Ziel dieser Seminararbeit ist es, den Wandel der fremdsprachlichen Einflüsse auf die Jugendsprache seit dem 16. Jahrhundert bis heute zu analysieren.
Jugendsprache - Wörter wie cool, YOLO oder ultrafett werden damit verbunden und viele Eltern benötigen bei einigen Ausdrücken der Sondersprache ihrer Schützlinge ein jugendsprachliches Lexikon.
Assoziationen zu diesem Begriff kommen nahezu jedem in den Sinn. Doch wie definiert man diesen genau, wenn man berücksichtigen möchte, dass Jugendsprache nicht nur ein Phänomen der heutigen, von Medien geprägten, Gesellschaft ist, sondern ein zeitübergreifendes Kontinuum darstellt?
Inhalt
1. Würden sich zwei von heute und früher unterhalten
2. Jugendsprache
2.1 Allgemeine Definition
2.2 Gründe der sprachlichen Abgrenzung Jugendlicher
3. Jugendsprache im historischen Kontext
4. Der fremdsprachliche Einfluss auf die deutsche Jugendsprache im historischen Kontext
4.1 16./17. Jahrhundert
4.2 18./19. Jahrhundert
4.3 20. Jahrhundert / heute
4.4 Fazit
5. Spekulative Fragen für die zukünftige deutsche Jugendsprache
6. Literatur
6.1 Primärliteratur
6.2 Sekundärliteratur
6.3 Internetquellen
1. Würden sich zwei von heute und früher unterhalten...
Ich werde morgen mit einigen meiner Konkneipianten in die Musenstadt reiten, dort etwas Schnabes trinken und in floribus leben. Ich hoffe, du bist nun nicht in schwulibus!
Ey Bro, mit meinen Homies drive ich morgen in 'ne geile City, kill ein paar Schnäpse und chill richtig hart meine Basis. In your face!
Würden der siebzehnjährige Engelhart aus dem Jahr 1868 und der sechzehnjährige Tim aus dem Jahr 2016 versuchen, miteinander zu kommunizieren - sie verstünden kein Wort voneinander.
Unschwer lässt sich an diesen beiden Beispielen erkennen, dass es sich um die Sondersprachen von Jugendlichen handelt. Besonders fallen hier die fremdsprachlichen Merkmale ins Auge, die sich im Laufe der Jahrhunderte, wie es scheint, um einiges geändert haben.
Ziel dieser Seminararbeit ist es, den Wandel der fremdsprachlichen Einflüsse auf die Jugendsprache seit dem 16. Jahrhundert bis heute zu analysieren.
Zu Beginn sollen Aspekte der Jugendsprache definiert werden. Da eine allgemeine Umschreibung in der Sprachwissenschaft eine Schwierigkeit darstellt, werden hier drei Definitionen aufgeführt, die den Jugendjargon begrifflich werden lassen. Im Weiteren wird erklärt, weswegen sich Jugendliche sprachlich von der Standardsprechweise abgrenzen. Da Jugendsprache ein schnelllebiges und unbeständiges Phänomen ist, lassen sich allgemeine Merkmale über alle Zeiten nicht aufführen, es werden jedoch in Kapitel 2.3 die wichtigsten Merkmale, die seit dem 16. Jahrhundert übereinstimmen, geschildert.
Wichtig für das weitere Vorgehen ist auch, die Jugendsprache in ihrem historischen Kontext zu beleuchten. Hier soll der Wechsel der Sprechergruppe im Laufe der Jahrhunderte erkennbar werden, da bis Anfang des 20. Jahrhunderts Studenten die Hauptvertreter der Jugendsprache waren. In der darauffolgenden Zeit erweitert sich die jugendsprachliche Gruppe.
Das Kapitel 4 ist der Hauptteil der Arbeit, welcher in drei Zeitabschnitte eingeteilt ist. In jedem dieser Abschnitte wird gezeigt, welche Sprachen Einfluss nehmen, was die Gründe dieser Spracheinflüsse sind und wie sich dieser Einfluss auf den Jugendjargon auswirkt. Nach einem zusammenfassenden Fazit schließt die Arbeit mit spekulativen Fragen ab.
2. Jugendsprache
2.1 Allgemeine Definition
Jugendsprache- Wörter wie cool, YOLO oder ultrafett werden damit verbunden und viele Eltern benötigen bei einigen Ausdrücken der Sondersprache ihrer Schützlinge ein jugendsprachliches Lexikon.
Assoziationen zu diesem Begriff kommen nahezu jedem in den Sinn. Doch wie definiert man diesen genau, wenn man berücksichtigen möchte, dass Jugendsprache nicht nur ein Phänomen der heutigen, von Medien geprägten, Gesellschaft ist, sondern ein zeitübergreifendes Kontinuum darstellt?
Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine allgemeine Definition der "Jugendsprache" schwierig zu formulieren.
Man ist sich uneinig darüber, ob diese Sondersprache der Standardsprache, Umgangs-sprachen, Regionalsprachen oder Soziolekten zugeordnet werden soll. Genau abgrenzen und einordnen kann man Jugendsprachen nicht, da sie über fließende Übergangsbereiche zu jeweils anderen Sonder- und Gruppensprachen verfügen.
Auch aufgrund ihrer Schnelllebigkeit, der Regionalisierung und der unsicheren Quellenlage durch die Überlieferung eines überwiegend oralen Sprachgebrauchs besteht eine gewisse Schwierigkeit der Definition.1
Da für diese Arbeit zentral ist, dass Jugendsprache nicht nur ein aktuelles Phänomen ist, sondern sich jugendsprachliche Formen schon in früheren Etappen ereignet haben, wird versucht, den Begriff "Jugendsprache" in der Gesamtheit ihres historischen Vorkommnisses anhand dreier Definitionen, welche unterschiedliche Aspekte beinhalten, zu begreifen.
Eine erste Definition in diesem Zusammenhang liefert der Sprachwissenschaftler Hermann Ehmann, der folgende Thesen aufstellt:
"1) Es gibt nicht die eine Jugendsprache, weil es die Jugend als homogene Gruppe nicht gibt. Vielmehr existieren mehrere Jugendsprachenvarietäten nebeneinander, die sich wiederum gegenseitig inspirieren (Szene-Sprache, Musikerjargon, Schüler- bzw. Studentensprache …); sie sind auch stets ein seismographischer Reflex des jeweiligen gesellschaftlichen Umfeldes.
2) Es gibt nicht die Jugendsprache an sich, wohl aber jugendspezifische Besonderheiten, die sich in sprachlicher, grammatischer, lautlicher und wortbildungsspezifischer Hinsicht deutlich von der Standardsprache abheben.
3) Es gibt nicht die Jugendsprache als mehr oder weniger komplettes Sprachsystem, sondern lediglich das schnelllebige, sich nicht zu einer festen Struktur verdichtende Sprechen von Jugendlichen."2
Besonders deutlich hebt Ehmann die Vielseitigkeit und Vergänglichkeit jugendsprachlicher Phänomene hervor.
Einen soziolinguistischen Definitionsansatz liefert der Sprachwissenschaftler Helmut Henne. Er definiert Jugendsprachen im Plural und meint damit spezifische Sprech- und Schreibweisen, mit denen jugendliche Sprecher ihre Sprachprofilierung und so einen Teil ihrer Identitätsfindung betreiben. Jugendsprachen nehmen das jugendliche Lebensgefühl und Bewusstsein auf und wetterten gegen die von Erwachsenen geprägte Standardsprache. Dies tun sie auf eine experimentelle, antikonventionelle und tendenziell situationalisierende Weise.3
Eine dritte Definition liefert Jannis K. Androutsopoulos. Er bezeichnet Jugendsprache als "Umgangssprache Jugendlicher". Sie sei eine artenspezifische Varietät der informellen Kommunikation, deren Besonderheiten vor allem auf der lexikalisch-semantischen Ebene ausgeprägt seien. Die Jugend, die in dieser Korrelation betrachtet wird, ist hier als soziale Altersphase zu sehen. Der Begriff schließt nicht nur Menschen in der Phase ihrer Pubertät ein, sondern auch die sogenannte Postadoleszenz, also den Lebensabschnitt von Beginn der Jugend bis hin zum 30. Lebensjahr. Da der Jugendbegriff sozial und nicht biologisch fundiert ist, wird die Jugendsprache als ein altersspezifisches und soziokulturell bedingtes Phänomen angesehen.4
Vor den weiteren Ausführungen dieser Arbeit ist anzumerken, dass sich die folgenden Aspekte auf den stereotypischen Jugendlichen beziehen, der Begriff "Jugendliche" jedoch nicht die Gesamtheit aller in dieser Gruppe betrifft.
2.2 Gründe der sprachlichen Abgrenzung Jugendlicher
Dass unter den meisten Jugendlichen in allen Jahrhunderten andere Konventionen des sozialen Umgangs als unter Erwachsenen herrschen, dürfte allgemein bekannt sein. Der Ton ist meist direkter und auch Höflichkeitsnormen in einer Gruppe Jugendlicher unterscheiden sich häufig von denen, die regulär anerkannt sind.
Dieser Umgang spiegelt sich auch in der Sprache wider. Was genau diese sprachliche Abgrenzung begründet, versucht Ehmann anhand von 6 Aspekten zu erklären.
Als ersten Grund nennt er den Protestaspekt. Jugendliche nutzen "ihre" Sprache als Gegenpol zu aktuellen sprachlichen und gesellschaftlichen Normen und Konventionen, die aus ihrer Sicht antiquierte Relikte aus früheren Zeiten darstellen.
Weiter führt er den Abgrenzungsaspekt auf. Jugendsprache ist immer ein Stück bewusster Abgrenzung. Versuchen sich Erwachsene an der Sprache der jüngeren Generation, wird dies oft als Eindringen in die Intimsphäre aufgenommen und nicht als authentisch angesehen.
Da Authentizität und Originalität für junge Menschen sehr wichtig sind, werden immer wieder neue sowie individuelle Worte und Sprüche in den Redefluss eingebracht. Deshalb zählt der Aspekt der Credibility als dritter Grund.
Auch der Spiel- und Innovationsaspekt stellt einen Grund dar. Ein junger Mensch möchte vor allem dem Wunsch nach der Schaffung von Neuem, Eigenem und Authentischem nachgehen, indem er sich kreativ mit der Sprache auseinandersetzt und damit "spielt".
Weil sich Jugendliche in der Pubertät mit einigen Konflikten auseinandersetzen müssen, werden die aufgestauten Affekte und Emotionen in die Sprache verlagert, das ist der affektiv-emotionale Aspekt. Jugendsprache kann also auch als "kanalisierte Emotions-abfuhr" mit therapeutischem Effekt gesehen werden
Ein letzter Grund Ehmanns ist der kommunikativ-ökonomische Aspekt. Jugendsprache ist wesentlich flexibler als Standardsprache, ökonomischer und bequemer und drückt subjektive Gefühle und Stimmungen meist besser aus.5
Henne meint außerdem, vor allem bezogen auf die historische Studentensprache, dass die Sprachkreativität der jungen Erwachsenen "mit dem allgemeinen Vitalitätsbedürfnis dieses Alters und mit der Ausweich- und Ventilfunktion dieser Gruppensprache gegenüber dem Erwartungsdruck von Elternhaus und Universität"6 zu tun habe.
2.3 Merkmale der Jugendsprache
Da die Jugendsprache sich im ständigen Wandel befindet und von Jahrhundert zu Jahrhundert variiert, ist es schwierig, allgemeine Merkmale darzustellen. Jedoch gibt es ein paar, die in jeder Zeit vorkommen. Einige davon werden im Folgenden genannt.
[...]
1 vgl. Gerdes, Joachim: Arbeitsfelder der Jugendsprachforschung. Studienbuch für Lehre und Forschung. (Sprache, Kommunikation, Kultur. Soziolinguistische Beiträge. Bd 12) Frankfurt am Main 2013. S. 9 f.
2 Ehmann, Hermann: Oberaffengeil. Neues Lexikon der Jugendsprache, München 1996, S. 23
3 vgl. Androutsopoulos, Jannis K.: Deutsche Jugendsprache. Untersuchungen zu ihren Strukturen und Funktionen. Frankfurt am Main 1998. S.32 ff.
4 vgl. Androutsopoulos, S. 1 ff.
5 vgl.: Ehmann, Hermann (1996), S. 20ff.
6 Henne, Helmut/Objartel, Georg (Hrsg.): Historische deutsche Studenten- und Schülersprache. Einführung, Bibliographie und Wortregister. Bd I. Berlin: 1984. S. 50.