Diese Arbeit widmet sich der Entwicklung zur Anerkennung informeller und non-formaler Kompetenzen und damit der wachsenden Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung. Dies soll anhand des beschriebenen bildungspolitischen Konzeptes des lebenslangen Lernens geschehen. Es wird schwerpunktmäßig auf die dahingehende Entwicklung im deutschen Hochschulbildungswesen sowie das finnische als „Best Practice Beispiel für Lifelong Learning“ eingegangen werden.
„Wichtig ist, was jemand kann, und nicht, wo er es gelernt hat". Diesem Prinzip gilt es laut dem Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen in der deutschen beruflichen und akademischen Bildung stärker zu folgen. Das bildungspolitische Konzept des lebenslangen Lernens soll dabei helfen jenem Prinzip näher zu kommen.
Bei der Implementierung von lebenslangem Lernen im europäischen Hochschulraum schneiden vor allem skandinavische Länder besonders gut ab. Der Möglichkeit Kompetenzen jenseits des formalen Bildungswesens anzuerkennen kommt jedoch aktuell auch in Deutschland wieder verstärkte Aufmerksamkeit zu. So hält die Anerkennung informell und non-formal erworbener Kompetenzen inzwischen auch Einzug in die Hochschulgesetze der einzelnen Länder. In diesem Zusammenhang ist auch die Umsetzung des Konzeptes des lebenslangen Lernens und die damit verbundene Intention für eine stärkere Durchlässigkeit hinsichtlich beruflicher und akademischer Bildung zu sorgen zu einer bundesweit bedeutsamen Aufgabe gewachsen.
Die im internationalen Vergleich als typisch deutsch wahrgenommene Trennung der beruflichen und akademischen Bildung steht aktuell folglich auch von deutscher Seite unter Kritik. Begriffe wie „Studieren ohne Abitur, Berufsabitur, duales Studium, Akademisierung der Berufsbildung, Ausbildung für Studienabbrecher, Berufsbachelor“ zeugen in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion von dem Ziel, die Grenzen zwischen beruflicher und akademischer Bildung aufzuweichen. Die zuvor einseitige Trennung der nachschulischen Bildung in Deutschland ist im Begriff sich zu einer komplexen Vielfalt an möglichen Bildungszugängen zu entwickeln. Der Hochschulzugang soll in Zukunft neben der klassischen Hochschulzugangsberechtigung vermehrt durch die berufliche Bildung geschehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Informelles und non-formales Lernen: Eine Einführung
3. Lebenslanges Lernen: Eine Einführung
4. Zur bildungspolitischen Entwicklung des Konzeptes des lebenslangen Lernens
4.1 Europa
4.2 Deutschland
5. Eine finnische Perspektive – Was Deutschland von anderen Ländern lernen kann
6. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„[W]ichtig ist, was jemand kann, und nicht, wo er es gelernt hat“ (AK DQR 2009, S. 5). Diesem Prinzip gilt es laut dem Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen in der deutschen beruflichen und akademischen Bildung stärker zu folgen. Das bildungspolitische Konzept des lebenslangen Lernens soll dabei helfen jenem Prinzip näher zu kommen (vgl. ebd., S. 4f.).
Das lebenslange Lernen stellt ein Konzept dar, welches im Zuge des Bologna-Prozesses für eine größere Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung sorgen möchte. Im Kommuniqué der Konferenz der europäischen Hochschulministerinnen und Hochschulminister in Berlin vom 19. September 2003 wurde das Konzept des lebenslangen Lernens erstmalig als Teil des Bologna-Prozesses aufgenommen (vgl. Europäische Bildungsminister 2003, S. 6). Die Idee des lebenslangen Lernens ist seither zu einem zentralen Begriff in der europäischen Hochschulpolitik gewachsen (vgl. Wolter und Banscherus 2016, S. 59).
Dabei geht es dem Konzept seit nunmehr 15 Jahren darum, bisher unterrepräsentierten Gruppen ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung einen solchen im europäischen Hochschulraum zu ermöglichen (vgl. Dollhausen 2015, S. 333). Das lebenslange Lernen beinhaltet dahingehend insbesondere die Anerkennung von informell und non-formal erworbener Kompetenzen (vgl. AK DQR 2009, S. 4f.).
Sowohl auf nationaler Ebene als auch auf europäischer Ebene ist die Anerkennung von informellen und non-formalen Kompetenzen somit zu einem bedeutenden politischen und gesellschaftlichen Thema geworden, mit der Intention ein durchlässigeres Berufsbildungssystem zu schaffen (vgl. Schreiber 2009, S. 2). Neue Impulse zur Förderung der Mobilität und Durchlässigkeit in der Berufsbildung sind dabei wesentlich auf europäische Instanzen zurückzuführen (vgl. Frommberger 2013, S. 1f.).
Es entwickelte sich also im europäischen Kontext eine zunehmende Aufmerksamkeit hinsichtlich der Anerkennung informeller und non-formaler Kompetenzen, entscheidende Instanz ist dabei seit jeher die Europäische Kommission. Berufsbildungsgesetze sehen im europäischen Ausland verstärkt die Anerkennung von informell und non-formal erworbener Kompetenzen aus dem beruflichen Kontext vor. In Deutschland fand dies jedoch zunächst in nur geringem Maße statt (vgl. Geldermann, Seidel und Severing 2009, S. 38f.).
Zahlreiche europäische Länder haben die Idee des lebenslangen Lernens bereits früh als Konzept für ihre Hochschulen angenommen und ihr Angebot dahingehend erweitert (vgl. Wolter und Banscherus 2016, S. 68). Deutschland scheint sich dabei im europäischen Vergleich jedoch besonders schwer zu tun (vgl. Wilkesmann 2012, S. 52).
Ein oft genannter Kritikpunkt ist, dass sich das deutsche Hochschulwesen zu stark an der Zielgruppe der „Normalstudierenden“ (Wilkesmann, Virgillito, Bröcker und Knopp 2012, S. 59) orientiere, welche jung, nicht berufstätig sind und sich im Erststudium befinden. Somit verwundert es auch nicht, dass Deutschland hinsichtlich des Studierendenanteils eines Jahrgangs unterhalb des OECD-Durchschnitts liegt (vgl. ebd.).
Das traditionelle Bild des Studierenden, auf welches das deutsche Hochschulwesen adressiert sei, trifft jedoch bereits heute nur noch auf einen Teil der Studierendenschaft zu. Der berufliche Werdegang in zeitlich klar gegliederte sequentielle Phasen ist bereits überholt und wird mannigfaltiger (vgl. Kerres, Hanft und Wilkesmann 2010, S. 184). Häufiger Kritikpunkt am deutschen Hochschulwesen ist zudem, dass die dort stattfindende Weiterbildung vorrangig auf akademische Zielgruppen abziele (vgl. Hanft und Maschwitz 2012, S. 114). Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und akademischer Hochschulbildung sei in Deutschland folglich nur formell gegeben und weise noch erheblichen Entwicklungsbedarf auf (vgl. Hanft und Brinkmann 2012, S. 135).
Während berufliche und hochschulische Bildung in Deutschland noch weitestgehend als voneinander getrennte Bereiche aufgefasst werden (vgl. Hanft und Zilling 2011, S. 88), sind die Grenzen in vielen anderen europäischen Ländern fließender. Teilweise ist die Idee des lebenslangen Lernens dort bereits gelebte Hochschulkultur (vgl. Hanft und Brinkmann 2012, S. 136).
Bei der Implementierung von lebenslangem Lernen im europäischen Hochschulraum schneiden vor allem skandinavische Länder besonders gut ab (vgl. ebd., S. 135). Finnland hat sich beispielsweise umfangreich auf die Anforderungen des lebenslangen Lernens im Sinne des Bologna-Prozesses ausgerichtet (vgl. Hanft und Maschwitz 2012, S. 114). Es gilt als Vorzeigeland bei der Umsetzung des Konzeptes lebenslangen Lernens im Hochschulwesen und wird neben England und Kanada als „Best Practice Beispiel für Lifelong Learning“ (Fischer 2012, S. 124) angeführt (vgl. ebd.). Zum Ende dieser Arbeit soll daher eine finnische Perspektive gegeben werden.
Der Möglichkeit Kompetenzen jenseits des formalen Bildungswesens anzuerkennen kommt jedoch aktuell auch in Deutschland wieder verstärkte Aufmerksamkeit zu. So hält die Anerkennung informell und non-formal erworbener Kompetenzen inzwischen auch Einzug in die Hochschulgesetze der einzelnen Länder (vgl. Müskens und Lübben 2018, S. 110f.). In diesem Zusammenhang ist auch die Umsetzung des Konzeptes des lebenslangen Lernens und die damit verbundene Intention für eine stärkere Durchlässigkeit hinsichtlich beruflicher und akademischer Bildung zu sorgen zu einer bundesweit bedeutsamen Aufgabe gewachsen (vgl. ebd.).
Die im internationalen Vergleich als typisch deutsch wahrgenommene Trennung der beruflichen und akademischen Bildung steht aktuell folglich auch von deutscher Seite unter Kritik (vgl. Frommberger 2019, S. 8). Begriffe wie „Studieren ohne Abitur, Berufsabitur, duales Studium, Akademisierung der Berufsbildung, Ausbildung für Studienabbrecher, Berufsbachelor“ (ebd.) zeugen in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion von dem Ziel, die Grenzen zwischen beruflicher und akademischer Bildung aufzuweichen. Die zuvor einseitige Trennung der nachschulischen Bildung in Deutschland ist im Begriff sich zu einer komplexen Vielfalt an möglichen Bildungszugängen zu entwickeln (vgl. ebd.).
Die Trennlinie zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung weicht folglich nun auch in Deutschland zunehmend auf (vgl. ebd., S. 20). Für den erfolgreichen Übergang zwischen beruflicher Bildung in die Hochschulbildung spielt insbesondere die Anerkennung erworbener Kompetenzen aus eben diesem vorangegangen beruflichen Kontext eine entscheidende Rolle. Der Hochschulzugang soll in Zukunft neben der klassischen Hochschulzugangsberechtigung auch in Deutschland vermehrt durch die berufliche Bildung geschehen (vgl. ebd., S. 21; 59).
Im Folgenden wird sich mit eben dieser Entwicklung zur Anerkennung informeller und non-formaler Kompetenzen und damit der wachsenden Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung gewidmet. Dies soll anhand des beschriebenen bildungspolitischen Konzeptes des lebenslangen Lernens geschehen. Es wird schwerpunktmäßig auf die dahingehende Entwicklung im deutschen Hochschulbildungswesen sowie das finnische als Best-Practice-Beispiel eingegangen werden.
Dazu wird im nächsten Kapitel zunächst eine Begriffsbestimmung des informellen und non-formalen Lernens stattfinden, in welcher auch die aktuellen Herausforderungen der beruflichen Bildung, aus welcher sich die Notwendigkeit der erweiterten Kompetenzanerkennung ergeben, zur Sprache kommen sollen. Daran wird sich eine Einführung in das Konzept des lebenslangen Lernens anschließen. Im Anschluss daran folgt das Hauptkapitel, welches sich der bildungspolitischen Entwicklung des Konzeptes des lebenslangen Lernens im Hochschulwesen widmen wird. Nachdem im ersten Unterkapitel jene Entwicklung auf gesamteuropäischer Ebene behandelt wurde, widmet sich das zweite Unterkapitel selbiger Entwicklung auf deutscher Ebene. Im sich anschließenden Kapitel soll eine finnische Perspektive gegeben werden. Darin soll aufgezeigt werden, was aus deutscher Sicht vom finnischen Partner gelernt werden kann. Abschließend soll eine letzte kritische Auseinandersetzung mit der Umsetzung des lebenslangen Lernens und der darin enthaltenen Anerkennung informeller und non-formaler Kompetenzen zur Schaffung durchlässigerer Strukturen zwischen beruflicher und akademischer Bildung geschehen.
2. Informelles und non-formales Lernen: Eine Einführung
Insbesondere im europäischen Kontext wurde in den vergangenen Jahren mehrfach angemahnt sich nicht ausschließlich auf das formale Lernen im Bildungswesen zu beschränken. Die Anerkennung des informellen und non-formalen Lernens gewinnt in diesem Kontext nicht zuletzt durch das hier untersuchte Konzept des lebenslangen Lernens vermehrt an Bedeutung (vgl. Geldermann et al. 2009, S. 26f.). Um im weiteren Verlauf Begriffssicherheit zu gewährleisten, soll daher an dieser Stelle eine Abgrenzung dieser drei Lernformen voneinander geschehen.
Als formales Lernen gilt jenes Lernen, welches planmäßig und strukturiert in Bildungseinrichtungen geschieht und dessen erworbene Kompetenzen in einem anerkannten Abschluss zertifiziert werden. Formales Lernen findet folglich zielgerichtet, planmäßig sowie bewusst statt und mündet in einer Zertifikation (vgl. Stegemann 2008, S. 7).
Informelles Lernen findet hingegen nicht planmäßig an Bildungseinrichtungen statt, sondern vollzieht sich ungeregelt im unmittelbaren Lebensalltag. Lernziele und -inhalte sind dabei nicht organisiert oder strukturiert. Der Lernprozess erfolgt hierbei aus Sicht des Lernenden meist nicht intentional. Das informelle Lernen findet häufig zufällig, unbewusst und beiläufig statt und wird oft auch als Alltags- oder Erfahrungslernen bezeichnet. In der Regel führen die daraus erworbenen Kompetenzen nicht zu einer Zertifizierung selbiger (vgl. ebd., S. 9f.).
Unter non-formalem Lernen versteht man nun solches, welches zwar außerhalb der formalen Bildungs- und Berufsbildungssysteme stattfindet, jedoch in planvolle Tätigkeiten eingebettet ist. Es findet zielgerichtet und systematisch hinsichtlich der Lernziele, -mittel und -zeiten statt. So kann es beispielsweise am Arbeitsplatz, in der Prüfungsvorbereitung oder in Kunst-, Musik- und Sportvereinen geschehen. Non-formales Lernen endet in der Regel ebenfalls nicht mit einer Zertifizierung (vgl. ebd., S. 8).
Gerade die deutsche berufliche und schulische Bildung weist nun aber einen erheblichen Formalisierungsgrad auf. Der Lernerfolg ist hier an klar strukturierte Lernziele und deren Zertifizierung durch autorisierte Prüfstellen gekoppelt. Um informelles und non-formales Lernen berücksichtigen zu können, muss die Einschätzung der Lernergebnisse folglich flexibler werden (vgl. Schröder 2012, S. 78f.).
Eine Notwendigkeit der Anerkennung jener informell sowie non-formal erworbener Kompetenzen ist in Deutschland aus verschiedenen Gründen gegeben. Der sich aktuell vollziehende Wandel der Industriegesellschaft hin zu einer Informations- und Wissensgesellschaft, fordert einen hohen Qualifikationsstand der Beschäftigten als wesentlichen Erfolgsfaktor für die Wirtschaft. Um diesem zu begegnen, setzt man darauf, einen Hochschulzugang auf unterschiedliche Weise zu ermöglichen (vgl. Seidel, Bretschneider, Kimmig, Neß und Noeres 2008, S. 63).
Durch eine solche erweiterte Kompetenzanerkennung soll zusätzlich die Effizienz des formalen Bildungswesens hinsichtlich der Ausschöpfung des individuellen Lernpotenzials gesteigert werden. Auch die sozialen Faktoren spielen dabei eine wesentliche Rolle. Durch die Anerkennung informeller und non-formaler Kompetenzen wird auch benachteiligten und ausgegrenzten Gruppen ein Bildungszugang ermöglicht. Sie kann zudem bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt helfen (vgl. CEDEFOP 2008, S. 7f.).
Die Anerkennung von Kompetenzen, welche durch informelles und non-formales Lernen erworben wurden, beinhaltet im Kontext des lebenslangen Lernens nicht zuletzt, berufsqualifizierten Personengruppen den Hochschulzugang zu ermöglichen, indem berufliche Kompetenzen auf ein Hochschulstudium angerechnet werden können (vgl. Frommberger 2019, S. 21).
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