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Hausarbeit, 2019
35 Seiten, Note: 1,3
I. Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ausgangslage
2.1 Definitionen von Führungsbegriffen
2.2 Quantitative Bestimmung der Aufstiegsungleichheit
2.3 Die gläserne Decke
3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Definition von Stereotypisierung
3.2 Geschlechtsspezifische Stereotypisierung im Führungskontext
3.3 Theorie der sozialen Rolle
3.4 Zwischenfazit und Hypothesenbildung
4 Empirischer Teil: Umfrage zu geschlechtsspezifischer Stereotypisierung von Frauen in Führungspositionen
4.1 Versuchsaufbau
4.2 Deskriptive Datenauswertung
4.3 Interpretation und Hypothesenüberprüfung
5 Fazit
II. Quellenverzeichnis
III. Anhang
Abbildung 1: Frauenanteil in Führungspositionen in den EU-28-Staaten
Abbildung 2: Altersgruppen
Abbildung 3: Gründe der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen
Abbildung 4: Problematiken, die weiblichen Führungskräften begegnen
„Das Management ist nach wie vor eine Männerdomäne, in der Frauen Seltenheitswert haben.“ (Tonn 2016, S. 13)
Kaum ein Thema wird derzeit so breit diskutiert wie der Anteil von Frauen in Führungspositionen. Besonders im Fokus steht hierbei aktuell die Frauenquote, die am 1. Januar 2016 in Kraft trat. Diese sorgt unter anderem dafür, dass börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen für alle Aufsichtsratsposten eine Frauenquote von 30 Prozent einhalten müssen. Bei Nichterreichen bleiben die für das unterrepräsentierte Geschlecht vorgesehenen Stühle leer (o.V. 2015). Parteien wie die SDP machen sich seit einiger Zeit sogar für eine Frauenquote von 50 Prozent stark (o.V. 2017). Solche gesetzlichen Regelungen und Forderungen lassen die Frage aufkommen, warum es überhaupt so wenig weibliche Führungspersonen gibt.
Frauen machen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung aus. Mehr als die Hälfte der Hochschul-Absolventen ist weiblich (vgl. Schulz 2013, S. 14). Sie dürfen seit über 100 Jahren wählen, engagieren sich politisch und können ihre Zukunft und ihren beruflichen Weg selbst bestimmen. Vor dem Gesetz sind Männer und Frauen gleich, was unter anderem in § 3 des Grundgesetztes (GG) und § 1 des Bundesgleichstellungsgesetzes (BGG) festgelegt ist (vgl. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 1949/2017; Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 2006/2013).
Es ist daher gesellschaftspolitisch nicht zu erklären, dass nur so wenige Frauen, in den Führungspositionen der Wirtschaft und der Bundesverwaltung ankommen (o.V., 2015). Die Gründe dafür müssen somit woanders zu finden sein.
Allgemein bekannt ist die sogenannte „gläserne Decke“ als Begründung dafür, warum Frauen es vor allem in Bezug auf hohe Führungspositionen schwerer haben als Männer. Diese „Decke“ verhindere durch unternehmensspezifische Barrieren und allgemeinen Vorurteilen gegenüber den weiblichen Erwerbstätigen die weitere Karriere nur aufgrund ihres Geschlechts (vgl. Tonn 2016, S. 74).
Es lässt sich somit vermuten, dass bestimmte geschlechtsspezifische Zuschreibungen wirken, die Frauen einen beruflichen Aufstieg erschweren. Aufgrund dessen soll in dieser Hausarbeit die Forschungsfrage „ Die gläserne Decke – Inwiefern beeinflussen geschlechtsspezifische Stereotypisierungen den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen in Deutschland? “ untersucht werden.
Der größte Teil der Literatur dafür stammt aus dem Bereich der Sozialpsychologie und ist vor allem für den theoretischen Hintergrund sowie die daraus gebildeten Hypothesen relevant.
Der Aufbau der Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen empirischen Teil. Nach dieser Einleitung wird im zweiten Kapitel die Ausgangslage für Frauen im Zusammenhang mit Führungspositionen erläutert. Zum besseren Verständnis der Thematik werden zunächst in einem Unterkapitel die wichtigsten Führungsbegriffe definiert und erläutert. Dem folgt ein Teil, in dem die derzeitige quantitative Aufstiegsungleichheit für Frauen dargestellt wird. Daraus abgeleitet wird auf das Phänomen der „gläsernen Decke“ eingegangen.
Zur Erklärung der geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf die Berufs- und Aufstiegschancen dient die geschlechtsspezifische Stereotypisierung. Sie wird im dritten Kapitel thematisiert und gilt in Bezug auf die Führungspositionen als theoretischer Hintergrund dieser Arbeit. Zusätzlich zur geschlechtsspezifischen Stereotypisierung im Führungskontext wird in 3.3 auf die Theorie der sozialen Rolle eingegangen.
Aus den vorgestellten Theorien und Studien werden Hypothesen abgeleitet, die im vierten Teil der Arbeit mithilfe einer eigens konzipierten, geschlossenen Onlineumfrage mit kategorischen Antwortmöglichkeiten empirisch untersucht werden. Den fünften und letzten Teil der Arbeit bildet ein Fazit.
Um einen unterbrechungsfreien Lesefluss zu gewährleisten, wird in dieser Arbeit auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung verzichtet. Zudem werden alle Zahlen numerisch dargestellt.
Bevor näher auf die aktuelle Lage und die Schwierigkeiten von Frauen in Führungspositionen zu gelangen eingegangen wird, muss zunächst darauf eingegangen werden, dass Frauen bis in den 1950er Jahren fast ausschließlich die Rolle der „Hausfrau“ ausübten. Wenn sie erwerbstätig waren, war dies hauptsächlich in Berufen mit einem eher niedrigen Status wie Schneiderin, Krankenschwester oder Sekretärin, wohingegen Männer schon damals als „Familienernährer“ beruflichen Aufstieg und einen hohen Lohn anstrebten (vgl. Eckes 2008, S. 180). Der Arbeitsmarkt sowie die Führungsebenen waren somit nur durch Männer geprägt. Das hat dazu geführt, dass die Vorstellung einer erfolgreichen Karriere nur auf der Erfahrung von Männern mit ununterbrochener Erwerbstätigkeit basierte (Hofmeister & Hünefeld 2010). Entsprechend der weitgehend unhinterfragten Gleichsetzung von Führung und Mann erschien es selbstverständlich, dass nur Männer über die erforderliche Führungskraft und Autorität verfügen, sodass die Frage nach den Ursachen und Gründen für einen weitreichenden Ausschluss von Frauen damals gar nicht erst gestellt wurde (Quack 1997, S. 8).
Unter Führung versteht man allgemein eine zielbezogene Einflussnahme innerhalb eines sozialen Gefüges, welches Geführte dazu veranlassen soll, aus den Unternehmenszielen abgeleitete Ziele zu erreichen (Tonn 2016, S. 36; vgl. Henn 2009, S. 22). Führung kann auf einer funktionalen und einer personalen Ebene betrachtet werden. Ersteres bezieht sich nach Schulz (2013, S. 6) auf die Tätigkeit an sich, die das Festlegen von Zielen sowie das Planen, Durchsetzen und Prüfen von Entscheidungen beinhaltet. Die personale Führung hingegen schließt das Einwirken auf die Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Tätigkeiten und Ziele mit ein.
Führungspositionen können anhand der drei Kriterien Gehaltsebene, Karriereebene und der Bezeichnung der Position definiert werden (Tonn 2016, S. 20). Die einzelnen Führungsbereiche werden gemeinhin in eine obere, mittlere und untere Ebene geteilt. Zu den obersten Hierarchieebenen zählen meist der Aufsichtsrat1, der Vorstand2, die Geschäftsführung und die Unternehmenseigentümer, wobei die ersten beiden als tatsächliche Führungsspitze gesehen werden können (Tonn 2016, S. 37). Hauptabteilungs-, Abteilungs- und Ressortleiter bilden die mittlere Ebene. Die untere Ebene umfasst die Gruppen- und Filialleitung (Schulz 2013, S. 7).
Eine Führungskraft grenzt sich gegenüber anderen Beschäftigten dadurch ab, dass sie eine Position mit hohen Entscheidungsbefugnissen und die Verantwortung für die Planung und Lenkung einzelner Unternehmenseinheiten bzw. ganzer Unternehmen, die Organisation und Koordination von Unternehmensabläufen sowie die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der gesetzten Erfolgsziele einnimmt (Quack 1997, S. 4; vgl. Holst & Friedrich 2017, S. 828). Eine der wichtigsten Eigenschaften von Führungskräften ist es nach Schulz (2013, S. 6), zu führen, klare Richtungsvorgaben zu machen, Erwartungen zu definieren und Belohnungen anzubieten.
Wie bereits in der Einleitung angedeutet, ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert. Vor allem im Top-Management der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst der deutschen Wirtschaft ist der Anteil sehr gering (vgl. Wippermann 2010, S. 7, vgl. Lorenzo et al. 2016, S. 5). In den Vorständen der 200 größten Unternehmen in Deutschland waren Frauen Ende 2016 mit einem Anteil von nur 8 Prozent vertreten. Männer nahmen dort also 92 Prozent der Sitze ein. In den Aufsichtsräten betrug ihr Anteil in den Top-200-Unternehmen 23 Prozent (Holst & Friedrich 2017, S. 3 ff.). Diese Differenz wird in der Finanzbranche am deutlichsten: Dort stellen Frauen mit 55 Prozent zwar die Mehrheit der Beschäftigten, doch führen nur 27 Prozent von ihnen Mitarbeiter und in Spitzenpositionen sind lediglich 11 Prozent vertreten (Lorenzo et al. 2016, S. 6).
Bei einem Blick auf den Frauenanteil in Führungspositionen in Europa wird deutlich, dass sich nicht nur Deutschland mit dem Problem der Aufstiegsungleichheit beschäftigen sollte.
Das Diagramm in Abbildung 1 zeigt den Frauenanteil in Führungspositionen für die 28 Staaten Europas in den Jahren 2012 und 2017.
Abbildung 1: Frauenanteil in Führungspositionen in den EU-28-Staaten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schmidt 2018, S. 53
Insgesamt ist eine hohe Varianz der Werte in Europa zu erkennen. Den höchsten Anteil an Frauen in Führungspositionen im Jahr 2017 hatte Lettland3 mit 46 Prozent. In Luxemburg4 hingegen lag der Frauenanteil bei knapp 19 Prozent. Deutschland5 belegte mit einem Anteil von etwa 29 Prozent im europäischen Vergleich einen der hintersten Plätze und lag unter dem EU-Durchschnitt von rund 34 Prozent. Zudem sind zum Teil auch große Unterschiede im Vergleich zum Jahr 2012 zu erkennen. Während beispielsweise Estland den durchschnittlichen Frauenanteil um rund 7 Prozent steigern konnte, sank er in der Tschechischen Republik etwa 2 Prozent (vgl. Schmidt 2018, S. 53).
Bei den Aufstiegsmöglichkeiten scheint die Größe des Betriebes scheint eine entscheidende Rolle zu spielen. In einer Analyse von Führungspositionen in Betrieben und Verwaltungen auf Basis des IAB-Betriebspanels6 aus dem Jahr 2017 stellten Kohaut und Möller fest, dass in Großbetrieben mit 500 und mehr Beschäftigten auf der ersten Führungsebene Frauen mit 13 Prozent vertreten waren, während der Anteil in Kleinbetrieben (bis zu 9 Beschäftigten) mit 28 Prozent mehr als das Doppelte betrug. In Betrieben der Größenklassen dazwischen lag der Frauenanteil bei etwas über 20 Prozent (Kohaut & Möller 2017). Je größer der Betrieb, desto geringer scheint der Anteil von Frauen in den obersten Führungsebenen zu sein. Dies lässt sich nach Schmidt (2016) dadurch begründen, dass mit zunehmender Betriebsgröße auch die Anzahl der Führungsebenen ansteigt, wodurch mehrere Beförderungen notwendig sind, um in die zweite und schließlich in die oberste Führungsebene aufzusteigen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Aufstieg in die Führungsebene von Unternehmen meist zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr stattfindet. Das ist jedoch genau der Zeitraum, in dem viele Frauen aufgrund von Geburten nur bedingt am Arbeitsleben teilhaben können und so häufig bei der Besetzung guter Positionen übergangen werden (Hofmeister & Hünefeld 2010).
Auch das Thema des Lohnunterschiedes zwischen Männern und Frauen kann als ein Aspekt der Aufstiegsungleichheit gesehen werden kann.
So erhalten vollzeitbeschäftige Frauen nach Hinz und Gartner (2005, S. 26 ff.) trotz gleicher Humankapitalausstattung in denselben Berufen und Betrieben einen rund 12 Prozent niedrigeren Lohn.
Im Jahr 2016 erzielten Frauen in Führungspositionen einen durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 20,60 Euro, Männer hingegen 29,30 Euro (Holst & Marquatdt 2018). Die Wahrscheinlichkeit in den oberen Bereichen der Lohnverteilung zu arbeiten ist für sie also auffällig kleiner als für Männer.
Es scheint so als werde der Wert der Arbeit von Frauen geringer eingestuft und zudem schlechter bezahlt.
Studien von Holst und Friedrich (2017, S. 3 ff.) bestätigten zwar, dass der Frauenanteil unter den Führungskräften seit 1995 zugenommen hat, an der Spitze großer Unternehmen Männer jedoch vorwiegend unter sich bleiben. Für Frauen ist es nach wie vor schwierig in der männlich geprägten Berufswelt Karriere zu machen. Besonders in den obersten Bereichen der Lohnverteilung zeigen sich somit nach Gartner und Hinz (2009, S. 5 ff.) Geschlechtereffekte.
Und selbst wenn sie beruflich aufsteigen: Die Top-Führungsebene scheint ihnen meist verwehrt zu werden. Diese Barriere ist auch als die „gläserne Decke“ bekannt.
Die „gläserne Decke“ steht als Synonym für die Diskriminierungen von Frauen in Führungspositionen. Der Begriff wurde erstmals im Jahr 1977 publik und 1986 in einem Artikel des Wall Street Journals veröffentlicht. Er geht auf die amerikanische Unternehmensberaterin Lodon zurück (Tonn 2016, S. 67, Schulz 2013, S. 1). Die Formulierung beschreibt das Problem, dass es nur wenige Frauen ins „Top-Management“ schaffen, da eine unsichtbare gläserne Decke ihnen den Weg erschwert (Henn 2009, S.70). Einerseits nimmt der Begriff innerbetriebliche ungleichheitsschaffende und -erhaltende Strukturen und Prozesse in den Blick, andererseits differenziert er auch die geschlechterdifferenten und -differenzierenden Arbeitsmarktstrukturen (Tonn 2016, S. 67). Die „gläserne Decke“ stellt demnach eine vertikale Arbeitsmarktsegregation dar, die durch die Verteilung der Geschlechter auf Positionen mit ungleichen Karriere- und Einkommenschancen gekennzeichnet ist (Schulz 2013, S. 2).
Trotz hoher fachlicher Qualifikation und vergleichbaren Leistungen ist es für Frauen immer noch schwer, in eine Führungsposition im mittleren oder gehobenen Management aufzusteigen (Wippermann 2010, 17 ff., Hofmeister & Hünefeld 2010, vgl. Tonn 2016, S. 25 ff.). Wenn überhaupt bleiben sie auf einer der unteren Führungsebenen „hängen“, da gerade der Übergang von mittlerem Management zum Top-Management als sehr schwierig empfunden wird (Schulz 2013, S. 140).
Die Ursachen dieser unternehmensspezifischen Barrieren liegen nach Tonn (2016, S. 74) in den organisationalen Prozessen und Unternehmensstrukturen sowie in Vorurteilen und negativen Zuschreibungen gegenüber Frauen. Diese verhindern oder erschweren Frauen aufgrund ihres Geschlechts den Zutritt zu den hohen Führungsebenen. Betriebliche Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern, die dazu beitragen sollen, diese Kluft zu verringern und faire Löhne sicherzustellen, wirken nach Reichelt (2018) höchstens im Niedriglohnbereich und tragen kaum dazu bei, dass Frauen die „gläserne Decke“ durchbrechen können.
Ein weiteres Problem ist, dass, da oft nur Männer in der ersten Führungsebene sitzen, jene auch häufig auch eher Männer präferieren. Ein Grund dafür ist, dass sie die Qualifikationen ihrer eigenen Gruppe besser einschätzen und bewerten können, was auch unter dem „similiar-to-me“7 -Effekt bekannt ist (vgl. Schulz 2013, S.14).
„Männlicher Aufsichtsrat bevorzugt männlichen Vorstand, weil er in einem weiblichen Vorstand ein höheres Risiko sieht“, fassen Ziegler et al. (2015, S.13) das Problem treffend zusammen.
Bereits in Bewerbungen für Führungspositionen werden oft Vorurteile wirksam, weil fehlende oder unzureichende Informationen über die Bewerber durch geschlechtsstereotype Bilder ergänzt werden. Da Führungskräfte mit typischen "männlichen" Eigenschaften wie Dominanz, Selbstsicherheit und Autonomie assoziiert werden, werden Frauen nach Schulz (2013, S. 124) so oft automatisch ausgeschlossen, da eher Männer mit einem guten Führungsverhalten in Verbindung gebracht werden als Frauen. Zudem unterstellen Arbeitgeber nach Schulz (2013, S. 49) weiblichen Führungskräften aufgrund biologischer Unterschiede häufig eine geringere Produktivität als Männern.
Obwohl es rechtlich nicht zulässig ist, wird das Geschlecht scheinbar bei Bewerbungen und Beförderungsentscheidungen, stellvertretend für nicht vorhandenen reale Daten benutzt. So kann es dazu kommen, dass Frauen Karrierechancen verweigert werden (Schulz 2013, S. 53).
Wippermann sieht das Problem jedoch nicht in den einzelnen männlichen Führungskräften: „Hüter der „gläsernen Decke“ sind ja nicht die einzelnen Männer (…), sondern die – meist vorbewusst – zementierten Mentalitätsmuster in den Köpfen und Herzen der Männer, die sich zu Rollenbildern und Führungskulturen mit eigenen Ritualen, Sprachspielen und Habitusformen formiert haben.“ (Wippermann 2010, S. 19).
Jene Rollenbilder und „Mentalitätsmuster“, die auch als Stereotype bekannt sind, sollen als theoretischer Hintergrund dieser Arbeit gelten und werden im folgenden Kapitel in Bezug auf den Führungskontext aufgegriffen.
Stereotype können als Erwartungen und Annahmen über die Eigenschaften und Verhaltensweisen bestimmter Menschen oder sozialer Gruppen interpretiert werden, die die Mitglieder einer Gruppe im Durchschnitt aufweisen (Assig 2001, S. 24). Sie bergen folglich die Gefahr, Annahmen, die aufgrund eines Merkmals einer Gruppe entstanden sind, als wahre Tatsachen über Individuen zu beschreiben.
Stereotype werden bereits in früher Kindheit erlernt. Sie bilden eine wichtige Form sozialen Wissens, das es ermöglicht, unterbewusst und automatisch schnelle Assoziationen zu einer sozialen Gruppe abzurufen (Schmitt 2015, S. 890). Sie haben somit eine komplexitätsreduzierende Wirkung, weswegen sie im Alltag durchaus Sinn machen, da sie Interaktionen vereinfachen (vgl. Henn 2009, S. 41). Stereotypisierung funktioniert somit wie eine Art Wahrnehmungsfilter, bei dem nur die Fähigkeiten bewusst aufgenommen werden, die der jeweiligen Typisierung entsprechen (Schulz 2013, S. 124). Menschen wählen demnach bewusst oder unbewusst Informationen aus, ignorieren sie oder interpretieren sie basierend auf ihren individuellen inhärenten Überzeugungen und Erfahrungshorizonten (Schmitt 2015, S. 890). Dies kann dazu führen, dass Geschlechterungleichheit und -hierarchie produziert, verfestigt und legitimiert wird (Tonn 2016, S. 182).
Nach Schulz (2013, S. 121) werden Stereotype gegenüber Frauen vor allem in Führungspositionen sichtbar, da dort dem Geschlecht, verbunden mit dem beruflichen Status als Komponente der Geschlechterstereotype, eine herausragende Bedeutung zukommt.
Wie bereits in Kapitel 2.3 dieser Hausarbeit thematisiert, scheinen Annahmen über das durchschnittliche Verhalten von Menschen, die Aufstiegschancen von Frauen und Männern in Führungspositionen wesentlich zu beeinflussen und vor allem Frauen als Hürden auf ihrem Karriereweg entgegenstehen (vgl. Assig 2001, S. 24). Solche Geschlechtsstereotype beinhalten zum einen vereinfachte Vorstellungen darüber, wie Frauen und Männer im Allgemeinen sind, zum anderen beschreiben sie Erwartungen darüber, wie Frauen und Männer sein sollten und wie nicht. Eine Verletzung der allgemein bekannten Annahmen resultiert in der Regel in Ablehnung oder Bestrafung (Salwender & Schöl 2019, vgl. Eckes 2008, S. 178).
Geschlechterspezifische Stereotypisierung führt insgesamt dazu, genau das zu sehen, was erwartet wird. Jenes kann darin münden, dass Männern, bezogen auf die Arbeit und Entscheidungen, mehr vertraut wird als Frauen (vgl. Aries 1996, S. 18 ff.).
Als optimale Führungskraft gilt der zu jeder Zeit verfügbare Manager, der über typisch männliche Eigenschaften wie Stärke, Durchsetzungsfähigkeit, Dominanz und Autorität verfügt (Ziegler et al. 2015, S. 124). Frauen werden im Gegensatz dazu häufiger so genannte „soft skills“8, wie Teamfähigkeit und seltener karriereorientierte Eigenschaften wie Autorität zugeschrieben. Zudem seien sie seltener bereit zu hierarchischer Führung, Härte und Distanz, wodurch ihnen nach den Zuschreibungen die Eignung für eine Führungsposition abgesprochen wird (vgl. Heilman & Saruwatari 1979 S. 368; vgl. Spreemann 2000 S. 32 ff.). Weibliche Eigenschaften hingegen werden in Bezug auf Führung eher als Defizit angesehen.
Diese Stereotype haben sich nach Aries (1996, S. 166) in den letzten 20 Jahren nur wenig verändert, sodass auch heutzutage Männer überwiegend als dominant, kompetent, durchsetzungsfähig, energisch und offen wahrgenommen werden, während Frauen als freundlich, hilfsbereit, sanft, emotional, einfühlsam, nachgiebig, gehorsam und sympathisch angesehen werden (vgl. Aries 1996, S. 166). Darüber hinaus schreiben viele männlichen Arbeitgeber Frauen, so Hofmeister und Hünefeld (2010), mangelndes Selbstbewusstsein, schlechte Selbstdarstellung, geringe Produktivität sowie fehlende Durchsetzungsfähigkeit zu und erachten sie insgesamt für eine Führungsposition als nicht geeignet.
Interviews mit männlichen Führungskräften durch die Boston Consulting Group ergaben zwar, dass feminine Eigenschaften für das untere Management gewürdigt werden, an der Spitze aber weiterhin maskuline Werte zählen (Schulz 2013, S. 126).
Das Konzept von Führung ist demzufolge stark mit männlichen Persönlichkeitszügen verknüpft.
Insbesondere weibliche Führungskräfte können nach Henn (2009, S. 42) häufig nicht in die mentale Repräsentation von Frauen in die Gesellschaft eingehen, weil sie als untypisch wahrgenommen werden. Sie werden der Subkategorie „Karrierefrauen“ zugeordnet, wohingegen die mentale Repräsentation der Kategorie „Frau“ unverändert bleibt.
Darüber hinaus beeinflussen äußere Merkmale einer Person nach Spreemann (2000, S. 44) wie fähig diese gesehen wird. Besonders der „Reifegrad“ des Gesichtes kann dabei ihr nach einem entscheidenden Einfluss spielen (Spreemann 2000, S. 49)
Rennenkampff (2005, S. 240 ff.), welche die Zuschreibung von Führungskompetenz aufgrund der äußeren Erscheinung untersuchte, stellte zudem fest, dass je maskuliner die äußere Erscheinung ist, umso mehr wird der Person Führungskompetenz im klassischen Sinne zugeschrieben– unabhängig davon, ob die Person ein Mann oder eine Frau ist. Sowohl Männer als auch Frauen mit maskulinen äußeren Merkmalen schneiden in der Studie bei der Führungszuschreibung besser ab.
[...]
1 Der Aufsichtsrat ist nach § 111 und § 84 des Aktiengesetztes (AktG), als zentrales Kontrollgremium in der Privatwirtschaft für die Bestellung, Beratung und Abberufung des Verstands, die Genehmigung unternehmerischer Planungen und Entscheidungen sowie der Überwachung der Geschäftsleitung verantwortlich (Schulz 2013, S. 7).
2 Dem Vorstand unterliegt die Geschäftsführung (§ 77 Abs. 1 AktG) und die Vertretung der Gesellschaft nach außen (§ 78 Abs. 1 AktG). Er erhält Weisungen vom Aufsichtsrat und wird durch ihn kontrolliert (§ 82 Abs. 1 AktG, § 90 AktG) (Schulz 2013, S. 7).
3 In der Tabelle gekennzeichnet mit „LV“
4 In der Tabelle gekennzeichnet mit „L“
5 In der Tabelle gekennzeichnet mit „D“
6 IAB Betriebspanel = jährlich stattfindende Arbeitgeberbefragung, die seit 1993 in den Bundesländern durchgeführt wurde. In den Interviews werden rund 16000 privatwirtschaftliche und öffentliche Betriebe aller Größenklassen und Wirtschaftszweige befragt (Holst & Friedrich 2017, S. 85 ff.)
7 „Similar-to-me“ (englisch) = „so wie ich“ / „mir ähnlich“
8 soft skills (englisch) = weiche Eigenschaften