Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem der einflussreichsten Pädagogen im 20. Jahrhundert: John Dewey. Als Philosoph und Pädagoge der Demokratie und Vertreter des Pragmatismus sind Deweys Ideen fest im amerikanischen Erziehungsdenken verwurzelt. Thematisiert werden Deweys Fragen nach der Bedeutung der Erziehung in der demokratischen Gesellschaft und der Erfahrungsbegriff in seiner Definition von Erziehung, wobei sein Werk „Demokratie und Erziehung“ hier die Grundlage ist. Ein kleiner Überblick über sein Leben und Wirken, die historischen Bedingungen und die gesellschaftlichen Umwälzungen in Amerika sowie über die reformpädagogischen Entwicklungen ist unumgänglich, da sie Deweys pädagogische Fragestellungen maßgeblich beeinflussten.
Dewey wird in Deutschland als Philosoph weniger beachtet denn als Reformpädagoge. Erst in den letzten Jahren sind einige seiner philosophischen Schriften publiziert worden. Seine Erziehungstheorie hingegen wird hier im Grundschulunterricht berücksichtigt. Vor allem beeinflusst sie die Vermittlung von Sachthemen im Sachunterricht in Abhängigkeit von den kindlichen Entwicklungsphasen.
Die Reformpädagogik, die Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts stattfand, ist geprägt durch zahlreiche einzelne Bewegungen verschiedener Nationalitäten. Der nationale Austausch konnte besonders durch die New Education Fellowship gefördert werden, denn durch sie wurde der internationale Erfahrungsaustausch in breitem Umfang erst ermöglicht und intensiviert. Die Reformpädagogen waren sich zu diesem Zeitpunkt einig, dass sich das Schulsystem verändern musste und setzten sich damit auseinander. Vor allem setzten sie sich für eine kindgerechte Schule ein, um so selbstständige Menschen zu erziehen und dadurch einen Beitrag zur Bildung einer neuen demokratischen Gesellschaft zu leisten.
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Inhaltsverzeichnis
Einführung
I. Historischer Kontext:
Amerika im Umbruch in den zwanziger Jahren
II. Reformpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland
III. Leben und Wirken
Kindheit und Jugend
Studienzeit, Tätigkeit als Lehrer und Professor
Die Projektmethode heute
IV. Deweys Erziehungstheorie in Bezug auf die demokratische Gesellschaft
Erziehung zwischen Individuum und Gesellschaft
Zweideutigkeit des Begriffs „Gesellschaft“
Das demokratische Ideal
Erziehung als Einführung in Kultur und Gesellschaft
Zusammenfassende Aspekte
Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Weitere verwendete Literatur:
Internetseiten:
Einführung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem der einflussreichsten Pädagogen im 20. Jahrhundert: John Dewey. Als Philosoph und Pädagoge der Demokratie und Vertreter des Pragmatismus sind Deweys Ideen fest im amerikanischen Erziehungsdenken verwurzelt. Thematisiert werden Deweys Fragen nach der Bedeutung der Erziehung in der demokratischen Gesellschaft und der Erfahrungsbegriff in seiner Definition von Erziehung, wobei sein Werk „Demokratie und Erziehung“ hier die Grundlage ist. Ein kleiner Überblick über sein Leben und Wirken, die historischen Bedingungen und die gesellschaftlichen Umwälzungen in Amerika sowie über die reformpädagogischen Entwicklungen ist unumgänglich, da sie Deweys pädagogische Fragestellungen maßgeblich beeinflussten.
Dewey wird in Deutschland als Philosoph weniger beachtet denn als Reformpädagoge. Erst in den letzten Jahren sind einige seiner philosophischen Schriften publiziert worden. Seine Erziehungstheorie hingegen wird hier im Grundschulunterricht berücksichtigt. Vor allem beeinflusst sie die Vermittlung von Sachthemen im Sachunterricht in Abhängigkeit von den kindlichen Entwicklungsphasen.
Die Reformpädagogik, die Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts stattfand, ist geprägt durch zahlreiche einzelne Bewegungen verschiedener Nationalitäten. Der nationale Austausch konnte besonders durch die New Education Fellowship gefördert werden, denn durch sie wurde der internationale Erfahrungsaustausch in breitem Umfang erst ermöglicht und intensiviert. Die Reformpädagogen waren sich zu diesem Zeitpunkt einig, dass sich das Schulsystem verändern musste und setzten sich damit auseinander. Vor allem setzten sie sich für eine kindgerechte Schule ein, um so selbstständige Menschen zu erziehen und dadurch einen Beitrag zur Bildung einer neuen demokratischen Gesellschaft zu leisten.
I. Historischer Kontext:
Amerika im Umbruch in den zwanziger Jahren
Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich Amerika zur führenden Wirtschafts- und Industrienation. Die Theorien des Fordismus ermöglichten eine rasante wirtschaftliche Entwicklung und Modernisierung der Produktion[2]. Die amerikanischen Wirtschaftsunternehmen machten enorme Profite, denn Serienfabrikation und Rationalisierungsmaßnahmen steigerten die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Industrie.[1]
Die Schattenseite der Goldenen Zwanziger waren die miserablen Arbeits- und Wohnbedingungen der Arbeiterschaft. Die Umstellung auf eine Friedenswirtschaft bewirkte niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten und hatte Streiks zur Folge[3].
Nach dem Krieg kam es zur Umsturzpsychose (1919-20), der so genannten Red Scare, einer antikommunistischen Welle, die ihren Höhepunkt in den Palmer Raids, einer großen Verfolgung linker Organisationen durch Justizminister Alexander Mitchell Palmer, findet. Streiks, Bombenattentate und Gewalttaten prägten diese Zeit.
Mit dem Beistand der von Henry Ford in Dearborn herausgegebenen Zeitung ,,Independent"[4] wurde der Antisemitismus öffentlich. Der Ku-Klux-Klan wurde rasch zu neuem Leben erweckt. Durch rassistische, antikatholische, antisemitische Anhänger gefördert, wütete der Klan mit fünf Millionen Mitgliedern im Süden und Mittelwesten.
Die Methode der republikanischen Regierung möglichst wenig zu regieren, zog Korruptionsskandale in vielen Teilen der Gesellschaft nach sich. Besonders die Militarisierung und Tendenz, Konflikte mit Gewalt zu lösen führten zu Kritik und Zweifel am demokratischen System der USA.
Die Ideale der amerikanischen Demokratie und das politische System der USA waren jetzt besonders gefährdet durch die einseitige Inanspruchnahme von mächtigen Interessenverbänden. Dewey sah diese Gefahr und forderte daher eine neue Gestaltung des gesamten Erziehungs- und Ausbildungswesens in Hinblick auf eine Demokratisierung gesellschaftlicher Institutionen und Einrichtungen.
II. Reformpädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Interessen der Industriellen Revolution und die der Anhänger der Kaiserzeit in Deutschland noch stark verbreitet. Die Umwälzung auf technischem Gebiet beeinflussten noch nicht die traditionellen gesellschaftlichen Wertevorstellungen. Doch die Weimarer Republik ermöglichte erstmals eine Verbreitung von demokratischen Gedankengut und der Entwicklung einer starken Arbeiterbewegung. Denn die Weimarer Republik schrieb dem Bildungswesen eine zentrale Rolle auf dem Wege zur Demokratisierung zu. In der Verfassung forderten mehrere Artikel Veränderungen, in deren Zentrum die Abschaffung des ständisch gegliederten Schulwesens mit seiner starken Unterscheidung des niederen und des höheren Schulwesens stand. Die praktische Ausgestaltung eines demokratischen Schulwesens konnte allerdings nur im Konsens mit den beteiligten gesellschaftlichen Kräften gelingen. Doch bei der dafür abgehaltenen Reichsschulkonferenz von 1920 konnten sich die Vertreter des Bildungswesens nicht einigen[5]. Aufgrund dieser Uneinigkeit und den Meinungsverschiedenheiten zwischen den Reformpädagogen, entstanden fünf große Richtungen der Reformpädagogik: die Kunsterziehungsbewegung, die Landerziehungsbewegung, die Jugendbewegung, die Arbeiterschulbewegung und die Bewegung „vom Kinde aus“. Diese fünf Richtungen werden im Folgenden kurz vorgestellt[6].
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstand die Kunsterziehungsbewegung im Widerspruch zum bis dahin geltenden Bildungsideal, das dem Schüler meist eine passivrezeptive Rolle zuwies und das den Kunstunterricht in eine didaktische Nebenrolle drängte. Vertreter wie Alfred Lichtwark[7], Adolf Jensen und Heinrich Scharrelmann stellten die Förderung der Kreativität der Kinder in den Mittelpunkt. Die Schule sollte nicht nur intellektuelles Faktenwissen vermitteln, sondern die schöpferischen Kräfte im Kind wecken. Die Kunsterziehung befasst sich nicht nur mit Zeichen- und Werkunterricht, sondern auch mit Sprachen, Dichtung und Musik. Sie sollte ein Prinzip der neuen Erziehung und kein isoliertes Fach sein.[8]
Die Pädagogen der Landerziehungsbewegung wie Hermann Lietz[9], Paul Geheeb[10] und Kurt Hahn[11] wollten die jungen Menschen von einer scharf kritisierenden Zivilisation fernhalten und ihnen ein Leben ermöglichen, bei dem die körperlichen, seelischen und intellektuelle Kräfte gleichermaßen angesprochen werden. Die Befürworter gingen davon aus, dass die Umgebung, in welcher ein Kind aufwächst, nicht nur förderlich sein kann. Wie der Name der Bewegung schon zum Ausdruck bringt, sollen die Kinder in ländlichen Gegenden aufwachsen und nicht in der Stadt. Die Erziehung geht über den Schulunterricht hinaus. So sollen die Kinder nicht nur zur Gemeinschaft erzogen werden, sondern die Landschulheime selbst sollen eine solche Gemeinschaft darstellen. Hierbei leben die Schüler gemeinsam und erleben und lernen Verantwortung zu übernehmen.
Bekannte Vertreter der Jugendbewegung (ab 1896) waren Ludwig Gurlitt, Gustav Wyneken[12] und Hermann Hoffmann. Sie beschäftigten sich mit dem Verhältnis des neuen Lebensgefühls und mit dem Generationskonflikt. Es bildeten sich zahllose Vereinigungen wie die Wandervögel, die Pfadfinder oder die Boyscouts. Sie widmeten sich speziell der Abenteuerlust der Jugendlichen und legten Wert auf eine gesunde Lebensführung. Die Jugendbewegung wehrte sich gegen die Lebensentfremdung, eine bloße Wissenskultur, die Einspannung von Menschen in Organisationen und gegen die Schulerziehung.
Die Vertreter der Arbeiterschulbewegung (Beginn des 20. Jahrhunderts) versuchten eine Verbindung zwischen den geistigen und praktischen Tätigkeiten zu schaffen. Die Durchführung einer handwerklichen Tätigkeit und deren Resultat, sollen die Schüler positiv motivieren und zum Lernen anregen. Einige Vertreter dieser Bewegung waren Georg Kerschensteiner[13], Hugo Gaudig[14], Robert Seidel und Pawel P. Blonskij[15].
Die Befürworter der Bewegung „vom Kinde aus“ (Beginn des 20. Jahrhunderts) wandten sich gegen äußerliche Einflüsse auf das Kind, da sich das Kind aus eigener Kraft entwickeln wird. Erziehung bedeutet für sie das „Wachsen lassen“ des Kindes. Die Aufgabe der Pädagogen besteht nur darin, dem Kind Freiräume für seine Entwicklung zu schaffen. Diese Bewegung wurde von Maria Montessori[16], Heinrich Scharrelmann und in besonders radikaler Form von Alexander S. Neill[17] unterstützt.
Am Anfang der Reformpädagogik stand die kritische Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Kultur, Bildung und Erziehung. Den pädagogischen Kern bildete eine neue pädagogische Orientierung vom Kinde aus, die im Gegensatz stand zu den bis dahin die Erziehung bestimmenden Forderungen und Maßstäben der Erwachsenen als Träger ihrer gesellschaftlichen Ordnung.
Die Reformpädagogik verstand Erziehung vorwiegend als ein Sichanschließen an die natürliche Selbstentwicklung des Heranwachsenden in seiner Umwelt. In diesem Zusammenhang kam die Sorge auf, dass Zwang, feste Führung und Autorität der freien natürlichen Entwicklung Schaden zufügen könnte.
Der Ansatzpunkt der Reformpädagogik beim einzelnen Kind wurde durch das pädagogische Gemeinschaftsprinzip ergänzt. Dies meint, dass Erziehung sich immer in der Gesellschaft vollzieht, indem deren Glieder sich gegenseitig erziehen und, dass die Gemeinschaft ein Hauptziel der Erziehung darstellt.
Rezeptionsgeschichtlich ist zu vermerken, dass ab Mitte der 80er Jahre verstärkt reformpädagogisches Gedankengut wieder aufgenommen wird. Etwa ab diesem Zeitpunkt werden offene Unterrichtsformen erprobt wie Stationenlernen bzw. Lernzirkel, Projektunterricht Wochenplan- und Tagesplanarbeit sowie Freiarbeit.
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[1] vgl. dtv-Atlas Weltgeschichte Band 2: Zeit zwischen den Weltkriegen, 2005, S. 423
[2] Nach den Theorien des Fordismus sollten hohe Löhne und dadurch steigende Nachfrage das Heilmittel gegen wirtschaftliche Krisen sein. So bildete sich zum ersten Mal eine Konsum- und Wohlstandsgesellschaft heraus.
[3] vgl. Nye, R. B. / Morpurgo, J. E.: Geschichte der USA. München, 1964, S. 667
[4] vgl. http://de.wikipedia.org, 15. August 2008
Henry Ford (1863-1947) perfektionierte konsequent die Fließbandtechnik im Automobilbau. Sein Konzept der modernen Fertigung von Fahrzeugen revolutionierte nicht nur die industrielle Produktion, sondern hatte auch starken Einfluss auf die moderne Kultur (Fordismus). Nachdem sich Henry Ford größtenteils aus dem Geschäft der Ford Motor Company zurückgezogen hatte, widmete er viel Zeit der Herausgabe einer Zeitung, dem Dearborn Independent, welche er 1919 gekauft hatte. In den acht folgenden Jahren Zeitung verbreitete das Blatt antisemitische Artikel.
[5] vgl. Wiechmann: Schulpädagogik, 2003, Seite 66
[6] http://www.edu.lmu.de, 20. August 2008
Von der genannten Website stammen auch die persönlichen Daten der im folgenden Text genannten Personen.
[7] Alfred Lichtwark (1852-1914) gilt als wichtigster Wegbereiter der Museumspädagogik.
[8] vgl. Lichtwark, Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken , 1909
[9] Hermann Lietz (1868-1919) gilt als Begründer der Landerziehungsbewegung und gründete infolgedessen viele Schulen. Er kritisierte die bürgerliche Gesellschaft und forderte daher die Erziehung fernab der Gesellschaft.
[10] Paul Geheeb (1970-1960) ist ebenfalls ein wichtiger Wegbereiter der Landerziehungsheimbewegung mit seinem Prinzip der Erziehung zum wahren Menschen fernab der Übel der Großstädte und der Zivilisation.
[11] Kurt Hahn (1886-1974) gilt als Vertreter der Erlebnispädagogik.
[12] Gustav Wyneken (1875-1964) verfolgte als Vertreter der Jugendbewegung die musisch-kreative Erziehung, Koedukation; zudem war er Vorreiter der Sexualerziehung.
[13] Georg Kerschensteiner (1854-1932) vertrat Reformprojekte innerhalb des staatlichen Schulwesens nach den Prinzipien der Menschenbildung durch Berufsbildung.
[14] Hugo Gaudig (1860-1923) vertrat Reformprojekte innerhalb des staatlichen Schulwesens nach den Prinzipien des Gruppenunterrichts, Projektunterrichts und geistiger Arbeit.
[15] Pawel Petrowitsch Blonskij (1884-1941) gilt als Vertreter der Arbeiterschulbewegung.
[16] Maria Montessori (1870-1952) gründete weltweit Schulen, in denen mit Montessorimaterial nach der Methode der Freiarbeit unterrichtet wird. Die Pädagogik geht vom Kinde aus nach der Formel „Hilf mir es selbst zu tun“. Vlg. Hierzu Waldschmidt: Maria Montessori. Leben und Werk, 2001
[17] Alexander Sutherland Neill (1883-1973) war im Jahre 1921 Mitbegründer der Freien Schule Hellerau/Dresden und drei Jahre später 1924 der Internatschule Summerhill.
- Arbeit zitieren
- Rebecca Borger (Autor:in), 2008, Erziehung, demokratische Gesellschaft und Erfahrung in Hinblick auf John Deweys Erziehungstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/116932