Wird den Jugendlichen durch das gewaltbereite Verhalten der Eltern und die dadurch vermittelten Normen das gewaltbereite Verhalten praktisch in die Wiege gelegt? Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, inwiefern lerntheoretische Ansätze, unter spezieller Betrachtung des Modelllernens, in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Es stellt sich konkret die Frage, welchen Einfluss ein gewaltbereites Erziehungsverhalten auf die Gewaltdelinquenz von Jugendlichen hat.
Um die Frage beantworten zu können, widmet sich das erste Kapitel der Erziehungsstilforschung. Hierzu werden zunächst die Erziehungsstile miteinander verglichen und evaluiert, welches Erziehungsverhalten sich als nachteilig für Kinder und Jugendliche herausgestellt hat. Des Weiteren werden die verschiedenen Formen von Gewalt in der Erziehung erklärt und die möglichen Ursachen erarbeitet. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Jugenddelinquenz, wo speziell die Langzeitstudie von Boers und Reinecke (2019) über die Entstehung, Entwicklung und Kontrolle delinquenten Verhaltens betrachtet wird. Das vorletzte Kapitel widmet sich der sozialen Lerntheorie nach Albert Bandura (1925 bis 2021). Hierzu erfolgt eine Übertragung seiner Erkenntnisse auf den familiären Kontext. In der Schlussbetrachtung werden die wichtigsten Inhalte zusammengefasst und die Fragestellung beantwortet.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Erziehungsstilforschung
2.1 Typen der elterlichen Erziehung
2.2 Forschungsergebnisse
3 Gewalt als Erziehungsmaßnahme
3.1 Psychische und physische Gewalt
3.2 Mögliche Ursachen für familiäre Gewalt
4 Jugenddelinquenz
5 Soziale Lerntheorie nach Bandura
6 Diskussion
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
10.735 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren galten im Jahr 2020 in Deutschland als Tatverdächtige bei gefährlichen und schweren Körperverletzungen (Bundeskriminalamt, 2021). Das straffällige Verhalten der Jugendlichen steht dabei meist im Fokus. Doch sind einige dieser Täter womöglich selber Opfer, Opfer von Gewalt inder Erziehung (Möller, 2018, S. 922)? Laut einer Pressemitteilung des statistischen Bundesamts (2021) wurden 2020 rund 45.400 Kinder und Jugendliche in Deutschland in Obhut genommen, davon waren 67% von einer dringenden Kindeswohlgefährdung betroffen.
Wird den Jugendlichen durch das gewaltbereite Verhalten der Eltern und die dadurch vermittelten Normen das gewaltbereite Verhalten praktisch in die Wiege gelegt? Ziel dieser Hausarbeit im Modul Allgemeine Psychologie II ist es herauszufinden, inwiefern lerntheoretische Ansätze, unter spezieller Betrachtung des Modelllernens, in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Es stellt sich konkret die Frage, welchen Einfluss ein gewaltbereites Erziehungsverhalten auf die Gewaltdelinquenz von Jugendlichen hat.
Um die Frage beantworten zu können, widmet sich das erste Kapitel der Erziehungsstilforschung. Hierzu werden zunächst die Erziehungsstile miteinander verglichen und evaluiert welches Erziehungsverhalten sich als nachteilig für Kinder und Jugendliche herausgestellt hat. Des Weiteren werden die verschiedenen Formen von Gewalt in der Erziehung erklärt und die möglichen Ursachen erarbeitet. Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der Jugenddelinquenz, wo speziell die Langzeitstudie von Boers und Reinecke (2019) über die Entstehung, Entwicklung und Kontrolle delinquenten Verhaltens betrachtet wird. Das vorletzte
Kapitel widmet sich der sozialen Lerntheorie nach Albert Bandura (1925-2021). Hierzu erfolgteine Übertragungseiner Erkenntnisseauf den familiären Kontext.In der Schlussbetrachtung werden die wichtigsten Inhaltezusammengefasst unddie Fragestellung beantwortet.
2 Erziehungsstilforschung
Unter Erziehungsstil versteht man die elterliche Grundhaltung und die Tendenz zu bestimmten Verhaltensmustern, die sich in der Interaktion mit ihren Kindern zeigen (Myers, 2014, S. 765). Im Jahr 1939 legten Lewin, Lippitt und White den Grundstein für die Erziehungsstilforschung, indem sie die Auswirkungen verschiedener Führungsstile von Gruppenleitern auf zehnjährige Kinder untersuchten (Uhlendorff, 2001, S. 22).
Zusammenfassend hat diese experimentelle Studie ergeben, dass sich bestimmte Führungsstile der Gruppenleiter zum Teil negativ auf das soziale Klima innerhalb der Kindergruppe auswirkten. Es ist nachvollziehbar, dass sich diese Erkenntnisse auch auf die elterliche Erziehung übertragen lassen (Uhlendorff, 2001, S. 22).
So entwickelte die amerikanische Entwicklungspsychologin Diana Baumrind (1927-2018) durch ihre Forschungen erstmals in den 60er Jahren drei Typen der elterlichen Erziehung, die sich bis heute durchgesetzt haben: der autoritative, der autoritäre und der permissive Erziehungsstil. In den 80er Jahren differenzierten Maccoby u. Martinnoch denpermissiven Stil weiter, wodurch die nachgiebige und vernachlässigende Erziehung entstand (Myers, 2014, S. 756f.). Im nächsten Kapitel folgt eine kurze Erläuterung der wichtigsten Merkmale dieser Stile, nach den Überlegungen von Myers (2014, S. 756f.).
2.1 Typen der elterlichen Erziehung
Autoritative Elternstellen ForderungenundlegenWert auf Regeln,siebegegnen denKindernjedoch auf Augenhöhe und liefern Erklärungen zu denerzieherischen Maßnahmen. Die Meinung der Kinder ist dabei wichtig und sie werden so zu selbstständigem Denken und Handeln ermutigt.
Autoritäre Elternfordern strikten Gehorsam und tendieren zu körperlichen Bestrafungen und psychologischer Kontrolle. Das Klima in dieser Erziehung wird alskalt und feindselig beschrieben.
In der Erziehungnachgiebiger Elternerhalten die Kinder sehr viel Wärme und Toleranz, es existieren wenig Regeln oder Vorschriften und den Kindern wird dadurch sehr viel Freiraum gelassen.
Vernachlässigende Elternfühlen sich nicht für dieErziehungverantwortlich und sind wederliebevoll noch loben oder strafensiedasVerhalten der Kinder (Myers, 2014, S. 756f.). Das regelrechte Ignorieren der kindlichen Bedürfnisse und das verwehren von emotionaler Zuwendung wird in der Literatur auch als emotionale odersoziale Zurückweisung bezeichnet.
2.2 Forschungsergebnisse
Baumrind, Larzelere & Owens (2010, S. 183) berichten in ihrer Untersuchung, dass sich der autoritative Erziehungsstil durchweg als der geeignetste herausgestellt hat, da diese Eltern eine Balance zwischen Regeln und Zuwendungen aufweisen (Baumrind et al., 2010, S. 183).
Weitere Studien haben ebenso ergeben, dass eine autoritative elterliche Erziehung die psychische Gesundheit fördert und so als Schutzfaktor gegen Verhaltensauffälligkeiten dient (Myers, 2014, S. 759).
Als nachteilig hat sich hingegen wenig überraschend die vernachlässigende Erziehung erwiesen (Wild & Walper, 2020, S. 246). Forschende können bestätigen, dass ein erheblicher Zusammenhang zwischen einem eher zurückweisendem Erziehungsstil und dem Aggressionsverhalten von Kindern besteht (Zobel, 2005, S. 157). Zu der gleichen Erkenntnis ist ebenso die MetaStudie von Khaleque & Rohner aus dem Jahr 2012 gelangt. Kinder, die eine Ablehnung durch die Eltern erfahren haben, neigen später eher zu aggressiven Verhaltensmustern (Khaleque & Rohner, 2012, o.S.).
Die autoritäre Erziehung hat sich als teilweise nachteilig herausgestellt. Jugendliche, die in der Kindheit autoritär erzogenen wurden, fällt es zwar später leichter sich der Gesellschaft anzupassen und unterzuordnen, jedoch führt dies oft zu intrapsychischen Spannungen. Zudem neigt die autoritäre Form der Erziehung eher zu Gewalt als Erziehungsmethode (Wild & Walper, 2020, S. 246). Durch diese vermittelten Normen besteht die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche dieses Verhalten nachahmen und selbst gewalttätig werden. Diese Annahme bestätigt die Studie von Sauter, Wallner & Stemmler (2019, S. 205-233), die an Schülerinnen und Schülern im Alter von 9-18 Jahren durchgeführt wurde. Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ein problematisches Erziehungsverhalten „später zu vermehrtem Kontakt zu devianten Peers und zu höherer Gewaltakzeptanz [...]“ führt (Sauter et al., 2019, S. 224).
3 Gewalt als Erziehungsmaßnahme
Wie die verschiedenen Erziehungsstile zeigen, gehen die Tendenzen zum Thema Erziehung stark auseinander. Eine Abweichung in Bezug auf die Akzeptanz von Gewalt in der Erziehung ist in unterschiedlichen Befragungen ebenso deutlich geworden.Zum Teil handelt es sich um einenGenerationenkonflikt, da vorwiegend von älteren Personen leichte körperliche Strafen immer noch befürwortet werden. Zu diesem Fazit kam die Studie vom Universitätsklinikum Ulm für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie gemeinsam mit UNICEF Deutschland und dem Deutschen Kinderschutzbund (DKSB) Bundesverband (2020). 65,3% der befragten 60-95 jährigen Personen haben der Körperstrafe „Klaps auf den Hintern“ als Erziehungsmaßnahme zugestimmt, wohingegen rund 45 % der befragten jüngeren Altersgruppe (14-30 & 31-60 Jahre) dieser Aussage zustimmten (Clemens, Sachser, Weilemann & Fegert, 2020, S. 36).
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