Die Leitthese, die Bernhard Waldenfels in seinem Aufsatz über »Das Un-ding der Gabe« aufstellt
zeigt gleich zu Anfang einen sich selbst widersprechenden Punkt, der in das Paradox der Gabe
einführt. Er spricht von einem gleichzeitigen Erscheinen und Nichterscheinen der Gabe. Als
Voraussetzung sei hierfür ein „ungeschriebener Vertrag“ zwischen miteinander kommunizierenden
Menschen notwendig. Dies zeigt sich schon in den Ausdrücken, die man einem Referenten
gegenüber äußert: „ihm Aufmerksamkeit schenken“ oder „Sinn geben“. Das heißt also, dass
zwischen diesen Parteien in gewisser Weise unbewusst ein Vertrag konstituiert sein muss, der dem
Redner eine Vorgabe ermöglicht, die durch seine Rezipienten beantwortet wird (eben durch ihre
Aufmerksamkeit etc.). Derrida selbst schreibt dem Gabenereignis eine ternäre Struktur zu:
„»irgend›einer‹« (A) hat die Intention, B an C zu geben“. Durch diese formalistische
Ausdrucksweise droht jedoch eine stetige Mutation der gegebenen Sache zu einem Tauschobjekt.
Durch diesen formalistischen Ansatz entsteht eine Skepsis an derer Möglichkeit überhaupt einer
„Gabe“. Etwas soll also existieren, indem es seine Eigenexistenz selbst annulliert. Dieses
offensichtliche Paradox wird dadurch erklärbar, dass die Gabe sich als unmöglich erweist, „indem
sie als Tausch konzipiert und praktiziert wird“. An dieser Stelle zeigt sich gleichzeitig der Vorwurf
an Mauss, der den Widerspruch des Gabeereignisses zum Tauschakt nicht bedacht habe. Aufgrund
dessen analysiert Derrida die (vermeintliche) Gabe, in Abgrenzung zum Tausch, als klarer
Kritikpunkt zu Mauss:
„Man könnte soweit gehen zu sagen, daß selbst ein so monumentales Buch wie der Essai sur le don
von Marcel Mauss von allem möglichen spricht, nur nicht von der Gabe: der Essai handelt von der
Ökonomie, dem Tausch und dem Vertrag (do, ut des), vom Überbieten, dem Opfer, der Gabe und
der Gegengabe, kurz von allem, was aus der Sache heraus zur Gabe drängt und zugleich dazu, die
Gabe zu annullieren.“
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1 Allgemeines
- 2 Zur Gabe-Philosophie Derridas - das Paradox der Unmöglichkeit der Gabe
- 2.1 Dissemination des Gebens und Nehmens
- 2.2 Dimensionen des Gebens
- 2.3 Äquivalenz und Ambivalenz im Gabe-Ereignis
- 2.4 es gibt“-sprachliche Eigenarten und ihre Paradoxien
- Fazit
- Literatur- und Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert das Konzept der Gabe im Werk von Jacques Derrida und stellt dieses dem Verständnis von Marcel Mauss gegenüber. Derrida hinterfragt die Möglichkeit einer „reinen Gabe“, indem er das Paradox der Unmöglichkeit der Gabe untersucht. Er argumentiert, dass jede Gabe, die als Tausch konzipiert wird, ihre eigene Existenz untergräbt.
- Die Unmöglichkeit der „reinen Gabe“
- Derrida's Kritik an Mauss' Konzept der Gabe
- Dissemination und die ternäre Struktur der Gabe
- Die Bedeutung des „Außen des Gebens“
- Die Integration der Gabe im ökonomischen Kreislauf
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Gabe und das Paradox ihrer Unmöglichkeit ein. Sie stellt die Kernfrage, ob es überhaupt eine „reine Gabe“ geben kann, und zeigt die Rolle von Derrida in der postmodernen Philosophie auf. Kapitel 1 beleuchtet die Leitthese von Bernhard Waldenfels, die das gleichzeitige Erscheinen und Nichterscheinen der Gabe beschreibt. Es wird darauf hingewiesen, dass die Gabe durch einen „ungeschriebenen Vertrag“ zwischen den Menschen konstituiert wird. Kapitel 2 analysiert Derridas Gabe-Philosophie und betrachtet die Dissemination des Gebens und Nehmens. Es wird erläutert, wie das „Außen des Gebens“ sich von einem ökonomischen Kreislauf distanziert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe und Themen des Textes sind: Gabe, Paradox, Unmöglichkeit, Dissemination, Tausch, Ökonomie, „Außen des Gebens“, ternäre Struktur, Derrida, Mauss, Waldenfels.
- Quote paper
- Mathias Seeling (Author), 2008, Das Un-Ding der Gabe, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/117282