Die Hausarbeit versucht eine Täterbeschreibung des Intellektuellen Otto Ohlendorfs - Leiter der Einsatzgruppe D, die zwischen 1941-42 rund 90.000 Menschen tötete - anhand des Nürnberger Prozesses zu konstruieren.
Dazu gehe ich zunächst auf die Person Otto Ohlendorfs ein und stelle die wichtigsten Etappen seines Lebens vor. Anschließend soll der institutionelle Rahmen, d. h. die SS, der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS sowie das Reichssicherheitshauptamt vorgestellt werden. Dies ist sinnvoll, da Ohlendorf fest in diese Institutionen eingebunden war und sich sein Handeln von dort aus erstreckte. Nachfolgend soll dann die Einsatzgruppe D betrachtet werden, um einen Einblick über die verübten Gräueltaten dieser von Ohlendorf befehligten Truppe zu bekommen. Schließlich sollen dann Ohlendorfs Überzeugungen und Ansichten zum Nationalsozialismus näher untersucht werden, um ein genaueres Bild von seinen Tatmotiven zu erhalten. Dies soll den Kern der Arbeit darstellen und wichtige Aufschlüsse für die Forschungsfrage geben. Anhand des Nürnberger Nachkriegsprozesses, in dem Ohlendorf Hauptangeklagter war, sowie am aktuellen Forschungsstand sollen Rückschlüsse auf dessen Motive gezogen werden. Zuletzt erfolgt eine kurze Rekapitulation des Wichtigsten sowie ein Fazit, worin ich die eigentliche Fragestellung auf den Punkt bringe und die Arbeit damit abrunde.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Otto Ohlendorf – eine biographische Vorstellung
3. Der institutionelle Rahmen: Die SS, das Reichssicherheitshauptamt und der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS
4. Die Einsatzgruppe D
5. Das Täterbild - Ohlendorfs Motive und politisch-ideologische Ansichten zum Nationalsozialismus
5.1. Der Nürnberger Prozess
5.1.2. Das Täterbild Ohlendorfs aus gerichtlicher Perspektive
6. Schluss: Rekapitulation und Fazit
7. Literatur
7.1. Primärliteratur:
7.2. Sekundärliteratur:
1. Einleitung
„Es war ja der Befehl, dass die jüdische Bevölkerung total ausgerottet werden sollte.“ 1 Mit diesen Worten schockierte der SS-Führer Otto Ohlendorf das Gericht während der Nürnberger Prozesse, als er als Hauptzeuge gegen die Hauptkriegsverbrecher aussagte. Einsatzgruppe D, deren Leiter Ohlendorf zwischen 1941 und 1942 war, zog eine tödliche Spur durch die südliche Ukraine in Richtung Kaukasus und tötete dabei 90.000 Menschen. Freimütig berichtete der studierte Jurist von den verübten Massakern seiner Einsatzgruppe. Ohlendorfs offensichtliche Intelligenz, seiner Bildung und sein sympathisches Auftreten machten die Richter jedoch ratlos. Wie konnte ein gebildeter, intellektueller Mann wie Ohlendorf zu einem Massenmörder werden?2 Genau dieser Frage geht folgende Arbeit nach. Zu hinterfragen sind also vor allem seine Tatmotive und Ansichten zum Nationalsozialismus. Daher soll folgende Frage im Zentrum der Arbeit stehen: Welche Ansichten vertrat der Intellektuelle Otto Ohlendorf hinsichtlich des Nationalsozialismus und wie schlagen sich diese in seiner Tätigkeit beim SD nieder?
Dazu gehe ich zunächst auf die Person Otto Ohlendorfs ein und stelle die wichtigsten Etappen seines Lebens vor. Anschließend soll der institutionelle Rahmen, d. h. die SS, der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS sowie das Reichssicherheitshauptamt vorgestellt werden. Dies ist sinnvoll, da Ohlendorf fest in diese Institutionen eingebunden war und sich sein Handeln von dort aus erstreckte. Nachfolgend soll dann die Einsatzgruppe D betrachtet werden, um einen Einblick über die verübten Gräueltaten dieser von Ohlendorf befehligten Truppe zu bekommen. Schließlich sollen dann Ohlendorfs Überzeugungen und Ansichten zum Nationalsozialismus näher untersucht werden, um ein genaueres Bild von seinen Tatmotiven zu erhalten. Dies soll den Kern der Arbeit darstellen und wichtige Aufschlüsse für die Forschungsfrage geben. Anhand des Nürnberger Nachkriegsprozesses, in dem Ohlendorf Hauptangeklagter war, sowie am aktuellen Forschungsstand sollen Rückschlüsse auf dessen Motive gezogen werden. Zuletzt erfolgt eine kurze Rekapitulation des Wichtigsten sowie ein Fazit, worin ich die eigentliche Fragestellung auf den Punkt bringe und die Arbeit damit abrunde.
2. Otto Ohlendorf – eine biographische Vorstellung
Otto Ohlendorf wurde am 4. Februar 1907 als Sohn eines Landwirts in der unweit von Hannover liegenden Kleinstadt Hoheneggelsen geboren. Er war das vierte Kind der nationalkonservativ ausgerichteten und protestantischen Familie. Nachdem er zunächst die Volksschule absolvierte, besuchte er anschließend die höhere Schule, wo er die Reifeprüfung ablegte.3
Laut Ohlendorfs Bekunden liegen die Leitmotive seines Denkens und Handelns vor allem in seinen Jugenderfahrungen, was wiederum die Antriebskraft für ein frühes politisches Engagement darstellte. Bereits mit 16 Jahren trat Ohlendorf in die Deutschnationale Volkspartei ein, deren Jugendgruppe er leitete.4 Da ihm diese Partei jedoch zu bürgerlich erschien, wechselte er im Mai 1925 zur bis dato noch kleineren und radikaleren NSDAP.5 Schnell konnte Ohlendorf hier zum Leiter seines Ortsgruppenverbands aufsteigen. Wenig später wurde Ohlendorf Mitglieder der Sturmabteilung (SA).6 Mit vier anderen SA-Mitgliedern wurde Ohlendorf mit der Aufgabe betraut, eine erste SS-Gruppe im Bezirk Garbolzum, Gau Süd-Hannover-Braunschweig aufzubauen. Demzufolge wechselte Ohlendorf kurz darauf von der SA zur Schutzstaffel (SS), in der er die Mitgliedsnummer 880 erhielt.7 1929 errang Ohlendorf bei den Kreiswahlen im Gau Süd-Hannover die absolute Mehrheit für die NSDAP.
Zwischenzeitlich begann Ohlendorf 1928 ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, welches er in Leipzig und Göttingen absolvierte und schließlich 1931 beendete. Durch ein Stipendium konnte er ein Jahr an der italienischen Universität Padua studieren. Laut eigenen Berichten wurde Ohlendorf hier zu einem Gegner des italienischen Faschismus, weshalb er sich aufgrund seiner Erfahrungen von nun an in einer oppositionellen Position zum nationalsozialistischen Regime befand. Laut ihm sei das Volk der Träger des Staates und daher müsse der Staat die Interessen des Volkes schützen. Die faschistischen Einflüsse haben laut ihm dieses Bild umgekehrt und das Volk zum Diener eines absoluten Staates gemacht.
Vor allem seine Studienzeit bildet daher die Grundlage seiner intellektuellen Prägung und politischen Sozialisation.8 Beispielsweise diskutierte Ohlendorf auf nationalsozialistischen Versammlungen in der Universität, die er zum Teil mit leitete.9 Vor allem in Göttingen wurde er stark durch die Ansichten des 1920 gegründeten „Deutschen Hochschulrings“ (DHR) geprägt. Hier fanden sich vor allem Studenten mit rechtsgerichteter und nationalistischer Gesinnung zusammen, in dessen Mittelpunkt der Volksbegriff stand.10 Das Volk wurde hier zur zentralen Idee erklärt. Angenommen wurde hier, dass die Gleichheit der Menschen überlagert werde von der Vielschichtigkeit der Völker und das somit sog. „ Volksfremde “ ausgeschlossen werden sollten. Mit diesen Volksfremden waren v. a. die Juden gemeint.11 Herausstellen lässt sich dies beispielsweise anhand eines Leitartikels der „Burschenschafter Blättern“ von 1931:
„Der Antisemitismus ist kein Ausdruck persönlicher Feindschaft, sondern naturnotwendige Reaktion aller gesunden Völker, die durch das Schicksal zu einem Zusammenleben mit dem in der ganzen Welt verstreuten Judentum gezwungen sind. Seine tiefere Begründung findet er in der Artfremdheit, die das jüdische Volk von einem großen Teil der übrigen Völker trennt […].“12
Otto Ohlendorf wurde also stark durch dieses Gedankengut während seiner Studienzeit in Göttingen beeinflusst und war somit vor allem auch antisemitisch geprägt.13 Mit der Beendigung seines Studiums 1931 absolvierte Ohlendorf noch im Sommer desselben Jahres ein Referendarexamen in Jura. Auch sein Studienaufenthalt in Padua erfolgte im selben Jahr, welcher ihm maßgeblich durch die Empfehlung seines Lehrers, dem Kieler Nationalökonomen Jens Peter Jessen ermöglicht wurde.14
Wenig später machte ihm sein Gönner Jessen das Angebot, ihm nach Kiel zu folgen und dort eine Assistenzstelle am Institut für Weltwirtschaft anzunehmen. Aufgrund dortiger parteipolitischer Differenzen verließen die beiden das Institut jedoch wieder. 1934 folgte Ohlendorf schließlich erneut seinem akademischen Lehrer Jessen nach Berlin und wird dort Abteilungsleiter am Institut für angewandte Wirtschaftswissenschaften.15 Weiterhin versuchten sie zusammen an der Wirtschaftsfachhochschule in Berlin eine eigene wirtschaftswissenschaftliche Forschungsrichtung, dessen Leiter Jessen werden sollte, zu begründen.16 Jedoch sollte auch dieses Vorhaben scheitern, mit dem Ohlendorf schließlich seine wissenschaftliche Karriere besiegelte. Später resümierte er hierzu: „Damit waren meine wissenschaftlichen Pläne endgültig gescheitert.“ 17 Bis 1936 kam Ohlendorf mehreren unbefriedigenden Aufgaben, wie etwa dem Aufbau der Bibliothek des Berliner Instituts für angewandte Wirtschaftswissenschaften, nach.18
Nach den vielen gescheiterten Karriereversuchen arbeitete Ohlendorf schließlich ab Mai 1936 im Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) in der Abteilung II/23 – Wirtschaft.19 Auch hier wurde Ohlendorf erneut durch Jessen vermittelt. Ohlendorf erhielt hier eine Stelle als Wirtschaftsreferent und wird Mitarbeiter von Professor Reinhard Höhn, dem Leiter der Zentralabteilung II/2 im SD-Hauptamt.20 Noch im selben Jahr nahm Ohlendorf seine bis dato ruhende SS Mitgliedschaft unter seiner alten Nummer wieder auf und heiratete außerdem am 10. Juni 1936 Käthe Wolpers.21
Von 1936 an führte Ohlendorfs Weg stetig nach oben und so konnte er im SD und im später gegründeten Reichssicherheitshauptamt (RSHA)22 die Karriereleiter erklimmen.23 Beispielsweise baute Ohlendorf, der mittlerweile Stellvertreter Höhns war, die Hauptabteilung II/2 fast selbstständig auf. Man ernennt ihn daraufhin zum SS-Sturmbannführer. Des Weiteren beauftragte man ihn mit dem Aufbau eines Inlandnachrichtendienstes, dessen Leiter er wurde. Er konnte so zum Chef des Amtes III (SD-Inland) des Reichssicherheitshauptamtes aufsteigen.24
1938 ernennt man ihn schließlich zum Obersturmbannführer.25 Noch im selben Jahr verlor Professor Höhn sein Amt aufgrund einer Intrige, woraufhin Ohlendorf Abteilung beschnitten und reformiert wurde.26 Ohlendorf geriet daraufhin in einen Konflikt mit Reinhard Heydrich. Aufgrund Ohlendorfs Bekanntschaft zu Franz Hayler, konnte er eine Stelle als Geschäftsführer der Reichsgruppe Handel im Reichswirtschaftsministerium (RWM) annehmen. Damit versuchte sich Ohlendorf der Gängelung Heydrichs zu entziehen. Dieser weigerte sich jedoch, Ohlendorf einfach zu entlassen. Ohlendorf arbeitete von nun an hauptamtlich im RWM, blieb gleichzeitig aber auch Aufsichtsperson und damit Leitung des Amtes III des 1939 gegründeten RSHA.27 Kontinuierlich wurde Ohlendorf in beiden Behörden befördert und stieg somit immer weiter auf. So wurde er beispielsweise 1939 zum Hauptgeschäftseiter der Reichsgruppe Handel im RWM, ein Jahr später wurde er zum Standartenführer ernannt.28
Auch während der Übernahme der Leitung der Einsatzgruppe D zwischen 1941 und 1942, stieg Ohlendorf weiter auf. So wurde er später Oberführer, ab 1942 Brigadeführer und schließlich 1944 Gruppenführer bei gleichzeitiger Ernennung zum Generalleutnant der Polizei.29 Während er Leiter der Einsatzgruppe D war, die eine der vier Einsatzgruppen war, die innerhalb der eroberten deutschen Gebiete der Sowjetunion für polizeipolitische und sicherheitspolitische Aufgaben, d. h. für die „Säuberung“ der Gebiete von Juden und kommunistischen Funktionären verantwortlich waren, erfolgte unter seinem Kommando die Ermordung von rund 90.000 Männern, Frauen und Kindern. Darunter waren warenvornehmlich Juden.30 Nach seiner Rückkehr nach Berlin wurde Ohlendorf 1943 schließlich im RWM als Ministerialdirektor, Abteilungsleiter und stellvertretender Staatssekretär unter Hayler.
Nach Beendigung des Krieges wird Ohlendorf schließlich zu einem der Hauptzeugen des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses 1946. Offenkundig berichtet er hier von den mörderischen Aktionen der Einsatzgruppe D und erschüttert mit seinen Aussagen die Justiz. Damit lieferte Ohlendorf die Grundlage für zahlreiche Todesurteile, so beispielsweise für Hermann Göring. Letztlich belastete sich Ohlendorf mit seinem freimütigen Geständnis jedoch auch selbst und musste sich dadurch als Hauptangeklagter in den sogenannten Einsatzgruppenprozessen für seine Taten verantworten.
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1 Lüpke, Marc von: SS-Mörder vor Gericht, in: DER SPIEGEL, URL: https://www.spiegel.de/geschichte/massenmorde-der-nazis-was-ss-fuehrer-otto-ohlendorf-aussagte-a-1113939.html, abgerufen am 19.03.2021.
2 Vgl. Ebd.
3 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941-1943, Hamburg 2003, S. 408-409.
4 Vgl. Reinsperger, Regina: Otto Ohlendorf. Gralshüter des Nationalsozialismus und Freund der Anthrosophen?, URL: https://docplayer.org/19386371-Otto-ohlendorf-gralshueter-des-nationalsozialismus-und-freund-der-anthroposophen-teil-1.html, abgerufen am 19.03.2021, S.
5 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 409.
6 Vgl. Ebd.
7 Vgl. Ebd.
8 Vgl. Ingrao, Christian: Hitlers Elite: die Wegbereiter des nationalsozialistischen Massenmords, Berlin 2012, S. 53.
9 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 409.
10 Vgl. Richter, Ilka: SS-Elite vor Gericht. Die Todesurteile gegen Oswald Pohl und Otto Ohlendorf, Marburg 2011, S. 101.
11 Vgl. Ebd.
12 Ebd. S. 101-102.
13 Vgl. Ebd. S. 102.
14 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 410.
15 Vgl. Wildt, Michael: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2003, S. 11.
16 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 410.
17 Ebd.
18 Vgl. Ebd. S. 410-411.
19 Vgl. Richter, Ilka: SS-Elite vor Gericht, S. 79.
20 Vgl. Reinsperger, Regina: Otto Ohlendorf. Gralshüter des Nationalsozialismus und Freund der Anthrosophen?, URL: https://docplayer.org/19386371-Otto-ohlendorf-gralshueter-des-nationalsozialismus-und-freund-der-anthroposophen-teil-1.html, abgerufen am 19.03.2021, S. 2.
21 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 411.
22 Gegründet wurde das Reichssicherhauptamt 1939, in dem die Sicherheitspolizei (Sipo) und der Sicherheitsdienst (SD) vereinigt wurden.
23 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 411.
24 Vgl. Wildt, Michael: Generation des Unbedingten, S. 11.
25 Vgl. Reinsperger, Regina: Otto Ohlendorf, S. 2.
26 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 411-412; Vgl. Reinsperger, Regina: Otto Ohlendorf, S. 2.
27 Vgl. Ebd.
28 Vgl. Ebd.
29 Vgl. Angrick, Andrej: Besatzungspolitik und Massenmord, S. 412.
30 Vgl. Reinsperger, Regina: Otto Ohlendorf, S. 2.