Die vorliegende Arbeit behandelt den Text "Humanitäre Interventionen sind unrecht" von Rüdiger Bittner. Der Konflikt zwischen den Kosovo-Albanern und den Serben reicht bis ins Mittelalter. Ab dem Zeitpunkt gab es immer wieder Vereinigungen und erneute Spaltungen beider Völker. 1974 erhielt Kosovo weitgehende Autonomierechte, die im Jahre 1989 unter Milosevic wieder entzogen wurden. Unter seiner Regierung diskriminierte man Kosovo-Albaner und verdrängte sie aus dem öffentlichen Leben. Daraufhin gründeten diese unterschwellig eine eigene Regierung. Daneben agierte die Befreiungsarmee Kosovo UCK mit Gewalt gegen serbische Staatsdiener und Einrichtungen. Diese wiederum gingen auf die albanische Bevölkerung zu. Immer wieder gab es Vorfälle bis es sich 1998 zuspitzte.
Die Vereinten Nationen (UN), welche für den Weltfrieden und soziale Gerechtigkeit einstanden, halfen beiden Völkern bei Verhandlungen. Jedoch blieben diese erfolglos, weil Milosevic sich der Einwilligung verweigerte. Die NATO, das Verteidigungsbündnis der UN, sah nur eine Lösung, nämlich einen Luftangriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro). 200.000 Serben flüchteten aus der Provinz und die Streitkräfte, die Kosovos Dörfer eingenommen haben, zogen sich zurück. Interessant ist für diese Arbeit die Tatsache, dass die NATO, welche die Ideologie vertritt: „Angriffskriege sind verboten“, zum ersten Mal eine Ausnahme machte. Der Kosovokrieg wird nicht als (normaler) Krieg angesehen, sondern als Humanitäre Intervention begründet.
Das Wort hört sich erstmal sehr positiv an, doch „Humanitäre Interventionen sind höchst umstrittene Formen militärischer Gewaltanwendung mit dem Ziel der Vermeidung und Beendigung schwerer Menschenrechtsverletzungen. Eine humanitäre Intervention findet statt, wenn ein Staat, eine Gruppe von Staaten oder eine internationale Vereinigung militärisch in einem fremden Luftraum oder Staatsgebiet interveniert, um die Bevölkerung des fremden Staates vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen.“ Mit Gewalt sollen also Menschenrechte geschützt werden. Dies ist ein durchaus kontroverses Thema, welches Rüdiger Bittner in seinem Text am Beispiel des Kosovo-Krieges aufgreift. Zwar ist der Krieg schon viele Jahre her, doch die Idee von humanitären Interventionen ist immer noch beständig. Deshalb ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema für eine eigene Meinungsbildung notwendig.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Textrekonstruktion
2.1 Aufbau der Argumentation
2.2 ErstePrämisse
2.2.1 Doppelwirkungsargument
2.2.2 Instrumentalisierungsverbot
2.3 Zweite Prämisse
2.3.1ErsterUnterschied
2.3.2 Zweiter Unterschied
2.3.3 DritterUnterschied
2.3.4 VierterUnterschied
2.3.5 FünfterUnterschied
2.4 BittnersErgebnis
3. Kritik
3.1 Argumentation der ersten Prämisse
3.2 Argumentation der zweiten Prämisse
4. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“- Mahatma Ghandi
Kriege werden seit tausenden von Jahren geführt und bringen den Menschenjedes Mal viel Leid. Niemand möchte, dass seiner Familie solch ein Schicksal trifft, wie Milliarden Menschen zuvor. Doch Gründe für Kriege finden sich immer. Es reicht allein, wenn zwei Parteien gegensätzliche Meinungen vertreten und zu einer gemeinsamen Verhandlung unfähig sind, wie im Falle Jugoslawiens. Kurz schildere ich die Vorgeschichte, die für ein gewisses Verständnis der Situation und dem folgenden Text dienen soll.
Der Konflikt zwischen den Kosovo- Albanern und den Serben reicht bis ins Mittelalter. Ab dem Zeitpunkt gab es immer wieder Vereinigungen und erneute Spaltungen beider Völker. 1974 erhielt Kosovo weitgehende Autonomierechte, die im Jahre 1989 unter Milosevic wieder entzogen wurden. Unter seiner Regierung diskriminierte man Kosovo- Albaner und verdrängte sie aus dem öffentlichen Leben. Dies wollten sie sich nicht mehr gefallen lassen und gründeten unterschwellig eine eigene Regierung. Daneben agierte die Befreiungsarmee Kosovo UCK mit Gewalt gegen serbische Staatsdiener und Einrichtungen. Diese wiederum gingen auf die albanische Bevölkerung zu. Immer wieder gab es Vorfälle bis es sich 1998 zuspitzte. Die Vereinten Nationen (UN), welche für den Weltfrieden und soziale Gerechtigkeit einstanden, halfen beiden Völkern bei Verhandlungen. Jedoch blieben diese erfolglos, weil Milosevic sich der Einwilligung verweigerte.1 Die NATO, das Verteidigungsbündnis der UN, sah nur eine Lösung, nämlich einen Luftangriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro). „200.000 Serben flüchteten aus der Provinz“2 und die Streitkräfte, die Kosovos Dörfer eingenommen haben, zogen sich zurück. Der weitere Verlauf der Geschichte ist für diese Arbeit zunächst unwichtig. Interessant ist die Tatsache, dass die NATO, welche die Ideologie vertritt: „Angriffskriege sind verboten“3, zum ersten Mal eine Ausnahme machte. Der Kosovokrieg wird nicht als (normaler) Krieg angesehen, sondern als Humanitäre Intervention begründet.4 Das Wort hört sich erstmal sehr positiv an, doch „Humanitäre Interventionen sind höchst umstrittene Formen militärischer Gewaltanwendung mit dem Ziel der Vermeidung und Beendigung schwerer Menschenrechtsverletzungen. Eine humanitäre Intervention findet statt, wenn ein Staat, eine Gruppe von Staaten oder eine internationale Vereinigung militärisch in einem fremden Luftraum oder Staatsgebiet interveniert, um die Bevölkerung des fremden Staates vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen.“5
Mit Gewalt sollen also Menschenrechte geschützt werden. Dies ist ein durchaus kontroverses Thema, welches Rüdiger Bittner in seinem Text am Beispiel des KosovoKrieges aufgreift. Zwar ist der Krieg schon viele Jahre her, doch die Idee von humanitären Interventionen ist immer noch beständig. Deshalb ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema für eine eigene Meinungsbildung notwendig.
2. Textrekonstruktion
Das Buch „Humanitäre Interventionsethik. Was lehrt uns der Kosovo-Krieg?“ herausgegeben von Meggle ist ein Sammelband aus vielen Texten verschiedener Autoren und behandelt den Kosovo-Krieg aus unterschiedlichsten Perspektiven. Dazugehörig ist auch Rüdiger Bittners Text mit der klaren Botschaft: Humanitäre Interventionen sind unrecht.
2.1 Aufbau der Argumentation
Bittner entschied sich dafür, seine vollständige Argumentation anhand eines Analogiebeispiels zu verdeutlichen. Demnach erzählt er zuerst eine Geschichte bevor er zu argumentieren beginnt. Diese handelt von einem Herrn Clinton, welcher Herrn Norman bittet, eine Frau Petrovic umzubringen. Diese Tat soll als eine Widerstandsaktion gegen Herrn Milosevic dienen, um einen Herrn Pernat zu schützen, da dieser sonst von Herrn Milosevic umgebracht werden würde, so wie er es zuvor mit anderen praktizierte.
Diese Geschichte gleicht der Situation, die während einer humanitären Intervention vorherrscht. Clinton war der damalige US-Präsident und steht in der Geschichte an Stelle der NATO. Milosevic war der damalige Präsident von Jugoslawien und führte einen Bürgerkrieg, bei dem viele unschuldige albanische Mitbürger ums Leben kamen. Diese stehen in der Geschichte unter dem Namen Pernat. Die geopferte Frau Petrovic symbolisiert serbische Bürger, die von dem NATO-Angriff betroffen waren, nur um ihren Präsidenten zum Umdenken zu bewegen und den Bürgerkrieg zu stoppen.
Demnach formuliert er die Leitfrage: Dürfen wir Dritte töten, oder vielleicht sogar: sollen wir sie töten, wenn damit das Töten anderer verhindert werden kann? Seine Antwort lautet nein, Clinton tut unrecht. Demnach ist seine These: Humanitäre Interventionen sind unrecht. In seiner Argumentation stellt und erläutert er zwei Prämissen, die zu einer Konklusion und somit der Bestätigung seiner These führt.
2.2 Erste Prämisse
Die erste Prämisse lautet: Clinton lulzu Beginn der Geschichte unrecht.6
Dabei geht es Bittner nicht darum, dass das Töten injedem Fall unrecht sei. „Wer sich selbst das Leben nimmt, oder wer einen anderen auf dessen Bitte tötet, der tut nicht injedem Fall unrecht.“7 Außerdem ist das Argument der Grenzüberschreitung für ihn ebenfalls belanglos: „Ländergrenzen sind eine historische Zufälligkeit.“8 Der entscheidende Grund ist, dass unbeteiligte Dritte ihr Leben verlieren.
Das Töten eines Menschen zum Ziel eines anderen, das nicht sein Ziel ist, ist Bittners springender Punkt. Mit dem Tod von Frau Petrovic würde man das Leben von anderen kaufen und sie somit verheizen. Ihm ist es ganz gleich, „ob ihr Tod selbst es ist, der dazu dient, Milosevic von weiterem Töten abzuhalten, oder ob ihr Tod nur eine selbst nicht angestrebte, aber vorausgesehene und in dem Kauf genommene Folge einer anderen Maßnahme ist“9. Beides ist seiner Meinung nach nicht zumutbar. Doch es gibt Menschen, die dies wohl unterscheiden.
2.2.1 Doppelwirkungsargument
An dieser Stelle wendet er ein, dass dieser Unterschied durchaus entscheidend für diejenigen ist, welche mit der Doppelwirkung argumentieren. Bei dieser Art der Argumentation wird eine negative Folge einer positiv motivierten Handlung in Kauf genommen. Es heißt: „Der Handelnde darf die schlechte Wirkung nicht positiv wollen, darf sie aber zulassen. Wenn er die gute ohne die schlechte Wirkung erzielen kann, dann sollte er dies tun.“10 Sprich, eine Bombardierung eines Öllagers, um Milosevic zu stoppen wäre zulässig, auch wenn man den Tod von Frau Petrovic in Kauf nehmen müsste. Direktes Töten ist aber selbst hier ausgeschlossen. Das Doppelwirkungsargument ist für Bittner eine „bloße Spitzfindigkeit“11. Den Einwand beendet er mit dem folgenden Satz: „Wirklich rechnen wir uns sowohl die Wirkungen unseres Handelns zu, um die es uns dabei positiv zu tun war, wie auch diejenigen, die wir nur in den Kauf genommen haben.“12
2.2.2 Instrumentalisierungsverbot
Um seine Prämisse zu bestärken, nimmt er Bezug zu Kant. Allerdings betont er, dass Kants Prinzip nur eine historische Bemerkung und kein Argument sei, denn dies ist zu umstritten. Dennoch ist Kant nach Bittner erwähnenswert, denn er trifft „unsere normalen moralischen Überzeugungen“13, wenn er behauptet, „dass Menschen nie als bloßes Mittel behandelt werden dürfen, ohne dessen Interessen zu berücksichtigen.“14
Zwar erwähnt Bittner auch das Gegenlager, also die utilitaristische Ansicht, welche Menschenopfer nicht verkehrt ansieht, solange genügend Gutes dabei herausspringt. Allerdings entkräftet er dies sofort mit dem Beispiel der Organabgabe eines gesunden Menschen auf fünf kranke.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Benutzen unbeteiligter Menschen, selbst für einen guten Zweck, ist für Bittner somit moralisch verboten. Demnach hat er die Leitfrage beantwortet: Wir dürfen keine Dritte töten, um das Töten anderer zu verhindern.
2.3 Zweite Prämisse
Die bisherige Argumentation beruhte auf dem zu Beginn eingeführten Analogiebeispiel. Dem Leser können die Unterschiede zwischen der Geschichte und humanitärer Intervention auffallen und die gesamte Argumentation würde in Frage gestellt werden. Diese Chance nutzt Bittner für eine zweite Prämisse: „die Geschichte vom Anfang stellt die Grundform Humanitärer Interventionen dar, und sie unterscheidet sich von diesen nicht in moralisch
[...]
1 Rütsche, Norbert: Kosovo - ein Überblick über die Geschichte. (2008) URL: http://archiv.eurotopics.net/de/home/presseschau/archiv/magazin/politik-verteilerseite/kosovo-2008- 03/kosovo_ueberblick_geschichte/ [Stand: 25.02.2019],
2 Vgl. Ivanji, Andrej: Wie es zum Krieg im Kosovo kam. (15. Mai 2018, 10:55 Uhr) URL: https://www.mdr.de/heute-im-osten/ostblogger/wie-es-zum-Krieg-im-Kosovo-kam-100.html [Stand: 25.02.2019],
3 Vgl. Meggle, Georg: Humanitäre Interventionsethik. Paderborn: mentis Verlag GmbH 2004, S.9.
4 Vgl. ebd.
5 Vgl. Rinaldi, Stefanie: Humanitäre Interventionen: militärische Operationen zum Schutz der
Menschenrechte (24.08.2015) URL: https://www.humanrights.ch/de/intemationale- menschenrechte/uno/sicherheitsrat/interventionen/ [Stand: 25.02.2019],
6 Vgl. Bittner, Rüdiger: Humanitäre Interventionen sind unrecht. In: Humanitäre Interventionsethik, hg. von GeorgMeggle, Paderbom2004, S. 101.
7 Vgl.ebd. S. 99.
8 Vgl.ebd. S.100.
9 Vgl. ebd.
10 Schroth, Jörg: Texte und Materialien zur Ethik. Deutsche Übersetzung, zitiert aus Helga Kuhse, Die „Heiligkeit des Lebens“ in der Medizin. Eine philosophische Kritik, Erlangen 1994, S. 118. URL: http://www.ethikseite.de/prinzipien/zpdw.html [Stand: 25.02.2019],
11 Vgl. Bittner2004, S.100.
12 Vgl. ebd.
13 Vgl. Bittner2004, S.101.
14 Vgl. Bittner 2004, S.lOOf. Zitiert aus Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785), Akademie- Ausgabe IV, S. 428.