Heidi Benneckenstein ist in der rechtsextremen Szene aufgewachsen. Sowohl ihre Kindheit als auch ihre Pubertät hat sie unter Neonazis verbracht, bis sie schließlich den Ausstieg wagte und einen Neuanfang begann. Wie sie das geschafft hat und wie sie mit dem Ausstieg noch heute umgeht, ist Forschungsthema dieser Arbeit.
Um sich an die Frage des "wie" anzunähern, muss zunächst eine theoretische Grundlage geschaffen werden. Darum werden im zweiten Kapitel die Begriffe des "Rechtsextremismus", des "Rechtsradikalismus" sowie die Stellung der Frau in der rechtsextremen Szene näher betrachtet und erläutert. Was bedeuten diese Begriffe und können sie klar voneinander abgegrenzt werden? Und welche Stellung haben Frauen im rechtsextremen Milieu?
Die darauf folgende Analyse bezieht sich konkret auf Heidi Benneckensteins Fall. Im dritten Kapitel werden ihre Kindheit und ihr Alltag analysiert, um damit neben einem theoretischen auch einen inhaltlichen Rahmen zu schaffen. Die Analyse im vierten Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit ihrem Ausstieg. Was war der Auslöser für ihre Entscheidung? Wer hat ihr geholfen? Und wie geht sie noch heute mit dem Ausstieg um? Was bedeutet es, mit seiner Vergangenheit endgültig zu brechen? Und ist ein vollkommener Ausstieg aus der rechtsextremen Szene überhaupt möglich? Dies sind einige der Fragen, die in der Analyse umfassend diskutiert werden. Das Fazit fasst die wichtigsten Argumente noch einmal prägnant zusammen und liefert so die Basis für eine abschließende Betrachtung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmung
2.1 Rechtsextremismus
2.2 Rechtsradikalismus
2.3 Die Stellung der Frau
3. Kindheit und Alltag
4. Der Ausstieg
4.1 Der Distanzierungsprozess
4.2 Der Umgang mit dem Ausstieg
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Ich habe meine ersten 18 Jahre mit Nazis verbracht. Nicht aus sicherer Distanz und nicht für ein, zwei Jahre in der Pubertät, sondern mittendrin, ausschließlich und von Anfang an. Ich wurde von ihnen erzogen und aufs Leben vorbereitet. Ich wurde von ihnen geschlagen und drangsaliert, gelobt und belohnt“ (Benneckenstein 2017: 13).
Heidi Benneckenstein ist in der rechtsextremen Szene aufgewachsen. Sowohl ihre Kindheit als auch ihre Pubertät hat sie unter Neonazis verbracht, bis sie schließlich den Ausstieg wagte und einen Neuanfang begann. Wie sie das geschafft hat und wie sie mit dem Ausstieg noch heute umgeht, ist Forschungsthema dieser Arbeit.
Um sich an die Frage des „wie“ anzunähern, muss zunächst eine theoretische Grundlage geschaffen werden. Darum werden im zweiten Kapitel die Begriffe des „Rechtsextremismus“, des „Rechtsradikalismus“ sowie die Stellung der Frau in der rechtsextremen Szene näher betrachtet und erläutert. Was bedeuten diese Begriffe und können sie klar voneinander abgegrenzt werden? Und welche Stellung haben Frauen im rechtsextremen Milieu?
Die darauf folgende Analyse bezieht sich konkret auf Heidi Benneckensteins Fall. Im dritten Kapitel werden ihre Kindheit und ihr Alltag analysiert, um damit neben einem theoretischen auch einen inhaltlichen Rahmen zu schaffen. Die Analyse im vierten Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit ihrem Ausstieg. Was war der Auslöser für ihre Entscheidung? Wer hat ihr geholfen? Und wie geht sie noch heute mit dem Ausstieg um? Was bedeutet es, mit seiner Vergangenheit endgültig zu brechen? Und ist ein vollkommener Ausstieg aus der rechtsextremen Szene überhaupt möglich? Dies sind einige der Fragen, die in der Analyse umfassend diskutiert werden. Das Fazit fasst die wichtigsten Argumente noch einmal prägnant zusammen und liefert so die Basis für eine abschließende Betrachtung.
2. Begriffsbestimmung
Im folgenden Abschnitt werden die Begriffe „Rechtsextremismus“ und „Rechtsradikalismus“ definiert und voneinander abgegrenzt. Es wird geklärt, was diese Begriffe bedeuten, welche Merkmale sie aufweisen und inwiefern sie sich voneinander unterscheiden. Gibt es überhaupt eine klare Definition? Und, können beide Begriffe voneinander getrennt betrachtet werden oder sind die Übergänge zwischen beiden Begriffen fließend? Im Anschluss an den theoretischen Rahmen wird ein Kapitel über die Rolle der Frau im Rechtsextremismus angeschlossen, - was als Überleitung für den Fall Heidi Benneckenstein dient.
2.1 Rechtsextremismus
„Rechtsextremistische Agitation ist geprägt von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus sowie einer grundsätzlichen Demokratiefeindschaft“ (Bundesamt für Verfassungsschutz o.J.).
Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (im weiteren Verlauf kurz: Verfassungsschutz) sieht im Rechtsextremismus den Rassismus, Antisemitismus, eine Geschichtsnegation und die Ablehnung der Demokratie verankert. Doch dies sind nicht alle Merkmale, die den Rechtsextremismus ausmachen. Glaser und Pfeiffer erklären, dass Rechtsextremismus „eine Vielzahl unterschiedlicher Strömungen, ideologischer Ausrichtungen und Organisationsformen umfasst“ (2017: 22) und dadurch weder ein einheitlicher noch ideologisch geschlossener Begriff sei. Diese Heterogenität erläutert Stöss durch eine Zersplitterung, die „ideologisch, programmatisch und strategisch begründet“ (2000: 37-38) werden kann und somit keinesfalls einem Zufall unterliege. Jedoch lässt sich die Heterogenität nicht auf rechtsextreme Einstellungen und ein rechtsextremes Weltbild gleichermaßen übertragen, so Salzborn (vgl. 2015: 20). Rechtsextreme Einstellungen können sich aus verschiedenen Positionen und Ansichten zusammensetzen, welche einzeln betrachtet nicht zwangsläufig rechtsextrem sein müssen und sogar Fragen offenlassen können. Ein rechtsextremes Weltbild hingegen sei in sich homogen strukturiert und ließe keinerlei Widersprüche zu (vgl. ebd.).
Neben der Heterogenität gibt es auch andere übergreifende Merkmale, die hinter bestimmten Handlungen eine klare rechtsextreme Ideologie erkennbar werden lassen. Zum übergreifenden Verständnis muss zunächst erörtert werden, was sich hinter dem Begriff des „Extremismus“ verbirgt. Extremistisch geprägte Bestrebungen werden als solche verstanden,
„die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben“ (ebd.: 16).
Das bedeutet, dass extremistische Bestrebungen zum Ziel haben, die herrschende Grundordnung zu stören, um eine neue, ihrem Weltbild entsprechende Grundordnung zu schaffen. Stöss sagt, dass dieser Begriff jedoch nicht im Grundgesetz verankert sei und sich mit dessen Verwendung keine „unmittelbar juristische Konsequenzen ableiten ließen“ (ebd.: 13). Somit stellt er keinen Rechtsbegriff dar, die Einschätzung einer Gruppierung als extremistisch kann jedoch juristische Folgen haben (z.B. Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz). Stöss erklärt außerdem, dass sich der offizielle Extremismus-Begriff nur auf Handlungen und nicht auf deren zugrunde liegenden Einstellungen beziehe (vgl. ebd.: 19).
Handlungen und Einstellungen können stark voneinander abweichen. Glaser und Pfeiffer erläutern, dass nicht jeder, der eine rechtsextreme Einstellung hat, auch gleichzeitig politisch aktiv oder sogar gewaltbereit sei (vgl. 2017: 25). Stöss bestätigt dies und erklärt, dass deshalb „das rechtsextremistische Einstellungspotenzial wesentlich größer als das Verhaltenspotenzial“ (2000: 21) sein müsse. Salzborn schlussfolgert, dass rechtsextreme Einstellungen zwangsläufig immer die Grundlage für rechtsextreme Handlungen bieten (vgl. 2015: 20). Umgekehrt ist dies jedoch nicht unbedingt gegeben. Auch schließt Salzborn an, dass durch eine rechtsextreme Grundeinstellung das Verhalten die Einstellung weiter radikalisieren könne (ebd.). Somit beeinflussen sich Handlung und Einstellung immer unmittelbar. Da jedoch nicht jeder mit einer rechtsextremen Einstellung dies aktiv in die Öffentlichkeit trägt, ist diese Ebene schwieriger zu erkennen. In öffentlichen Diskussionen wird meist auf die Verhaltensebene hingewiesen, was zu einer Vernachlässigung der erst genannten Ebene führt (vgl. Glaser/Pfeiffer 2017: 25). Durch diese Vernachlässigung können sich rechtsextreme Einstellungen weiter radikalisieren, ohne wahrgenommen zu werden. Dies kann eine Gefahr darstellen, da sie die Grundlage rechtsextremen Verhaltens bilden.
Ein weiteres zentrales Merkmal rechtsextremen Gedankenguts ist die Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, mit dem Ziel, ein „autoritäres oder gar totalitäres staatliches System“ (Nandlinger 2008) zu etablieren. Das neue System soll Raum für sowohl nationalistisches als auch rassistisches Gedankengut geben, welche als Grundlage für die neue Ordnung dient (ebd.). Der Verfassungsschutz unterstützt Nandlingers These, indem er sagt, dass im Rechtsextremismus der Staat und das „ethnisch homogene Volk“ als natürlich gegebene Ordnung zu einer Einheit verschmelzen sollen und somit intuitiv nach einem einheitlichen Willen handeln (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz o.J.). Es sei Anhängern rechtsextremer Ideologien wichtig, dem Kollektiv den Vorzug vor dem Individuum zu geben, so Salzborn (vgl. 2015: 23). Stöss ergänzt, dass es Rechtsextremen außerdem darum geht, sich gegen parlamentarisch-pluralistische Systeme zu richten, „die auf der Volkssouveränität und dem Mehrheitsprinzip beruhen“ (2000: 20f.). Damit geht einher, dass die „universellen Freiheits- und Gleichheitsrechte des Menschen“ (ebd.) eingeschränkt werden und somit mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind (vgl. Nandlinger 2008). Das macht rechtsextreme Gesellschaftsformen undemokratisch und inhuman (vgl. Stöss 2000: 20).
Nach Stöss findet sich sich im Rechtsextremismus außerdem ein übersteigerter Nationalismus wieder, der andere Staaten kategorisch ablehnt (ebd.). Anhänger rechtsextremer Ideologien vertreten die Ansicht, dass ein Individuum dahin streben solle, seine ethnische Zugehörigkeit zu einer Nation bzw.
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