Dargestellt ist ein Arbeitsprojekt in 1:1 Situation mit Assistent und einer geistig und kommunikativ eingeschränkten Person. Die Abschlussarbeit zeigt im Rahmen eines Projektes erstes Einführen von Hilfsmitteln der Unterstützten Kommunikation unter Einbezug der Angehörigen. Kommunikation ist immer ein verbindendes Element und findet auf verschiedenen Ebenen statt: Neben Gehör, Mimik und Gestik, bedient sich der Mensch im Allgemeinen seiner Lautsprache. Ist der auditive Sinn oder die Lautsprache unzureichend, ermöglicht das Konzept einer unterstützten Kommunikation (UK) eine allgemeinverständliche und wirksame Mitteilungsform.
UK bezeichnet alle Kommunikationsformen für Menschen mit schwer verständlicher, begrenzter oder fehlender Lautsprache und stellt eine erweiterungsfähige Alternative dar. Frau S., sowie ihre Angehörigen, arbeiteten bisher nicht mit Big Points (auch: sprechende Tasten), daher ist zunächst ein Anbahnen dieser (UK)-Möglichkeit wünschenswert. Die Big Points sollen der Klientin bei der Kommunikation helfen, in komplexen Belangen, die sie nicht eindeutig mit Gestiken, Gebärden und durch Zeigen kommunizieren kann, die jedoch einen Großteil ihres Lebens ausmachen. Dafür wird Frau S. ein Medium erhalten, dass ihr erlaubt sich eindeutiger und vielschichtiger mitzuteilen.
Da die Familie der Klientin den Mitteilungseifer ihrer Tochter unterstützt, indem im Übergabebuch ausführlich von der privaten (ersten) Lebenswelt und damit verbunden Ereignissen von Frau S. berichtet wird, ist von einer hohen Akzeptanz/Kompatibilität auszugehen. Die Motivation und Freude der Klientin, sich selbst und Erlebtes mitzuteilen, wird in diesem Projekt aufgegriffen und gezielt genutzt, um erste Hilfsmittel einer elektronischen, unterstützten Kommunikation einzuführen. Die Gewissheit darüber sich mitteilen zu können und ebenfalls verstanden zu werden, wird langfristig dafür Sorge tragen, dass die Klientin positive Aufmerksamkeit erhält, ihre Anspannung reduziert und ihren Alltag gelassener bewältigen kann.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Abriss des Themenbereichs
2. Situationsanalyse
2.1 Projektanlass
2.2 Beschreibung des Projektteilnehmers
2.3 Lebenssituation des Teilnehmers
2.3.1 Konzeptionelle Aspekte und Rahmenbedingungen
2.3.2 Sozialräumliches Umfeld
2.3.3 Möglichkeiten der Teilhabe
2.4 Erstes mögliches Fazit
3. Herleitung und Begründung des Themas
3.1 Bedarfe und Chancen für den Teilnehmer
3.2 Theoretische Fundierung und Einbettung
3.3 begründete Entscheidung für das Thema
4. Kompetenzen auf Grobzielebene
4.1 Kompetenz auf Grobzielebene:
5. Projektplanung
5.1 Überblick über den möglichen Projektverlauf
5.1.1 Projektablauf Frau S.
5.1.2 Seitenstrang für Familie/Mutter
5.2 Methodik
5.2.1 Allgemeine Grundlagen
5.2.2 Methodenpool /methodische Hilfen
5.3 Planung
5.3.1 Erste Einheit
6. Darstellung tatsächlicher Projektverlauf
7. Gesamtreflexion
7.1 Projektergebnisse bezogen auf die Ziele des Projektes
7.2 Relevanz des Inhalts
7.3 Methodenaspekte
7.4 Sozial emotionale Aspekte
7.4.1 In Bezug auf die Zielsetzung
7.4.2 Weiterführend [aber auch erwähnenswert]
7.5 Verlaufsaspekte
7.6 Organisationsaspekte
7.7 Nachhaltigkeit/Transfer
7.8 Berufliches Selbstverständnis
8. Quellen
Literaturquellen
Zeitschriften/Artikel
Internetquellen
9. Anhang
1. Einleitung
1.1 Abriss des Themenbereichs
„ c o m m u n i c a r e “
Das Wort Kommunikation stammt aus dem Lateinischen. Die Bedeutungen des Wortes c ommunicare sind vielseitig, aber gleichermaßen bezeichnend: Es bedeutet unter anderem teilen, mitteilen, besprechen und ebenso teilnehmen lassen, gemeinsam machen, zusammenlegen, vereinigen.1
Kommunikation ist immer ein verbindendes Element und findet auf verschiedenen Ebenen statt: Neben Gehör, Mimik und Gestik, bedient sich der Mensch im allgemeinen seiner Lautsprache. Ist der auditive Sinn oder die Lautsprache unzureichend, ermöglicht das Konzept einer unterstützten Kommunikation (UK) eine allgemeinverständliche und wirksame Mitteilungsform. UK bezeichnet alle Kommunikationsformen für Menschen mit schwer verständlicher, begrenzter oder fehlender Lautsprache und stellt eine erweiterungsfähige Alternative dar.2 3
Frau S., sowie ihre Angehörigen, arbeiteten bisher nicht mit Big Points (auch: sprechende Tasten ), daher ist zunächst ein Anbahnen dieser (UK)-Möglichkeit wünschenswert. Die Big Points sollen der Klientin bei der Kommunikation helfen, in komplexen Belangen, die sie nicht eindeutig mit Gestiken, Gebärden und durch Zeigen kommunizieren kann, die jedoch einen Großteil ihres Lebens ausmachen. Dafür wird Frau S. ein Medium erhalten, dass ihr erlaubt sich eindeutiger und vielschichtiger mitzuteilen.
Da die Familie der Klientin den Mitteilungseifer ihrer Tochter unterstützt, indem im Übergabebuch ausführlich von der privaten (ersten) Lebenswelt und damit verbunden Ereignissen von Frau S.'s berichtet wird, ist von einer hohen Akzeptanz/Kompatibilität auszugehen.
Die Motivation und Freude der Klientin, sich selbst und Erlebtes mitzuteilen, wird in diesem Projekt aufgegriffen und gezielt genutzt, um erste Hilfsmittel einer elektronischen, unterstützten Kommunikation einzuführen. Die Gewissheit darüber sich mitteilen zu können und ebenfalls verstanden zu werden, wird langfristig dafür Sorge tragen, dass die Klientin positive Aufmerksamkeit erhält, ihre Anspannung reduziert und ihren Alltag gelassener bewältigen kann.
2. Situationsanalyse
2.1 Projektanlass
Die Klientin Frau S. kommuniziert gerne und auf vielen verschiedenen Ebenen mit ihrem Gegenüber. Sie genießt Aufmerksamkeit in einem Dialog, aber auch in Gruppengesprächen. Frau S. tritt in Interaktion durch Lautieren, Gestikulieren und intensiven Blickkontakt. Augenscheinlich kann Frau S. ein Gespräch erkennen und die Thematik zumindest in der Basis erfassen. Dann reagiert sie feinfühlig auf die Stimmung der Gesprächsteilnehmer und passt ihre Laute an. Ihre Anspannung und das unentwegte, an die Person gerichtet Lautieren, zeigen ihr natürliches Bedürfnis nach Interaktion und Kommunikation. Auf Grund der stark eingeschränkten aktiven Sprache, ist die Klientin nicht immer verständlich. Die Entschlüsselung des ungenauen Lautierens und der unpräzisen Handzeichen sind zeitaufwendig und fehleranfällig. Häufig wird eine dritte Person benötigt, die als Übersetzer fungiert. Auf Außenstehende wirkt die Gesprächsführung Frau S.'s rudimentärer als sie faktisch ist. Die Motivation den Dialog aufrecht zu erhalten, sinkt für den Adressaten, weil sich kein Topik ergeben kann. Inhaltlich gestaltet sich der Informationsfluss vermeintlich leer. Für Frau S. und ihr Gegenüber ist die Gesprächssituation dann frustrierend und nicht zufriedenstellend. Besonders Themenbereiche die Frau S. wichtig sind, können nicht selbstständig transportiert werden und eine Konversation wird ausgebremst. Die erwünschte Resonanz des Gesprächspartners entfällt, dem Geltungsbedürfnis von Frau S. wird wegen ausbleibender Anerkennung unzureichend nachgekommen. Wegen der eingeschränkten Teilhabe und der mangelnden Wertschätzung steigt die Unzufriedenheit der Klientin und sie erfährt Anspannung und Stress. Es kann davon ausgegangen werden, dass Frau S. auf der Suche nach Kontakt und der damit verbundenen Wertschätzung ist. Die Einführung eines UK-Konzeptes wird den Kommunikations- und Handlungshorizont der Klientin erweitern, ihr Selbstwertempfinden steigern und ihre Fähigkeiten entwickeln.
2.2 Beschreibung des Projektteilnehmers
Die Klientin Frau S. ist 42 Jahre alt und externe Beschäftigte der Tagesförderstätte (TS) Jugenheim. Sie lebt zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Tante seit Sommer 2020 in Rheinhessen. Zuvor lebte sie in Bayern und besuchte dort bis zum Covid-19-Lockdown eine TS. Seit Juli 2020 ist sie ein fester Teil der Kerngruppe '3' der TS Jugenheim.
Frau S. ist eine interessierte, mobile und sehr aufgeweckte Frau. In der Alltagsroutine der TS zeigt sie sich meist fröhlich gestimmt. Ihre Gemütslage äußert die Klientin durch lautes Lautieren, Gestikulieren, Klatschen und Trappeln mit den Füßen im Sitzen. Sie kommuniziert mit Hilfe von Mimik und Gestik und zeigt nicht selten grob-gezielt auf Dinge und Personen. Frau S. nutzt verschiedene, teilweise selbsterklärende Gebärden und kann wenige Wörter (für ihr wichtige Dinge?) sprechen wie „Mama“, „Daja“ (Schwester), „Dette“ (Tante), Durst, Ja, Käs' (Käse) … usw. Hauptsächlich variiert sie das Wort „Mama“.
Im Gruppenalltag der TS agiert Frau S. überhastet, zur Ruhe kommt sie selten. Ihre Wünsche und Interessen teilt sie überwiegend durch ihr Handeln mit. Die Klientin reagiert umgehend, fröhlich und wünscht sich unmittelbare Reaktionen. Mehrmals am Tag zeigt sie nachdrücklich mit beiden Händen auf ihren Torso, also auf sich selbst, und lautiert dabei mit hohem Aufforderungscharakter.
Ohne Beschäftigung zu sein, ist sehr anspruchsvoll für Frau S, da sie gerne etwas zu tun oder zu schauen hat. Die Angebote die sie erhält, verfolgt sie nicht gleichermaßen ausdauernd und favorisiert eindeutig bestimmte Steckpuzzle. Aufgabenmaterial, dass sie während dem Musikhören oder mit Ablenkungen bearbeitet, wird in der Regel nicht beendet sondern scheinbar ziellos wiederholt ein- und ausgeräumt. Werden die Angebote variiert, verliert sie schnell die Motivation und schiebt Materialien bei Seite oder trägt sie weg. Dabei macht sie schauend und gestikulierend auf ihr Handeln aufmerksam, und forciert eine Reaktion auf ihr (unabgesprochenes) Verhalten. Im Anschluss setzt sie sich wieder, macht sich bemerkbar und sucht wieder fragend nach weiterer Unterhaltung/ Angeboten.
In Pausensituationen kann Frau S. kaum entspannen, obwohl sie oftmals erschöpft aussieht und ihr kurzzeitig die Augen zufallen. Auch dann versucht sie ihre Umwelt auf sich aufmerksam zu machen und in Kontakt zu treten. Sie ruft und winkt nach den Mitarbeitern (MA). Befindet sie sich auf der Terrasse, sucht sie den Kontakt zu Menschen außerhalb der Tafö. Für die Klientin scheint es am erstrebenswertesten zu sein, eine Kommunikation mit den MAs anzustoßen, denn sie lautiert und klatscht ihnen gegenüber ausdauernd, um in Interaktion zu treten.
So entstehen über den Tag verteilt vielfach ähnliche Situationen: Frau S. versucht bei Ankunft, zwischen den Angeboten, in Pausen, bei unliebsamen aber auch bei liebsamen Aufgaben, beim Abwarten und aus vielen weiteren Gründen eine direkte Reaktion auf sich und ihre Persönlichkeit zu erhalten. Das Verhalten der Klientin legt nahe, dass sie es maximal genießt, Kontakt zu den MA aufzunehmen und so Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihre Person zu erhalten. Dabei scheint sie das nachvollziehbare Ziel zu verfolgen, in Konversationen jeder Art als gleichberechtigter Gesprächsteilnehmer anerkannt zu werden.
Frau S. zeigt ein gutes, passives Sprachverständnis, lacht bspw. wenn gescherzt wird oder reagiert adäquat auf Aufträge. Die Klientin bringt ihre Stimme durchweg laut zum Einsatz und gestikuliert großflächig. Dabei schaut sie die angesprochen Personen intensiv an und zieht die Augenbrauen nach oben. Frau S. setzt gekonnt ihre Stimmmelodie zur Kommunikation ein. So pointiert sie Laute zum Ende hin nach oben, was (zusammen mit der Mimik) auf den Adressaten wie eine Anfrage oder Aufforderung wirken kann. Erhält die Klientin darauf eine Resonanz, freut sie sich und lacht. Sind die Antworten zu lang (~2-4 Sätze) unterbricht Frau S. ihr Gegenüber schnell, aber charmant, durch überschwängliche Mimik, Gestik und/oder Lachen. Das Arbeiten mit UK Symbolen des Makaton-Systems in den letzten Monaten zeigen, dass Frau S. Symbole vereinzelt wahrnehmen und differenzieren kann. Ein Gelingen dieser UK ist dann von der Tagesform abhängig und davon, dass die Klientin den Blick auf die Symbol-Karte richten kann. Laut der Mutter kennt Frau S. den Umgang mit einem Ich-Buch bzw. Tagebuch sowie den Einsatz von Sprachnachrichten. Weiter gibt sie an, dass Frau S. sehr lernfähig sei und Routinen hilfreich für sie sind. In der Praxis zeigt sich, dass die Klientin in der Lage ist innezuhalten, um bspw. einem einfachen Hörspiel oder Musik zu lauschen.
2.3 Lebenssituation des Teilnehmers
2.3.1 Konzeptionelle Aspekte und Rahmenbedingungen
Die Nieder-Ramstädter-Diakonie begleitet Menschen mit Behinderungen in ganzen und/oder Teilabschnitten des alltäglichen Lebens. Allem Voran gilt es Selbstbestimmung zu ermöglichen und Angebote der Integration und weiterführend der Inklusion zu gestalten und anzubieten. Die zentrale Leitidee strebt eine maximale Selbstbestimmung und Befähigung des Menschen an.4 Die Mitarbeiter der NRD unterstützen die Klienten bei der Umsetzung ihrer Wünsche und Ziele. Dies spiegelt sich besonders in dem neuen Planungskonzept „Mein Plan“ (2019/20) der NRD wieder, der den Bedarf auf den konkreten Vorstellungen des Individuums gründet. Besonders im Fokus stehen Angebote und Arbeiten, die Raum zur Verwirklichung und Weiterentwicklung bieten, und von Klienten erwünscht sind. Klienten haben die Möglichkeit sich einzubringen, Verantwortung zu tragen und aktiv Einfluss auf ihren Alltag und ihren Lebensverlauf zu nehmen. Übergeordnet manifestiert sich das Leitbild der uneingeschränkten Teilhabe aller Menschen in der Gesellschaft.5 Die Tagesförderstätte zählt sich zum Bereich „Arbeit und Bildung“ und positioniert sich mehrheitlich mit Aufgaben und Bildungsangeboten im lebenspraktischen und hauswirtschaftlichen Bereich, aber z.B. auch auf basaler Ebene. Auf kommunikativer Ebene arbeitet die Tafö der NRD mit Makaton-Symbolen und dem TEACCH-Konzept. Die Aufgaben die Frau S. im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Tagesförderstätte bearbeitet, sind individuell angepasst. Lt. den Angehörigen hat Frau S. die UK mit Symbolkarten erstmals mit dem Besuch der Tafö Jugenheim kennengelernt. Bisher zeigt sie sich aufgeschlossen und ein positiver Trend bei der Akzeptanz ist deutlich zu erkennen. So konzentriert sich Frau S. zunehmend auf die Tagestafel und die ihr angebotenen Symbolkarten. Weiterhin wurden in den ersten Monaten Ihrer Anwesenheit gezielt Neigungen und Ressourcen von Frau S. beobachtet, erfragt und dokumentiert. Ebenso wird dieser Status fortlaufend aktualisiert und erweitert. Eine enge Zusammenarbeit mit dem familiärem Umfeld komplettiert diesen Ansatz.
2.3.2 Sozialräumliches Umfeld
Die Tagesförderstätte der NRD befindet sich auf dem Gelände des Wohnverbundes Jugenheim der NRD. Dies bedeutet, dass ein Wohnbereich für Menschen mit Behinderung direkt angegliedert ist. Die Einrichtung befindet sich peripher des Ortszentrums von Jugenheim in Rheinhessen. Jugenheim zählt aktuell über 1600 Einwohner und verfügt über ein reges Gesellschafts- und Vereinsleben. Eine Einkaufsmöglichkeit ist für Klienten der Tagesförderstätte fußläufig zu erreichen. Hinter der Einrichtung befinden sich Wiesen, Weinberge und Felder.6 Frau S. ist externe Beschäftigte. Das bedeutet, dass sie nicht im Wohnverbund wohnhaft ist, sondern bei ihrer Familie. An Werktagen besucht sie die Tagesförderstätte. Sie bestreitet den Arbeitsweg mit einem Fahrdienst der am Morgen gegen 9.00 Uhr von zu Hause in die Tafö kommt und sie am Nachmittag gegen 15.15 h abholt. In der TS erhält sie verschiedene tagesstrukturierende Angebote.
Frau S. wohnt seit Februar 2020 wenige Orte von der Tafö entfernt zusammen mit Ihrer Mutter und ihrer Tante. Beide sind zuvor aus Bayern nach Rheinhessen umgezogen. Frau S. bewohnt zu Hause ihr eigenes Zimmer, indem sie in der Hauptsache die Nachtruhe verbringt. Tagsüber, zu Hause, hält sie sich im Wohnzimmer oder auf der Terrasse auf, geht gemeinsam mit Mutter und Tante spazieren und vertreibt ihre Zeit mit Steckpuzzeln oder Interaktionen mit der Familie. Im häuslichen Umfeld erhalten Frau S. und ihre Mutter regelmäßig Besuch von Freunden oder der Schwester Frau S.s, die regelmäßig mit ihrer Familie vorbei kommt. Die Schwester von Frau S. wohnt nur unweit entfernt. Frau S. reagiert darauf fröhlich und aufgeregt und transportiert diese aufgeriebene Stimmung dann auch in den Alltag der Tagesstätte.
2.3.3 Möglichkeiten der Teilhabe
Frau S. arbeitet in der Kerngruppe 3 der Tagesförderstätte. Die Gruppe ist zur Zeit auf drei Klienten reduziert, da die Hygienevorschriften zur Vermeidung einer Ausbreitung der Corona-Pandemie keine höhere Raumbelegung zulassen. In unterschiedlichem Stellenumfang arbeiten drei Mitarbeiter und eine Auszubildende in einem 1:3 Betreuungsschlüssel. Neben verbindlichen Gruppenangeboten wie der Morgenkreis, das Einnehmen der Mahlzeiten oder pädagogischen, hauswirtschaftlichen und/oder kreativen Angeboten, fordert die Klientin konkrete Aufgaben ein, wie das lösen ihrer Steckpuzzle. Offensichtlich macht ihr gerade dieses Angebot besonders viel Spaß, wird souverän von ihr zusammengesetzt und bietet ein sicheres Erfolgserlebnis. Wenn alle Teile an ihrem richtigen Platz sind, schaut Frau S. sich um, zeigt darauf und wartet auf Resonanz durch einen MA. Während dieser Arbeiten hört Frau S. gerne Musik, was sie durch deutliches Zeigen Richtung Radio mitteilt, oder schaut aus dem Fenster. Dann beobachtet sie angestrengt das rege Treiben auf dem Parkplatz der gegenüber gelegenen Zentralküche und kommentiert es mit lautem Lautieren und ruckelt auf ihrem Stuhl hin und her.
Besuchen MA anderer Gruppen ihre Kerngruppe, reagiert Frau S. bereits, wenn sie die automatische Tür am Ende des Flures hört, hellhörig und lässt von jedweder Arbeit ab. Sie beobachtet dann die Gruppentür und wartet bis der Eintretende sich zeigt. Dann juckst und lacht sie, winkt und versucht angestrengt an Gesprächen jeder Art teilzunehmen. Besonders aufmerksam ist sie dann, wenn sie angesprochen und angehört wird.
Wenn das Wetter es zulässt, verbringt Frau S. den Alltag in der Tagesstätte mit Vorliebe auf der Terrasse am Gartentisch. Hier beobachtet sie gespannt ihre Umwelt, winkt und lautiert vorbeigehenden Personen und versucht Aufmerksamkeit zu erlangen. Hat sie dabei Erfolg, lacht sie, variiert die Stimmmelodie wie bei einem Gespräch, springt von ihrem Stuhl auf und winkt ausladend.
Frau S. bewegt sich frei in den Räumlichkeiten der Kerngruppe. Sie verlässt den Gruppenraum nur unaufgefordert, wenn sie den Waschraum aufsucht. Mit Impulsen vertrauter MA und fröhlich-lockerer verbaler Begleitung, ist Frau S. immer öfter dazu zu bewegen, kurze Spaziergänge auf dem Gelände zu unternehmen. Lehnt sie das Angebot nicht ab, agiert sie bisher noch unsicher und schaut immer wieder zum begleitenden MA oder in Richtung der Eingangstür. Tatsächlich kann sie sich aber auf den Rundwegen schnell orientieren und schlägt selbstständig den richtigen Rückweg schon nach 1-2 Begehungen ein. Praktika in anderen Gruppen fanden bisher nicht statt, da das Betreuungskonzept zu Pandemiezeiten vorsieht in Clustern zu arbeiten. Diese Option wird in Zukunft wieder zur Verfügung stehen.
2.4 Erstes mögliches Fazit
Frau S. scheint bestrebt, Aufmerksamkeit besonders im Rahmen von Dialogen zu erhalten. Hier scheint im Mittelpunkt die damit verbundene Zuwendung und die Geltung ihrer Person zu stehen. Sie geniest es, als gleichberechtigter Gesprächsteilnehmer an Konversationen teilzunehmen. Dabei hat für Frau S. das ' sich mitteilen' einen höheren Stellenwert, als das Anhören der anderen Parteien, wozu ihr oftmals die Konzentration fehlt. Auch wirkt es, als sei für die Klientin im Falle einer Reaktion zweitrangig, ob Resonanzen positiv oder negativ ausfallen. Ist Frau S. an in einen Dialog integriert, agiert sie häufig überhastet und angespannt.
In der Vergangenheit kam es mehrfach vor, dass die Klientin nur schwer oder nicht eindeutig verstanden wurde. Diese Problematik führt zu einer Frustration aller Gesprächsteilnehmer und scheint besonders bei Frau S. Grundanspannung und Stressgefühle zu verursachen. Da ihrem verständlichen Wunsch nach Mitteilung nicht ausreichend nachgekommen werden kann, ergibt sich eine Dysbalance von Ausgeglichenheit und Anspannung. Diese omnipräsente Belastung führt dazu, dass der Klientin das notwendige Vertrauen in sich und ihre Kommunikationsfähigkeiten fehlen. Hier wird ein grundlegender Bedarf im Bereich der UK deutlich. Ist Frau S. unsicher, gerät sie durcheinander und sucht nach Orientierung und Blickkontakt durch MA. Begleitung durch eine ihr vertraute Person scheinen einen Erfolg begünstigen zu können.
3. Herleitung und Begründung des Themas
3.1 Bedarfe und Chancen für den Teilnehmer
Die Projektidee fußt darauf, die Motivation der Klientin sich mitzuteilen so zu nutzen, das mit Spaß und Freude eine Bedienung elektronischer UK-Geräte eingeführt und in ihren Alltag integriert werden kann. Sie erhält auf diese Weise erweiterte Möglichkeiten der Kommunikation und die Basis, Anerkennung für sich und ihr Leben zu erhalten. Die Gewissheit darüber, von der Umwelt verstanden zu werden und selbst diffizile Sachverhalte mitteilen zu können, wird langfristig dazu führen, dass Frau S. seltener Frust- und Stressgefühlen ausgesetzt ist und sich so ihre Grundanspannung reduzieren wird.
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1 de.pons.com/übersetzung/latein-deutsch/communicare. 19.01.2021, 10:26 h.
2 S. von Tetzchner, H. Martinsen: Einführung in die Unterstützte Kommunikation. Universitätsverlag Winter 2000, Heidelberg, 2008.
3 Jens Boenisch, Stefanie K.: „Kompendium Unterstützte Kommunikation“,Kapitel „Zielgruppe von UK“, Stuttgard, 1. Aufl. 2020, ohne Seitennummerierung.
4 Hrsg. Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie: „NRD bewegt!“. Redaktion: Broeckers, M. et al. Ausg. 4/2019.
5 Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie: „Einfach inklusiv: Das Leitbild der NRD“. Mühltal, 2018.
6 Http://jugenheim-rheinhessen.de/home/Leben-in-Jugenheim; …/Freizeit-und-Kultur; …/Wirtschaft-und-Gewerbe. 14.05.2020; 08:30 h.