Das Thema Smart Cities kann unter Beachtung des österreichischen Geographie- und Wirtschaftskunde-Lehrplans sowohl in der 1. und 2. Klasse als auch in der 4. und 8. Klasse durchgenommen werden. Wir haben uns entschieden, das Thema in der 8. Klasse unter der Fragestellung „Konzepte der Zukunft: Sind Smart Cities wirklich smart? Vor- und Nachteile dieses Städtetyps am Beispiel Singapur erarbeiten" zu verwenden.
Die Lernziele der Unterrichtseinheiten umfassen unter anderem: die Schülerlnnen sollen reflektieren, was der Begriff Smart City für sie selbst bedeutet. Durch die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema sollen sie Merkmale einer Smart City nennen, beschreiben und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft, Regierung, Mobilität, Umwelt und dem individuellen Leben jedes Individuums begründen können. Durch das Arbeiten mit dem Vorzeigebeispiel Singapur sollen die SchülerInnen einerseits begründen können, warum sich Singapur zu einer Smart City entwickelt hat und andererseits praktische Beispiele nennen, wie man eine Stadt smart machen kann. Im Zuge dessen lernen die SchülerInnen auch die Merkmale eines Stadtstaates kennen. Dabei sollen sie in der Lage sein, Vor- und Nachteile einer Smart City zu nennen und zu begründen. Abschließend sollen die SchülerInnen fähig sein, verschiedene Smart-City-Modelle zu vergleichen und beispielsweise an der Stadt Linz smarte Aspekte nachweisen und begründen können.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Fachwissenschaftlicher Hintergrund
1.1 Einleitung
1.2 Was sind „Megacities“?
1.3 Was definiert eine „Smart City“?
1.4 Handlungsfelder einer Smart City
1.4.1 Smart Economy
1.4.2 Smart People
1.4.3 Smart Governance
1.4.4 Smart Mobility
1.4.5 Smart Environment
1.4.6 Smart Living
1.5 Smart City - am Fallbeispiel Singapur
1.5.1 Historie Singapurs
1.5.2 Anwendungsbeispiel Singapur
1.5.3 Singapurs sozialer Habitus
1.6 Sind Smart Cities wirklich smart?
2 Fachdidaktische Ausführungen
2.1 Fachdidaktischer Kommentar
2.2 Sach- und fachtheoretische Grundlagen/Schlüsselwörter
2.3 Advance Organizer
2.4 Planungsskizze
2.5 Unterrichtsplanung
2.6 Unterrichtsmaterialien
Anhänge
Anhang 1
Anhang 2
Literaturverzeichnis
1 Fachwissenschaftlicher Hintergrund
Folgende Kapitel beschäftigen sich mit den Fragen „Was sind Megacities?“, „Was definiert eine Smart-City?“ und „Sind Smart-Cities wirklich smart?“.
1.1 Einleitung
Was damals eine Revolution war, ist heute längst gang und gebe. Und was heute eine Revolution ist, wird in einigen Jahren ebenso schnell wieder vergessen sein. Die Gesellschaft von heute lebt in einer Welt, in welcher die zeitliche sowie die räumliche Dimension unabhängig voneinander zu agieren scheinen. Wie einst Pierre de Coubertin (1896) bei der Wiedereröffnung der olympischen Spiele 1896 sagte: „Citius, altius, fortius.“ Höher - schneller - weiter. Jene Erfindungen, die man heute präsentiert, wären in nicht allzu langer Vergangenheit als Sensation oder als gar unmöglich bezeichnet worden. Dieser Schnelllebigkeit, der der Mensch heute ausgesetzt ist, hat er letztendlich seinem Fortschritt zu verdanken. Bereits vor 200 Jahren hatte man Angst vor diesem technischen Fortschritt, vor neuen Ideen und Innovationen als „Indikatoren für gesellschaftliche und wirtschaftliche Prosperität“ (Müller-Seitz, Seiter, & Wenz, 2016, p. 34). Die Autorin Mary Wollstonecraft Shelley (1818) verfasste zu dieser Zeit ein Buch über dieses Thema: Frankenstein oder Der moderne Prometheus. Der Roman handelt von der Angst der Gesellschaft von damals, der Angst vor den Folgen der neuen Errungenschaften zu dieser Zeit, dem Galvanismus. Die Nützlichkeit der Elektrizität war der Gesellschaft von einst noch nicht bewusst, da sie vermuteten, man hätte nun eine übermenschliche Energiequelle gefunden, mit welcher man Tote zum Leben erwecken könnte. Der Galvanismus und die folgenden Experimente an Tierkadavern und Leichenteilen führten dazu, dass die Gesellschaft mehr und mehr Angst vor dieser Erfindung bekam.
Glücklicherweise weiß man heute, dass diese Erfindung dazu geführt hat, das Leben vieler Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern. Die Angst ist verschwunden und neue Innovationen und Revolutionen scheinen beinahe im Stundentakt zu entstehen. Die Industrialisierung hatte demnach einen massiven Einfluss auf die urbanen Gegenden und erfasste als Prozess immer mehr Länder.
Letztlich löste sie somit eine Welle der Urbanisierung aus, was dazu führte, dass im späten 19. Jahrhundert auf allen Kontinenten neue städtische Zentren entstanden. Südamerika, Afrika, Australien und vor allem Asien, vorangetrieben durch Verwaltung, Handel und Export von Rohstoffen entwickelten somit neue und moderne Städte. (vgl. Rüthers, 2015, p. 36)
1.2 Was sind „Megacities“?
„Städte verkörpern menschliche Kultur und Gesellschaft und begleiten die Geschichte der Menschheit seit den ersten mittelamerikanischen Städten über China, Nordafrika, Indien und Mesopotamien“ (Rüthers, 2015, p. 22). Sie sind Abbild eines sozialen Raumes und führten aufgrund der durch den industriellen Fortschritt entstandenen „neuen“ sozialen Gegebenheit dazu, dass immer mehr Menschen in Städte zogen. Laut Angaben der UN zufolge, überstieg 2008 die weltweite Zahl der Stadtbewohner erstmals jene der Landbewohner. Mittlerweile lebt bereits die Hälfte der Menschheit in Städten (vgl. UN, o.J.). und die Globalisierung impliziert dabei dramatische wirtschaftliche Strukturbrüche sowie kollektive Folgen und Auswirkungen für die Städte (vgl. Schubert, 2015, p. 152). „Zunehmende internationale Wanderungsbewegungen stehen im Mittelpunkt der tagespolitischen Diskussionen“ (ÖROK, 2014, p. 3). Sogenannte Megacities errichten sich auf allen Kontinenten, welche mit mehr als zehn Mio. Einwohnern an der Spitze der Entwicklung stehen (vgl. Müller-Seitz et al., 2016, p. 46) „Sie entwickeln sich sprunghaft, fragmentiert und polyzentrisch und bringen komplexe sozialräumliche Strukturen hervor“ (Schwenker, 2006 zit. n. Rüthers, 2015, p. 45). Vor allem ist es die Größe, die verschiedene Vor- und Nachteile beinhaltet: Bietet eine Großstadt Anonymität oder löst sie für manchen Angst und Abwehr aus? Gerade diese Fragen führten letztlich dazu, dass versucht wurde, diesen gesellschaftlichen Problemen durch Stadtplanung entgegenzuwirken (vgl. ebd. 2015, pp. 49-52). „Sozialutopisten wollten neue, vollkommene Gesellschaften durch die Anlage perfekter Städte schaffen“ (Hall 1988, zit. n. ebd. 2015, p. 52). Diese räumlichen Strukturen sind jedoch viel mehr als die bloße Projektion sozialer Naturgesetze in einer beliebigen Karte, sie beschäftigen sich mit dem Bindeglied sozialer Phänomene und Systemzusammenhänge (vgl. Weichhart, 2008, p. 61). Gerade deshalb werden diese Megacities immer moderner, vielseitiger und smarter. Außerdem erlauben innovative Versorgungen von
Infrastruktursysteme und Einrichtungen wie Wasser, Kanalisation, Strom, Verkehrsverbindung und Beförderungsmittel Städte zu wachsen und zu gedeihen (vgl. Coelho & Ruth, 2006, p. 7). Städte müssen sich so auf ein intelligentes Wachstum einstellen und sich insbesondere in den Bereichen Infrastruktur und Wirtschaft neu ausrichten (vgl. Müller-Seitz et al., 2016, p. 46).
1.3 Was definiert eine „Smart City“?
„Eine neue Entwicklungslinie der Stadtgeographie beschäftigt sich seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts mit den „Smart Cities““ (Jürgens, 2015, p. 84). Diese intelligenten Städte stehen für Fragen der nachhaltigen Stadtentwicklung. Inwieweit können beispielsweise die für infrastrukturelle Abläufe zur Verfügung stehenden Daten zu effizienteren und nachhaltigen Prozessen führen? Dazu zählen: Strom-, Wasser- & Energieverbrauch, Identifizierung von Überlasten und Ausfällen, Zählstellen für Verkehr, tracking-Systeme für Verkehrsteilnehmer, digitale Versorgungs- & Entsorgungssysteme und Daten aus Überwachungsund Identifikationssystemen (vgl. ebd. 2015, p. 84f). Dem Begriff Smart City können jedoch auch weitere Aspekte ökonomischer und ökologischer Gesichtspunkte hinzugefügt werden (vgl. Müller-Seitz et al., 2016, p. 4).
„Elementares Kennzeichen von Smart City ist die Weiterentwicklung der Integration und Vernetzung dieser Bereiche, um die Effizienz, Effektivität und Widerstandsfähigkeit des Gesamtsystems zu steigern und die so erzielbaren ökologischen und sozialen Verbesserungspotentiale zu realisieren.“ (Schubert, 2015, p. 166)
Man spricht von sogenannten „Cities as factories for life“ (vgl. Neirotti et al., 2014, S. 26 zit. n. Jürgens, 2015, p. 85). Es geht darum diese Städte zu automatisieren und „städtische Abläufe [...] aus Sicht von Planern, Immobilienentwicklern und Architekten zu „verbessern““ (ebd. 2015, p. 85). „Selbst wenn Status quo und die Bedürfnisse der Bewohner sehr unterschiedlich sind, gilt es, die individuelle Lebensqualität zu sichern und noch zu erhöhen“ (Müller-Seitz et al., 2016, p. 45).
Smart Cities werden von zweierlei Seiten getrieben: Auf der einen Seite von den großen Konzernen (IBM, General Electric, Siemens, Cisco Systems oder Huawei usw.), die sich mit ihren Technologien und Lösungsangeboten einen attraktiven Markt erschließen wollen, auf der anderen Seite vom öffentlichen Sektor, der weitere Aspekte wie nachhaltiges Wachstum, Lebensqualität sowie neue Formen der politischen Partizipation hinzufügt (vgl. ebd. 2016, p. 4).
Für IBM beispielsweise sind „Smart Cities“ ein langfristiges Programm im Rahmen der IBM Smarter Planet Vision, das ins Leben gerufen wurde, „um die wirtschaftliche Dynamik und die Lebensqualität in Städten und Metropolen weltweit zu fördern“ (ebd. 2016, p. 46).Der Konzern befindet sich nun im siebten Jahr [Stand 2016] der Smarter Planet Agenda. Nach dessen Start hat inzwischen die Konkretisierung durch erfolgreiche Projekte und einer ständigen Weiterentwicklung des Portfolios stattgefunden. Die Vision von IBM beinhaltet: instrumented (durch neue technische Möglichkeiten), interconnected (durch zunehmende Vernetzung), intelligent (durch die zunehmende Intelligenz all dieser vernetzten Gegenstände) (vgl. ebd. 2016, p. 46). Es soll die gegenwärtige städtische Infrastruktur nicht mehr nur „repariert“, sondern vielmehr die vorhandenen Ressourcen umgestaltet werden. „So geht es um die Digitalisierung und Vernetzung von Systemen, darum, Daten zu sammeln, zu integrieren und zu analysieren“ (ebd. 2016, p. 46).
Die UN (o.J.) strebt hingegen das Ziel an, Städte und Siedlungen bis 2030 inklusiverend, sicher, beständig und nachhaltig zu gestalten. Das Programm nennt sich „Sustainable Development Goals“ und beinhaltet 17 Ziele.
Anmerkung derRedaktion: Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Sustainable Cities and communities (UN environment, o.J.) abgerufen am 5. März 2019 von: https://www.unenvironment.org/explore-topics/sustainable-development-goals/why-do-sustainable-development-goals- matter/goal-11
Unter diesen „Sustainable Development Goals“ findet man das Ziel Nr. 11 (Abb. 1)(ebd. o.J.), welches in 10 Punkten unterteilt ist:
11.a. Support positive economic, social and environmental links between urban, peri-urban and rural areas by strengthening national and regional development planning.
11.b. By 2020, substantially increase the number of cities and human settlements adopting and implementing integrated policies and plans towards inclusion, resource efficiency, mitigation and adoption to climate change, resilience to disasters, and develop and implement, in line with the Sendal Framework for Disaster Risk Reduction 2015-2030, holistic disaster risk management at all levels.
11.c. Support least developed countries, including through financial and technical assistance, in building sustainable and resilient buildings utilizing local materials.
11. 1. By 2030, ensure access for all to adequate, safe and affordable housing and basic services and upgrade slums.
11. 2. By 2030, provide access to safe, affordable, accessible and sustainable transport systems for all, improving road safety, notably by expanding public transport, with special attention of the needs of those in vulnerable situations, women, children, persons with disabilities and older persons.
11. 3. By 2030, enhance inclusive and sustainable urbanization and capacity for participatory, integrated and sustainable human settlement planning and management in all countries.
11. 4. Strengthen affords to protect and safeguard the world's cultural and natural heritage.
11. 5. By 2030, significantly reduce the number of deaths and the number of people affected and substantially decreas the direct economic losses relative to global gross domestic product caused by disasters, including water-related disasters, with a focus on protecting the poor and people in vulnerable situations.
11. 6. By 2030, reduce the adverse by capita environmental impact of cities, including by paying special attention to air quality and municipal and other waste management.
11. 7. By 2030, provide universal access to safe, inclusive and accessible, green and public spaces, in particular for women and children, older persons and persons with disabilities.
1.4 Handlungsfelder einer Smart City
Nach Schubert (2015, p. 166)stehen hinter der Idee der Smart City verschiedene Strategien, welche beinhalten, dass:
- die Lebensqualität und Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe der Bürger und Bürgerinnen verbessert werden,
- die Nutzung von endlichen Ressourcen verringert und die Nutzung erneuerbarer Ressourcen etabliert werden,
- die Daseinsvorsorge langfristig gesichert und optimiert werden,
- die Überlebens-, Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) des Siedlungsraumes gestärkt werden,
- eine transparente Entscheidungskultur und Wissensgesellschaft geschaffen sowie
- die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes dauerhaft erhalten oder erhöht werden,
- mithin die Zukunftsfähigkeit des Siedlungsraumes verbessert und dabei negative Folgen der Urbanisierung gemindert oder vermieden werden.
Für die Entwicklung dieser Strategieprozesse bilden folgende sechs Handlungsfelder die Grundlage für dessen interne Analyse (vgl. Giffinger et al., 2007, S. 11, zit. n. Müller-Seitz et al., 2016, p.5):
- Smart Economy
- Smart People
- Smart Governance
- Smart Mobility
- Smart Environment
- Smart Living
Diese Handlungsfelder werden in folgenden Kapiteln genauer erläutert.
1.4.1 Smart Economy
Smart Economy beinhaltet Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit wie Innovationsgeist, Unternehmertum, Produktivität, Arbeitsmarktflexibilität und die Internationalität einer Stadt (vgl. Giffinger et al., 2007, S. 12, zit. n. Müller-Seitz et al., 2016, p. 5). Es geht darum diese Faktoren in der Wandlung zur Smart City zu verbessern. Beispielsweise können Smart Cities innovative Geschäftsmodelle ermöglichen indem sich Unternehmen mit lokalen Behörden, Serviceeinrichtungen oder auch untereinander vernetzen, wodurch der regionale Arbeitsmarkt stabil und gelichzeitig flexibel bleibt (vgl. ebd. 2016, p. 5). „Die Smart City ist ein attraktiver Standorte [sic!] für Handel, Gewerbe und Dienstleistungen“ (ebd. 2016, p. 11). Die Unternehmenslandschaft innerhalb der Smart City ist stark von innovativen Start-ups geprägt, die Fabriken sind nach Industrie 4.0 Standards konzipiert (vgl. ebd. 2016, p. 10f).
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