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Hausarbeit, 2019
16 Seiten
1 Einleitung
2 Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation
2.1 Marshall B. Rosenberg und seine Idee
2.2 Das Handlungskonzept
2.3 Ziele des Handlungskonzeptes
3 Das Kommunikationsquadrat
4 Vergleich zum Handlungskonzept nach Rosenberg
4.1 Kritik an beiden Modellen
5 Beispiele aus dem Lebensalltag
5.1 Beispiel 1
5.2 Beispiel 2
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Eine reibungslose Kommunikation – das ist der Wunsch vieler Menschen, um den Alltag angenehmer zu gestalten. Auch ich bin ein Mensch, der Wert auf die Kommunikation legt und den ständigen Wunsch hat, verstanden, akzeptiert und toleriert zu werden. Sei es zu Hause, auf der Arbeit, in der Uni oder im engsten Freundeskreis – einer Kommunikation ohne ständiges Missverstehen, ohne negative Interpretationen des Gesagten, ohne Vorwürfe oder das Bewerten des Ausgesprochenen messe ich einen hohen Wert zu. Nicht nur aus eigener Gefühlslage oder Erfahrungen her, sondern auch religiös gesehen spielt für mich der richtige Umgang mit Kommunikation eine wichtige Rolle. Im Islam überliefert der Prophet Muhammed (Friede sei mit ihm) Folgendes: „Wer an Allah und den Jüngsten Tag glaubt, soll entweder Gutes sprechen oder schweigen.“ (vgl. Sahīh al-Buchārī) und auch im Koran spricht mein Herr: „Freundliche Worte und Vergebung sind besser als ein Almosen, dem Beleidigungen nachfolgen.“ (vgl. Sure Al-Bakara, Vers 263), „Allah liebt nicht den laut vernehmbaren Gebrauch von bösen Worten, außer durch jemanden, dem Unrecht zugefügt worden ist. Allah ist Allhörend und Allwissend.“ (vgl. Sure An-Nîsa, Vers 148). Ich wurde also von klein auf so erzogen, die Sprache für sinnvolles und sanftes Kommunizieren einzusetzen. Dem Respekt gegenüber älteren Geschwistern, älteren Familienmitgliedern oder gar älteren fremden Personen wird ein hohes Maß an Wert zugewiesen – sowohl religiös als auch kulturell bedingt sollen Ältere besonders respektiert werden. Daher wird in meiner Kultur das ältere Geschwisterkind, der Onkel oder die Tante nicht mit dem Namen, sondern als „großer Bruder“ oder „große Schwester“, als „Onkel“ oder „Tante“ angesprochen. Ebenso beschäftigt mich fast täglich ein weiterer Vers in Bezug zu dem Umgang mit den Eltern: „Und dein Herr hat bestimmt, daß ihr nur Ihm dienen und zu den Eltern gütig sein sollt. Wenn nun einer von ihnen oder beide bei dir ein hohes Alter erreichen, so sag nicht zu ihnen: „Pfui!“ und fahre sie nicht an, sondern sag zu ihnen ehrerbietige Worte.“ (vgl. Sure Al-Isra, Vers 23). Auf Grund dieser Offenbarungen und den kulturellen Werten habe ich den ständigen Willen, die Art meiner Kommunikation angemessen einzustellen. Doch in vielen Situationen – wie z.B. angespannte oder konfliktoffene Situationen – gelingt es mir nicht, mich zu beherrschen.
Um mich intensiver mit dem Thema der Kommunikation zu beschäftigen, habe ich mich auf die Suche nach passenden Theorien für die vorliegende Hausarbeit gemacht.
Demzufolge bin ich auf die Konzepte von Marshall B. Rosenberg „Gewaltfreie Kommunikation“ und Friedemann Schulz von Thun „Kommunikationsquadrat“ gestoßen und werde diese in meiner Arbeit erläutern. Danach werde ich beide Theorien miteinander vergleichen und mögliche Kritik dazu ausüben. Um die Wirksamkeit der Theorien bei der Anwendung näher zu untersuchen, versuche ich diese in meinem Alltag anzuwenden und werde meine Ergebnisse dazu in dieser Arbeit niederschreiben. Zuletzt werde ich verdeutlichen, inwiefern ich vom Umgang mit den Theorien im Verlauf dieser Arbeit geprägt wurde und werde diese mit einer zusammenfassenden Reflexion und einer Stellungnahme abschließen.
Marshall B. Rosenberg (*1934, † 2015), geboren in Ohio (USA) und aufgewachsen in Michigan, war als jüdischer Junge oft Zeuge von Rassenunruhen. Da sein Nachname Rosenberg als eine Typisierung für eine jüdische Herkunft galt, musste er sich auf Grund dessen in seiner Schulzeit gewalttätigen Handlungen unterlegen. Diese Art von Gewalterfahrung nutzte er als Grund, sich intensiver mit den folgenden Fragen zu beschäftigen: „Was geschieht genau, wenn wir die Verbindung zu unserer einfühlsamen Natur verlieren und uns schließlich gewalttätig und ausbeuterisch verhalten?“ „Was machte es manchen Menschen möglich, selbst unter den schwierigsten Bedingungen mit ihrem einfühlsamen Wesen in Kontakt zu bleiben?“. (vgl. Rosenberg 2016, S. 17)
Rosenberg ist ein Psychologe, Mediator und Kommunikationstrainer gewesen und war zudem Schüler vom US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeut Carl Rogers (*1902, † 1987). Er war in verschiedenen Einrichtungen beschäftigt. Für Rosenberg galt die einfühlsame Kommunikation und damit das aufmerksame Sprechen sowie das Zuhören als sehr wichtig. In seiner Arbeit beschreibt er Einfühlsamkeit als ein Fluss zwischen zwei Menschen, der auf gegenseitigem Geben von Herzen beruht. (vgl. Rosenberg 2016, S. 17)
Die Idee in dem Handlungskonzept ist – laut Rosenberg – der Menschheit schon seit Jahrhunderten bekannt. Durch die Einführung in sein Konzept hat er die Absicht, die Menschen nur nochmal daran zu erinnern, wie unsere zwischenmenschliche Kommunikation ursprünglich gedacht war. Das einfühlsame Geben und Nehmen und die Freude daran liege in der Natur des Menschen. Sein Konzept entwickelt Rosenberg durch die Inspiration und der Idee des Psychologen Mahatma Gandhi und nannte diese Gewaltfreie Kommunikation, kurz GFK. Gandhi beschreibt mit der Bezeichnung „Gewaltfreiheit“, dass sich die Fähigkeit der Empathie und des Einfühlens einer Person entfaltet, wenn sich die Gewalt in ihrem Herzen verringert. Auf Grund dessen wird die GFK auch meist als Einfühlsame Kommunikation verstanden, denn oft tritt das Problem auf, dass die eigene Art des Sprechens als gewaltfrei empfunden wird. Dabei kann es in vielen Fällen sein, dass sich selbst oder den KommunikationspartnerInnen mit der Auswahl der Wörter und der Lautstärke der Stimme Leid und Verletzungen zugefügt wird. (vgl. Rosenberg 2016, S. 18)
Das Handlungskonzept Gewaltfreie Kommunikation ermöglicht den Menschen so miteinander umzugehen, dass der Kommunikationseinfluss zu mehr Vertrauen und Freude am Leben führt. Die vier Bereiche bzw. Komponenten des GFK-Modells werden folgendermaßen unterteilt: 1. Beobachtung, 2. Gefühle, 3. Bedürfnisse und 4. Bitten.
In der ersten Komponente „Beobachtung“ geht es darum, dass der Mensch die Situation erstmal wahrnimmt und den Ablauf – frei von Interpretationen – beobachtet. Wichtig ist, die Beobachtung von Beurteilung oder Bewertung zu trennen, denn das Beobachten bedeutet das alleinige Wiedergeben der gesehenen Handlung, doch das Beurteilen der Handlung ist eine Meinung über das Gesehene zu äußern. Dies darf nicht passieren, denn wenn das Beobachten mit dem Beurteilen oder Bewerten verknüpft wird, kann durch die Beurteilung des Geschehens das Gegenüber Kritik in der Äußerung erspüren und diese dementsprechend nicht akzeptieren. Zur Hilfe dienen Fragen wie: „Was wird gesehen, gehört oder berührt?“. (vgl. Rosenberg, S. 38)
Zweitens spricht Rosenberg von dem Bereich der „Gefühle“. Die Frage ist, wie sich der Mensch bei der Beobachtung der Handlung fühlt. Durch das Erwähnen der Gefühle mit Hilfe eines entsprechenden Wortschatzes kommt der Kontakt leichter zustande und der Ausdruck der eigenen Verletzlichkeit wird betont (vgl. Rosenberg 2016, S. 51). Hier ist es wichtig, eigene Gefühle von Pseudogefühlen und Gedanken zu trennen. Pseudogefühle führen meist zu negativen Interpretationen des Verhaltens des Gegenübers. Unerfüllte Bedürfnisse mit negativen Gedanken wie Vorwürfe oder Schuldzuweisungen kommen hier stark zum Vorschein.
Die „Bedürfnisse“, die sich hinter den Gefühlen befinden, werden von Rosenberg als eine weitere Komponente hervorgehoben. Für diese ist die Voraussetzung, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen, d.h. die Bedürfnisse, die hinter den Gefühlen verborgen sind zu erkennen, zu akzeptieren und diese dem Gegenüber zu gestehen. Laut Rosenberg führt das Verhalten oder das Gesagte Anderer lediglich zur Entstehung von Gefühlen. Der Grund für die entstandenen Gefühle liege in den Bedürfnissen und Erwartungen in der jeweiligen Situation, welche für eine selbstbestimmte Reaktion sorgen. (vgl. Rosenberg 2016, S.59)
Die vierte und somit letzte Komponente der GFK ist das „Bitten“. Hier geht es um die spezifische Bitte, Veränderungen vorzunehmen, um die Lebensqualität der betroffenen kommunizierenden Personen zu verbessern. Dabei ist es wichtig, zweideutige Formulierungen zu unterlassen und eine positiv geprägte Handlungssprache zu verwenden (vgl. Rosenberg 2016, S. 75). In der Bitte soll der Fokus auf den Willen gelegt werden, damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Bitte erhört und beachtet wird. Zudem muss den SprechpartnerInnen das Gefühl gegeben werden, dass sie nicht aufgefordert, sondern um etwas gebeten werden. Das Gegenüber darf sich demnach mit der Bitte nicht unter Druck gesetzt fühlen. (vgl. Rosenberg 2016, S. 91)
Marshall B. Rosenberg meint mit den Komponenten kurz Folgendes: „Wenn ich sehe, dass du A tust (Beobachtung), fühle ich B (Gefühl), weil ich das Bedürfnis nach C habe (Bedürfnis). Deshalb bitte ich dich, D zu tun (Bitten). Wie wäre dies für dich?“
Das Mitteilen dieser vier Schritte im Gespräch kann folgendermaßen geschehen: „Als du mir gesagt hast, dass du dich morgen nicht mit mir treffen möchtest (Wahrnehmung), habe ich mich bekümmert und abgelehnt gefühlt (Gefühle). Ich schätze Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit, Wertschätzung und offene Kommunikation sehr (Bedürfnisse) und möchte dich fragen, ob du mir die Gründe sagst, weshalb du dich morgen nicht mit mir treffen möchtest (Bitte)?“ Hier gibt der/die SprecherIn dem/der EmpfängerIn klar und deutlich die Beobachtung wieder und gesteht seine Gefühle und Bedürfnisse. Für das gegenseitige Wohlbefinden wird die Bitte ausgesprochen.
Die GFK kann bei alltäglichen Konfliktlösungen verschiedener Bereiche und zudem in pädagogischen Einrichtungen angewendet werden. (vgl. Rosenberg 2016, S.153)
Um die GFK anzuwenden, müssen nicht unbedingt alle von dem Konflikt betroffenen Personen eine gewisse Vorkenntnis über das Konzept haben. Es genügt, wenn eine Person in der Klärung des Konflikts das Modell anwendet. Sobald die Person mit Hilfe der Anwendung der GFK seine Absichten seinem Konfliktpartner vermittelt hat, wird dieser automatisch einfühlsam. (vgl. Rosenberg 2016, S. 20)
Die GFK hat das Ziel, auf Offenheit und Einfühlsamkeit basierende Beziehungen aufzubauen, sodass die Wünsche jedes Einzelnen erfüllt werden (vgl. Rosenberg 2016, S.91). Es strebt, alte Verteidigungs-, Rückzugs- und Angriffsmuster umzuformen und Wiederstand, Abwehr und Gewalttätigkeit zu reduzieren. Die Wertschätzung wird durch aufmerksames Sprechen und intensives Zuhören begünstigt. Durch die Klärung von Beobachtung, Gefühl und Bedürfnis – statt Vorwurf und Urteil – wird das Potenzial des eigenen Einfühlungsvermögens entdeckt (vgl. Rosenberg 2016, S.19). Außerdem strebt das Konzept nach dem Wohlergehen aller Beteiligten Personen.
Der Psychologe Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun, geboren im Jahr 1944 in Soltau, stellt in seinem Werk „Miteinander Reden 1-3“ (Rowohlt, Band 1: 1981, Band 2: 1989, Band 3: 1998) das Kommunikationsquadrat vor. Das Modell entstand aus seinen wesentlichen Fragen heraus: „Was ist professionelle Kommunikation und wie können sich Professionalität und Menschlichkeit verbinden und befruchten?“ (vgl. Stierlin Doctor 2010). Es ist eines seiner weit verbreiteten Modelle und ist ebenso bekannt als „Vier-Ohren-Modell“ oder als „Nachrichtenquadrat“. Laut Schulz von Thun erfolgt das Senden und Empfangen einer Aussage oder Nachricht über vier Wege. Diese beinhalten eine Sachebene, eine Selbstkundgabe, einen Beziehungshinweis und einen Appell. Ob gewollt oder ungewollt, diese vier Botschaften sind Bestandteile einer Aussage. Schulz von Thun beschreibt den Ablauf einer Kommunikation so, dass der Sender mit vier Schnäbeln spricht und der Empfänger das Gesagte mit vier Ohren empfängt, d.h. er fasst das Gesagte auf vier verschiedene Arten auf. (vgl. Schulz von Thun Institut für Kommunikation)
Die erste Ebene bezeichnet Schulz von Thun als „Sachebene“. Hierbei handelt es sich um die Vermittlung von Informationen. Daten, Fakten, Sachverhalte etc. stehen im Vordergrund. Der Sender steht vor der Herausforderung, Sachverhalte deutlich und verständlich zu äußern. Für den Sachohr des Empfängers ist es von Bedeutung, ob die gelieferte Information relevant oder irrelevant, zutreffend oder unzutreffend, ausreichend oder unzureichend ist. (vgl. Schulz von Thun Institut für Kommunikation)
Mit der „Selbstkundgabe“ im Kommunikationsquadrat ist die Informationsvergabe über den Sender selbst gemeint. Die Äußerungen, die aus dem Selbstkundgabe-Schnabel kommen, überliefern sowohl gewollt als auch ungewollt Teile der eigenen Persönlichkeit. Somit werden an seinen Äußerungen seine Gefühle, Werte, Eigenarten und Bedürfnisse erkannt, d.h. die sogenannte „Ich-Botschaft“ wird vermittelt. Der Selbstkundgabe-Ohr des Empfängers verarbeitet diese Informationen und macht sich ein Bild von der sprechenden Person. Der Empfänger schätzt also seine Stimmung, Meinung und Persönlichkeit ab. (vgl. Schulz von Thun Institut für Kommunikation)
Die „Beziehungsebene“ vermittelt durch die Formulierung, den Tonfall, die Gestik und Mimik was der Sender über den Empfänger denkt. In Folge der impliziten oder expliziten Äußerungen des Senders fühlt sich der Empfänger „wertgeschätzt oder abgelehnt, missachtet oder geachtet, respektiert oder gedemütigt“. (vgl. Schulz von Thun Institut für Kommunikation)
Auf der „Apellebene“ wird Einfluss auf den Empfänger ausgeübt. Der Sender teilt auf dieser Ebene seine „Wünsche, Appelle, Ratschläge, Handlungsäußerungen“ an den Empfänger mit. Dies geschieht auch implizit oder explizit. Der Empfänger nimmt diese Äußerungen mit seinem Appell-Ohr auf und versucht daraus zu schließen, was er machen, unterlassen, denken oder fühlen soll. (vgl. Schulz von Thun Institut für Kommunikation)
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