Soziale Kompetenz, Einhaltung sozialer Regeln, Empathie und ein Sinn für Harmonie sind wichtige Fähigkeiten, die ein Mensch beherrschen muss. Aus diesem Grund sollte bereits zum Schuleintritt im Anfangsunterricht ein Fokus darauf gelegt werden. Die geplante Unterrichtseinheit im Ethikunterricht der ersten Klasse soll genau dies fördern. Die SchülerInnen sollen über das soziale Verhalten in der Klasse reflektieren und eigene Klassenregeln aufstellen. Außerdem soll zum Philosophieren über Regeln angeregt werden. Dabei kommt auch Daniela Kunkels "Das kleine WIR" zum Einsatz.
Inhaltsverzeichnis
1 Unterrichtseinheit
2 Didaktisch-methodische Analyse
2.1 Bedeutung des Lerngegenstandes für den Schüler
2.2 Schritte zur Erschließung des Lerngegenstandes und argumentative Begründung der Methodenauswahl/Wahl der Sozialformen
2.3 Mögliche Schwierigkeiten bei der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und Aufzeigen möglicher Varianten/Alternativen
3 Stundenverlaufsplanung
4 Reflexion
4.1 Analyse des Stundenverlaufs im Vergleich zur Unterrichtsvorbereitung
4.2 Lernzielerreichung im Vergleich zur Lernzielformulierung
4.3 Bewertung und Einordnung gemäß den Merkmalen für guten Unterricht (Meyer, 2020, 227f.)
4.4 Beurteilung der Lehrer-Schüler- und Schüler-Schüler-Interaktion
4.5 Rückschlüsse für das Handeln als Lehrkraft
Literatur- und Quellenverzeichnis
Anhang
1 Unterrichtseinheit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2 Didaktisch-methodische Analyse
2.1 Bedeutung des Lerngegenstandes für den Schüler
Die Bedeutung des Lerngegenstandes für das Leben der Kinder lässt sich anhand der ersten drei didaktischen Grundfragen von Klafki (2007) analysieren (ebd., S.273ff.). Die erste dieser Fragen widmet sich der Gegenwartsbedeutung. Die Gegenwartsbedeutung der Thematik „Regeln für ein soziales Miteinander“ ist im Fall der betreffenden Klasse sehr deutlich. Die SchülerInnen haben zwar das Thema Regeln und soziales Verhalten noch nicht direkt angesprochen, jedoch ist es täglich indirekt von Belang. Die Kinder haben noch große Probleme sich als Gemeinschaft zu sehen, da sie sich erst seit wenigen Wochen kennen. Das zeigt sich besonders in den Pausen durch unsoziales Verhalten, Streitigkeiten und beleidigenden Aussagen. Dahingehend ist das Besprechen von sozialem Verhalten und Klassenregeln zu diesem Zeitpunkt essentiell. Das Vorhandensein von Umgangsregeln sollte grundsätzlich jedoch schon bekannt sein. Befragungen der Klasse im Voraus zeigen, dass es bereits in der Kita ein paar Regeln gab – ebenso wie in manchen Familien zuhause. Dennoch ist die Bedeutung dieser noch nicht bewusst und muss in den Fokus der Kinder gerückt werden. Beobachtungen zeigen, dass der Großteil der Kinder noch nicht merkt, wie wichtig das Befolgen von Normen und Regeln ist. Grundlegende Fähigkeiten zur Unterscheidung von sozial gutem und sozial schlechtem Verhalten ist bei den meisten bereits durchschnittlich ausgeprägt, wie Beobachtungen des Pausenverhaltens zeigen.
Die Zukunftsbedeutung der Thematik „Sozialverhalten und beachten sozialer Regeln“ ist sehr großflächig und in nahezu jeder Situation des alltäglichen Lebens eines Kindes, Jugendlichen und Erwachsenen zu finden. Das Leben eines Menschen ist geprägt von sozialen Kontakten – ob beruflich oder privat. In der Situation, in welcher Personen zusammen agieren müssen also soziale Regeln intuitiv befolgt werden, um ein konfliktfreies Miteinander zu ermöglichen. Besonders im bevorstehenden Zeitalter der sozialen und digitalen Medien wächst die Bedeutung erheblich. Der Umgang im virtuellen Raum verleitet viele Individuen dazu, sich unsozial zu verhalten. Doch auch in der Anonymität sollten die Menschen sozial miteinander umgehen. Aus diesem Grund ist es wichtig, bereits im frühen Kindesalter soziales Verhalten zu üben und Regeln zu erlernen.
Diese Zukunftsbedeutung ist den Kindern aber nur bruchteilhaft bewusst, weshalb das Aufgreifen der Thematik in der ersten Klasse nur exemplarisch stattfindet. Daran schließt die exemplarische Bedeutung nach Klafki (2007) an (ebd., S.275ff.). Das diskutieren von sozial gutem und schlechtem Verhalten und der Klassenregeln ist exemplarisch für das gesamte System des menschlichen Zusammenlebens auf der Erde, welches die Kinder prozesshaft erfassen müssen. Essentiell ist dabei der allgemeine Zusammenhang zwischen (eigener) Handlung und Folge, welchen die SchülerInnen sich bewusst machen müssen. Das Aufgreifen eines Wahlverfahrens steht exemplarisch für das Wahlverhalten als mündiger Bürger und die Demokratie.
2.2 Schritte zur Erschließung des Lerngegenstandes und argumentative Begründung der Methodenauswahl/Wahl der Sozialformen
Der Analyse widmet sich Klafki (2007) in der vierten und fünften didaktischen Grundfrage (ebd., S.278ff.). Zuerst ist die Struktur der Aufbereitung des Lerngegenstandes von Interesse. Die vorangegangene Ethikstunde diente dem Einstieg in die Thematik „Soziales Miteinander“ und stellte das Buch „Das kleine Wir in der Schule“ von Daniela Kunkel (2020) in den Vordergrund (ebd.). Das Buch wurde abschnittsweise vorgelesen, besprochen, betrachtet und die Bedeutung geklärt. Dies war auch überhaupt die erste Ethikstunde der Klasse. Daran schließt sich einen Tag später die hier zu analysierende Stunde an. Darauf folgt im Anschluss noch eine Übungsstunde zu den gewählten Klassenregeln, bei welcher die Regeln gemeinsam im Klassenraum sichtbar gestaltet und individuell für den Hefter aufgeklebt werden. Die anschließende Stoffeinheit widmet sich der Individualität. Die Struktur der hier zu beschreibenden Stunde orientiert sich am Schema „Einstieg, Erarbeitung, Ergebnissicherung“ nach Meyer (ebd., 2020, S.70ff.). Dies Wird kombiniert mit dem Modell nach Meyer (2007), wodurch die Erarbeitungsphase sich in zwei Teile gliedert – Erarbeitung und Festigung. Die Ergebnissicherung dient der Anwendung und dem Transfer (ebd., S.199ff.).
Die fünfte didaktische Grundfrage nach Klafki (2007) fokussiert die Zugänglichkeit der Aufbereitung des Lerngegenstandes (ebd., S.278ff.). Der Unterrichtseinstieg soll „das Interesse und die Aufmerksamkeit auf das neue Thema lenken […], Vorkenntnisse und Vorerfahrungen zum Thema in Erinnerung rufen […] und eine Vernetzung von Ergebnissicherung und Neuanfang [darstellen]“ (Meyer, 2021, S.122). Aus diesem Grund ist das Titellied des Hörspieles „Das kleine Wir in der Schule“ besonders gut geeignet. Das Lied wurde bereits in der Einführungsstunde gemeinsam angehört und symbolisiert somit die Verknüpfung zwischen den beiden Stunden. Außerdem fasst das Lied die Geschichte und Bedeutung des kleinen Wirs zusammen, was den Kindern das Erinnern an die Erfahrungen aus der letzten Stunde erleichtert. Außerdem wirkt das Lied sehr motivierend auf die Kinder. Das Aufrufen der Vorkenntnisse wird auch durch das gemeinsame Wiederholen der Geschichte unterstützt und durch das Hochhalten der entsprechenden Stellen im Buch visualisiert. Das Einbeziehen des Stofftieres macht die Thematik für die Klasse realistischer, greifbarer, lebensnah und motivierend. Das Plenum in Form des Lehrer-Schüler-Gespräches ist hierbei besonders geeignet, um eine „allgemeine Orientierungsgrundlage herzustellen“ (Meyer, 2021, S. 183).
Die Erarbeitungsphase hat laut Meyer (2021) „die Funktion, durch die Einübung in gemeinsames Arbeiten und Sich-Verständigen die soziale und kommunikative Kompetenz der Schüler [und Schülerinnern] zu fördern“ (ebd., S.151). Um diese Funktion zu erfüllen wurde der Sitzkreis als Rahmen für die Phase des Gespräches gewählt, welche folgende Vorteile mit sich bringt: alle Kinder sehen einander, alle Kinder sehen das Material in der Mitte des Kreises, alle Kinder erreichen unproblematisch das Material, es herrscht eine aufgelockerte Atmosphäre und es gibt kurze Phasen der Bewegung während des Hin- und Zurücklaufens. Die Bildkarten wurden auf 12 begrenzt, da die Phase sonst zu lang und unübersichtlich werden würde. Der Stoffbeutel in welchem sich die Bildkarten befinden ist blickdicht und nachhaltig. Außerdem hat er sich zu einem Ritual entwickelt, da die Kinder immer wissen, dass es in dem Beutel etwas zum Herausziehen gibt. Die Bilder wurden kindgerecht und lebensnah ausgewählt. Die SchülerInnen erschließen sich die Bedeutung alle Bildkarten, sowie der zwei Kategorien des kleinen Wirs selbst, was die Selbst- und Methodenkompetenz fördern soll. Außerdem dürfen die Kinder frei von Erfahrungen und Gefühlen erzählen, was die Thematik greifbar und weniger abstrakt darstellen soll. Diese Phase findet im Plenum als Sokratisches Gespräch oder auch themenzentriertes Schülergespräch statt, welches sich aufgrund des „Bewusstmachens eigener Erfahrungen und ihre weitere Reflexion“ (Pfeifer, 2013, S.129), sowie durch die Anregung der individuellen Vorstellungskraft besonders gut für den Ethikunterricht eignet. Darauf folgt eine weitere Teilphase im Plenum, bei welcher sich die Kinder in einem sokratischen/fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch der Bedeutung von gesellschaftlichen Regeln nähern. Diese Methode eignet sich besonders, da die Kinder als „eigenständige, kritisch mit-denkende Subjekte“ (Pfeifer, 2013, S.128) behandelt und nur sehr diskret von der Lehrkraft gelenkt werden. Die Lehrperson „lässt Missverständnisse [und] Irrwege zu“ (Pfeifer, 2013, S.128) und ermöglicht individuelle Denkbewegungen des Einzelnen. Dies fördert die Selbstkompetenz der SchülerInnen (Pfeifer, 2013, S.128). Die Bildkarten aus der vorherigen Phase werden an dieser Stelle wieder aufgegriffen und von der Lehrkraft ausgewählt als Symbole für die seitens der SchülerInnen vorgeschlagenen Regeln weiterverwendet. Dies ist nötig, da die Kinder weder lesen noch schreiben können und somit symbolisch die Regeln festgehalten werden müssen. Die Bildkarten bieten sich dafür an, da die Kinder diese bereits kennen.
Die Ergebnissicherung findet in Form der Anwendung und des Transfers in die Wirklichkeit statt (Klafki, 2007, S.189) statt. Die theoretisch formulierten Regeln werden als reale Klassenregeln gewählt. Bei der Wahl erhält jedes Kind zwei Stimmen, da es den Kindern vermutlich schwerfällt sich für nur eine Regel zu entscheiden. Drei Stimmen pro Klassenmitglied wären jedoch eine zu große Anzahl im Ganzen. Diese Wahl der Klassenregeln fördert die Mündigkeit und Selbstverantwortung der SchülerInnen. Die aktive Teilnahme des Einzelnen dient der Verbindlichkeit und nachhaltigen Befolgung der gewählten Regeln. Im Anschluss werden die gewählten Regeln noch kurz von den SchülerInnen zusammengefasst, um die Protokoll- und Dokumentationsfunktion der Ergebnissicherung nach Meyer (2021) gerecht zu werden (ebd., S.163). Als Abschluss der Stunde hören sich alle Kinder gemeinsam noch einmal das Titellied des Hörspieles „das kleine Wir in der Schule“ an und singen den Refrain mit. Dies dient der Erholung, der Aktivierung „leichterer“ Gedanken und der Einstimmung auf die Pause. Die gesamte Ergebnissicherung erfolgt im Plenum, da die gewählten Methoden und Gesprächsformen dies so vorsehen.
Die Begrüßung und Verabschiedung erfolgen in Form der Klassenrituale: zur Begrüßung das Lied „Wir wünschen einen guten Tag, dass alles uns gelingen mag. Guten Tag!“ und zum Abschied das gemeinsame Klatschen einen vorgegebenen Rhythmus´.
2.3 Mögliche Schwierigkeiten bei der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand und Aufzeigen möglicher Varianten/Alternativen
In der Einstiegsphase sollen die Kinder die am Vortag gehörte und besprochene Geschichte mit eigenen Worten aus dem Gedächtnis wiedergeben. Dies birgt die Gefahr, dass sich die SchülerInnen nicht mehr an den Inhalt der Geschichte erinnern. Sollte dies der Fall sein, gibt die Lehrkraft Denkanstöße in Form von Stichwörtern und Illustrationen aus dem Buch. Eine weitere Schwierigkeit könnte sein, dass manche Kinder die Bilder im hochgehaltenen Buch nicht ausreichend erkennen können. Dieses Problem könnte man mithilfe des Beamers und einer Kamera lösen, wobei die Kamera die Bilder des Buches in Echtzeit über den Beamer vergrößert anzeigt. In der vorherigen Stunde konnten die SchülerInnen jedoch alle Bilder im hochgehaltenen Buch erkennen.
In der Erarbeitung ist die Arbeit mit den Bildkarten zentral. Da es nur 12 Bildkarten gibt, könnte es zu Streitereien in der Klasse kommen, welche der 24 Kinder eine Karte ziehen dürfen. Sollte dies der Fall sein, könnte die Lehrkraft die Kinder, welche eine Bildkarte ziehen dürfen mithilfe des Glücksrads bestimmen. Das Glücksrad hängt immer an der Tafel und wurde mit den Namen aller Kinder beschrieben. So können per Zufallsprinzip schnell Kinder bestimmt werden. Eine weitere denkbare Schwierigkeit im Bezug auf die Bildkarten wäre die Möglichkeit, dass die SchülerInnen nicht erkennen, was mit dem Bild gemeint sein könnte bzw. ob es sich um eine sozial gute oder schlechte Handlung handelt. Dann käme das Helferprinzip zum Einsatz bei welchem das hilfesuchende Kind einen MitschülerIn auswählt, das stattdessen eine Antwort gibt oder eine Hilfestellung anbietet. Sollte auch dies nicht zum gewünschten Ergebnis führen, kann die Lehrkraft Hinweise auf essentielle Stellen im Bild geben. Die nächste Teilphase der Stunde birgt ebenfalls mögliche Schwierigkeiten, wie das Szenario, dass den Kindern keine Regeln einfallen. In dem Fall sollte dich die Lehrperson ein Bild aussuchen und speziell dafür eine Regel formulieren lassen. Verschiedene Fragen (Wie könnte man dieses Verhalten verhindern/fördern?) können den Prozess fördern. Die Wahl der Klassenregeln in der letzten Phase erfordert eine große Aufmerksamkeit seitens der Lehrperson, da einige Kinder sich eventuell mehr als zweimal melden. Dann müsste die Wahl ggf. wiederholt werden.
Es besteht die Möglichkeit, dass insgesamt nicht mehr als fünf Regeln von den Kindern formuliert werden. Dann wäre eine Wahl der fünf wichtigsten Klassenregeln hinfällig. Für diesen Fall gibt es das Ausmalbild des kleinen Wirs als Puffer. Diese Variante kommt auch zum Tragen, falls die sokratischen Gespräche schneller, als erwartet beendet werden. Philosophische Gespräche leben von der Spontanität und dem situativen Kommunizieren. Daher ist ein Planen von sokratischen Gesprächen grundsätzlich nur teilweise möglich. Sollte ein Gespräch länger dauern, würde das Lied zum Abschluss wegfallen.
Die zentrale Gesprächsform des sokratischen/fragend-entwickelten Gesprächs birgt die Gefahr, dass die SchülerInnen vom Thema abschweifen. In einer entsprechenden Situation lenkt die Lehrkraft das Gespräch dezent wieder zum Thema. Sollte das Gespräch nicht rege genug verlaufen, kann die Lehrende durch gezielte provokante Fragen die Diskussion fördern.
3 Stundenverlaufsplanung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wissenserwerb
Die SuS gewinnen zunehmend Einblick in verschiedene Formen des gemeinschaftlichen Lebens: in der Schule als Klasse.
Die SuS können zunehmend ihre Kenntnisse über soziale Erfahrungen auf Verhaltensweisen in der Schule übertragen: Umgangsformen und Regeln. (Welche Regeln halte ich ein? Welchen Beitrag will ich leisten?)
Die SuS kennen zunehmend die Geschichte „Das kleine Wir in der Schule“ von Daniela Kunkel und erfassen zunehmend die Bedeutung des Inhalts.
Kompetenzentwicklung
Die SuS können zunehmend begrifflich Arbeiten, um ein gutes soziales Miteinander zu beschreiben.
Die SuS können anhand von beispielhaften Handlungen und Erfahrungen zunehmend wichtige Umgangsformen und Regeln für ein gemeinschaftliches Leben formulieren.
Die SuS entwickeln zunehmend ein Gefühl für gutes und schlechtes Verhalten in der Gruppe.
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