Das Interesse an Fahrgemeinschaften erlebt in der Regel einen großen Zuwachs in Zeiten, in denen eine schlechte Kraftstoffversorgung zu hohen Benzin und Dieselpreisen führt, so zum Beispiel in der Erdölversorgungskrise 1973/74. Die Herausforderung indes besteht darin, die Bildung von Fahrgemeinschaft im Allgemeinen zu fördern. In diesem Zusammenhang gilt es, das Wesen von Fahrgemeinschaften und bekannte Förderungsansätze zu beleuchten und schlussendlich zu bewerten.
Der Anteil der Berufspendler (hier: alle Erwerbstätigen mit einem Arbeitsplatz außerhalb der Wohngemeinde) ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen auf zuletzt 60% aller Berufstätigen. Rund 39% der Berufspendler nutzen für den Weg zur Arbeitsstelle einen PKW, die Gründe hierbei sind naheliegend. So bietet der Privat-PKW doch das größte Maß an Flexibilität. Einhergehend mit dieser Entwicklung lässt sich ein stetig steigendes Fahrzeugaufkommen in der Bundesrepublik Deutschland beobachten. Den Themen, Ausbau des ÖPNV und Reduzierung des Fahrzeugaufkommens wird somit nicht nur wegen der angespannten Verkehrs- und Parkplatzsituation in und um Großstädte eine große Bedeutung beigemessen, sondern auch im Zuge des Umweltschutzes. Um zu einer Entlastung der Infrastruktur durch ein verringertes Fahrzeugaufkommen und einen dadurch reduzierten CO2-Ausstoß beizutragen, ist die Bildung von Fahrgemeinschaften demnach ein naheliegender Ansatz.
Die Arbeit beschränkt sich auf die Förderung von Fahrgemeinschaften im engeren Sinne, das klassische Car-Sharing wird nicht genauer thematisiert. Diese Eingrenzung erfolgt, da vielerorts bereits durch privatwirtschaftliche Anbieter eine gute Car-Sharing Infrastruktur bereitgestellt wird.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlegendes zur Fahrgemeinschaftsförderung
2.1. Begriffsabgrenzung Fahrgemeinschaften
2.2. Potenzial von Fahrgemeinschaften
2.3. Hinderungsgründe bei der Bildung von Fahrgemeinschaften
2.4. Gründe für die Förderung von Fahrgemeinschaften
2.4.1. Volkswirtschaftliche Ebene
2.4.2. Firmen-/Geschäftsebene
2.4.3. Individuelle Ebene
2.5. Allgemeine Konzepte zur Fahrgemeinschaftsförderung
2.5.1. Schaffung von Negativanreizen
2.5.2. Schaffung von positiven Anreizen
2.5.3. Komplementäre Maßnahmen
3. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gründe gegen die Mitfahrt/Mitnahme - Befragung im Flecken Aerzen
Abbildung 2: Wirkungen bei der Erhöhung des Fahrgemeinschafts- anteils
Abbildung 3: Gründe für die Mitfahrt/Mitnahme - Befragung im Flecken Aerzen
Abbildung 4: Betriebliche Maßnahmen/Anreizsysteme zur Fahr- gemeinschaftsförderung - Befragung von 57 Unternehmen deutschlandweit
Abbildung 5: Plakatkampagne im 2. Weltkrieg
1. Einleitung
Der Anteil der Berufspendler (hier: alle Erwerbstätigen mit einem Arbeitsplatz außerhalb der Wohngemeinde)1 ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen auf zuletzt 60% aller Berufstätigen. Rund 39% der Berufspendler nutzen für den Weg zur Arbeitsstelle einen PKW, die Gründe hierbei sind naheliegend. So bietet der Privat-PKW doch das größte Maß an Flexibilität. Einhergehend mit dieser Entwicklung lässt sich ein stetig steigendes Fahrzeugaufkommen in der Bundesrepublik Deutschland beobachten. Den Themen, Ausbau des ÖPNV und Reduzierung des Fahrzeugaufkommens wird somit nicht nur wegen der angespannten Verkehrs- und Parkplatzsituation in und um Großstädte eine große Bedeutung beigemessen, sondern auch im Zuge des Umweltschutzes.2
Um zu einer Entlastung der Infrastruktur, durch ein verringertes Fahrzeugaufkommen und einen dadurch reduzierten CO2-Ausstoß beizutragen, ist die Bildung von Fahrgemeinschaften demnach ein naheliegender Ansatz.
Das Interesse an Fahrgemeinschaften erlebt in der Regel einen großen Zuwachs in Zeiten in denen eine schlechte Kraftstoffversorgung, zu hohen Benzin und Dieselpreisen führt, so zum Beispiel in der Erdölversorgungskrise 1973/74.3 Die Herausforderung indes besteht darin, die Bildung von Fahrgemeinschaft im Allgemeinen zu fördern. In diesem Zusammenhang gilt es das Wesen von Fahrgemeinschaften und bekannte Förderungsansätze zu beleuchten und schlussendlich zu bewerten.
Die Arbeit beschränkt sich auf die Förderung von Fahrgemeinschaften im engeren Sinne, das klassische Car-Sharing wird nicht genauer thematisiert. Diese Eingrenzung erfolgt, da vielerorts bereits durch privatwirtschaftliche Anbieter eine gute Car-Sharing Infrastruktur bereitgestellt wird.
2. Grundlegendes zur Fahrgemeinschaftsförderung
2.1 Begriffsabgrenzung: Fahrgemeinschaft
Die Literatur kennt zur kollektiven Nutzung des PKWs die Begriffe Fahrgemeinschaft und Mitfahrgemeinschaft. Bei einer Fahrgemeinschaft stellen die Mitglieder ihren PKW abwechselnd zur Verfügung und nehmen somit sowohl die Rolle des Fahrers, als auch die des Mitfahrers ein. Die Mitfahrgemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die Rollenverteilung konstant bleibt, d.h. einer der Mitglieder stellt seinen PKW zur Verfügung und ist Fahrer, wohingegen der andere nur mitfährt und sich ggf. an den Kosten beteiligt.4
In dieser Arbeit wird der Begriff Fahrgemeinschaft als temporärer Zusammenschluss von mindestens zwei Personen, die gemeinsam in einem PKW eine Fahrt antreten, verstanden. Unbedeutend ist hierbei, wer den PKW zur Verfügung stellt und wer die Rolle des Fahrers und des Mitfahrers einnimmt. Charakteristisch für eine Fahrgemeinschaft ist, dass es sich um eine von allen Teilnehmern geplante Fahrt handelt, Fahrten per Anhalter sind somit ausgeschlossen. Darüber hinaus würde jeder der Teilnehmer die Fahrt auch unabhängig von der Fahrgemeinschaft durchführen. Ob die Fahrgemeinschaft durch persönliche Absprachen der Teilnehmer oder durch eine Form der Fahrgemeinschaftsvermittlung entstanden ist, spielt keine Rolle. Car-Sharing-PKWs sind nicht Bestandteil einer Fahrgemeinschaft.5
2.2 Potenzial von Fahrgemeinschaften
Unter dem Besetzungsgrad versteht man die Platzauslastung eines Verkehrsmittels. Im Individualverkehr sind somit die durchschnittlich im Fahrzeug befindlichen Personen gemeint.6 Der durchschnittliche Besetzungsgrad von PKWs im motorisierter Individualverkehr beträgt 1,5, bei Fahrten zur Arbeitsstätte sogar nur 1.27, d.h. es sind ausreichend Kapazitäten vorhanden um den Besetzungsgrad zu erhöhen. Nimmt man an, dass die überaus meisten PKWs mit fünf Sitzplätzen ausgestattet sind, ergibt sich die theoretische Möglichkeit, den Besezungsgrad bei Fahrten im Berufsverkehr zu vervierfachen. Eine solche Maximalauslastung der Fahrzeuge erscheint in der Praxis jedoch schwer denkbar, da die Bildung von Fahrgemeinschaften von einer Reihe von Einflussfaktoren abhängt, wie zum Beispiel der zeitlichen und örtlichen Verteilung der Nachfrage, jeweiligen Einstellungen von potenziellen Beteiligten zu Fahrgemeinschaften und den gegebenen Anforderungen an die Fahrten.8 Dennoch bleibt ein
Potenzial das noch lange nicht gänzlich ausgeschöpft ist. Würde es gelingen, den Besetzungsgrad bei Fahrten zur Arbeitsstätte von 1.2 auf den durchschnittlichen Wert von 1.5 anzuheben, ließe sich das Verkehrsaufkommen um 20% verringern.9 Neben dem volkswirtschaftlichen Nutzen und den erheblichen Kosteneinsparungspotenzialen bei den PKW-Betriebskosten, ergibt sich auch im betriebswirtschaftlichen Kontext ein großes Potenzial, besonders in den Bereichen, Image, Employer-Branding und Mitarbeitermotivation.10
2.3 Hinderungsgründe für die Bildung von Fahrgemeinschaften
Probleme bei der Bildung von Fahrgemeinschaften lassen sich zum einen darauf zurückführen, dass sich ein stetig wiederholendes, zur Routine gewordenes Mobilitätsverhalten nur schwer ändern lässt. Es stellt sich somit eine gewisse Inflexibilität bei der Verkehrsmittelwahl ein.11 Weiterhin hat sich gezeigt, dass Nutzer, die sich bewusst auf eine Art der Verkehrsmittelnutzung beschränken, andere Verkehrsmittel schlechter beurteilen. Die Zufriedenheit mit dem genutzten Beförderungsmittel führt zu einer Skepsis und Abneigung gegenüber alternativen Beförderungsmöglichkeiten, auch wenn die Betroffenen selbst noch keine negativen Erfahrungen mit ebendiesen Alternativen gemacht haben.[12] Die Vorteile einer Fahrgemeinschaftsteilnahme müssen somit deutlich kommuniziert werden, um eine Änderung des Mobilitätsverhaltens zu erreichen.
Ferner ist zu beobachten, dass die, mit der Fahrgemeinschaftspraxis verbundene, beiderseitige Abhängigkeit, die Angst vor einer riskanten Fahrweise des Fahrpartners und die mangelnde Kontaktfreude dazu beitragen, dass sich Pendler gegen die Bildung einer Fahrgemeinschaft entscheiden (Abbildung 1).[13] Grundsätzlich lassen sich gewisse Vorbehalte bei der Mitnahme anderer Personen im eigenen PKW feststellen. Kurth und Hood kommen zu dem Ergebnis, dass beiderseitiges Vertrauen, Rücksichtnahme und eine gemeinsame Identität, beispielsweise über die gemeinsame Arbeitsstätte, essentiell für das Gelingen einer Fahrgemeinschaft sind.[14] Ein Fehlen dieser Faktoren hemmt die Neubildung von Fahrgemeinschaften erheblich.
Abbildung 1: Gründe gegen die Mitnahme/Mitfahrt - Befragung im Flecken
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Vgl. Reinkober, Norbert (Fahrgemeinschaften und Mobilitätszentrale, 1994), S. 55
Erschwerend für die Neubildung von Fahrgemeinschaften ist zudem, dass für den Großteil der deutschen das eigene Auto nach wie vor als Prestigeobjekt gilt.12 Durch die Beteiligung an einer Fahrgemeinschaft könnte somit beim näheren Umfeld der Eindruck entstehen, dass sich derjenige die Alleinfahrt mit dem eigenen PKW nicht mehr leisten könne.13 Die Tatsache, dass die Fahrgemeinschaftspraxis nach wie vor keine weite Verbreitung genießt, trägt somit maßgeblich dazu bei, dass psychologische Barrieren aufgebaut werden.
Anhand der Befragung in Aerzen (Abbildung 1) wird deutlich, dass der Informationsmangel ein Haupthinderungsgrund für das Zustandekommen von Fahrgemeinschaften ist. So beruhen die Angaben „Kenne keinen Fahrer/Mitfahrer“ bzw. „Kaum Möglichkeit zur Mitfahrt/Mitnahme“ beide auf unvollständigen Informationen über potenzielle Fahrgemeinschaftspartner. Ohne eine Hilfestellung, bspw. einer Datenbank, ist es demnach mit viel Aufwand verbunden, einen geeigneten Fahrpartner mit ähnlichen Arbeitszeiten und einem ähnlichen Arbeitsweg zu finden. Hier ließen sich seitens der Unternehmen oder der öffentlichen Hand Ansätze finden, um das Potenzial der Fahrgemeinschaftspraxis auszuschöpfen.
2.4 Gründe für die Förderung von Fahrgemeinschaften 2.4.1 Volkswirtschaftliche Ebene
Die mit der Erhöhung des Fahrgemeinschaftsanteils verbundene geringere Anzahl bewegter PKWs bietet auf der volkswirtschaftlichen Ebene zahlreiche Vorteile. So tragen Fahrgemeinschaften zum Abbau von staubildenden Verkehrsspitzen im Berufsverkehr bei und führen, aufgrund der geringeren Anzahl der Verkehrsteilnehmer zu einer Reduktion von Wegunfällen.14 Die bessere Auslastung der Infrastruktur ergibt für die öffentliche Hand ein Sparpotenzial bei laufenden und zukünftigen Instandhaltungskosten. Durch eine geringere PKW- Fahrleistung sinkt zudem der Schadstoffausstoß und Ressourcen werden ge- schont, was zu einer Reduzierung der Abhängigkeit von Erdöl seitens der Volkswirtschaft führt, da die Nachfrage nach Kraftstoffen entsprechend sinkt. Auch die angespannte Parkplatzsituation in den Zielgebieten des Berufsver- kehrs kann durch eine erhöhte Fahrgemeinschaftsinanspruchnahme entschärft werden, da weniger Parkflächen benötigt werden. Letztlich profitiert auch der ÖPNV von Fahrgemeinschaften, da sie zu einer Glättung der Nachfragespitzen zu Stoßzeiten führen und somit die Möglichkeit eröffnen, Fahrzeuge- und Per- sonalbestände, welche einzig für die erhöhte Nachfrage im Berufsverkehr aus- gelegt sind, anderweitig zu nutzen.18 Fahrgemeinschaften verbessern somit nicht nur die Mobilitätssituation ihrer Nutzer, sondern tragen durch die ausgegli- chenere Infrastrukturauslastung zu einer allgemeinen Mobilitätsverbesserung bei. (Abbildung 2)
[...]
1 Vgl. Schmidt, Katrin (Pendler, 2018), Abruf: 26.03.2018
2 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (Hrsg.) (Berufspendler, 2017), Abruf: 15.02.2018
3 Vgl. Reinke, Volkmar (Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr, 1985), S. 13
4 Vgl. Fiedler, Joachim (Verkehrsbedienung ländlicher Gebiete, 1982), S. 398 - 401, Vgl. Pajonk, Ewald (Chancen für Mitfahr- und Fahrgemeinschaften, 1983) S. 329 -345
5 Vgl. Roider, Oliver; Meschnik, Michael, Sammer, Gerd; Europäische Kommission (Hrsg.) (ICARO, 2000), S. 108-111; Vgl. Sonnberger, Marco; Gallego Carrera, Diana; Ruddat, Michael (Teilen statt besitzen, 2013), S. 11
6 Vgl. Forschungs-Informations-System für Mobilität und Verkehr (Hrsg) (Besetzungsgrad, 2012), Abruf: 11.03.2018
7 Vgl. Forschungs-Informations-System für Mobilität und Verkehr (Hrsg) (Besetzungsgrad, 2012), Abruf: 11.03.2018
8 Vgl. Mühlethaler, Franz et al. ; Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Hrsg.) (Potenzial von Fahrgemeinschaften, 2011), S. 28-29
9 Vgl. Galizzi, Matteo (The Economics of Carpooling, 2004), S. 6
10 Vgl. Lasse, Walter (Mobilitätsmanagement, 2012), S. 4
11 Vgl. Reinke, Volkmar (Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr, 1985), S. 45
12 Vgl. McKinsey & Company (Hrsg.) (Automobilindustrie, 2012), Abruf: 06.03.2018
13 Vgl. Reinke, Volkmar (Fahrgemeinschaften im Berufsverkehr, 1985), S. 45
14 Vgl. Galizzi, Matteo (The Economics of Carpooling, 2004), S. 11