"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit." Dieser kurze Satz aus dem Grundgesetz soll der Anstoß für die folgende Arbeit sein. Ist er für die seit Jahren anhaltenden Diskussionen um die Machtexpansion der Parteien verantwortlich? Vor über einem Jahrzehnt war es der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der auf die fortschreitende Fehlentwicklung des Parteiensystems in Deutschland aufmerksam gemacht hatte. Kritik gab es auch schon früher von Politologen, aber Weizsäcker war der erste Prominente aus dem politischen Kreis. Die Brisanz der Parteispendenaffäre um den Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl hat gezeigt, unter welcher öffentlichen Beobachtung besonders die Parteien stehen. Vor allem die großen Volksparteien verlieren immer mehr das Vertrauen der Bürger.
Ziel dieser Arbeit soll es aber nicht sein, Begriffe wie Politik- oder Parteienverdrossenheit nach ihren Ursachen zu erforschen, sondern herauszufinden, ob Art. 21 GG die Bundesrepublik zum Parteienstaat machte. Deutschland stand nach dem 2. Weltkrieg ohne gültige Verfassung da. Da die Väter des Grundgesetzes die Fehler aus der Weimarer Verfassung nicht wiederholen wollten, wurden Parteien erstmals verfassungsrechtlich in das politische Geschehen
verankert. Niemand war wohl in der Lage, sich auszumalen, dass diese Neuerung Jahrzehnte später für derartige Diskussionen sorgen würde. Es muss die Frage gestellt werden, ob die Parteien ihre Macht über das verfassungsgemäße Maß hinaus ausgedehnt haben. Sind sie neben dem Bundestag, dem Bundesrat, dem Bundespräsidenten, der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht zu einem sechsten Verfassungsorgan herangewachsen?
Wenn ein bestehendes System kritisiert wird, wären mögliche Alternativen wünschenswert. Hier drängt sich die Frage auf, ob ein politisches System überhaupt Parteien benötigt. Sie sollen ja als Übermittler des Volkswillens in die staatliche Sphäre fungieren. An diesen Gedanken schließt sich ein weiteres Problem an, welches das Verhältnis der Mitglieder zu ihren Parteien charakterisiert. Art. 38 GG steht mit Art. 21 GG enger in Verbindung, als es aus dem Grundgesetz ersichtlich wird. Genießen Abgeordnete noch volle Mandatsfreiheit, wie es Art. 38 GG vorgibt? Keine dieser Fragen wird im Rahmen dieser Arbeit vollständig beantwortet werden können. Vielmehr sollen verschiedene Gründe aufgezeigt werden, die für eine parteienstaatliche Entwicklung Deutschlands sprechen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Parteien
- Parteien als Organisationen
- Funktionen von Parteien
- Rechtliche Rahmenbedingungen für Parteien
- Parteienstaat vs. Parteiendemokratie
- Die Parteienstaatslehre von Leibholz
- Die Bundesrepublik Deutschland als Parteienstaat
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert, ob Artikel 21 des Grundgesetzes (GG) die Bundesrepublik Deutschland zu einem Parteienstaat gemacht hat. Sie beleuchtet den Einfluss von Parteien auf die politische Willensbildung und die Debatte um deren wachsende Macht. Die Arbeit untersucht die Rolle von Parteien im politischen System und ihren Einfluss auf das Verhältnis zwischen Staat, Bürgern und Parteien.
- Die rechtliche Verankerung von Parteien im GG und die Bedeutung von Art. 21 GG.
- Die Funktionen und Aufgaben von Parteien in der Bundesrepublik Deutschland.
- Die Frage, ob Parteien neben den anderen Staatsorganen ein sechstes Verfassungsorgan darstellen.
- Der Wandel von Parteien von Repräsentationsformen zu Interessenverbänden.
- Die Auswirkungen der Parteientätigkeit auf die Mandatsfreiheit von Abgeordneten.
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt die Frage, ob Art. 21 GG die Bundesrepublik zum Parteienstaat gemacht hat und setzt sich mit der Kritik an der Macht der Parteien auseinander. Sie betrachtet die historischen Hintergründe der Einbindung von Parteien in das politische System und die potentiellen Auswirkungen dieser Entwicklung.
- Parteien: Dieses Kapitel definiert Parteien als gesellschaftliche Organisationen, untersucht ihre Funktionen und Aufgaben im politischen System und beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere Art. 21 GG. Es wird die Rolle der Parteien bei der politischen Willensbildung und der Interessenvertretung sowie ihr Einfluss auf die Entscheidungsfindungsprozesse beleuchtet.
- Parteienstaat vs. Parteiendemokratie: Dieses Kapitel befasst sich mit der Debatte um den Einfluss von Parteien auf das politische System. Es analysiert die Theorie des Parteienstaates nach Leibholz und untersucht, ob sich die Bundesrepublik Deutschland als Parteienstaat bezeichnen lässt.
Schlüsselwörter
Parteienstaat, Parteiendemokratie, Grundgesetz, Art. 21 GG, politische Willensbildung, Interessenvertretung, Macht der Parteien, Mandatsfreiheit, Elitenrekrutierung, Parteiengesetz, Staatsorgan, Weimarer Republik, Verfassung.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Koch (Autor:in), 2005, Begünstigte Art. 21 GG die Entwicklung Deutschlands hin zum Parteienstaat?, München, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1167390