Der Effekt des unheimlichen Tals besitzt eine enorme Wirkung auf die Mensch-Roboter-Beziehung, da selbst eine kleine Abweichung im programmierten Bewegungsablauf des Sexroboters zu einem Absturz in das unheimliche Tal führt. Daraufhin könnten erarbeitete soziokulturelle Normen hinfällig werden und Menschen würden sich von ihren Robotern distanzieren. Der Forschungsbereich der Erobotik definiert Sexroboter als erotische Agenten. Der Sexroboter ist, in Abgrenzung zur Liebespuppe, in den meisten Fällen mit Elektronik, Sprachfähigkeit, Charakterimitation sowie Künstlicher Intelligenz ausgestattet. Dies macht es dem Sexroboter möglich, freundschaftliche und romantische Beziehungen zu Menschen aufzubauen. Sexroboter wie "Harmony" folgen dem Grundsatz: "form follows function" und orientieren sich in ihrer Weiterentwicklung an den Bedürfnissen der Menschen. Im Anwendungsbereich der Prostitution sieht sich die Roboterforschung vor vielen ethischen und normativen Fragen. Beispielsweise können Sexroboter, Prostituierte davor bewahren Opfer zu werden, sie aber werden im selben Zug selbst zu Opfern von Missbrauch.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definition und Erklärungen
3 Liebespuppe oder Sexroboter?
3.1 Gemeinsamkeiten
3.2 Unterschiede
4 Sexroboter Harmony
5 Sex, Rape and Robots
Fazit
1 Einleitung
Die aktuelle Robotik-Forschung hat nicht mehr nur Anwendungsgebiete in der Industrie wie Fabrikrobotik als Entwicklungsgegenstand. Sie findet auch zunehmend Einsatz in der komplexen und unstrukturierten Außenwelt. Zum Beispiel in der Automatisierung zahlreicher menschlicher Tätigkeiten wie Krankenpflege oder Automobilität. Sogar das Töten von Menschen und Sex sind durch die Robotik zunehmend auf dem Weg des Wandels. Diese Trends der Automation rufen neue Fragen auf: Welche Robotertechnologien werden in naher Zukunft entwickelt werden und wozu werden sie fähig sein? Insbesondere der Forschungs- und Entwicklungsbereich der Sex-Robotik entwickelt sich stetig weiter. Sex mit der „Maschine“ ist außerhalb von Japan keine Seltenheit mehr, wie ein aktueller VDI Artikel von Wolfgang Schmitz treffend beschreibt (Schmitz 2021, o. S.). Die Entwicklung hin zu einer robotischen Simulation von Menschlichkeit und menschlichem Verhalten, hat in der Robotik schon immer ein großes Interesse an einem Effekt bei dem die Akzeptanz einer künstlichen Figur oder Roboters nicht im gleichen Maße steigt, wie die Ähnlichkeit zum Menschen. Insbesondere in Bezug auf Liebe und Sex in einer Mensch-Roboter Beziehung, ist dieser „uncanny valley“- ein wichtiger Aspekt, um zu verstehen wieso viele Menschen Angst davor haben Liebe für Roboter zu empfinden und Sex mit Robotern zu haben (Mori et al. 2012, S. 99). Liebespuppen sind schon längst Realität und Sexroboter werden es in naher Zukunft ebenfalls schon sein. Einzelne Modelle wie zum Beispiel „Harmony“ sind schon spürbare Realität und genau deswegen lohnt es sich die Entwicklung der Sexrobotik weiter zu untersuchen (RealDoll 2021). Diese Fragen und Ansätze sind die Untersuchungsgegenstände dieser Hausarbeit. In der Hausarbeit wird ein theoretischer Ansatz verfolgt.
Der aktuelle Forschungsstand wird treffend von Simon Dubé und Dave Anctil beschrieben: Die aktuellen Forschungsprogramme zu Robotik und Sex konzentrieren sich tendenziell auf die Risiken und Vorteile von Sexrobotern, anstatt Lösungen anzubieten, um Ersteres zu lösen und Letzteres zu verbessern. Die Forschung unterschätzt außerdem das Potential, mit welchem Menschen und Maschinen auf unvorhersehbare Weise miteinander interagieren und sich dadurch gemeinsam (weiter-) entwickeln können (Dubé und Anctil 2020, S.
1205). Zu Beginn wird der Effekt des unheimlichen Tals und der Begriff Erobotics definiert, anschließend wird der Grundsatz: „form follows function“ erläutert. Dann werden in den Kapiteln 3 bis 3.2 die Beschaffenheit, sowie die Gemeinsamkeiten und unterschiede von Liebespuppen und Sexrobotern diskutiert. In Kapitel 4 wird der Sexroboter „Harmony“ von der Firma RealDoll vorgestellt. Außerdem wird durch eine Untersuchung der Webseiten von RealDoll und RealDollX und dem unheimlichen Tal erklärt, warum Sexroboter zurzeit noch abgelehnt werden. Im letzten Kapitel wird diskutiert welche Rolle Sexroboter in Zukunft haben und welche Hindernisse ihnen zum Beispiel auf der soziosexuellen Eben entgegentreten.
2 Definition und Erklärungen
Im Folgenden ist es für das Verständnis der Analyse besonders von Nöten den „uncanny valley“ Effekt zu erläutern: In Abbildung 1 ist der „uncanny valley“ Effekt dargestellt, Masahiro Mori nennt es auch, das unheimliche Tal (MacDorman
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Unheimliche Tal beschreibt den messbaren Effekt, der Entwicklungskurve von realen zu fiktionalen Charakteren, bis zu einem Punkt an dem die Figuren nicht mehr real wirken und der Betrachter durch ihr Aussehen verstört werden kann. Der Wendepunkt befindet sich an der Stelle, an welcher die Akzeptanz für Roboter mit einem Mal schlagartig abfällt. In diesem unheimlichen Tal (uncanney valley) befindet sich der Einbruch des Kurvendiagramms welches die Verläufe von Ablehnung hin zur Akzeptanz von Robotern beschreibt (Mori et al. 2012, S. 98 f.). Denn die Designentscheidungen haben immer auch philosophische, ethische und ästhetische Konsequenzen, weil Menschen hochsensibel auf das Aussehen, das Verhalten von anderen Menschen und auch Robotern reagieren (Chesher und Andreallo 2021, S. 83). „Creating the face of a robot is a significant challenge because the human face is the most expressive part of the body, deeply involved in human social interaction“ (ebd.). Die Menschen nehmen den Charakter, die Identität, die Emotion und die kommunikative Absicht eines
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Die Anwesenheit von Bewegung erhöht den Ab/Anstieg des unheimlichen Tals. Der Pfeil repräsentiert den plötzlichen Tod einer gesunden Person.
Abb. 2 (MacDorman 2019, S. 215)
„Bewegung ist ein wesentliches Merkmal [von] Menschen und auch von
Robotern. Aber mit dem Bewegungsfaktor werden die Berge aus Abbildung 1 noch höher und das unheimliche Tal noch tiefer, was in Abbildung 2 deutlich gemacht wird“ (ebd.). „Da negative Effekte von Bewegung bereits bei einer Handprothese überaus deutlich werden, würde ein kompletter Roboter das unheimliche Gefühl noch weiter verstärken“ (ebd., S. 216). In dieser Abbildung sind Bespiele aus der Japanischen Kultur angeführt, sie bedürfen einer kurzen Erläuterung. Nó ist eine traditionelle japanische Form des Musiktheaters aus dem 14. Jahrhundert, in der Schauspieler häufig Masken trugen. Die Yase Otoko Maske zeigt das Gesicht eines abgemagerten Mannes und repräsentiert einen Geist aus der Hölle. Die Okina-Maske stellt einen alten Mann dar (Mori et al. 2012, S. 99).
Ein weiterer wichtiger Begriff ist der der Erobotics, denn er beschreibt ein neues Forschungsfeld, welches sich mit Technologien und Systemen beschäftigt, aus denen verkörperte, virtuelle und oder erweiterte künstliche Erotikagenten hervorgehen. Diese Definition schließt erweiterte virtuelle Entitäten, Avatare, Chatbots und Roboter mit ein, begrenzt sich aber nicht ausschließlich auf diese. Denn sie können vielschichtig miteinander verbunden, zu biologischen und oder künstlichen Multi-Agenten werden (Dubé und Anctil 2020, S. 1007). Agenten sind fortschrittliche Werkzeuge, die Menschen verwenden, um verschiedene Ziele zu erreichen. Der Hauptunterschied zwischen gewöhnlichen Tools und Agenten besteht darin, dass Agenten mehr oder weniger unabhängig von denen funktionieren, die dem Agenten die Handlungsbefugnisse erteilt haben. Sexroboter können insofern als künstliche Agenten verstanden werden, da sie Algorithmen- und Softwarebasierte Systeme sind, die eine Varietät an Handlungsfähigkeiten aufweisen (ebd.). Sexroboter sollten auch als spezialisierte Agenten und Multiagentensysteme untersucht werden, da sie erotische Persönlichkeiten und Verhaltensmuster aufweisen und in der Lage sind, sich erotisch auf den Menschen einzulassen so wie vice versa. Insbesondere wenn künstliche Agenten in der Lage sind, solche erotischen Persönlichkeiten und Verhaltensmuster zu erlernen und auszuführen, können Sexroboter gezielt weiterentwickelt werden, um zum Beispiel durch unsere Soziosexualität fähig zu werden, selber Erotik zu manifestieren (ebd., S. 1007 f.).
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