Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Problematik der Übertragung einer Patientenverfügung bei demenzerkrankten Personen. Schon seit Jahren steht das Thema Patientenrechte im gesellschaftlichen Fokus. Gerade die Themen Patientenrechte in Bezug auf die Sterbehilfe polarisieren. Dies bedingte in der jüngeren Vergangenheit auch die Fortentwicklung der rechtlichen Grundlagen. Nach langer vorangegangener Diskussion und zahlreichen Regelungsinitiativen entschied sich der Gesetzgeber 2009 im dritten Änderungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch für die Manifestierung des Rechtsinstituts der Patientenverfügung. Im Jahr 2013 wurde das Patientenrechtegesetz beschlossen, in dessen Mittelpunkt die Normierung des Behandlungsvertrages, insbesondere der Informations- und Aufklärungspflichten, der Dokumentation und der Beweislastregeln stehen.
Ziel des Patientenrechtegesetz ist, die Rechte der Patienten transparent, rechtssicher und ausgewogen zu gestalten und in der Praxis vorhandene Vollzugsdefizite abzubauen. Die stetige Entwicklung von Behandlungsmaßnahmen und Therapien, bedingt durch die fortschrittlichen Entwicklungen der Medizin und Pharmaindustrie, führt dazu, dass Menschen in der heutigen Zeit immer älter werden. Daraus folgt wiederum häufig auch eine Demenzerkrankung. Etwa 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Demenz. Demenz gehört zu den häufigsten Krankheitssymptomen im Alter. Laut Prognosen ist davon auszugehen, dass sich die Zahl aufgrund der Veränderung der Altersstruktur in Deutschland bis 2050 mehr als verdoppeln könnte.
Nicht allein aufgrund dieser Zahlen rückt die Demenz immer weiter in den Fokus der Aufmerksamkeit. Vor allem der schrittweise Abbau bis hin zum gänzlichen Verlust der kognitiven Fähigkeiten dieser Erkrankung führt dazu zu untersuchen, inwiefern die Erkrankung die Fähigkeit beeinträchtigt, in medizinische Eingriffe einzuwilligen. Dieser Frage werde ich im weiteren Verlauf der Arbeit widmen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffsbestimmung der Patientenverfügung
2.2 Die Geschichte der Patientenverfügung
2.3 Der Aufbau der Patientenverfügung
2.4 Die Form der Patientenverfügung
3. Rechtliche Aspekte und Situation der Patientenverfügung
3.1 Die gesetzlichen Grundlagen
3.2 Die Grenzen der Patientenverfügung
4. Patientenverfügung und Demenzerkrankung
4.1 Demenz
4.1.1 Definition
4.1.2 Diagnose
4.1.3 Häufigkeit der Demenz
4.2 Die Wirksamkeit der Patientenverfügung bei Demenz
4.2.1 Einwilligungsfähigkeit bei Demenz
4.2.2 Einfluss der Demenz auf die Willensbildung
4.2.3 Beurteilung unter Einbezug des Krankheitsverlaufs
4.2.4 Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit
4.3 Regelungsmöglichkeiten in der Patientenverfügung
5. Fazit und Ausblick
5.1 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
5.2 Ausblick
6 Ehrenwörtliche Erklärung
Literaturverzeichnis
„Es geht darum, dem Patienten in seiner Wahrnehmung der Welt zu begegnen.“ [Naomi Feil]
1. Einleitung
Schon seit Jahren steht das Thema Patientenrechte im gesellschaftlichen Fokus. Gerade die Themen Patientenrechte in Bezug auf die Sterbehilfe polarisieren. Dies bedingte in der jüngeren Vergangenheit auch die Fortentwicklung der rechtlichen Grundlagen. Nach langer vorangegangener Diskussion und zahlreichen Regelungsinitiativen entschied sich der Gesetzgeber 2009 im dritten Änderungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch für die Manifestierung des Rechtsinstituts der Patientenverfügung.1 Im Jahr 2013 wurde das Patientenrechtegesetz2 beschlossen, in dessen Mittelpunkt die Normierung des Behandlungsvertrages, insbesondere der Informations- und Aufklärungspflichten, der Dokumentation und der Beweislastregeln stehen. Ziel des Patientenrechtegesetz ist, die Rechte der Patienten3 transparent, rechtssicher und ausgewogen zu gestalten und in der Praxis vorhandene Vollzugsdefizite abzubauen.4 Die stetige Entwicklung von Behandlungsmaßnahmen und Therapien, bedingt durch die fortschrittlichen Entwicklungen der Medizin und Pharmaindustrie, führt dazu, dass Menschen in der heutigen Zeit immer älter werden. Daraus folgt wiederum häufig auch eine Demenzerkrankung. Etwa 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Demenz.5 Demenz gehört zu den häufigsten Krankheitssymptomen im Alter.6 Laut Prognosen ist davon auszugehen, dass sich die Zahl aufgrund der Veränderung der Altersstruktur in Deutschland bis 2050 mehr als verdoppeln könnte.7 Nicht allein aufgrund dieser Zahlen rückt die Demenz immer weiter in den Fokus der Aufmerksamkeit. Vor allem der schrittweise Abbau bis hin zum gänzlichen Verlust der kognitiven Fähigkeiten dieser Erkrankung führt dazu zu untersuchen, inwiefern die Erkrankung die Fähigkeit beeinträchtigt, in medizinische Eingriffe einzuwilligen. Dieser Frage werde ich im weiteren Verlauf der Arbeit widmen.
2. Theoretische Grundlagen
Die Patientenverfügung ermöglicht eine verbindliche Dokumentation des Willens eines volljährigen und einwilligungsfähigen Patienten. Primär richtet sich die
Patientenverfügung an Ärzte und Behandler, jedoch kann sie sich ergänzend dazu auch an einen Bevollmächtigten oder Betreuer als gesetzlichen Vertreter richten.8
2.1 Begriffsbestimmung der Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung ist eine schriftliche Willensäußerung eines einwilligungsfähigen Volljährigen, der im Voraus für den Fall seiner Entscheidungsunfähigkeit festlegt, „ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, in Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt.“9
2.2 Die Geschichte der Patientenverfügung
Zunächst wurde die Patientenverfügung nach dem amerikanischen Modell „living will“10 mit dem Begriff „Euthanasie-Testament“11 und „Patiententestament“12 bezeichnet. Gerade der letzte Begriff erntete Kritik.13 Er gab Anlass für Missverständnisse über Formerfordernisse und Regelungsinhalt, weil mit diesem Instrument gerade keine Regelung für die Zeit nach dem Tod des Patienten getroffen werden sollte. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wie auch der Gesetzgeber in § 1901a BGB haben sich folglich bei einer "antizipativen" Willensbekundung des Betroffenen für den Begriff der „Patientenverfügung“ entschieden.14 Auch in einem Großteil der Fachliteratur wird nun dieser Begriff verwendet.15
2.3 Der Aufbau der Patientenverfügung
Damit eine vorsorgliche Erklärung des Betroffenen als rechtsverbindlich anerkannt werden kann, muss die Patientenverfügung bestimmte Informationen enthalten. Dazu zählt die sogenannte Eingangsformel, die den vollständigen Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift enthält. Im Mittelteil des Dokuments muss der Betroffene präzise die Situation beschreiben und genaue Vorgaben machen, in welchen Situationen die Patientenverfügung zum Tragen kommen soll und welche Kriterien erfüllt sein sollen. Wesentlich ist dabei, konkret festzulegen, welche und in welchem Umfang pflegerische und ärztliche Maßnahmen eingeleitet oder beendet werden sollen.16 Ferner kann der Betroffene Aussagen zum Ort der Maßnahmen (z.B. zu Hause oder im Krankenhaus) und zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht treffen. Weiterhin ist es möglich, Wünsche zum Sterbeort und zur Sterbebegleitung aufzunehmen. Das Bundesministerium der Justiz empfiehlt darüber hinaus eine Schlussformel. Diese sollte den Namen, das Datum und die Unterschrift enthalten.
Da auch diese Bausteine in einigen Fällen und Situationen nicht ausreichen und es trotz aller Angaben zu Deutungs- oder Auslegungsproblemen des Willens kommen kann, ist es nicht nur möglich, sondern unabdingbar, die Patientenverfügung, um weitere Angaben zu vervollständigen.17 Es muss in der Verfügung erkennbar werden, dass sich der Verfasser, über die zu entstehende medizinische und pflegerische Situation samt seinen Auswirkungen der rechtlichen Bedeutung bewusst ist. Er muss somit das Ausmaß seiner Entscheidung nachvollziehen können.18
Neben den Aussagen zur Verbindlichkeit, zur Auslegung, zur Durchsetzung und zum Widerruf ist auch ein Hinweis auf weitere Vorsorgeverfügungen sowie eine mögliche Bereitschaft zu einer Organspende möglich. Ferner könnten auch eine Schlussbemerkung sowie ein Anhang mit Wertvorstellungen hilfreich sein.19
2.4 Die Form der Patientenverfügung
Die neue gesetzliche Regelung schreibt vor, dass eine Patientenverfügung die Schriftform erfordert und am Ende des Dokuments durch Namensunterschrift eigenhändig oder ein durch einen Notar beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet werden muss.20 Eine erstellte Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden.21 Um den mutmaßlichen Willen bestimmen zu können, der nur mündlich von dem Patienten geäußert wurde, bei Nichtvorliegen einer Verfügung oder bei Nichtzutreffen der Festlegungen in der Verfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation ist diese Äußerung trotzdem beachtlich.22
3. Rechtliche Aspekte und Situation der Patientenverfügung
3.1 Die gesetzlichen Grundlagen
Am 1. September 2009 ist das dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 in Kraft getreten. Hierin wurde das „Gesetz über
Patientenverfügungen“ beschlossen. Richtungsweisend hierfür wurde eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2003.23 Die Missachtung der Anordnungen in einer Patientenverfügung ist demnach rechtswidrig, beinhaltet zudem eine Haftung auf Schadensersatz oder führt dazu, sich wegen Körperverletzung strafbar zu machen.24
3.2 Die Grenzen der Patientenverfügung
Die Patientenverfügung enthält den dokumentierten Willen des Patienten sowie Informationen über die ärztliche und pflegerische Betreuung in einer bestimmten Krankheitssituation. Damit wird jedoch nicht bestimmt, wer im eintretenden Krankheitsfall den Willen des Patienten durchsetzen soll. Daher ist es besonders wichtig, die Patientenverfügung mit der Vorsorgevollmacht zu verbinden. Demnach besteht die Möglichkeit, eine Person des Vertrauens als Bevollmächtigten in allen Angelegenheiten der Gesundheit zu benennen, wenn der Patient selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Hierbei besteht ebenfalls die Möglichkeit der Begrenzung der Vorsorgevollmacht auf einzelne Bereiche wie auch die uneingeschränkte Ausstellung.25 Die sog. Betreuungsverfügung ermöglicht dem Patienten die Benennung einer Person, die in rechtlichen Angelegenheiten zur Vertretung des Betroffenen wird, wenn der zu Betreuende aufgrund von Krankheit selbstständig nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu klären. Insgesamt sichert demnach neben der Patientenverfügung noch ein weiteres Instrument die Autonomie des Patienten. Dies ermöglicht dem Patienten, sich in einer in der Zukunft liegenden Krankheitssituation in sämtlichen Bereichen (Vorbereitung auf Krankheit, geschäftliche- und persönliche Angelegenheiten) abzusichern. Das Bundesministerium der Justiz empfiehlt bereits jungen, volljährigen Menschen, sich mit einer Patientenverfügung zu beschäftigen, um im Ernstfall alle Instrumente optimal ausschöpfen zu können.26
Zusammenfassend ist zu betonen, dass eine Patientenverfügung dem Ersteller nur dann den gewünschten Nutzen bringt, wenn sie vollständig und klar formuliert wurde und die Wünsche, Anweisungen und Informationen des Betroffenen enthält.
4. Patientenverfügung und Demenzerkrankung
Demenzkranke können mit fortschreitender Erkrankung die Tragweite von medizinischen Behandlungen nicht mehr einschätzen. Trotzdem sollen die Behandlungen nach ihrem Willen erfolgen. Mit einer Patientenverfügung können Menschen, die an einer Demenzerkrankung leiden, ihre Behandlungswünsche für eine Zeit festhalten, in der sie nicht mehr selbst entscheiden können.
[...]
1 3. Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches vom 29. Juli 2009, BGBl. I S. 2286; vgl. Lanzrath, S., Patientenverfügung und Demenz, 2015, S. 1.
2 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRechteG) vom 20. Februar 2013, BGBl. I, S. 277.
3 Zur besseren Lesbarkeit dieser Arbeit wird nur die männliche Form verwendet, wobei alle Geschlechter gemeint sind.
4 So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/10488, S. 1.
5 Vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/246028/umfrage/anzahl-der-demenzkranken-in- deutschland-nach-alter-und-geschlecht/
6 Vgl. Deutsches Zentrum für Altersfragen, Gerontopsychiatrie und Alterspsychotherapie in Deutschland, 2013, S. 25.
7 Vgl. Berlin-Institut, Demenz-Report, 2011, S. 6, 14.
8 Vgl. Coeppicus, R., Das „Gesetz über Patientenverfügungen“ und Sterbehilfe, 2010, S. 25.
9 Vgl. § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB.
10 Vgl. Kutner, Indiana Law Journal 44, 1969, S. 549.
11 Vgl. von Dellinghausen, U., Sterbehilfe, 1981, S. 369.
12 Vgl. Füllmich, NJW 1990, 2301, 2302.
13 Vgl. Sterbehilfe in der Diskussion, 2005, S. 78.
14 Exemplarisch: BGH, Beschluss vom 17.03.2003 - XII ZB 2/03, abgedruckt in NJW 2003, 1588, 1591.
15 Vgl. Bichler, C., Zwischen Selbstbindung und Bevormundung - die zivilrechtliche Behandlung der Patientenverfügung, 2013, S. 19.
16 Vgl. Heberer, J. et al., Organtransplantation, Patientenverfügung, Aufklärung und Einwilligung, 2013, S. 66.
17 Vgl. Internetquelle: Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Patientenverfügung, 2011, S. 16 ff.
18 Ebd. S. 17 ff.
19 Ebd.
20 Vgl. § 1901a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 BGB.
21 Vgl. § 1901a Abs. 1 S. 3 BGB.
22 Vgl. § 1901a Abs. 2 BGB.
23 Vgl. BGH, Beschluss vom 17.03.2003 - XII ZB 2/03, abgedruckt in NJW 2003, 1588.
24 Vgl. §§ 223 ff. StGB.
25 Vgl. Internetquelle: Bundesministerium der Justiz, Patientenverfügung, 2011, S. 18.
26 Ebd.