Die Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwieweit das kreative Schreiben durch den Einsatz digitaler Medien im Deutschunterricht der Berufsschule gefördert wird. Um sich diesem Gegenstand zu nähern, wird zunächst der Medienbegriff aufgrund seiner vielseitigen Bedeutung definiert und aufgezeigt, welche Bedeutung heutzutage der Medieneinsatz im Deutschunterricht hat. Das darauffolgende handelt vom digitalen Schreiben in der Berufsschule, indem in diesem Kontext auf kreative Textprodukte eingegangen wird sowie die Chancen und Herausforderungen erläutert werden, die im Vergleich zum analogen Schreiben bestehen.
Im Anschluss erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Kompetenzmodell der Textproduktion nach Bachmann und Becker-Mrotzek, das zunächst beschrieben wird, um einen Einblick in die analoge Textproduktion zu gewähren. Ausgehend von dem Modell wird dann ein Transfer zur digitalen Textproduktion geschaffen, indem das analoge Kompetenzmodell mit digitalen Medien verknüpft wird. Im fünften Kapitel erfolgt eine Zusammenfassung, die die anfänglich gestellte Forschungsfrage aufgreift und mithilfe der in dieser Hausarbeit aufgeführten Inhalte beantwortet. Den Abschluss der Ausarbeitung bildet ein Ausblick, der darlegt, wie das kreative Schreiben im Deutschunterricht der Berufsschule in Zukunft stattfinden kann.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Medienbegriff und die Situation im Unterricht
3 Digitales versus analoges Schreiben
3.1 Kreative, digitale Textprodukte
3.2 Chancen des Schreibens mit digitalen Medien
3.3 Herausforderung der digitalen Textproduktion
4 Kompetenzmodell der Textproduktion
4.1 Basismodell
4.2 Drei-Kreise-Modell
4.3 Transformation auf das digitale kreative Schreiben
5 Zusammenfassung
6 Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Basismodell der Textproduktion
Abbildung 2: Kreis I: Textproduktionsmodell - Aufgabentypisierung und Textmusterauswahl
Abbildung 3: Kreis II: Repräsentation der kommunikativen Situation und Adaption des Textmusters
1 Einleitung
Heutzutage wachsen Kinder und Jugendliche zunehmend mit digitalen Medien auf. Während früher non-digitale Aktivitäten den Alltag der Heranwachsenden prägten, sind es mittlerweile Smartphones, Tablets oder Computer. In den letzten 15 Jahren konnte eine Entwicklung im Bereich der Digitalisierung konstatiert werden, die sowohl für das Individuum als auch für den Schulunterricht Chancen und Risiken zur Folge hat. Grundsätzliche Chancen bestehen in den erweiterten Möglichkeiten für die Informationsbeschaffung, Kommunikation sowie Partizipation. Dagegen birgt der technische Fortschritt die Gefahr der Internet-/Computersucht und der ungleichen Zugangsmöglichkeiten resp. Nutzungsweisen. Damit Schüler1 für sich Vorteile aus der Verwendung digitaler Medien im Schulalltag ziehen können, bedarf es (Medien-) Kompetenz, die gemäß Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2012 als unverzichtbare Schlüsselqualifikation deklariert ist. Der didaktische Mehrwert digitaler Medien im Schulkontext kann sich nur unter richtigen Rahmenbedingungen entfalten, indem die Lehrkräfte selbst auch über methodisch-didaktische, fachliche und technische Fähigkeiten verfügen (vgl. Schaumburg 2015: 2).
Die schulische Bildung steht in der Pflicht, sich mit digitalen Verfahren und Produkten zu befasst und sie zu reflektieren, um Berufseinsteiger auf das Berufsumfeld, das digitale Arbeitsweisen impliziert, vorzubereiten (vgl. Wampfler 2017: 18).
Für die Ausstattung von Schulen mit Computern und dem Zugang zum Internet sind weltweit hohe Investitionen getätigt worden. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, welche Veränderungen die neuen Technologien tatsächlich bewirken und welchen Einfluss sie auf die Entwicklung von Lehr- und Lernprozessen haben (vgl. Schulz-Zander & Preussler 2017: 211).
„Die Mediensozialisation heutiger Heranwachsender ist in einem Maße durch die digitalen Medien geprägt [...], dass weder Deutschdidaktik noch Deutschunterricht diesen Sachverhalt (länger) ignorieren können bzw. dürfen. Hinzu kommt der fundamentale Wandel, dem auch die fachlichen Gegenstände des Faches Deutsch – Sprache und Literatur – unterliegen. [...] Die Bewusstmachung, Reflexion und Verarbeitung dieses medial bedingten sprachlichen und literalen Wandels bilden zentrale Aufgaben der Deutschdidaktik und des Deutschunterrichts im Zeichen der Digitalisierung.“ (Frederking u. a. 2014: XI)
Ausgehend von diesem Zitat und dem oben beschriebenen Einfluss der digitalen Medien wird sich im Rahmen der Hausarbeit „Kreatives Schreiben mit modernen Medien; digitales versus analoges Schreiben in Verbindung mit dem Kompetenzmodell der Textproduktion nach Bachmann und Becker-Mrotzek“ mit der Fragestellung beschäftigt, inwieweit das kreative Schreiben durch den Einsatz digitaler Medien im Deutschunterricht der Berufsschule gefördert wird. Um sich diesem Gegenstand zu nähern, wird zunächst der Medienbegriff aufgrund seiner vielseitigen Bedeutung definiert und aufgezeigt, welche Bedeutung heutzutage der Medieneinsatz im Deutschunterricht hat. Das darauffolgende Kapitel 3 handelt vom digitalen Schreiben in der Berufsschule, indem in diesem Kontext auf kreative Textprodukte eingegangen wird sowie die Chancen und Herausforderungen erläutert werden, die im Vergleich zum analogen Schreiben bestehen. Im Anschluss erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Kompetenzmodell der Textproduktion nach Bachmann und Becker-Mrotzek, das zunächst beschrieben wird, um einen Einblick in die analoge Textproduktion zu gewähren. Ausgehend von dem Modell wird dann ein Transfer zur digitalen Textproduktion geschaffen, indem das analoge Kompetenzmodell mit digitalen Medien verknüpft wird. Im fünften Kapitel erfolgt eine Zusammenfassung, die die anfänglich gestellte Forschungsfrage aufgreift und mithilfe der in dieser Hausarbeit aufgeführten Inhalte beantwortet. Den Abschluss der Ausarbeitung bildet ein Ausblick, der darlegt, wie das kreative Schreiben im Deutschunterricht der Berufsschule in Zukunft stattfinden kann.
Im folgenden Kapitel wird zunächst der Begriffskontext Digitalisierung bzw. digitale Medien festgelegt, um mit dieser geltenden Definition in der Hausarbeit zu arbeiten.
2 Medienbegriff und die Situation im Unterricht
Digitalisierung ist kein besonders neuer Prozess, da bereits in vielen Bereichen der Gesellschaft mit digitalen Medien gearbeitet wird. Dennoch ist der Begriff auf den ersten Blick eher unpräzise, da wirtschaftliche und soziale Veränderungen stark von Kommunikationsprozessen abhängen, die in einer Zwischensphäre stattfinden. Geprägt ist diese von der Gleichzeitigkeit von digital und analog sowie materiell und virtuell, da der Mensch in einem materiellen Körper virtuell denkt und in diesem Zusammenhang digitale und analoge Verfahren verbindet (vgl. Wampfler 2017: 16). Es handelt sich also um den technischen Prozess der Wandlung von analogen in digitale Signale zur Speicherung und Verarbeitung (vgl. Herzig 2017: 25f.).
Bei der Formulierung einer allgemeingültigen Definition von digitalen Medien kann festgestellt werden, dass der Begriff sehr vielseitig ist. Aus diesem Grund und der Tatsache, dass die neuartigen Medien mittlerweile auch im Bereich der Schule eingeordnet werden, wird im Rahmen dieser Hausarbeit von folgendem Begriff ausgegangen: Digitale Medien sind sowohl die technischen Geräte zur Übertragung, Speicherung und Verarbeitung von Zeichen als auch das funktionale Zusammenwirken bei der Kommunikation in Form von z.B. einer Software. Somit können sie als Vermittler verstanden werden, durch die Zeichen aufbereitet und in bildhafter und symbolischer Form vorgestellt werden (vgl. ebd.: 29). Außerdem wird Multimedialität, Interaktivität, Kommunikation, Simulation und Kooperation ermöglicht. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, traditionelle Medien über neue Distributionswege zu nutzen und eine globale Verbreitung und Zugriffsmöglichkeit zu schaffen (vgl. Wiater 2013: 18f.). Innerhalb dieser Arbeit meint das digitale Verfassen von Texten insbesondere Textverarbeitungsprogramme, die computer- und tabletbasiert unterstützt sind.
In den letzten Jahren sind neue Betrachtungsfelder für die Sprachdidaktik und den Sprachunterricht entstanden, da die Computerkommunikation ein Spannungsfeld erzeugte, das sich von der konzeptionellen Schriftlichkeit und Mündlichkeit bis zu medienspezifischen Sprach- bzw. Schreibformen (Schreiben mit digitalen Medien) erstreckt. Hierbei sind die Bereiche der Lese-, Schreib- und Medienkompetenz eng miteinander verknüpft. Gemäß Kultusministerkonferenz greifen die Bildungsstandards die allgemeinen Bildungsziele auf. Aus diesem Grund wurden seit 2003 die neuen Lehrpläne für das Unterrichtsfach Deutsch kontinuierlich an die Bildungsstandards angepasst, indem eine Grundbildung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie gewährleistet werden soll. Konkret ist hiermit gemeint, dass die Schüler das Literatur- und Medienangebot (kritisch) nutzen, sie mit verschiedenen Medien als Mittel zur Information, Kommunikation und Meinungsbildung sinnvoll umgehen sowie Nutzungsmöglichkeiten und Rezeptionsweisen der Printmedien mit neuartigen Medien vergleichen sollen. Darüber hinaus ist im Bereich der Sprachbewusstheit und der kommunikativen Kompetenz in den Lehrplänen vermerkt, dass der Einsatz digitaler Medien stets zu reflektieren ist. Durch diese Ausführungen wird deutlich, dass die auf Bildungsstandards formulierten Lehrpläne auf Themen, die neue Medien beinhalten, und den gesellschaftlichen Wandel reagieren (vgl. Waibel 2010: 230f., 237-239).
Zu Beginn des Jahrtausends hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung bereits das Ziel ausgesprochen, die Nutzung neuer Medien für Lernende und Lehrende im Kontext der Schule zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Deshalb wurde für das Jahr 2004 ein Schüler-Computer-Verhältnis von 5:1 angestrebt, das in allen deutschen Schulformen (bis heute) nicht erreicht wurde. Bezogen auf die berufsbildenden Schulen liegt das Verhältnis bei etwa 9:1. Zwar ist heutzutage eine bessere Computerausstattung als noch zu Beginn des Vorhabens vorzufinden, allerdings liegt Deutschland nach einer OECD-Studie im Ländervergleich unterhalb des Durchschnitts. Insbesondere die skandinavischen Länder stellen die Benchmark dar. Basierend auf Zahlen der JIM-Studie (Jugend, Information, Media) gaben 25 Prozent der 12-19-Jährigen an, täglich bzw. mehrmals pro Woche in der Schule am Computer zu arbeiten. Für die Erledigung von Hausaufgaben verwendet etwa die Hälfte der Schüler zuhause einen Computer. Somit ist die häusliche Mediennutzung weiter verbreitet als die schulische (vgl. Möbius 2014: 337f.).
Empirische Erhebungen ergaben, dass die reine Verfügbarkeit digitaler Medien nicht zur Leistungsverbesserung beiträgt. Insbesondere die Integration geeigneter, didaktischer Modelle im Deutschunterricht hat positive Auswirkungen. Aus diesem Grund werden Computer nicht mehr als Instrumente zur Wissensvermittlung eingestuft, sondern dienen als Arbeitsmittel im Rahmen eigenaktiver Lernprozesse und selbstverantwortlichem Lernen (vgl. ebd.: 341-344). Für die Textproduktion im Deutschunterricht der Berufsschule bedeutet es folgendes:
Durch die Einbeziehung digitaler Medien in den Deutschunterricht wird die Intention verfolgt, aus der klassischen Textrezeption und -analyse ästhetische Literatur für die Lernenden zu schaffen. Dieses gelingt, indem Aspekte in neuen, digitalen Kontexten betrachtet und so die motivationalen Effekte genutzt werden. Mithilfe der medialen Übertragung von Inhalten (z.B. Handlungsabläufe und Figurenkonstellation) kann dem kreativ Schreibenden das essentielle literarische Lernen ermöglicht werden. Gleichzeitig wird das Ziel verfolgt, die persönliche Medienreflexion zu vertiefen, Schreibkompetenzen, die nicht oft genug geschult werden, zu fördern (vgl. Ruf 2016: 140) und sich im kulturhistorischen Kontext zu verorten (vgl. Wampfler 2017: 18).
3 Digitales versus analoges Schreiben
Durch den technischen Fortschritt ist das Schreiben per se essentieller geworden, da über den Computer mittels der Schriftsprache kommuniziert wird. Dementsprechend gehört die schriftliche Kommunikation durch Chats und andere Anwendungen zum Alltag der Berufsschüler und wird intensiver denn je genutzt (vgl. Ruf 2016: 166). Auszubildende nutzen Informations- und Kommunikationstechnologien zum Erstellen von Texten, Kalkulationen, Multimedia, Präsentationen, zur Kommunikation und Kooperation zum Informationsmanagement unter Nutzung von Web-Ressourcen sowie als fachbezogene Software (vgl. Schulz-Zander & Preussler 2017: 217). Problemlagen und Lösungsstrategien der Berufs- und Wirtschaftspädagogik stehen in direktem Zusammenhang mit Sprache und Kommunikation (vgl. Siemon 2018: 73). Laut leo.-Studie wird im Laufe der Ausbildung im Allgemeinen nicht weniger geschrieben, sondern vermehrt spezifische Schreibanlässe wahrgenommen. Digital beschränken sich Auszubildende hauptsächlich auf Kommunikation via Social-Media (vgl. Siemon 2018: 77). Kreative Texte werden nicht entweder digital oder analog verfasst: Ihre Produktion ist ein komplexer Prozess, der durch die Möglichkeiten der digitalen Textverarbeitung erweitert worden ist (vgl. Wampfler 2017: 64).
3.1 Kreative, digitale Textprodukte
Digitale Medien (Software und Hardware) verändern den kulturellen Umgang mit Schrift außerhalb und innerhalb der berufsbildenden Schule. Lange Zeit war Schrift die dominante Vermittlungstechnik im Unterricht (vgl. Schmitz 2006: 257). Beim kreativen Schreiben steht der Verfasser als Subjekt und dessen Bedürfnissen im Mittelpunkt. Im Sinne des kompetenzorientierten Deutschunterrichtes mit digitalen Medien, führt dieser zu einer Lernkultur mit einer ausgeprägten Schülerorientierung und größeren Anteilen selbstregulierten, motivierten Lernens (vgl. Fix 2008:115f.; vgl. Schulz-Zander & Preussler 2017: 218). Schreiben ist daher nicht bloß ein Problemlöseprozess. Der kreativen Schreibdidaktik eigen ist, dass das Endprodukt eine sekundäre Bedeutung hat; Primär steht der Entstehungsprozess des Schreibens mit seinen Teilhandlungen im Fokus. Auch das digitale Schreiben ist ein technologischer Pfad, Materialien anzuordnen, um ein Ziel zu erreichen (vgl. Wampfler 2017: 59f.). Elektronisches Schreiben bezeichnet ferner die Produktion eines Textes, bei dem digitale Schreibmedien in allen Phasen eines Prozesses operativ und funktional eingesetzt werden (vgl. Radvan 2013: 109f.).
Durch entstandene Schriftstücke wird eine Handlung vollzogen (oder antizipiert). Es geht nicht um das Erkennen und Reproduzieren von Textsorten, in das nur dann subjektive Elemente einfließen, wenn sie dem Zweck der Wissensvermittlung und -festigung dienen. Herauszuhebende Merkmale sind die Perturbation, die Expression und die Imagination. Hinzu kommen assoziative Brücken und der soziale Faktor, da kreatives Schreiben in Gruppen stattfindet (vgl. Ruf 2013: 51). Unter kreativem Schreiben ist eine kreative Schreibszene zu verstehen, die im Rahmen der ästhetischen Bildung auf die Wertschätzung und Erweiterung der eigenen ästhetischen Fähigkeiten des Schreibens abzielt. In diesem Zusammenhang erschließt, versteht und eignet sich der Schreibende literarisch-poetische resp. textgestalterische Ausdrucksformen in deren Vielseitigkeit an. Dieses geschieht, indem durch die Aktivierung der Imaginationskraft eine neue Sicht auf Bekanntes entwickelt wird, wodurch im Alltag herrschende Vorstellungsmuster durchbrochen werden (vgl. ebd.: 31f.).
Das Schreiben mit neuen Medien hat nicht nur den Zweck, die Schreibfähigkeiten der Schüler zu verbessern, indem man ihnen bewusst macht, was kommunikativ angemessenes Schreiben bedeutet. Sie kann auch eine Anregung zum Nachdenken über den eigenen Sprachgebrauch und das eigene Kommunikationsverhalten sein (vgl. Waibel 2010: 229). Nicht bereits das Digitalisieren eines handgeschriebenen Textes konstituiert digitales Schreiben, sondern der Einbezug digitaler Schreibmedien von der Planung und Vorbereitung über das Entwerfen und Formulieren bis hin zum (kooperativen) Überarbeiten eines Textes (vgl. Radvan 2013: 110). Das EDV-gestützte Schreiben erfolgt als ein zielorientiertes Problemlösen, d.h. andere Ziele des Schreibens, wie Abschreiben oder Niederschreiben stehen nicht im Mittelpunkt (vgl. Schulz-Zander & Preussler 2017: 218f.). Mit einer Tastatur oder einem Tablet zu schreiben, fühlt sich anders an, als mit einem Stift über Papier zu gleiten. Die Form der Buchstaben unterscheidet sich ebenso wie die händischen Bewegungen; auch der Rhythmus und die Gedanken beim Schreiben sind nicht identisch (vgl. Wampfler 2017: 60).
Der digitale Textentwurf zielt in der Regel auf Schreibresultate ab, die nicht unter experimentellen Labor- oder Versuchsbedingungen erforscht werden können (vgl. Ruf 2013: 52). Gleichzeitig ist er ein variables Gefüge aus den zusammenwirkenden Faktoren Schreiben, Medienmaterialität, Schreibgesten, Schreibprozess und Entwurfsgeschehen, wobei diese Dimensionen als konstituierende Elemente Quellen von Problemen darstellen (vgl. Ruf 2013: 51f.).
3.2 Chancen des Schreibens mit digitalen Medien
Digitalisiertes Schreiben bietet eine Vielzahl von Optionen zur Textgestaltung gegenüber dem chirographischen Schreiben. Software-Schreibtools helfen, das kreative Verfassen von Texten simpler, effizienter und inhaltlich zu verbessern (vgl. Klaffke 2010: 123). Die Bedienung digitaler Hardware erfordert einfache körperliche Anstrengungen, wohingegen das Handschreiben anstrengender ist (vgl. Radvan 2013: 109f.).
Durch den Einsatz von kreativem Schreiben im Unterricht, z.B. durch Hypertexte, kann eine mangelhafte Schriftsprachkompetenz verbessert werden, und gleichermaßen sind sie Pforten zu assoziativen Schreib- und Leseräumen, indem sie Dokumente durch Links vernetzen. D.h. nicht nur Dokumente lassen sich verknüpfen, sondern auch Autoren; es entsteht eine Beziehung zwischen Inhalten ebenso wie zwischen Menschen. Rekursivität und Dialogiziät sind für digitale Schreibpraktiken im Deutschunterricht bedeutsam geworden. Auf die Schreibdidaktik bezogen sind diese Begriffe treffender zu bezeichnen als Prozessorientierung und die Möglichkeit zur Kooperation beim Verfassen von Texten (vgl. ebd.: 108). So ist das Schreiben für und in Netzwerken mit unsequenziertem Schreiben gleichzusetzen. Essentiell ist die Abstimmung individueller Beiträge mit jenen der anderen Beteiligten und eine sinnvolle Integration. Die kohäsive Geschlossenheit einzelner Beiträge bietet die Voraussetzung dafür, dass auf eine informationelle Einheit von anderen Einheiten referenziert werden kann (vgl. Krameritsch 2010: 89).
Durch Computer lässt sich das Geschriebene beliebig anpassen bzw. verschieben (vgl. Klaffke 2010: 127). In diesem Fall werden Schreibprozess und Schreibprodukt getrennt und somit wird Schreiben flexibler, denn Inhalte können überarbeitet, gestrichen oder ergänzt werden. Den Schreibern stehen diverse Erscheinungsformen zur Verfügung (vgl. Dürscheid 2018: 4). Textverarbeitungsprogramme bieten die Vorteile, Texte u.a. auf Orthographie korrigieren zu lassen; es lässt sich mit der Typographie und dem Wortlaut spielen oder einen Index erstellen (vgl. Schmitz 2006: 250; vgl. Klaffke 2010: 125). Die Digitalisierung nimmt die Organisationsarbeit ab, die in der gedanklichen Vorbereitung im Schreiben unterstützt und beim Strukturieren des Textes förderlich ist (vgl. ebd.: 125).
[...]
1 In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulin verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint.