Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Lebenswelt eines traumatisierten Kindes und beschäftigt sich mit der Frage: "Wie gut ist das professionelle Hilfesetting in seiner Ausprägung für die Bearbeitung der Probleme von Patienten geeignet? Diese Fragestellung wird anhand einer exemplarischen Fallstudie untersucht. Das Ziel ist nicht nur die Eignung der sozialpädagogischen Anamnese zur Lösung komplexer Problemlagen zu untersuchen, sondern auch die Biografie anhand der Lebenswelt eines Klienten zu analysieren.
Die alltägliche Herausforderung, optimale Wege und Vorgehensweisen zur Anwendung von Instrumenten und Methoden für die Soziale Arbeit zu finden, ist vergleichbar mit anderen Berufen, ihren Werkzeugen und ihren Abläufen sowie ein stetiges Forschungsgebiet. Dennoch ist es aus der Sicht von Sozialarbeitern unvermeidbar, auf die Methoden zurückzugreifen. Insbesondere Studierende erhoffen sich, durch die Methoden ein Stück mehr Praxisnähe in ihrer Ausbildung zu erfahren. Für den Klienten spielen auch Grundfragen der menschlichen Biografie eine bedeutende Rolle, um Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt zu bekommen. In dem hier niedergeschriebenen Sachverhalt wird aus diesem Grund eine mögliche Methode in der Sozialen Arbeit fundiert, die sich der methodischen Fallarbeit widmet. Anhand des folgenden Fallbeispiels werden die Wege und Vorgehensweisen der methodischen Fallarbeit analysiert sowie Vor- und Nachteile der Methode ermittelt.
Die sozialpädagogische Anamnese ergibt sich aus den folgenden Informationen: Lennart ist ein 12-jähriger Junge, der seit seinem 3. Lebensjahr durch seine Vergangenheit an Aggressions- und Wutausbrüchen leidet. Seine Mutter gab ihn in Obhut und das Sorgerecht trägt nun eine vom Gericht beauftragter Vormund. Er war mit 7 Jahren in 12 Einrichtungen und ist bei allen aufgrund seines aggressiven Verhaltens frühzeitig entlassen worden. Um die Ausbrüche zu reduzieren, ist der Klient medikamentös eingestellt. Auch in Kinderheimen und Kliniken hatte er viele schlimme Erfahrungen machen müssen. In einer Stiftung, die auf hoch traumatisierte Kinder spezialisiert ist, konnte er durch andere Kinder der Wohngruppe und seine Betreuerinnen als starke Bezugspersonen Stabilität gewinnen. Seine familiäre Situation ist aufgrund der damaligen körperlichen Übergriffe des Vaters gegenüber der Mutter von Lennart und ihm eingeschränkt.
Inhaltsverzeichnis
1. Theoretische Fundierung
1.1 Problemdefinition
1.2 Zentrale Fragestellung und Zielsetzung
2. Falldarstellung
3. Auswahl der Methode
3.1 Grundlagen der Biographiearbeit
3.2 Die Drei Ebenen der Biographiearbeit
4. Sozialpädagogische Anamnese
4.1 Genogramm
4.2 Diagnose anhand des Genogramms
4.3 Biografische Fragen und Merkmale
4.4 Hilfeplanerstellung
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Theoretische Fundierung
Die alltägliche Herausforderung, optimale Wege und Vorgehensweisen zur Anwendung von Instrumenten und Methoden für die Soziale Arbeit zu finden, ist vergleichbar mit anderen Berufen, ihren Werkzeugen und ihren Abläufen, sowie ein stetiges Forschungsgebiet. Dennoch ist es aus der Sicht von Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen unvermeidbar auf die Methoden zurückzugreifen. Insbesondere Studierende erhoffen sich durch die Methoden ein Stück mehr Praxisnähe in ihrer Ausbildung zu erfahren (Galuske, 2013, S. 18). Für den Klienten spielen auch Grundfragen der menschlichen Biografie eine bedeutende Rolle, um Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt zu bekommen (Lievegoed, 2012). In dem hier niedergeschriebenen Sachverhalt wird aus diesem Grund eine mögliche Methode in der Sozialen Arbeit fundiert, die sich der methodischen Fallarbeit widmet. Anhand des folgenden Fallbeispiels werden die Wege und Vorgehensweisen der methodischen Fallarbeit analysiert, sowie Vor- und Nachteile der Methode ermittelt.
1.1 Problemdefinition
Thole beschreibt die Methodenfrage der Sozialen Arbeit als eine eher junge und wechselhafte Konjunktur, da die Profession schon nach der Weimarer Republik und während der Nachkriegszeit in den 1970er Jahren, sowie in den 1980er Jahren nicht sehr bekannt war. Somit hatte die Soziale Arbeit erst in den 1990er Jahren die Chance erneut zu wachsen (Thole, 2012, S. 588). Der Grundstein für die sozialpädagogische Intervention wird bereits durch die Allzuständigkeit für verschiedene und individuelle Problemlagen im Alltag gelegt, wobei diese nur über einen schwachen Filter Probleme aussteuern kann (Thole, 2012, S. 591). Weiterhin knüpft Thole an widersprüchlichen Hoffnungen und Befürchtungen der PraktikerInnen, wie die Hoffnung auf konkrete Handlungsanleitungen für die Bewältigung von komplexen Alltagssituationen an (Thole, 2012, S.589). „Ich will, dass es gerade so sei, wie ich es schon weiß.“ (Thole, W., 2012, S. 590, zit. n. Korczak, J., 1992, S. 14) Mit diesem Zitat plädiert er auf die Kritisierung von Korczak über die möglichen methodischen Gefahren bei Technologisierungen des pädagogischen Bezugs und bei Verkürzungen von pädagogischer Komplexität (Thole, 2012, S. 589). Korczak beschreibt eine Denkweise, wie sich die Handhabung von Methoden in der Sozialen Arbeit in einen routinierten Alltagsablauf integrieren lassen und macht gezielt darauf aufmerksam, die Rahmenbedingungen innerhalb der Handlungen zu berücksichtigen (Thole, 2012, S. 590). Außerdem erliegen SozialarbeiterInnen der Gefahr, die Klienten einer Methode anzupassen. Daher eignet es sich besser eine Methode zu formulieren, die für jedes spezifische Arbeitsfeld eine breit angelegte Methodenkenntnis voraussetzt und die je nach Arbeitsfeldern vertieft werden kann. Nach staatlichen Funktionszuschreibungen handelt die Soziale Arbeit im doppelten Mandat und nie allein am Klienten Auftrag. Sie übernimmt die Kontrolle im Rahmen der Lebensumstände, sowie am Beitrag zur gesellschaftlichen Stabilisierung. „Wenn Soziale Arbeit ihrem klassischen Anspruch der „Hilfe zur
Selbsthilfe“ genügen will, so muss sich ihr methodisches Handeln am Kriterium der Alltagsnähe bewähren und messen lassen (Thole, 2012, S. 592).“ Dieser Sachverhalt orientiert sich allerdings an Einzelfällen, die im Rahmen ihrer individuellen Biografien und innerhalb ihrer Lebenswelten als unterschiedliche Fälle zu betrachten sind und nicht vollständig miteinander identifizierbar sind (Thole, 2012, S. 590).
1.2 Zentrale Fragestellung und Zielsetzung
Aus dem hiervon erläuterten Sachverhalt resultiert sich die folgende Fragestellung, die in der bevorstehenden Arbeit untersucht werden soll: Wie gut ist das professionelle Hilfesetting in seiner Ausprägung für die Bearbeitung der Probleme geeignet? Diese Fragestellung wird anhand einer exemplarischen Fallstudie untersucht. Das Ziel ist nicht nur die Eignung der sozialpädagogischen Anamnese zur Lösung komplexer Problemlagen zu untersuchen, sondern auch die Biografie anhand der Lebenswelt eines Klienten zu analysieren.
2. Falldarstellung
Lennart ist heute 12 Jahre alt. Er war schon in Pflegefamilien, Heimen, Kinder- und Jugendpsychiatrien, doch nirgends konnte er bleiben. Wut und Verzweiflung machen ihm seither das Leben schwer. Vor allem wenn er sich zurückgewiesen fühlt, kommt die Wut über ihn. Lennarts aggressives Verhalten trifft auch die, die ihm helfen wollen. Er war 3 Jahre alt, als ihn das Jugendamt aus seiner Familie nahm. Alles woran sich Lennart erinnern kann, ist, dass sein Vater seine Mutter oft geschlagen hatte, ihn körperlich misshandelt hatte, sowie er nie für ihn da war. Seine Mutter war damals 20 Jahre alt, als Lennart vom Jugendamt in Obhut genommen wurde und von der Situation überfordert, denn sie konnte Lennart nicht schützen. In der einen Pflegefamilie hatte Lennarts ehemaliger Pflegevater sogar Alkoholprobleme. Aber auch viele verschiedene weitere Vorfälle hatte er in Kliniken und Wohngruppen erlebt. Das Sorgerecht liegt bei einer vom Gericht beauftragten Vormundin. Das Jugendamt konnte sich nie für das richtige entscheiden, wo Lennart hineinpassen würde. Mit 7 Jahren ist er wegen seiner unbändigen Wutanfälle schon bei 12 sozialen Einrichtungen rausgeflogen. Seine Betreuerinnen beschreiben sein Verhalten als sehr laut, quengelig und nur am Reden. Er wollte seine Bedürfnisse sofort befriedigt bekommen. Er war hibbelig und wollte immer nur im Mittelpunkt stehen. Es gab viele Situationen, in denen er übermütig geworden ist, Sachzerstörung begangen hat und dolle beleidigend war. Zudem hatte er Mitarbeiter körperlich angegriffen. Sein größter Wunsch ist es zu seiner Mutter und zu seiner kleinen Schwester zurückzukehren und dass er dort wieder einziehen kann. Allerdings ist er sich selbst bewusst, dass er noch nicht so weit ist und geht davon aus, dass seine Mutter angst hätte, dass er wieder Wutanfälle bekäme. Seit 5 Jahren lebt er in einer Wohngruppe, einer Stiftung, in der er Halt gefunden hat. Die Stiftung ist auf hochtraumatisierte Kinder spezialisiert und setzt auf das was Lennart braucht: Starke Bezugspersonen und klare Regeln. Im Laufe der Zeit hat Lennart gelernt seine Gefühle besser zu kontrollieren und kann mittlerweile sogar über seine schwierige Vergangenheit sprechen, sowie er nicht mehr in eine ablehnende Haltung geht. An Computerspielen findet er seinen Spaß. Für die Wohngruppe übernimmt Lennart öfter gerne kleinere Aufgaben, wie zum Beispiel den Brotdienst zu machen, da er so Abstand zu den anderen Mitbewohnern für sich gewinnen kann. Einen Berufswunsch hat Lennart auch schon geäußert: Er möchte Polizist werden, um andere Kinder vor aggressiven Eltern zu beschützen. Die fünf Jahre in der Wohngruppe haben ihn stabilisiert, da er von den anderen Kindern und auch von den Mitarbeitern gemocht wird. Doch ganz ohne Medikamente geht es allerdings nicht, da er sonst wieder rückfällig wird. Lennart durfte über die gesamten Weihnachtsferien nach Hause zu seiner Mutter und zu seiner Schwester. Die Erlaubnis für den Besuch hatte er, weil die letzten Monate so gut gelaufen sind. Seit Lennart von seiner Mutter getrennt wurde war er noch nie über drei Wochen bei ihr. Den Kontakt haben die Mutter und Lennart auch in den Zeiten von Corona zueinander gehalten. Die Familie genießt das Beisammensein, aber ihn dauerhaft in seine Familie zurückzuführen erachtet das Jugendamt nicht als sinnvoll, aufgrund seiner traumatisierten Vergangenheit. Lennart hatte nach Weihnachten einen richtigen Zusammenbruch und war sogar in der Klinik. Er möchte auch mit niemanden darüber sprechen. Darauf zurückzuführen sind der nicht einfache Besuch Zuhause und der Umstand, dass in der Einrichtung eine Veränderung ansteht. Das Auf und Ab der Gefühle werden ihn sein ganzes Leben lang begleiten. Seit letzten Ostern ist Lennart in eine neue betreute Wohngruppe mit älteren Jugendlichen zusammengezogen. Für seine Zukunft wünscht er sich ein entspanntes Leben mit viel Verständnis.
3. Auswahl der Methode
Der vorliegende Fall handelt von einer komplexen Bedarfslage eines Einzelfalls, der im weiteren Verlauf untersucht wird. Darüber hinaus besteht bei dem Klienten ein Mangel an Ressourcen, der nach wie vor durch die Nutzung eines Netzwerks von Einrichtungen und Dienstleistungen ergänzt werden kann (DGCC, 2020). Die Forschungsmethode befähigt den Klienten dazu, die Unterstützungsleistungen selbstständig zu nutzen und greift so wenig wie möglich in die Lebenswelt des Klienten ein. Es lässt ihm die Freiheit selbst zu entscheiden, wie viel er von seiner Geschichte erzählt. Um die Nähe und Distanz von professionell handelnden Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen zu bewahren, eignet sich diese Methode als bevorzugte Lösung (Dörr, Margret; Müller, Burkhard, 2007, S. 2). Aus der Falldarstellung lassen sich Fragen nach biographischen Hintergründen, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, Partizipation im Hilfeprozess und institutionellen Settings überschaubar erkennen. Um die Verhaltensänderungen, sowie die Verarbeitung von vergangenen Erinnerungen beeinflussen zu können, strebt die Forschungsmethode nach „Rezeptwissen“ für das jeweilige Problem. Ob es sich dabei nur um eine einfache Anwendung handelt, die klare Regeln vorgibt, soll anhand der Biographiearbeit erforscht werden (Galuske, M., 2013, S. 19).
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