Im Anschluss an die Problemstellung wird im zweiten Kapitel ein kurzer Überblick über das deutsche und internationale Unternehmenssteuerrecht gegeben und die wichtigsten Besteuerungsprinzipien erläutert. Darauf aufbauend werden die Probleme, die sich bei der Besteuerung digitaler Unternehmen ergeben, erklärt und Lösungsansätze auf internationaler Ebene aufgezeigt. Im Hauptteil der Arbeit wird der Unified Approach der OECD erläutert und einer kritischen Würdigung anhand einschlägiger Besteuerungsprinzipien unterzogen. Den Abschluss der Seminararbeit bildet ein Fazit mit abschließendem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Besteuerung der digitalen Wirtschaft
2.1 Grundlagen des deutschen und internationalen Unternehmenssteuerechts
2.2 Probleme der Besteuerung digitaler Unternehmen
2.2.1 Abgrenzungsversuch der digitalen Wirtschaft
2.2.2 Herausforderungen der Besteuerung von digitalen Unternehmen
2.2.3 Aktuelle Lösungsansätze auf internationaler Ebene: Das BEPS-Projekt der OECD und die Entstehung des Zwei-Säulen Ansatzes
3 Der Unified Approach der OECD
3.1 Ziele und Hintergründe des Unified Approach
3.2 Wesentliche Elemente des Unified Approach
3.2.1 Scope
3.2.2 New Nexus
3.2.3 New Profit Allocation Rule
3.2.4 Increased Tax Certainty
4 Kritische Würdigung des Unified Approach
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung
1.1 Problemstellung
Die fortschreitende Digitalisierung zieht sich durch sämtliche Wirtschaftsbereiche und hat bedeutende Auswirkungen auf das internationale Steuerrecht.1 Die Anzahl hoch digitalisierter, multinationaler Unternehmen (MNU), die Lücken im internationalen Steuerrecht zur Gewinnverlagerung und -verkürzung nutzen, wächst kontinuierlich an. Nahezu 40 % der Gewinne von MNU wurden 2015 weltweit in Niedrigsteuerländer verschoben. Der sich daraus ergebende finanzielle Schaden aufgrund von steuerlichen Mindereinnahmen für Volkswirtschaften aus Hochsteuerländern wie Deutschland, betrug im Jahr 2015 ca. 616 Mrd. USD.2 Dieses Phänomen verschärft den Wettbewerb mit lokalen Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe keine Möglichkeit haben, die benannten Steuervermeidungspraktiken zu nutzen.3 Die Ursachen für das Problem der grenzüberschreitenden Besteuerung digitaler Unternehmen gehen zu einem großen Teil auf ein in die Jahre gekommenes internationales Steuerrecht zurück, das auf die analoge Wirtschaft ausgerichtet ist. Die Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD Musterabkommen gilt nach wie vor bei ausländischer Unternehmenstätigkeit als zentraler physischer Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht.4 Die fortschreitende Digitalisierung der Unternehmen und die damit verbundenen Geschäftsmodelle, die hauptsächlich auf immateriellen Vermögensgenständen beruhen, sind jedoch nicht notwendigerweise an eine physische Präsenz im Marktstaat gekoppelt, in dem die Wertschöpfung stattfindet.5 Folglich fehlt es an einem steuerlichen Anknüpfungspunkt zur Besteuerung von digitalen Unternehmen in dem Staat, in dem nach wirtschaftlicher Betrachtung die Gewinne tatsächlich erzielt werden.6 Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich bezüglich der adäquaten Gewinnzuteilung in MNU. Tradierte Verrechnungspreismethoden stehen in der Kritik nur unzureichend dazu geeignet zu sein, immaterielle Vermögensgegenstände zu bewerten. Deshalb wächst der Wunsch nach einer Anpassung des Besteuerungssystems, welches von vielen Marktstaaten als ungerecht wahrgenommen wird. Die Hoffnungen ruhen auf einer globalen Lösung, die durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeitet werden soll.7 Die OECD hat deshalb Ende des Jahres 2019 den Unified Approach hervorgebracht, mit dem Ziel die Besteuerungsrechte zwischen den Staaten neu zu verteilen, um damit das internationale Steuerrecht zu reformieren und für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen.8 Ziel der vorliegenden Seminararbeit ist es, auf Basis einer qualitativen Literaturanalyse zu erörtern, ob die geltenden internationalen Steuerstandards dazu geeignet sind, digitale Geschäftsmodelle effizient zu besteuern. Darauf aufbauend soll der Unified Approach erläutert und anhand einschlägiger Besteuerungsprinzipien bewertet werden.
1.2 Gang der Untersuchung
Die Seminararbeit gliedert sich in vier Kapitel. Im Anschluss an die Problemstellung wird im zweiten Kapitel ein kurzer Überblick über das deutsche und internationale Unternehmenssteuerrecht gegeben und die wichtigsten Besteuerungsprinzipien erläutert. Darauf aufbauend werden die Probleme, die sich bei der Besteuerung digitaler Unternehmen ergeben, erklärt und Lösungsansätze auf internationaler Ebene aufgezeigt. Im Hauptteil der Arbeit wird der Unified Approach der OECD erläutert und einer kritischen Würdigung anhand einschlägiger Besteuerungsprinzipien unterzogen. Den Abschluss der Seminararbeit bildet ein Fazit mit abschließendem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
2 Besteuerung der digitalen Wirtschaft
2.1 Grundlagen des deutschen und internationalen Unternehmenssteuerechts
Das deutsche Unternehmenssteuerrecht unterscheidet bei der Besteuerung von Körperschaften zwischen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht. Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht bei Körperschaften ist nach § 1 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) das Vorliegen der Geschäftsleitung (§ 10 AO9 ) oder des Sitzes (§11 AO) im Inland (Ansässigkeitsprinzip). Besteuert wird hierbei das gesamte Welteinkommen, also die Summe aus inländischen und ausländischen Einkünften.10 Die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht gilt für Körperschaften, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, aber in Deutschland Einkünfte erzielen (§ 2 Nr. 1 KStG). Anknüpfungspunkt für beschränkt Steuerpflichtige sind also bestimmte im Inland gelegene Einkunftsquellen (Quellenprinzip). In § 49 Einkommensteuergesetz (EStG) wird festgelegt, an welche inländischen Tatbestandsmerkmale die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht geknüpft ist (§§ 2, 8 Abs. 1 S. 1 KStG).11 Der beschränkten Steuerpflicht unterliegen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn sie mittels einer im Inland unterhaltenen Betriebsstätte erzielt werden (§ 12 AO) oder dafür ein ständiger Vertreter bestellt wird (§ 13 AO).12 Da im internationalen Steuerrecht das nationale Recht eines Staates und das Völkerrecht aufeinander treffen, sind bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den Staaten von besonderer Bedeutung. Deutschland hat mit 96 Ländern bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen vom Einkommen und vom Vermögen abgeschlossen.13 Im deutschen Steuerrecht geht das Völkerrecht nach § 2 AO den nationalen Rechtsvorschriften grundsätzlich vor. Auf internationaler Ebene dient das im Jahr 1977 entwickelte Musterabkommen der OECD dazu, Besteuerungsrechte den einzelnen Staaten zuzuweisen und soll zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Verhinderung von Nichtbesteuerung beitragen.14 Die OECD ist eine internationale Organisation bestehend aus 37 Ländern, die sich zum Ziel gesetzt hat, durch die Erlassung von internationalen Normen die Demokratie und Marktwirtschaft zu stär- ken.15 Im Bereich des internationalen Steuerrechts ist die OECD dafür verantwortlich, neue globale Steuerstandards zu erlassen. Auch im internationalen Steuerrecht wird der steuerliche Anknüpfungspunkt für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen durch das Ansässigkeitsstaatsprinzip und das Quellenprinzip geprägt.16 Gemäß Artikel 7 des OECD Musterabkommens dürfen Unternehmensgewinne eines Vertragsstaats grundsätzlich nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Im Quellen- bzw. Marktstaat besteht ein Besteuerungsrecht, wenn das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit durch eine in diesem Staat gelegene Betriebsstätte ausübt. Die Betriebsstätte wird in Art. 5 OECD Musterabkommen 2014 definiert als „eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.“17 Die physische Präsenz in Form einer Betriebsstätte ist deshalb auch hier zentraler Anknüpfungspunkt für ein Besteuerungsrecht von Unternehmensgewinnen im Marktstaat. Folglich sind die Gewinne eines Unternehmens in einem anderen Staat nur dann körperschaftsteuerpflichtig, wenn das Unternehmen dort eine feste Geschäftseinrichtung besitzt und somit eine genügend enge inländische Anknüpfung.
Sollte ein MNU in verschiedenen Staaten ansässig sein, dann bestimmen sich die Preise für grenzüberschreitende Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen, nach den Verrechnungspreisregeln und im speziellen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz.18 Dieses Prinzip besagt, dass sich verbundene Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Leistungsbeziehungen wie unabhängige Dritte verhalten müssen, wobei der Markpreis derselben gehandelten Ware als Referenzmaß für die steuerliche Gewinnermittlung herangezogen wird.19 Der für Transaktionen innerhalb eines Unternehmens verrechnete Preis, muss also nach dem Fremdvergleichsgrundsatz den Marktpreis widerspiegeln, den unabhängige Dritte für ähnliche Transaktionen gezahlt hätten.20
Prinzipien zur Bewertung eines Besteuerungssystems
Für die Bewertung eines Steuersystems gibt es unterschiedliche Prinzipien, die die effiziente und faire Ausgestaltung der Besteuerung in einem Land sicherstellen sollen.21 Das deutsche Steuersystem fußt primär auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Grundgesetz) und dem daraus abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzip.22 Der Gleichbehandlungsgrundsatz besagt, dass vergleichbare Vorfälle von der öffentlichen Gewalt auch gleichbehandelt werden müssen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das als Fundamentalprinzip der Besteuerung gilt, ist laut Bundesverfassungsgericht dann erfüllt, wenn jeder gemäß seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird.23 Aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip lassen sich die horizontale und vertikale Steuergerechtigkeit ableiten. Es herrscht horizontale Steuergerechtigkeit, wenn Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hohe Steuern zu entrichten haben. Vertikale Steuergerechtigkeit ist gegeben, wenn Steuerpflichtige mit höherer Leistungsfähigkeit höher besteuert werden, als solche mit niedrigerer Leistungsfähigkeit.24 Als weiteres Beurteilungskriterium für ein Steuersystem dient die Effizienz. Die Finanzwissenschaft postuliert ein Steuersystem als effizient, wenn es die optimale Ausnutzung von Ressourcen ermöglicht und gesamtwirtschaftliche Verzerrungen vermeidet. Steuern sollen effizient sein, damit Investitionsentscheidungen nach wirtschaftlichen und nicht nach steuerlichen Kriterien getroffen werden. Die Erhebungseffizienz der Steuern ist gegeben, wenn die Steuer in der Realität auch praktikabel erhoben werden kann und die Kosten der Erhebung und Verwaltung nicht im Missverhältnis zum Ertrag der Steuer stehen.25
[...]
1 Vgl. Boehle/Scholtholt (2019): S. 919 f
2 Vgl. T0rsl0v et al. (2020): S. 4.
3 Vgl. Ebd. S. 35.
4 Vgl. Vogel et al. (2015): Rn. 2-4.
5 Vgl. Bauer/Keuper (2020): S. 87.
6 Vgl. Zinowsky (2019): S. 811.
7 Vgl. Ebd. S. 812.
8 Vgl. OECD (2019d): S. 2 ff.
9 AO = Abgabenordnung.
10 Vgl. Brähler (2014): S. 9.
11 Vgl. Ebd. S. 13.
12 Vgl. Ebd. S. 78.
13 Vgl. BMF (2021a): S. 4 ff. (Stand: 1.1.2021).
14 Vgl. Weltin (2018): S. 10.
15 Vgl. OECD (o.J.) S. 1.
16 Vgl. Homburg (2015): S. 273.
17 OECD (2014a): S. 2.
18 Vgl. Marquardt (2020): S. 293.
19 Vgl. OECD MA (2014): Art. 9.; vgl. § 1 Abs. 1 ASTG.
20 Vgl. Schneemelcher (2020): S. 24.
21 Vgl. Birk (2011): S. 354.
22 Vgl. Kirchhof (2020): S. 230 f.
23 Vgl. BVerfG (1998): Rz. 17; vgl. Ohmer (1997): S. 113.
24 Vgl. BVerfG (2010): 2 Rz. 36; vgl. Tipke, K. (1976), S. 304 ff.
25 Vgl. Birk et al. (2019): Rz. 43; vgl. OECD (2015): S. 33.