Die Schlacht im Teutoburger Wald ist eine der Bekanntesten in der Geschichte. Drei Legionen sind Rom dort verloren gegangen und die Quellen wissen auch zu berichten, wessen Schuld es war. Diese Arbeit setzt sich mit der Rezeption dieser Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen in den antiken Quellen auseinander und hinterfragt die Schuldzuweisungen des Velleius Paterculus und seines Kollegen Cassius Dio.
1. Einleitung:
2. Römisches Voranschreiten an den Rhein
3. Ein Fluss als Ausgangsbasis rechtsrheinischer Militäroperationen
4. Die beginnende Provinzialisierung der elbgermanischen Gebiete
5. Die Schuldfrage in antiken Quellen
5.1 VarusbeiVelleiusPaterculus
5.2 Was sagt Casssius Dio?
6. Einblick in die neuere Forschung: Timpes Theorie des unruhigen Germaniens
7. Ein Fazitus
1. Einleitung:
Zur Zeitenwende erschien es Rom, als wären die „wilden Germanen“ im Norden endlich bezwungen. Nach über einem halben Jahrhundert der Auseinandersetzungen und zwei Jahrzehnten der intensiven Okkupationsbemühungen gelang es den römischen Legionen bis an die Elbe vorzustoßen, das Gebiet zwischen Elbe und Rhein einzugliedern und in eine römische Provinz umzuwandeln. Doch im Jahre 9 n. Chr. wurde all dies durch einen unfähigen Feldherm, der seine Legionen in den Tod führte und damit das eroberte Gebiet den römischen Feinden preisgab, zunichtegemacht. So oder so ähnlich hat es sich zugetragen, wenn man den römischen und griechischen Schriftstellern glauben darf, die in den nächsten Jahrhunderten über dieses schicksalhafte Ereignis geschrieben haben. Doch inwiefern war Germanien oder vielmehr der Teil zwischen den beiden genannten Flüssen zu diesem Zeitpunkt schon eine Provinz und lag es wirklich nur an einer Person, dass das Imperium sich erneut bemühen musste schon gewonnenes Gebiet nochmal zu erobern?
Im Folgenden soll diesen beiden Fragen gegangen werden. Ein allgemeiner Überblick über die Expansionsbestrebungen am Rhein seit Caesar und der Zustand der „Provinz“ Germanien wird geschaffen und die beiden Texte Historia Romana auf die Begründung der Anschuldigungen überprüft werden. Aus neuerer Sicht soll uns Dieter Timpe mit seiner Theorie einen weiteren und anderen Blick auf die Ereignisse dieser Zeit verschaffen. Diese drei Texte sollen auf ihren Inhalt geprüft, analysiert und bewertet werden, um uns einen Eindruck davon zu verschaffen, was sich damals zugetragen haben könnte.
2. Römisches Voranschreiten an den Rhein
Die Idee des Rheins als vorläufigen Expansionsriegel des römischen Imperiums sowie als ethnischkulturelle Grenze zwischen den römisch besetzten Galliern und den Germanen rechts davon, tauchte erstmals mit Julius Caesar und seinem De Bello Gallico auf. Das dies nicht wirklich der Wahrheit entspricht zeigt sich schon in den Widersprüchen, welche der römische Feldherr bei den Verfassern seines Werkes, willentlich oder nicht, eingebracht hat. In den Büchern I, IV und VI lesen wir immer wieder von Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern rechts und links des Flusses untereinander, ebenso, wie zwischen den römischen Legionen und verschiedenen germanischen Gruppen, die auf das linksrheinische Ufer übersetzten, um dort Land erobern oder Beute zu machen1. Während der Lektüre des Berichts erfahren wir von germanischen Söldnern, die von einigen gallischen Stämmen in ihre Dienste genommen werden und sich im Land ihrer Dienstherren ansiedeln, dieses sogar besetzen. Schon von der ersten Seite an finden sich Kommentare zu germanischen und gallischen Volksgruppen, die beide Flussufer besiedeln2 und demnach müsste es auch einen Kulturkontakt geben, der diese klare Grenze verschwimmen lässt. Dennoch prägt dieser Topos des Rheins als klare Scheidelinie und als äußerste Grenze des Erreichbaren die römische Politik der nächsten Jahrzehnte. Caesar selber überschreitet den Fluss mit seinen Truppen zweimal, versucht sich aber auf der anderen Seite nicht festzusetzen oder weiteres Territorium zu erobern, sondern verfolgt während dieser Aktionen sich vor ihm zurückziehende germanische Verbände. Sie dienen ihm als Abschreckung, um die frisch eroberten westrheinischen Gebiete vor weiteren Einfällen zu schützen und Demonstration der Macht des Imperiums. Doch lässt er beide Male keine Grenzbefestigungen errichten, was das Einfallstor im Osten für weitere Überfälle offenlässt. Als einzige Maßnahme um die junge Provinz zu schützen, siedelt er romfreundliche Stämme in der grenznahen Zone an, die als Puffer gegen einfallende Nachbarn dienen sollen.3 Erst unter dem Statthalter Agrippa und Caesars Nachfolger Augustus wird sich der Bedrohung jenseits des Flusses angenommen und erste Versuche unternommen, die Völker im heutigen westdeutschen Raum und der Niederlande zu unterwerfen.4 Solange bleiben die Gebiete jenseits davon für Rom uninteressant und der Rhein nur eine theoretische Grenze. Doch lässt sich darin auch sehen, dass Rom nun versuchte sich in die Beziehungen zwischen Germanen und Kelten einzuklinken um einen direkten politischen Kontakt zwischen diesen zu unterbinden und die Stabilität in diesem Grenzgebiet zu sichern.5
3. Ein Fluss als Ausgangsbasis rechtsrheinischer Militäroperationen
In Reaktion auf den Überfall eines germanischen Stammens, der Sugambrer, in die nun römische Provinz Gallia Belgica, veranlasste Augustus diese Form der defensiven Politik gegenüber der Germania und ihrer Einwohner aufzugeben. Obwohl hier die Vermutung im Raum steht, dass es vielleicht keine Reaktion auf den Einfall war, sondern ein lang angesetzter Plan. Freigewordene Truppenverbände von der befriedeten Iberischen Halbinsel sowie die in den gallischen Provinzen stationierten Legionen positionierten sich von der Mündung des Rhein bis nach Trier und machten somit das Westufer des Flusses zu einer Verteidigungslinie, die zum einen einfallende Germanen aufhalten und zum anderen als Ausgangsbasis für weitläufige Operationen im germanischen Hinterland dienen konnte.6 Mit dem Jahr 12 v. Chr. fiel dann auch der Startschuss für die Eroberung. Die Sugambrer waren erneut eingefallen und der neue Feldherr und Statthalter, Claudius Nero Drusus, setzte infolgedessen mit seinen Legionen über den Fluss über. Was als Strafexpedition gegen die aufmüpfigen Germanen begann, endete in mehreren Feldzügen in die Gebiete des heutigen Noord- Holland sowie ins heutige Nordwestdeutschland. Während des ersten Jahres unterwarf er die Friesen, welche ihm im Kampf gegen ihre Nachbarn, die Chauken, Truppen zur Verfügung stellten.7 Was uns einen kleinen Überblick darüber gibt, wie Rom versuchte neue Gebiete zu sichern und eigene Ressourcen zu sparen. Im folgenden Jahr gelang es ihm dann bis ins Gebiet der Cherusker und an die Weser vorzustoßen, wobei er auf dem Rückweg in der Nähe des Ortes Arabalo in einen Hinterhalt, vermutlich sugambrischer, cheruskischer und weiterer Stämme geriet, dem er nur mühsam entkam. Diese Taktik der Hinterhalte soll auch noch später in der Varusschlacht eine entscheidende Rolle spielen und gehört zur asynchronen Form der Kriegsführung, welche die Germanen, gegen die Römer anwandten. Drusus und seine Legionen entkam, ließ seine Truppen rechts des Rheins ein Winterlager aufschlagen und im folgenden Jahr gelang es ihm, seinen Erfolg noch weiter auszubauen. 9 v. Chr. steht er als erster römischer Feldherr an der Elbe und markiert diesen Punkt mit einem Zeichen seines Sieges. Die römischen Schwerter hatten somit nach ihrem Verständnis das Gebiet zwischen Rhein und Elbe erobert, doch galt es diesen Zustand auch auf diplomatischen Wegen sichern. Das sollte Drusus nicht mehr möglich sein, obwohl er wahrscheinlich durch die Errichtung rechtsrheinischer Militärlager, schon einen Teil dazu beitrug.8 Auf dem Rückweg an den Rhein kam er ums Leben.
Die Vollendung seiner Aufgabe hatte sein älterer Adoptivbruder Tiberius zu erfüllen, der ab 8 v. Chr. der die Statthalterschaft nach ihm übernahm, die Offensiven in Germanien 8/7 v. Chr. abschloss und die militärischen Erfolge seines Vorgängers nun auf diplomatischem Weg zu festigten versuchte. Dabei ist jedoch nicht klar, ob er dies durch die Anlage weiterer Militarlager tat oder es auf passivem Wege geschah.
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1 Caes. b. G. I, 30-31.
2 Vgl. Caes., b. G. 1,5 - 7. Die Boier (germ. Stamm), welche von den Helvetiern (Gallier) auf der rechtsrheinischen Seite aufgenommen wurden, IV: 2-5; die Ubier (germ. Stamm), welche engen Kontakt zu den Galliern haben, da sie direkt am Fluss wohnen oder die Maniper (gallisch. Stamm), die auf beiden Seiten des Rheins siedeln u.w.
3 Caes., b. G. IV, 17 - 20 und VI, 8 - 10.
4 Vgl. Bleckmann, Bruno: Die Germanen. Von Ariovist bis zu den Wikingern, S. 101 f. und Ausbüttel, Frank M.:
Germanische Herrscher. Von Arminius bis zu den Wikingern, S. 24 f.
5 Wolters, Reinhard: Die Römer in Germanien. München 20044, S. 24.
6 Bleckmann (2009), S. 101.
7 Ebd, S. 104. Bleckmann führt hier die Vermutung an, dass es sich um eine Expedition gehandelt haben könnte, die eine Umschließung der Sugambrer und ihrer Verbündeter, unter ihnen auch die Cherusker, aßerdem zeigt sich hier auch erneut der Teil der römischen Politik, sich der Feindlichkeiten der Stämme zu bedienen erkundschaften sollte, in einem um weitere Eroberungsmöglichkeiten zu erkunden, weiterhin Friesen Verbündete Roms bis Aufstand
8 Mossbacher schreibt von Marschlagern und Holz-Lehm-Lagern bei Oberadern und Hedemünde, die mit Brunnen, Bachöfen, Abfallgruben und teilweise Häuser mit Gartenanlagen besaßen. In: Moosbacher, Günther: Die Varusschlacht, S 34 f.