Im Mittelpunkt der folgenden Hausarbeit steht die Frage, wie die Figur der Amalia von Edelreich im Verhältnis zum Frauenbild des 18. Jahrhunderts steht. Die Relevanz der Fragestellung wird durch einen Blick in die Forschungsliteratur deutlich. Dort liegt der Fokus vor allem auf dem Bruderkonflikt des Dramas und Amalias Rolle scheint nebensächlich. Da sie jedoch im gesamten Handlungsverlauf immer wieder auftaucht und an fast allen entscheidenden Szenen beteiligt ist, wird diese Arbeit nicht nur ihre Rolle als Frau untersuchen, sondern zusätzlich danach fragen, warum Schiller Amalia so konzipiert hat.
Zunächst wird im ersten Teil der Hausarbeit jedoch das Frauenbild des 18. Jahrhunderts genauer beleuchtet. Im zweiten Teil werden dann die angesprochenen Textstellen gründlich analysiert. Die Hausarbeit wird dadurch interdisziplinär. Sie bewegt sich einerseits in der Disziplin der Geschlechtergeschichte und geht auf der anderen Seite in den textanalytischen Bereich über. Des Weiteren haben sich während des Bearbeitungsprozesses zwei Thesen herausgebildet, auf die in der Arbeit ebenfalls eingegangen werden soll. Zum einen geht es um die Behauptung, dass das Frauenbild im 18. Jahrhundert aus den drei Erwartungen Hausfrau, Ehefrau und Mutter bestand. Diese Ansicht wird im ersten Kapitel be- oder widerlegt werden. Im zweiten Abschnitt der Arbeit wird dann die Annahme "Amalia von Edelreich entspricht nicht dem theoretischen Frauenbild des 18. Jahrhunderts" näher beleuchtet.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Frauenbild des 18. Jahrhunderts
3. Amalia von Edelreich - ein Gegenentwurf?
3.1 Amalias Liebe zwischen Vergötterung und Verzweiflung
3.2 Amalia als selbstbestimmte und selbstbewusste Frau
3.3 Amalia zwischen vernunftgeleitetem und gefühlsbetontem Handeln
4. Fazit
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1 Primärquell
5.2 Sekundärliteratu
1. Einleitung
„AMALIA. Geh, sag ich. Du hast mir eine kostbare Stunde gestohlen, sie werde dir an deinem Leben abgezogen! [...] Ich verachte dich, geh!“1 (I. Akt, 3. Szene, Vers 12-15). Spätestens nach dieser Aussage wird sich das Publikum zu Lebzeiten Friedrich Schillers bei der Aufführung seines Dramas „Die Räuber“ gewundert haben. Eine Frau, die selbstbewusst ihrem männlichen Gegenüber die Stirn bietet? Ihn sogar teilweise verspottet? Was den Zuschauern seinerzeit 1782 in Mannheim sehr merkwürdig vorgekommen sein muss, ist in Deutschland heutzutage völlig normal: Die Frau ist dem Mann gleichgestellt. Bereits hier zeigt sich, dass die Rolle der Frau zur damaligen Zeit anders definiert wurde. Deshalb steht im Mittelpunkt der folgenden Hausarbeit die Frage, wie die Figur der Amalia von Edelreich im Verhältnis zum Frauenbild des 18. Jahrhunderts steht. Die Relevanz der Fragestellung wird durch einen Blick in die Forschungsliteratur deutlich. Dort liegt der Fokus vor allem auf dem Bruderkonflikt des Dramas und Amalias Rolle scheint nebensächlich. Da sie jedoch im gesamten Handlungsverlauf immer wieder auftaucht und an fast allen entscheidenden Szenen beteiligt ist, wird diese Arbeit nicht nur ihre Rolle als Frau untersuchen, sondern zusätzlich danach fragen, warum Schiller Amalia so konzipiert hat. Zunächst wird im ersten Teil der Hausarbeit jedoch das Frauenbild des 18. Jahrhunderts genauer beleuchtet. Im zweiten Teil werden dann die angesprochenen Textstellen gründlich analysiert. Die Hausarbeit wird dadurch interdisziplinär. Sie bewegt sich einerseits in der Disziplin der Geschlechtergeschichte und geht auf der anderen Seite in den textanalytischen Bereich über. Des Weiteren haben sich während des Bearbeitungsprozesses zwei Thesen herausgebildet, auf die in der Arbeit ebenfalls eingegangen werden soll. Zum einen geht es um die Behauptung, dass das Frauenbild im 18. Jahrhundert aus den drei Erwartungen Hausfrau, Ehefrau und Mutter bestand. Diese Ansicht wird im ersten Kapitel be- oder widerlegt werden. Im zweiten Abschnitt der Arbeit wird dann die Annahme „Amalia von Edelreich entspricht nicht dem theoretischen Frauenbild des 18. Jahrhunderts“ näher beleuchtet.
2. Das Frauenbild des 18. Jahrhunderts
Über die Rolle der Frau sowie ihr Verhältnis zum Mann wird seit jeher heftig und kontrovers diskutiert, besonders durch letztere. Ist die Frau dem Mann ebenbürtig? Sollte sie ihm gleichgestellt oder eher untertänig und hörig sein? Dieses Kapitel versucht knapp zu verdeutlichen, welches Frauenbild im 18. Jahrhundert vorherrschend war. Dabei ist zu beachten, dass hier nur ein theoretisches Bild geliefert werden kann, das in der Praxis sicherlich vielerlei Abweichungen erfahren hat. Es geht vor allem darum, zu zeigen, welches Ideal sich die Männerwelt von einer Frau versprach und welche Erwartungen an sie zu dieser Zeit daraus entstanden. Dieses Ideal versteht auch Inge Stephan als „ eine ,Form männlicher Wunsch- und Ideologieproduktion‘, durch die die Frau in ganz spezifischer Weise definiert und vom Subjekt zum Objekt gemacht wird.“2
Die Frau des 18. Jahrhunderts sollte demnach Zeit ihres Lebens von einem Mann abhängig sein. Als Kind unterstand sie ihrem Vater und nach der Hochzeit ihrem Ehemann, „sie sollte beide ehren und ihnen gehorchen“3. Die Kindererziehung und -bildung der Mädchen erfolgte zu Hause und war ausgerichtet auf Religion, Sittenlehre sowie Hausarbeit4. Den Mittelpunkt des damaligen Lebens stellte „die monogame Ehe als das institutionalisierte Herzstück des Gesellschaftssystems“5 dar. Als besonders wichtig galt, dass die Frau ihrem Gatten treu war und ihn auf diese Weise ehrte. Er sollte nicht nur ihr Vormund, sondern auch der einzige männliche Bezugspunkt sein, mit dem sie intimere Gefühle teilte. Die Hochzeit galt als eine Lastenübertragung, wobei die wirtschaftlich abhängige Frau und ihre Versorgung vom Vater an den Ehemann übergeben wurde. Letzterer kompensierte dies durch eine Mitgift6. Nachdem die Frau verheiratet war, sollte sie die Aufgabe „der Mutter und Gebärenden“7 erfüllen. Ziel war der Familienfortbestand, indem die Frau Kinder bekam und diese erzog. Auch über das Handeln der Frau, ihr Verhalten und ihre Vernunft gab es eine männliche Auffassung.
Michéle Crampe-Casnabet versucht diese anhand Rousseaus Philosophie wiederzugeben:
„Die Frau ist das Wesen der Leidenschaft, der Vorstellungskraft, nicht des Begriffs. [...] Die Frau verharrt nach Rousseau immer im Zustand der Kindheit; sie ist unfähig, etwas zu sehen, das sich außerhalb der Welt der Häuslichkeit befindet [.]. Die einzige Wissenschaft, [.] die sie kennen muß, ist die von den sie umgebenden Menschen und vor allem ihres Gatten, eine Wissenschaft, die auf dem Gefühl beruht.“8
Das männliche Ideal einer Frau wurde also durch den Mann selbst bestimmt, diesem unterstellt und sollte nicht hinterfragt werden. Die Frau war für den Haushalt sowie die Kindererziehung verantwortlich und damit nur auf dem Gebiet der Familie tätig. Olwen Hufton fasst das Frauenbild des 18. Jahrhunderts gut zusammen: „[F]ür die Gesellschaft [war es] undenkbar, daß eine Frau völlig unabhängig von einem Mann leben konnte oder gar sollte. Die alleinstehende, unabhängige Frau galt als widernatürlich und verab- scheuungswürdig.“9
Insgesamt lässt sich daher die in der Einleitung aufgeworfene These „Das Frauenbild bestand im 18. Jahrhundert aus den drei Erwartungen Hausfrau, Ehefrau und Mutter“ bestätigen. Beispielhaft dafür schrieb Caroline Flachsland 1772 an Johann Gottfried Herder: „[M]eine ganze, große, hohe Würde wird in der süßen Bestimmung bestehn (wenn ich sie jemals erlebe!) dereinst gute Gattin und gute Mutter zu seyn!“10
3. Amalia von Edelreich - ein Gegenentwurf?
Dieses Kapitel wird nun untersuchen, ob und in welchem Maße Amalia von Edelreich in Friedrich Schillers Drama „Die Räuber“ diesem theoretischen Frauenbild des 18. Jahrhunderts entspricht bzw. nicht entspricht. Dazu werden die Szenen genauer analysiert, in denen Amalia Teil der Figurenkonfiguration ist. Die Analyse erfolgt szenenübergreifend, um Entwicklungen sowie Veränderungen in den Handlungen und dem Verhalten Amalias deutlich zu machen. Zusätzlich wird dann versucht zu klären, warum ihre Rolle von Schiller auf diese Art und Weise konzipiert wurde.
[...]
1 Schiller, Friedrich: Die Räuber. Ein Schauspiel. Stuttgart: Reclam 2014. S.42.
Da Schillers Drama die Primärquelle der Hausarbeit ist, wird die Seitenangabe bei folgenden Zitaten der Akt-, Szenen- und Versangabe in runden Klammern hinzugefügt und ist nicht mehr im Fußnotenapparat einzusehen. Auf die Titelangabe wird ebenfalls verzichtet. Die Aktangabe erfolgt in römischen Ziffern. Daran wird die Szenenangabe in arabischen Zahlen angehängt (Beispiel 1. Akt, 3. Szene: I,3). Vers wird mit „V.“ abgekürzt werden. Die Namen werden in Großbuchstaben übernommen, damit auch im Fließtext eindeutig erkennbar ist, wer das Zitierte spricht.
2 Stephan, Inge: So ist die Tugend ein Gespenst. Frauenbild und Tugendbegriff bei Lessing und Schiller. In: Inszenierte Weiblichkeit. Codierung der Geschlechter in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Hrsg. von Inge Stephan. Köln: Böhlau Verlag 2004. S.14-15.
3 Hufton, Olwen: Arbeit und Familie. In: Geschichte der Frauen. Frühe Neuzeit. Hrsg. von Arlette Farge und Natalie Zemon Davis. Frankfurt a.M. u.a.: Campus Verlag 1994. S.27.
4 Sonnet, Martine: Mädchenerziehung. In: Geschichte der Frauen. Frühe Neuzeit. Hrsg. von Arlette Farge und Natalie Zemon Davis. Frankfurt am Main u.a.: Campus Verlag 1994. S.119 u. 144.
5 Hufton, Olwen: Frauenleben. Eine europäische Geschichte. 1500-1800. Aus dem Englischen von Holger Fliessbach und Rena Passenthien. 2. Aufl.. Frankfurt a.M.: S. Fischer Verlag 1998. S.93.
6 Vgl. Hufton: Arbeit und Familie. S.28.
7 Ebd. S.47.
8 Crampe-Casnabet, Michéle: Aus der Philosophie des 18. Jahrhunderts. In: Geschichte der Frauen. Frühe Neuzeit. Hrsg. von Arlette Farge und Natalie Zemon Davis. Frankfurt a.M. u.a.: Campus Verlag 1994. S.347.
9 Hufton: Arbeit und Familie. S.28.
10 Flachsland, Caroline: Meine süße Bestimmung (1772). In: Frauenleben im 18. Jahrhundert. Hrsg. von Andrea van Dülmen. München u.a.: C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung. S.38.