Sind Spätabtreibungen nach einer vorangegangenen Pränataldiagnostik moralisch vertretbar? Im Hinblick auf verschiedene Moraltheorien gibt es auf diese Frage etliche Antworten. Die Meinungen zu dieser Thematik gehen abhängig von unterschiedlichen Positionen stark auseinander.
Die vorliegende Hausarbeit setzt sich mit genau dieser Fragestellung auseinander. Im Fokus stehen die unterschiedlichen Positionen sowie die rechtlichen Grundlagen. Des Weiteren wird ein Fall von 1997 vorgestellt, der eine langandauernde Debatte zu der Problematik ins Leben gerufen hat. Diese Hausarbeit klärt außerdem die Begriffe der Spätabtreibung und der Pränataldiagnostik ausführlich.
Anhand dieser Schritte soll abschließend die Frage geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Spätabtreibung nach einer Pränataldiagnostik moralisch vertretbar ist.
Diese Fragestellung ist deshalb sonderpädagogisch relevant, weil sich innerhalb dieser Thematik auch das Thema der verdeckten Diskriminierung beeinträchtigter Menschen verbirgt.
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2. DEFINITION SPÄTABTREIBUNG
3. DEFINITION PRÄNATALDIAGNOSTIK
4. RECHTLICHE GRUNDLAGEN
5. MEDIZINETHIK UND IHRE POSITIONEN
5.1 Konservative Position
5.2 Radikalliberale Position
5.3 Gemäbigte liberale Position
5.4 Pränatale Diagnostikundvorgeburtliche Selektion
6. DAS OLDENBURGER BABY
6.1 Beschreibung des Falls
6.2 Rechtsprechung im Fall des Oldenburger Babys
6.3 Folgen im Fall des Oldenburger Babys
7. SCHLUSSBETRACHTUNG UND FAZIT
1. Einleitung
Sind Spätabtreibungen nach einer vorangegangenen Pränataldiagnostik moralisch vertretbar? Im Hinblick auf verschiedene Moraltheorien gibt es auf diese Frage etliche Antworten. Die Meinungen zu dieser Thematik gehen abhängig von unterschiedlichen Positionen stark auseinander.
Die vorliegende Hausarbeit setzt sich mit genau dieser Fragestellung auseinander. Im Fokus stehen die unterschiedlichen Positionen, sowie die rechtlichen Grundlagen. Des Weiteren wird ein Fall von 1997 vorgestellt, der eine langandauemde Debatte zu der Problematik ins Leben gerufen hat. Diese Hausarbeit klärt außerdem die Begriffe der Spätabtreibung und der Pränataldiagnostik ausführlich.
Anhand dieser Schritte soll abschließend die Frage geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Spätabtreibung nach einer Pränataldiagnostik moralisch vertretbar ist.
Diese Fragestellung ist deshalb sonderpädagogisch relevant, weil sich innerhalb dieser Thematik auch das Thema der verdeckten Diskriminierung beeinträchtigter Menschen verbirgt.
2. Definition Spätabtreibung
Der Begriff der Spätabtreibung erhält keine einheitliche Definition.
An einigen Stellen wird von einem Schwangerschaftsspätabbruch gesprochen, wenn dieser nach der 12. Schwangerschaftswoche post conceptionem (p.c. „nach der Empfängnis“) durchgeführt wird. Die Grundlage dieser Aussage bezieht sich auf den §218a StGB, in welchem die gesetzliche Lage zu Schwangerschaftsabbrüchen geklärt ist. (Dolderer, 2012, S. 4f)
An anderen Stellen wird erst von einem Schwangerschaftsspätabbruch gesprochen, wenn dieser zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem extrauterin Lebensfähigkeit besteht, demnach ab der 22. Schwangerschaftswoche post conceptionem. (Mattisseck- Neef,2011, S. 82)
In dieser Arbeit wird sich auf die zweite Definition bezogen.
Wenn die Schwangerschaft über die 12. Woche hinausgeht, gestaltet sich ein Abbruch aufgrund der Größe des Fötus schwieriger. Zumeist werden dazu Prostaglandine verabreicht, welche auch bei einer Geburt zum Einsatz kommen. Diese werden als Tablette in die Scheide eingeführt oder als Gel an den Muttermund gebracht. Sie
bewirken die Reifung des Muttermunds und machen das Gewebe weicher und dehnbarer. Dadurch werden die Wehen eingeleitet und nach durchschnittlich 15 Stunden wird der Fötus ausgestoßen. Durch seinen nicht lebensfähigen Körper stirbt er während dieser Prozedur. Zum einen durch den Sauerstoffmangel und zum anderen dadurch, dass seine Körperstrukturen einer verfrühten Geburt nicht gewachsen sind.
Wenn die Schwangerschaft über die 20. Woche hinausgeht, wird so vorgegangen wie auch bei einem Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Schwangerschaftswoche. Allerdings besteht ab der 20. Woche die Möglichkeit, dass der Nasciturus (lat.: „der geboren werden wird“) lebend auf die Welt kommt. Da bei einem Abbruch dieser Art die Gesundheit der Mutter im Fokus steht, ist bei einem Schwangerschaftsabbruch nach der 20. Woche das Ziel, den Tod des Fötus herbeizuführen.
Da eine Lebendgeburt vermieden werden soll, führt der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin zusätzlich zu den Wehen einleitenden Mitteln einen Fetozid durch. Bei einem Fetozid wird der Tod des Nasciturus herbeigeführt, indem ihm durch die Bauchdecke der Mutter Kaliumchlorid ins Herz injiziert wird, was zu einer Herzlähmung führt. Eine andere Möglichkeit des Fetozids ist, Fibrinkleber in das Herz des Neugeborenen zu applizieren und damit eine mechanische Unterbrechung des Blutflusses zu veranlassen. (Dolderer, 2012, S. 24)
Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im Jahr 2016 insgesamt 98721 Abtreibungen durchgeführt worden, 3785 aufgrund einer medizinischen Indikation. Davon waren 630 Spätabbrüche nach der 22. Schwangerschaftswoche. (Dießelkämper, 2017)
3. DefinitionPränataldiagnostik
Die Pränatalmedizin hat sich in den achtziger Jahren zum festen Bestandteil der Schwangerenvorsorge entwickelt und gehört zu der geburtshilflichen Routinebetreuung. Allerdings bezieht sich das für die nicht-invasiven (erweiterte Ultraschalluntersuchung), sowie auf die invasive vorgeburtliche Diagnostik (Fruchtwasserpunktion, Chorionzottenbiopsie, Nabelschnurpunktion) nicht auf einen Automatismus, dem sich jede Schwangere unterziehen muss. Diese Untersuchungen sind vielmehr als ein Angebot zu verstehen, auf das jede Schwangere ein Recht hat. (Scharf,2011, S.17f)
Anders sieht es bei den sonographischen Untersuchungen aus. Durch die sonographischen Bestimmungen der Mutterschaftsrichtlinien ist dem untersuchenden Gynäkologen vorgeschrieben, bestimmte vorgeburtliche Untersuchungen als Basisdiagnostik durchzuführen. Dafür sehen die Mutterschaftsrichtlinien eine sogenannte Ultraschallbasisdiagnostik vor. Insgesamt finden drei Ultraschalluntersuchungen in der 9. - 12., 19. - 22. und in der 29. - 32. Schwangerschaftswoche statt.
Die Ultraschallbasisdiagnostik sieht vor, die fetale Unversehrtheit zu überprüfen, diagnostizierbare und klinisch relevante somatische Fehlbildungen auszuschließen, sowie den Ausschluss diagnostizierbarer oder klinisch relevanter genetischer Erkrankungen. (Bundesministerium für Gesundheit, 2020)
Zu der pränatalen Diagnostik gehört immer auch eine Beratung vor und nach der Behandlung.
Die erweiterte Ultraschalluntersuchung, welche als nicht invasives Verfahren fungiert, wird als zentrales Verfahren zurDiagnose genutzt. (Scharf, 2011, S. 17ff)
Mit der sogenannten Feinsonographie können auch kleinere Fehlbildungen, sowie Hinweise auf Chromosomenstörungen hervorgebracht werden. Für diese Untersuchung wurde eine eigene Ultraschalltechnik entwickelt. Diese Diagnostik kann nur ein dafür speziell qualifizierter Untersucher durchführen. Die Kosten der Feinsonographie werden nur von den Krankenkassen übernommen, wenn dafür eine medizinische Indikation vorliegt. Ist das nicht der Fall, muss die Schwangere die Kosten selbst tragen. (Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale)GmbH, o.D.)
Da mittels Ultraschalles nicht alle Fehlbildungen ausgeschlossen werden können, wurden weitere Verfahren entwickelt. Hierbei handelt es sich um die invasiven Verfahren.
Die Möglichkeiten hierfür sind:
- Fruchtwasserpunktion
Rechtliche Grundlagen
Bei der Fruchtwasserpunktion, die ab der 14. vollendeten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden kann, entnimmt der Arzt mit Hilfe einer sehr dünnen Hohlnadel etwa 15-20ml Fruchtwasser. Da im Fruchtwasser Zellen des Kindes vorhanden sind, die mittels genetischer Labortechniken vermehrt werden können, können mit dieser Technik Störungen der Chromosomenstruktur und der Chromosomenzahl untersucht werden.
Allerdings erhöht diese Untersuchung auch die Gefahr einer Fehlgeburt. Eine von 150 Frauen verliert nach einer Fruchtwasserpunktion ihr Kind.
- Chorionzottenbiopsie
Die Gewebsfragmente des Mutterkuchens nennt man Chorionzotten. Diese kann der Arzt zwischen der 10. - 12. Schwangerschaftswoche mit Hilfe einer Hohlnadel entnehmen, um sie mittels genetischer Labortechniken auf Störungen der Chromosomenstruktur und der Chromosomenzahl zu untersuchen. Auch diese Untersuchung birgt ein Risiko für eine Fehlgeburt. Eine von 100 Frauen verliert nach einer Chorionzottenbiopsie ihr Kind. (Krankenhaus St. Elisabethund St. BarbaraHalle (Saale) GmbH, o.D.)
- Nabelschnurpunktion
Bei der Nabelschnurpunktion, welche ab der 20. Schwangerschaftswoche möglich ist, wird mit einer dünnen Nadel kindliches Blut aus der Nabelschnur entnommen. Diese Untersuchung bietet Hinweise auf Erkrankungen wie z.B. Blutarmut oder Infektionen. Mit dieser Untersuchung können außerdem die kindlichen Erbanlagen festgestellt werden. Das Risiko einer Fehlgeburt liegt hier bei 1:100 (Österreichische Gesellschaft für Prä- und Perinatale Medizin, c/o Univ. Klinik f. Frauenheilkunde, o.D.)
4. Rechtliche Grundlagen
Dem § 218 StGB ist zu entnehmen, dass Schwangerschaftsabbrüche verboten sind und unter Straftaten gegen das Leben fallen. Laut § 218a werden Voraussetzungen formuliert, unter denen der Schwangerschaftsabbruch straffrei bleibt.
„§218a Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs
(1) Der Tatbestand des §218 ist nicht verwirklicht, wenn
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