Die Literatur der Weimarer Republik, welche primär den ersten Weltkrieg thematisierte, setzte sich unter anderen mit der Niederlage Deutschlands auseinander. Nachdem die wilhelminische Propaganda, die Deutschland als "Weltmacht" titulierte, im Herbst 1918 von der Realität eingeholt wurde, spiegelte sich sowohl die nationale als auch die internationale Unsicherheit über die Auswirkungen des 1. Weltkriegs in literarischen Werken wider.
Als Reaktion auf diese Unsicherheit folgte die "Neue Sachlichkeit" in der Literaturgeschichte, welche realistisch auf die Zeit des Krieges zurückblickte und möglichst objektiv zeitgenössische Probleme abbildete. Neben Musils Essay "Das hilflose Europa", das negative außenpolitische Konsequenzen andeutete, betonten einige Autoren allerdings auch eine positive Entwicklung, welche aus dem Krieg hervorging: Die Emanzipation der Frau.
Während die Männer in den Krieg zogen, hatten auch Frauen mit einer schwierigen Situation zu kämpfen. Vor allem weibliche Autorinnen rückten diesen privaten Kampf in ihren Werken in den Vordergrund, um die Stärken und Fähigkeiten der weiblichen Personen, die meist in der Geschichtsschreibung sekundär betrachtet wurden, zu betonen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Rolle der Frau im ersten Weltkrieg
3 Das Zeitstück
4 Die Geschlechterrollen in Ilse Langners Zeitstück „Frau Emma kämpft im Hinterland“
5 Schlussfolgerung
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Literatur der Weimarer Republik, welche primär den ersten Weltkrieg thematisierte, setzte sich unter anderen mit der Niederlage Deutschlands auseinander. Nachdem die wilhelminische Propaganda, die Deutschland als „Weltmacht“ titulierte, im Herbst 1918 von der Realität eingeholt wurde, spiegelte sich sowohl die nationale als auch die internationale Unsicherheit über die Auswirkungen des 1. Weltkriegs in literarischen Werken wider.1 Als Reaktion auf diese Unsicherheit folgte die „Neue Sachlichkeit“ in der Literaturgeschichte,2 welche realistisch auf die Zeit des Krieges zurückblickte und möglichst objektiv zeitgenössische Probleme abbildete. Neben Musils Essay „Das hilflose Europa“,3 das negative außenpolitische Konsequenzen andeutete, betonten einige Autoren allerdings auch eine positive Entwicklung, welche aus dem Krieg hervorging: Die Emanzipation der Frau.
Während die Männer in den Krieg zogen, hatten auch Frauen mit einer schwierigen Situation zu kämpfen. Vor allem weibliche Autorinnen rückten diesen privaten Kampft in ihren Werken in den Vordergrund, um die Stärken und Fähigkeiten der weiblichen Personen, die meist in der Geschichtsschreibung sekundär betrachtet wurden, zu betonen. Thea von Harbou beispielsweise fasste diese Tatsache folgendermaßen zusammen:
„Was weiß die Welt- was weiß die Weltgeschichte von dem schweigenden Heldentum der Mütter und Schwestern, der Gattinnen und Bräute?Was kündet sie von der stillen Größe, die keusch und tapfer das Leid der Trennung auf sich nimmt als ein Notwendiges, Heiliges-und ihr eigenes Schicksal dem Schicksal des Vaterlandes unterwirft? Und doch offenbart sich die innere Größe eines Volkes ebenso lebendig in der Gesinnung seiner Frauen wie durch die Taten der Männer.“4
Auch Ilse Langner ist eine der Autorinnen, die sich dieser Thematik stellte. Ihr Werk „Frau Emma kämpft im Hinterland“, ist dem Genre des “Zeitstückes” zuzuordnen, welches im Zuge der “Neuen Sachlichkeit” eine realitätsnahe, unverfälschte Darstellungsweise und eine schlichte äußere Form voraussetzt.5 Daraus resultiert die Fragestellung: Wie gelingt es Else Langner, trotz literaturhistorischer Grenzen, die Emanzipation der Frau als unaufhaltsame Kraft und notwendige Entwicklung der Gesellschaft hervorzuheben? Um mich dieser Frage zu nähern, werde ich mich zuerst, anhand von historischen Fakten, mit der Rolle der Frau im 1. Weltkrieg auseinandersetzten um nachzuvollziehen, in wie weit die Geschichtswissenschaft die Emanzipation der Frau als Folge des Krieges berücksichtigt. Außerdem werde ich hierbei auch die Charakteristika von Mann und Frau vor bzw. während des 1. Weltkrieges beleuchten. Nachdem ich mich dann im 3. Kapitel dem Genre des „Zeitstückes“ und dessen Rahmenbedingungen gewidmet haben werde, werde ich das vermittelte Männer- bzw. Frauenbild in Ilse Langners Zeitstück „Frau Emma kämpft im Hinterland“ analysieren.
2 Die Rolle der Frau im ersten Weltkrieg
Im 19. Jahrhundert entsprachen gesellschaftliche Geschlechterrollen festen Vorstellungen und Charakteristika, die in J. Meyers´Artikel „Geschlechtseigentühmlichkeiten“ des Meyer Conversationslexikons aus dem Jahre 1848 folgendermaßen definiert worden sind:
Entsprechend dem mehr universellen Charakter im Weibe, ist die Empfindung in ihm vorherrschend, — das Weib ist mehr fühlendes Wesen; beim Manne herrscht hingegen wegen seiner größeren Individualität, die Reaktion vor, — er ist mehr denkendes Wesen. [Der Mann] ist fest und beständig, sein Muth kühn und sein Entschluss bestimmt; Der Charakter des Weibes ist mehr wankend, der Entschluss jedoch oft rascher […]Hier nach wäre denn auch die allgemeine Bestimmung der Geschlechter für das äußere Leben überhaupt zu beurtheilen. Während so das Weib hauptsächlich das innere Familienverhältniß begründet, der Mann mehr das äußere,[…] er hauptsächlich begründet den Staat.6
Demnach ist die Frau aufgrund ihrer Geschlechtsdefinition weder für Erwerbstätigkeit noch für den Einsatz im „äußeren“ Krieg geeignet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hinterließ die Entwicklung des ersten Weltkrieges seine Spuren, sodass diese tradierten Assoziationen von Männlichkeit in der Öffentlichkeit und Weiblichkeit im Privaten teilweise auf die Probe gestellt wurden.7
Der Kriegsbeginn im Jahre 1914 war durch den sogenannten „Burgfrieden“8 gekennzeichnet, welcher laut Martin van Creveld auch bedeutend von den weiblichen Bürgern mitgetragen wurde9. Aus einer „nationalen Hysterie“ sei eine „Kriegsnymphomanie“ entstanden, die eine übersteigerte Kriegsbegeisterung auf Seiten der Frauen widerspiegelte, welche in einem rauschähnlichen Zustand sogar selbst bereit seien, für den propagierten Verteidigungskrieg der eigenen Nation zu kämpfen. Dennoch blieb das Bild des kriegerischen Mannes an der Front gegenüber der sesshaften Frau an in der Heimatfront zunächst bestehen10. Zu den Tätigkeitsfeldern der Frau gehörten demnach die Kindererziehung bzw. die Arbeit in typischen Frauenberufen, wie etwa im Dienstmädchensektor oder in der Textilbranche. Die zeitgenössischen Behörden betonten derweil, dass die passive Rolle der Frau im Kriegsgeschehen auch von essentieller Bedeutung sei, indem Bürgerinnen dazu aufforderten, ihre Männer vom Krieg zu begeistern und zu bewundern, sodass sich diese freiwillig für ihre öffentliche Pflicht meldeten11. Laut Harbou bildet das Verlassen des Mannes zu Kriegsbeginn den „Geburtstag der neuen deutschen Frau“ , an dem das „Wesen der Frau zerbrach“12.
Während des ersten Weltkrieges erfuhr die Erwerbstätigkeit von Frauen einen stetigen Anstieg, welcher sich nun auch auf wirtschaftlich-industrielle Berufsfelder erstreckte13. Frauen fungierten als ökonomische Arbeiterinnen, die durch die Produktion von Kleidung und Rüstungsmaterialien ihre nationale Pflicht erfüllten. Darüber hinaus war schon bald eine „Verschiebung von Arbeitsfeldern“14 zu beobachten, sodass einige Frauen dem „Männerkult“ im Krieg, militärische Aktivitäten entgegensetzen. Auch wenn aus der Sicht von Martin van Creveld Frauensoldaten in ihren militärischen Fähigkeiten unterqualifiziert waren,15 spiegelte sich der Ansatz einer Veränderung des Frauenbildes auch in der zeitgenössischen Unterhaltungskultur wider. In Theaterstücken wurde teilweise die geschlechtliche Gleichberechtigung im Krieg propagiert, allerdings endeten diese meist mit der Rückkehr zu „traditionellen“ Geschlechterrollen, indem sie „andere Waffen“ der Frauen betonten.16 Diese „anderen Waffen“17 beinhalteten die Übernahme von Verantwortung für die Familie bzw. für Soldaten und Verwundete. Der typische, weibliche Beruf der Krankenschwester und der Hausfrau wurde demzufolge als Tätigkeitsbereich der Frau vorausgesetzt.
Aufgrund der ansteigenden Knappheit von Lebensmitteln, erwies sich die Rolle der Hausfrau im ausklingenden 1. Weltkrieg als immer schwieriger. Der „wirtschaftliche Kampf“ gegen die Hungersnot führte laut Harbou zu einer stärkeren weiblichen Gemeinschaft, da sich Frauen gegenseitig unterstützen und ihre Sorgen miteinander teilten.18 Die anfängliche Kriegsbegeisterung der Frauen wurde von den ernüchternden Schlachten des Krieges und der daraus resultierenden Armut endgültig überschattet. Wegen der wirtschaftlichen Engpässe stellte die Erwerbstätigkeit der Frau, welche sich vor allem auf die Branche der Verkehrsbetriebe erstreckte, keine Seltenheit mehr dar.19
[...]
1 Vgl. Geschichte der deutschen Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. 1918-1945.Hrsg. von Viktor Zmegac. 2. Aufl. Königstein/ Ts: Athenäum 2009 (=Beltz Athenäum Studienbücher Literaturwissenschaft. Bd. 3.1) S. 3.
2 Vgl. Fähnders, Walter: Avantgarde und Moderne. 1890 - 1933 ; Lehrbuch Germanistik .2. Auflage. Stuttgart:Metzler 2010. S. 229.
3 Zmegac 2009: 3.
4 Von Harbou, Thea: Der krieg und die Frauen. Novellen.Stuttgart: Cotta 1915. S. 12f.
5 Vgl. Jakobi, Carsten: Der kleine Sieg über den Antisemitismus. Darstellung und Deutung der nationalsozialistischen Judenverfolgung im deutschsprachigen Zeitstück des Exils 1933-1945. Hrsg. von Norbert Bachleitner u.a.Tübingen: Max Niemeyer Verlag 2005 (= Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur).
6 Hausen, Karin: Die Polarisierung der “Geschlechtscharaktere”.Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienarbeit. In: Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Hrsg. von Werner Conze:.Stuttgart: Klett 1976. S. 3 67.
7 Vgl. Medien, Krieg, Geschlecht.Affirmationen und Irritationen sozialer Ordnungen.Hrsg. von Martina Thiele. Wiesbaden: VS-Verlag 2010 (= Medien, Kultur, Kommunikation ). S. 23.
8 In der Öffentlichkeit wurde der 1. Weltkrieg als Verteidigungskrieg propagiert. Demnach ließen sich die Deutschen nur auf einen Krieg ein, um den Frieden im Deutschland zu bewahren. Vgl. Wilerms, Annika: Frauenbewegung im 1. Weltkrieg. http://www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewegung/35261/erster-weltkrieg?p=all. (11. 07. 2012).
9 Van Creveld, Martin: Frauen und Krieg.München: Gerling Akademie Verlag 2001. S. 28.
10 Vgl. Medien , Krieg, Geschlecht. Hrsg. von Martina Thiele 2010: 136 f.
11 Vgl. Van Creveld 2001: 26.
12 Kagelmann, Andre: der Krieg und die Frau. Thea von Harbous Erzählwerk zum ersten Weltkrieg.Kassel: Media- Net-Edition 2009. S. 58.
13 Vgl. Medien , Krieg, Geschlecht. Hrsg. von Martina Thiele 2010: 137.
14 Wilerms, Annika: Frauenbewegung im 1. Weltkrieg. http://www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewegung/35261/erster-weltkrieg?p=all. (13. 07. 2012). S. 3.
15 Vgl. Van Creveld 2001: 119
16 Medien , Krieg, Geschlecht. Hrsg. von Martina Thiele 2010: 139.
17 Ebd.
18 Vgl, Kagelmann 2009: 60
19 Wilerms, Annika: Frauenbewegung im 1. Weltkrieg. http://www.bpb.de/gesellschaft/gender/frauenbewegung/35261/erster-weltkrieg?p=all. (13. 07. 2012). S. 4.