im Qing-Recht
- Das obligatorische Untersuchungsverfahren und seine Struktur
- Die Anwendung des Akkusations- und Inquisitionsprinzips im Qing-Recht
- Das Offizialprinzip und seine Bedeutung im Strafprozess
- Die Bedeutung des Prinzips nulla poena sine lege im Qing-Recht
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Die Einleitung erläutert den Einfluss des Konfuzianismus auf Recht und Rechtsideen im traditionellen China und hebt die Bedeutung von Gewohnheiten (li) und Gesetz (fa) als Quellen für die soziale Ordnung hervor.
II. Die Kodifikation im Qing-Recht
Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung und Kodifikation von Strafrechtlichen Vorschriften während der Qing-Dynastie, die sich auf den Ming-Kodex von 1397 stützte.
III. Die Existenz des Akkusations- und Inquisitionsprinzips im obligatorischen Untersuchungsverfahren im Qing-Recht unter Berücksichtigung des Offizialprinzips
Dieses Kapitel analysiert die Struktur des obligatorischen Untersuchungsverfahren im Qing-Recht und untersucht die Existenz des Akkusations- und Inquisitionsprinzips in diesem Kontext. Dabei wird auch das Offizialprinzip berücksichtigt.
IV. Der Grundsatz nulla poena sine lege und seine Auswirkungen im Qing-Recht
Dieses Kapitel widmet sich dem Prinzip nulla poena sine lege und seinen Implikationen für das Qing-Recht, insbesondere in Bezug auf das Rückwirkungsverbot und die Anwendung von Analogien.
Schlüsselwörter
Qing-Recht, Strafverfahren, Kodifikation, Akkusationsprinzip, Inquisitionsprinzip, Offizialprinzip, nulla poena sine lege, Rückwirkungsverbot, Analogie, Konfuzianismus, li, fa
- Quote paper
- Maria Melanie Heinicke (Author), 2008, Das Strafverfahren im Qing-Recht, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/119308