Wie kam es dazu, dass Oskar Gröning für seine Taten in Auschwitz so viele Jahre nicht verfolgt wurde? Wie kann es sein, dass Gröning nicht der Einzige ist, der sich im hohen Alter noch vor den Gerichten für seine Taten vor fast 80 Jahren verantworten muss? Der Prozess gegen Oskar Gröning im Jahr 2015 gehört sicherlich zu einem der aufsehenerregendsten Prozesse der letzten Jahre. Grund dafür war nicht nur, dass Gröning wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen angeklagt war, sondern auch, dass er bei Beginn des Prozesses bereits 94 Jahre alt war. Die Frage, wieso sich ein 94-jähriger Mann noch für seine Taten als junger Erwachsener verantworten muss, wurde häufig gestellt.
Um die oben gestellten Fragen zu beantworten, wird zunächst darauf eingegangen, inwiefern die Verbrechen aus der NS-Zeit überhaupt aufgearbeitet wurden. Weiterhin wird geklärt, ob der Prozess gegen Gröning eine „Wiedergutmachung“ für ein mögliches Versagen der deutschen Justiz ist. Dabei sind für die Entwicklung des Verfahrens gegen Gröning während der bundesdeutschen Teilung lediglich die Zustände in Westdeutschland relevant. Zudem war der Fall Gröning auch insoweit besonders, als dass seine Handlungen in Auschwitz nicht eindeutig als Beihilfehandlung zu den Tötungen zu qualifizieren waren.
Es wird daher auch auf die Frage eingegangen, ab wann ein Verhalten als strafrechtlich relevante Beihilfe einzuordnen ist. Dabei soll zum einen auf den Vergleich zwischen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Frankfurter Auschwitzprozess von 1969 und der Rechtsprechung von 2016 eingegangen werden, und zum anderen auf die Frage, was als Haupttat im Rahmen des Holocausts zu werten ist.
Inhaltsverzeichnis
- A) Einleitung
- B) Oskar Gröning
- I) Kindheit (1921 – 1939)
- II) NS-Zeit
- .2
- III) Die Jahre von 1945 bis 2015
- C) Verfolgung von NS-Unrecht
- I) Die Zeit unmittelbar nach dem Krieg
- II) Der Ulmer Einsatzgruppenprozess
- III) Die Verjährung von Mord und Totschlagstaten
- IV) Der Auschwitzprozess von Frankfurt
- V) Das Verfahren gegen John Demjanjuk
- D) Die Ermittlungen gegen Oskar Gröning
- I) Ermittlungsverfahren von 1977
- II) Wiederaufnahmeanregung 2005
- III) Wiederaufnahmeanregung von 2011
- IV) Ermittlungsverfahren ab 2013
- E) Der Prozess vor dem Landgericht Lüneburg
- I) Prozessuale Vorfrage
- II) Tatvorwurf
- 1) Teilnahmefähige Haupttat und Beihilfehandlung
- (a) Weg des Landgerichts
- (b) Einzeltatbezogene Begründung der Haupttat
- (i) Rampendienst
- (ii) Tätigkeiten in der Häftlingsgeldverwaltung
- (iii) Folgen der einzeltatbezogenen Betrachtung
- (c) Gesamttatbezogene Begründung der Haupttat
- (d) Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Beihilfe
- 2) Subjektive Voraussetzung
- 1) Teilnahmefähige Haupttat und Beihilfehandlung
- III) Strafe
- F) Folgen des Prozesses
- I) Revisionsgründe
- 1) Verfahrensrügen
- (a) Verfahrensverzögerung
- (b) Kronzeugenregelung
- 2) Sachrüge
- 1) Verfahrensrügen
- II) Haftfähigkeit
- I) Revisionsgründe
- G) Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit dem Verfahren gegen Oskar Gröning und untersucht die Frage, ob die späte Verfolgung von NS-Unrecht als eine späte Wiedergutmachung des Versagens der deutschen Justiz im Rahmen der Aufarbeitung von NS-Verbrechen verstanden werden kann.
- Späte Verfolgung von NS-Unrecht
- Aufarbeitung von NS-Verbrechen
- Wiedergutmachung von Justizversagen
- Beihilfe zum Massenmord
- Rechtliche und moralische Verantwortung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Gegenstand der Untersuchung und die Forschungsfrage definiert. Anschließend wird die Biografie Oskar Grönings in drei Abschnitte unterteilt: seine Kindheit, seine Zeit im NS-Regime und die Jahre von 1945 bis 2015. Das dritte Kapitel analysiert die Verfolgung von NS-Unrecht in Deutschland nach dem Krieg, indem es die wichtigsten Prozesse und Entwicklungen in der Strafverfolgung von NS-Verbrechen beleuchtet. Es werden die Zeit unmittelbar nach dem Krieg, der Ulmer Einsatzgruppenprozess, die Verjährung von Mord und Totschlagstaten, der Auschwitzprozess von Frankfurt und das Verfahren gegen John Demjanjuk diskutiert.
Das vierte Kapitel widmet sich den Ermittlungen gegen Oskar Gröning und analysiert verschiedene Phasen der Strafverfolgung. Es geht auf die Ermittlungsverfahren von 1977, die Wiederaufnahmeanregung von 2005 und 2011 sowie das Ermittlungsverfahren ab 2013 ein. Der fünfte Kapitel konzentriert sich auf den Prozess vor dem Landgericht Lüneburg und behandelt die prozessuale Vorfrage, den Tatvorwurf und die Strafe. Im sechsten Kapitel werden die Folgen des Prozesses, insbesondere die Revisionsgründe und die Haftfähigkeit, untersucht. Zum Abschluss wird im Fazit die Argumentation zusammengefasst und die Forschungsfrage beantwortet.
Schlüsselwörter
Die Seminararbeit befasst sich mit den zentralen Themen der NS-Verbrechen, der Spätjustiz, der Strafverfolgung von NS-Unrecht, der Beihilfe zum Massenmord, der Auschwitz-Prozesse, der juristischen Aufarbeitung und der moralischen Verantwortung. Die Arbeit untersucht die komplexen Aspekte der Aufarbeitung von NS-Verbrechen, insbesondere im Kontext der späten Verfolgung von Täter:innen und der Frage nach der Wiedergutmachung von Justizversagen.
- Arbeit zitieren
- Antonia Volhard (Autor:in), 2020, Das Strafverfahren gegen Oskar Gröning. Eine späte Wiedergutmachung des Versagens der deutschen Justiz im Rahmen der Aufarbeitung von NS-Verbrechen?, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1172324