In dieser Arbeit werden Definitionen und Aufgabentypen zu Adjektiv und Adverb sowie insbesondere die kritische Frage nach der diffizilen Abgrenzung beider Wortarten voneinander, exemplarisch anhand der Schulbuchreihe Deutschbuch, vom Cornelsen Verlag veröffentlicht, über die Schuljahre von der 5. bis zur 10. Klasse hinweg, genauer in den Blick genommen.
Dazu wird zunächst ein Forschungsüberblick zu beiden Wortarten und der Problematik ihrer Unterscheidung gegeben, um anschließend auf die Definitionen und vergleichend auf die didaktische Umsetzung des Grammatikteils zu Adjektiv und Adverb in den Schulbüchern einzugehen. Außerdem werden deren Plausibilität und Legitimation sowie die Modifikationen im Verlauf der Schuljahre untersucht. Abschließend sollen die Ergebnisse reflektiert und die damit verbundenen didaktischen Implikationen und ggf. Alternativen aufgezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Adjektiv und Adverb
2.1 Adjektiv
2.2 Adverb
3. Schulbuchanalyse Merkkästen.
3.1 Entwicklung der Merkkästen im Schulbuch - Tabelle
3.2 Analyse der Wortartendefinitionen der Merkkästen im Schulbuch
3.2.1 Merkkästen Adjektive
3.2.2 Merkkästen Adverbien
4. Schulbuchanalyse Aufgabenstellungen
4.1 Aufgabenstellungen zum Adjektiv
4.2 Aufgabenstellungen zum Adverb
5. Fazit.
6. Bibliographie
6.1 Primärliteratur
6.2 Sekundärliteratur
1. Einleitung
Der Grammatikunterricht war und ist etablierter Bestandteil des schulischen Deutschunterrichts, auch wenn dessen Sinn und Wirksamkeit oft diskutiert wird.1 Als obligatorische Kompetenzen sind im Kernlehrplan die Untersuchung sprachlicher Strukturen auf der Rezeptionsebene und auf der Produktionsebene die Fähigkeit, orthografisch und normgerecht schreiben zu können, implementiert.2 Im Inhaltsfeld Sprache stehen Sprache als „strukturiertes System“3 und die Reflexion über Sprache in Bezug auf Sprachwissen und die „Entfaltung von Sprachbewusstheit“4 im Fokus. Aus diesen Formulierungen geht bereits hervor, dass das Erreichen einer abstrakten metasprachlichen Ebene in Hinblick auf die Grammatikkenntnisse intendiert ist. Konkreter werden die Erwartungen im Kernlehrplan dahingehend formuliert, dass die verschiedenen Wortarten und Flexionsformen unterschieden werden, Wortbildungsstrukturen kennengelernt und Strukturen mithilfe verschiedener Proben untersucht werden sollen.5 Sowohl die routinierte, internalisierte Anwendung von Sprache als auch die Analyse ihrer Strukturen und Funktionen ist Teil der schulischen Vermittlung des Deutschen.
Dieser Anforderung tragen auch die Lehrmaterialien und Schulbücher Rechnung und bemühen sich, auf zumeist explizit als Grammatikteil gekennzeichneten Seiten, um die Vermittlung eben jener Grammatikkenntnisse. Von Relevanz ist dies allein schon aus dem Grund, dass laut einer Umfrage in Bayern über 80% der Lehrkräfte das Sprachbuch als Leitmedium ihres Unterrichtes zu Rate ziehen. Es ist stark anzunehmen, dass diese Tatsache nicht allein auf Bayern begrenzt ist, sondern sich ähnliche Befunde auch in NRW ergeben würden.6 Problematisch ist dabei die Tradition des Grammatikunterrichts als „simples Reiz-Reaktions-Schema“7, bei dem mit Beispielen angereicherte Merksätze Ausgangs- und Endpunkt des Lernens darstellten.8 Denn längst ist klar geworden, dass der Erkenntnisprozess zur Erfassung eines Phänomens eine entscheidende Rolle spielt.9
Gleichzeitig wird bereits bei der Sichtung linguistischer Forschungsliteratur deutlich, dass die Definition und Abgrenzung verschiedener Phänomene und Begrifflichkeiten nicht selten kontrovers diskutiert werden kann und im Laufe der Zeit einem stetigen Deutungswandel unterliegt. Davon ausgehend lässt sich auch für die Analyse von Schulbüchern fragen, inwiefern beispielsweise die Wortartenklassifikationen als grundlegender Kenntnisbereich im Schulunterricht transparent eingeführt und vermittelt werden. Daraus ergibt sich weitergehend die Frage, inwiefern die gegebenen Definitionen sich einerseits im Laufe der Schuljahre voneinander unterscheiden oder sich entwickeln und inwieweit sie andererseits für Sprachreflexion und -anwendung geeignet sind und welche didaktischen Implikationen damit einhergehen.
Aufgrund der Komplexität sowie auch der reinen Quantität an möglichen zu untersuchenden Aspekten wird eine Eingrenzung dieses Studienprojekts auf die exemplarische Untersuchung der Wortarten Adjektiv und Adverb und ihrer Thematisierung im Schulbuch vorgenommen. Von besonderer Relevanz ist dieser Untersuchungsgegenstand insbesondere durch die zahlreichen kontroversen Positionen zur Einordnung von Wörtern innerhalb dieser Terminologie und dem enormen Problemgehalt ihrer Abgrenzung voneinander sowie der Auswahl der dazu zu Hilfe genommenen Kriterien.10 Hans-Jörg Schwenk konstatiert im Zuge dessen gar die Notwendigkeit, eine neue Wortart einzuführen, die Adjektive und Adverbien gemeinsam kategorisiert.11 Zugleich handelt es sich keineswegs um Wörter, die, kaum gebraucht, an der Peripherie des Sprachsystems existieren würden, sondern um einen signifikanten Bestandteil der deutschen Sprache.
Daher werden im Rahmen dieser Arbeit Definitionen und Aufgabentypen zu Adjektiv und Adverb sowie insbesondere die kritische Frage nach der diffizilen Abgrenzung beider Wortarten voneinander, exemplarisch anhand der Schulbuchreihe Deutschbuch, vom Cornelsen Verlag veröffentlicht, über die Schuljahre von der 5. bis zur 10. Klasse hinweg, genauer in den Blick genommen.
Dazu wird zunächst ein Forschungsüberblick zu beiden Wortarten und der Problematik ihrer Unterscheidung gegeben, um anschließend auf die Definitionen und vergleichend auf die didaktische Umsetzung des Grammatikteils zu Adjektiv und Adverb in den Schulbüchern einzugehen. Außerdem werden deren Plausibilität und Legitimation sowie die Modifikationen im Verlauf der Schuljahre untersucht. Abschließend sollen die Ergebnisse reflektiert und die damit verbundenen didaktischen Implikationen und ggf. Alternativen aufgezeigt werden.
2. Adjektiv und Adverb
2.1 Adjektiv
Als erster Schritt zur Schulbuchanalyse ist es erforderlich, zunächst den Fokus auf den zentralen Untersuchungsgegenstand zu legen und die Wortarten Adjektiv und Adverb näher zu beleuchten. Üblich ist dabei die Einteilung von Wörtern nach semantischen (Bedeutung), morphologischen (Veränderbarkeit/Unveränderbarkeit - Deklination/Komparation/Konjugation) und syntaktischen (syntaktische Funktion) Kriterien.12
Adjektive gelten gemeinhin als deklinierbare Wörter, die „je nach ihrer syntaktischen Funktion flektiert oder unflektiert verwendet [werden]. Flektiert übernehmen sie Genus, Numerus und Kasus von dem Nomen, auf das sie bezogen sind“13. Besonders herausragendes Merkmal vieler, jedoch nicht aller Adjektive, sind die Komparationsformen, d.h. die Steigerungsfähigkeit der Adjektive von der Grundform Positiv über Komparativ und Superlativ ( Das morphologische Kriterium der Veränderbarkeit wird hier verdeutlicht). Syntaktisch werden Adjektive in drei prototypischen Funktionen verwendet: „attributiv zu einem Nomen (der x-ige Y - der alte Hund), prädikativ zu einem Kopulaverb (Y ist x-ig - Der Hund ist müde) und adverbial (Z y-t x-ig - Der Hund läuft langsam)“14. Weiterhin sind die Verwendung in sekundär attributiver Funktion zu Adjektiv, Adverb oder Präpositionalgruppe (z.B. unerwartet stark, erfreulich selten, kurz vor dem Ende) sowie die Nutzung in sekundär prädikativer Funktion möglich, bei der das Adjektiv als ein zu einem anderen Satzglied zugeordnetes Satzglied dient.15 Aus semantischer Perspektive lassen sich Adjektive in qualifizierende Adjektive, relationale Adjektive und absolute Adjektive unterteilen.16
Besonders problematische Aspekte bei der Bestimmung von Adjektiven und der Abgrenzung zu anderen Wortarten, insbesondere dem Adverb, sind das Kriterium der Komparierbarkeit und der Flektierbarkeit, da Adjektive auch nichtflektiert auftreten können und einige Adjektivklassen nicht kompariert werden. So ist es mindestens semantisch problematisch z.B. Farb- und Formadjektive zu komparieren und dadurch Konstruktionen wie grün - grüner - am grünsten oder rechteckig - rechteckiger - am rechteckigsten zu erhalten. Denn einige Adjektive sind in ihrer Bedeutung nicht graduierbar. Es ist möglich, schwanger zu sein oder nicht schwanger zu sein. Schwangerer oder am schwangersten hingegen ist semantisch kaum zu legitimieren. Höchstens im Vergleich zwischen zwei Schwangeren in unterschiedlichen Schwangerschaftsstadien wäre eine solche Abstufung hypothetisch konstruierbar, es handelt sich aber mindestens um einen Grenzfall. Ein Quadrat ist in seiner Bezeichnung endgültig, berechenbar festgelegt, quadratisch - quadratischer - am quadratischsten ist damit zwar vielleicht grammatisch möglich, erscheint jedoch sinnentleert.17
Ebenso problematisch verhält es sich mit der Flektierbarkeit als Merkmal des Adjektivs, da dieses, sofern es nicht attributiv verwendet wird, häufig unflektiert im Satz vorkommt und sich damit nicht unmittelbar als flektierbar zu erkennen gibt. Dadurch wird oft auch die Abgrenzung zum Adverb erschwert, was in den folgenden Ausführungen noch genauerer Untersuchung unterzogen wird.
2.2 Adverb
Das Adverb wird definiert als „nichtflektierbare, einfache Einheit mit lexikalischer Bedeutung, die nicht, oder nicht nur, auf Substantive, und die prototypisch auf Sätze beziehbar ist.18 Häufig wird zudem gesagt, dass das Adverb, im Gegensatz zum Adjektiv, das Verb näher bestimme. Der überwiegende Teil der Adverbien weise die Gemeinsamkeit auf, dass sie Sätzen beliebiger Form nebengeordnet sein könnten und als Adverbiale zum Satz fungierten, anders sei es lediglich bei den Frageadverbien.19
Aus topologischer Perspektive lassen sich Adverbien als vorfeldfähige Wörter definieren, was sie von anderen unflektierbaren Wortarten unterscheidet und damit eine Abgrenzung, zu den Konjunktionen beispielweise, ermöglicht. Die Vorfeldprobe stellt also ein wirksames Hilfsinstrument dar, um Adverbien zu erkennen.20
Problematisch stellt sich die Abgrenzung der Wortart der Adverbien zu den Partikeln und den unflektierten Adjektiven dar, wie schon im Vorherigen angedeutet wurde.21 Ein häufiges Missverständnis, gerade auch im Kontext von Schulgrammatik, entsteht hinsichtlich der Unterscheidung von Nichtflektiertheit und Nichtflektierbarkeit. Denn wenn allein der nichtflektierte Zustand als Kriterium geltend gemacht wird, ist fraglich, inwiefern z.B. das prädikative Adjektiv, das nichtflektiert auftritt, einzuordnen ist. In der prototypischen Funktion des Adjektivs als Attribut tritt dieses nach Kasus, Numerus und Genus flektiert auf, in anderen Funktionen bleibt es jedoch konkret unflektiert, was bei einer reinen Kategorisierung nach Flektiertheit eines Wortes im Satz zu eminenten Schwierigkeiten führt.22 Ausdrücke wie , laut’ in ,Paula schreit laut’ werden auch als adverbiale Adjektive oder adjektivische Adverbien bezeichnet, was schon in dieser paradoxen Verschränkung der Bezeichnungen die Problematik einer präzisen Kategorienfestlegung entlarvt.23 So werden einige Wörter in Abhängigkeit von ihrer Verwendung klassifiziert und die enge Verschränkung beider Wortarten auf die soeben beschriebene Weise terminlogisch erfasst.24
Abgesehen davon werden Grenzen der Wortarten in Wortbildungsprozessen oft mittels Transposition überwunden, auch hier stoßen einige Kriterien, die zur Wortartendefinition herangezogen werden, an Grenzen.25 So können aus Adjektiven Adverbien abgeleitet werden und umgekehrt (z.B.: sicher - sicherlich; gestern - gestrig ).26
Schwierig wird es auch bei der Abgrenzung eines Wortes wie , eben’, das sich in verschiedene Wortarten einteilen lässt :
(1) Eben ist er angekommen. → Adverb
(2) Die Fläche ist eben. → Adjektiv
(3) Das ist eben so. → Abtönungspartikel
(4) Eben deine Frau habe ich gestern angerufen. → Fokuspartikel27
[...]
1 vgl. Hochstadt, Christiane/Krafft, Andreas/Ohlsen, Ralph: Deutschdidaktik. Konzeptionen für die Praxis. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Tübingen 2015 (im Folgenden zitiert als: Hochstadt: Deutschdidaktik), S. 212f.
2 vgl. Kernlehrplan für die Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen. Deutsch. Heft 3409. 1. Aufl. Düsseldorf 2019 (im Folgenden zitiert als: KLP Sek I), S.16.
3 KLP Sek I, S. 14.
4 KLP Sek I, S. 14.
5 vgl. KLP Sek I, S. 17.
6 vgl. Bräuer, Anna: Grammatikvermittlung im Sprachbuch für die Sekundarstufe I am Beispiel der Wortartenklassifikation. In: Kiesendahl, Jana/Ott, Christine (Hrsg.): Linguistik und Schulbuchforschung. Gegenstände - Methoden - Perspektiven (Studien des Georg-Eckert-Instituts zur internationalen Bildungsmedienforschung Bd. 137). Göttingen 2015, S. 303-318 (im Folgenden zitiert als: Bräuer: Grammatikvermittlung), hier: S. 303f.
7 Noack, Christine & Ossner, Jakob: Grammatikunterricht und Grammatikterminologie. In: Grammatikunterricht und Grammatikterminologie (Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 79). Duisburg 2011 (im Folgenden zitiert als: Noack/Ossner: Grammatikunterricht), S.8.
8 vgl. Noack/Ossner: Grammatikunterricht, S. 8.
9 vgl. Hoffmann, Ludger: Zwischen wissenschaftlicher Grammatik und Schulgrammatik: die Terminologie. In: Grammatikunterricht und Grammatikterminologie (Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 79). Duisburg 2011, S. 33-56 (im Folgenden zitiert als: Hoffmann: Terminologie), hier: S.35.
10 vgl. Telschow, Claudia: Die Adjektiv-Adverb-Abgrenzung im Deutschen. Zu grundlegenden Problemen der Wortartenforschung (Reihe Germanistische Linguistik 299). Berlin/Boston 2014, S. 1. (im Folgenden zitiert als: Telschow: Die Adjektiv-Adverb-Abgrenzung).
11 vgl. Schwenk, Hans-Jörg: Sind Adjektiv und Adverb verschiedene Wortarten? Deutsche Wortarten im Visiert (Lubliner Beiträge zur Germanistik und angewandten Linguistik Bd. 4). Frankfurt a.M. 2015, S.73.
12 vgl. Ossner, Jakob: Sprachdidaktik Deutsch. Eine Einführung für Studierende (StandardWisen Lehramt), 2. überarbeitete Aufl. Paderborn u.a. 2006, S. 209f.
13 Boettcher, Wolfgang: Grammatik verstehen Bd. 1: Das Wort. Tübingen 2009 (im Folgenden zitiert als: Boettcher: Grammatik), S. 116.
14 Boettcher: Grammatik, S. 116f.
15 vgl. Boettcher: Grammatik, S. 119.
16 vgl. Boettcher: Grammatik, S. 117.
17 vgl. Eisenberg, Peter: Das Wort. Grundriss der deutschen Grammatik Bd. 1. 3. durchgesehene Auflage. Stuttgart/Weimar 2006 (im Folgenden zitiert als: Eisenberg: Das Wort), S.183.
18 Eisenberg, Peter. Der Satz. Grundriß der deutschen Grammatik. 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stutgart/Weimar 2004 (im Folgenden zitiert als: Eisenberg: Der Satz), S. 210.
19 vgl. Eisenberg: Der Satz, S. 221.
20 vgl. Boettcher: Grammatik, S. 133.
21 vgl. Eisenberg: Der Satz, S. 208.
22 vgl. Eisenberg: Der Satz, S.237.
23 vgl. Eisenberg: Der Satz, S.223.
24 vgl. Telschow: Die Adjektiv-Adverb-Abgrenzung, S. 27.
25 vgl. Bergmann, Rolf/Pauly, Peter/Stricker, Stefanie: Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Darmstadt 2001, S. 69.
26 vgl. Boettcher: Grammatik, S. 132.
27 Anmerkung: Die hier angeführten Beispielsätze sind entnommen aus auf einer Power Point Präsentation von Fr. Dr. Thißen basierenden Mitschriften aus einem ihrer Grammatikseminare.