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Hausarbeit, 2020
23 Seiten, Note: 1,0
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Relevanz des Themas mit exemplarischem Fallbeispiel
1.2 Fragestellung und Zielsetzung
1.3 Verwendete Literatur und Aufbau der Arbeit
2. Einführung in die Pflegeethik
2.1 Philosophische Ethik und Pflegeethik
2.2 Werte, Normen und Prinzipien
2.3 Utilitarismus
2.4 Deontologie
3. Der zentrale pflegeethische Konflikt im exemplarischen Fallbeispiel
3.1 Handlungsleitende Werte und Prinzipien im Fallbeispiel
3.2 Deontologische und Utilitaristische Betrachtung des Konflikts im Fallbeispiel
4. Fazit und Ausblick
Literarturverzeichnis
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
ICN International Council of Nurses
Aktuelle Zahlen belegen, dass in Deutschland ca. 60 000 Kinder und Jugendliche an lebenslimitierenden Erkrankungen leiden und jährlich ca. 3500 davon sterben (Oetting – Roß, 2014, S. 597). Bis heute ist das Thema der Kindersterblichkeit in der Kinderkrankenpflege wenig diskutiert. Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche sind früher oder später mit dem Thema Tod konfrontiert.
Bis zu Beginn der 1920er Jahre war der Tiefenpsychologe Sigmund Freud davon überzeugt, dass Kinder sich keine Gedanken über den Tod oder das Sterben machen. Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget beschäftigte sich Mitte des 20. Jahrhunderts intensiv mit dem Thema Kindersterblichkeit und entdeckte, dass gesunde Kinder durchaus Konzepte über den Tod und das Sterben entwickeln. Es stellte sich heraus, dass Kinder ab der Pubertät eine ungefähre Vorstellung vom Tod entwickeln, welche in etwa der Vorstellung des Erwachsenen ähnelt. Was allerdings nicht unter diese Forschung fiel, war die Betrachtung von Kindern und Jugendlichen, die bereits seit längerer Zeit an lebenslimitierend Erkrankungen litten und mit dem Thema Tod und Sterben schon sehr früh konfrontiert waren (Niethammer, 2014, S. 652).
Bis heute noch, gehört der Tod und das Sterben zu einem tabuisierten Thema in der Kinderkrankenpflege. Der Gedanke dahinter ist, dass Kinder dadurch geschützt werden, wenn sie nicht mit dem Thema Tod konfrontiert werden, da sie meist keine Vorstellung davon haben. Erfahrungen vieler Ärzte/Ärztinnen zeigen, dass für die erkrankten Kinder diese Situation sehr belastend sein kann. Dieser Irrtum, der bis heute Alltag in vielen Kliniken ist, wirkt sich nicht selten stark auf die Kommunikation mit sterbenskranken Kindern aus. 1996 äußerte sich ein amerikanischer Pädiater bezüglich der Frage, was er seinem Kind sagen würde, würde es sich im Endstadium einer Krankheit befinden. Er antwortete, „[…] er könne sich selbst nicht entscheiden ob er die brutale Wahrheit oder die tröstliche Lüge wählen würde […]“ (Niethammer, 2014, S. 655). Die Belastungen, die es für Kinder und deren Eltern zu bewältigen gibt, unterscheiden sich von Familie zu Familie sehr. Unterschiede ergeben sich sowohl durch die Art der Erkrankung als auch durch unterschiedliche Alters- und Entwicklungsstadien, in welchen sich das Kind befindet. Die Unterschiedlichkeit solcher Versorgungen erfordert eine spezialisierte und qualifizierte Pflege und Begleitung, welche sich sowohl an den Bedürfnissen der Kinder als auch der Eltern orientiert. Bisher liegen jedoch wenige Ergebnisse zu diesen spezifischen Bedürfnissen in so wichtigen Lebenssituationen vor. Eine Studie diesbezüglich zeigt einen starken Entwicklungsbedarf hin zu mehr Ehrlichkeit und Enttabuisierung vom Thema Tod und Sterben (Jennessen in Oetting – Roß, 2014, S. 597). Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Eltern ihre Kinder schützen wollen und unsicher sind inwiefern solche offenen Gespräche überhaupt möglich und hilfreich sind. Da der Tod junger Patienten/Patientinnen nichts Alltägliches ist, kann dies mit einer starken Überforderung der Pflegekräfte einhergehen. Dennoch scheint es Einigkeit darüber zu geben, dass der Kommunikation eine wichtige Rolle in der pädiatrischen Palliativversorgung zukommt. Eltern gelten dabei als Hauptansprechpartner, da Kinder besondere Kommunikationsformen bedürfen und es weiterhin noch Unsicherheit gibt inwiefern Kinder in den Entscheidungsprozess einbezogen werden sollen (Zernikow & Nauck in Oetting – Roß, 2014, S. 598 - 599).
Grundsätzlich wurde 1978 erforscht, dass kranke Kinder in langen Krankheitsphasen ein emotionales, physisches und kognitives Wissen in Bezug auf ihre Krankheit entwickeln und daher auch in der Lage sind unter extremen Bedingungen auf veränderte Anforderungen einzugehen. Kinder haben das Bedürfnis am Geschehen teil haben zu wollen. Trotz der Unsicherheiten entwickelt sich gerade international die Tendenz, den/die Patienten/Patientin weitestgehend über seine/ihre aktuelle Situation aufzuklären. Gespräche über Sterben und Tod sind für uns Menschen eine Herausforderung. Sie führen unweigerlich dazu, dass wir uns selbst mit dieser Thematik auseinandersetzen müssen. Meist wollen wir uns mit dieser Thematik nicht auseinandersetzen, da wir selbst Angst davor haben. Erwachsenen greifen jedoch auf mehr Lebenserfahrung zurück, die hilft, solche Themen besser verarbeiten zu können. Mit Kindern hingegen über solche Themen zu reden erscheint dabei fast unmöglich. Mit dem Argument der Fürsorge versuchen Eltern und Pflegekräfte ihren Kinder oder Patienten/Patientinnen in gewisser Weise vor etwas zu schützen, was ihnen eventuell selbst Angst und Sorgen bereitet, vielleicht auch in gewisser Weise aus Selbstschutz und Angst durch weitere Fragen noch intensiver mit dem Thema konfrontiert zu werden (Oetting – Roß, 2014, S. 598 – 599). Sowohl die Haltung der Pflegenden als auch die Haltung der Eltern spielt nachweislich eine große Rolle im Prozess des Sterbens. Im Folgenden wird dazu ein exemplarisches Fallbeispiel aufgeführt, um die Thematik im Praxisalltag zu verdeutlichen.
Patient X ist 12 Jahre alt. Aufgrund einer langen onkologischen Erkrankung (auf die in diesem Fallbeispiel nicht näher eingegangen wird, da diese keine Relevanz für die pflegeethische Entscheidung hat), befindet sich der Patient in seiner finalen Lebensphase. Seit einem Tag ist sowohl der Pflegekraft als auch den Eltern bekannt, dass nach langer Therapie, nun keine Therapiemöglichkeiten mehr zur Verfügung stehen. Der Patient wird ab diesem Zeitpunkt als palliativer Patient behandelt. Palliativ bedeutet, dass es keine heilende Therapie gibt, sondern nur symptomlindernde Therapien zur Aufrechterhaltung der Lebensqualität. Er wird im Verlauf der nächsten Wochen versterben. Aktuell liegt er auf einer pädiatrischen Intensivstation, da sein Zustand sehr instabil ist. In einer ruhigen Minute, während einer Pflegerunde, fragt Patient seine Eltern, ob er bald sterben werde. Seine Eltern erwidern, dass sein Zustand soweit stabil sei und er sich keinerlei Sorgen machen müsse. Der Patient reagiert eher zurückhaltend und akzeptiert die Antwort seiner Eltern. Kurze Zeit später verlassen die Eltern das Zimmer des Jungen, da nun die Nachtruhe einkehrt. Patient ist in dieser Nacht sehr unruhig. Um 4 Uhr morgens kann er nicht mehr schlafen und ruft die Pflegekraft. Er hat das Bedürfnis über seinen Zustand zu sprechen. Während des Gesprächs ist Patient sehr aufgelöst, da er spürt, dass etwas nicht stimmt und fragt erneut ob er bald sterben werde. Da die Pflegekraft nicht über den weiteren Therapieverlauf des Patienten ohne Beisammensein der Eltern sprechen darf, ist sie gezwungen dem Patienten ebenfalls nicht die Wahrheit zu sagen. Der Patient wirkt, als würde er die Situation resignierend akzeptieren müssen. Er scheint in diesem Moment sehr enttäuscht zu sein. Er sagt, er wisse, dass etwas nicht mit ihm stimmt. Die Pflegekraft verlässt mit einem unguten Gewissen das Zimmer. Zwei Tage später sucht sie das Gespräch mit den Eltern. Sie fühlt sich zunehmend in einem ethischen Konflikt mit der stellvertretenden Entscheidung der Eltern und zweifelt an der moralischen Korrektheit. Wieso fühlt sich die Pflegekraft in einem moralischen Konflikt, obwohl beide unter dem Aspekt der Fürsorge handeln?
Um diese Frage anhand handlungsleitender Werte und Prinzipien zu erörtern, ist es wichtig, zunächst grundlegende ethische Begrifflichkeiten zu klären und zwei zentrale Begründungsansätze darzustellen.
Die pflegerische Versorgung am Lebensende pädiatrischer Patienten/Patientinnen ist weiterhin eine große Herausforderung, wenn es um den Aspekt der Fürsorge der Eltern und der Pflegekräfte geht. Dies bietet immer wieder die Grundlage pflegeethischer Auseinandersetzungen mit Konfliktsituationen. Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem pflegeethischen Konflikt der Pflegekraft unter Anbetracht ihrer eigenen Fürsorge für ihren Patienten und dem Aspekt der Fürsorge der Eltern in Bezug auf ihr minderjähriges Kind. Sie geht dabei der Frage nach, welche pflegeethischen Werte und Prinzipien für Pflegekräfte und welche Werte und Prinzipien für Eltern handlungsleitend sind und weshalb Konflikte daraus entstehen können. Ziel der Arbeit ist es, die handlungsleitenden Werte und Prinzipien zu erläutern und den entstehenden Konflikt im exemplarischen Fallbeispiel genauer darzustellen.
Die Arbeit gliedert sich in insgesamt vier Kapitel. Das erste Kapitel führt in das Thema ein, beleuchtet die Relevanz der Thematik und erklärt die Fragestellung und Zielsetzung des hierzu behandelten Themas. Dazu wird ein pflegeethischer Konflikt, anhand eines exemplarischen Fallbeispiels zum Thema Fürsorge der Pflegekräfte und Fürsorge der Eltern in Bezug auf den pädiatrischen Patienten dargestellt, auf welches im dritten Kapitel Bezug genommen wird. Das zweite Kapitel gibt eine allgemeine Einführung in die philosophische Ethik mit der Bereichsethik der Pflege. Hier werden die wichtigen Begriffe „Werte“, „Normen“ und „Prinzipien“ erläutert und das Thema „ethischer Konflikt“ näher betrachtet. Am Ende des zweiten Kapitels werden noch zwei ausgewählte ethische Begründungstheorien vorgestellt. Im dritten Kapitel wird Bezug auf das exemplarische Fallbeispiel genommen und dabei auf die handlungsleitenden Werte und Prinzipien eingegangen und diese anhand des ICN Ethikkodex erläutert und diskutiert. Anschließend wird der zentrale ethische Konflikt anhand der bereits in Kapitel zwei vorgestellten Begründungstheorien aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Das vierte Kapitel schließt mit einem Fazit ab. Da es sich bei diesem Thema um ein wenig diskutiertes Thema handelt, hat es sich eher als schwierig erwiesen, hilfreiche Literatur zu finden. Die Literaturrecherche erfolgte mit der BOSS Suchmaschine der Hochschule. Zeitschriften wurden über die CARELIT Datenbank der Hochschule bezogen. Die Suchbegriffe „Kinder* und Sterben“, „Kinderkrankenpflege und Ethik“ und „Kinderkrankenpflege und Fürsorge“ ergaben dabei die meisten Suchergebnisse. Wie bereits oben beschrieben, bestätigen die wenigen Suchergebnisse die Tabuisierung dieser doch sehr aktuellen Thematik.
Die Ethik ist laut Pieper, eine Disziplin der Philosophie und versteht sich als Wissenschaft vom moralischen Handeln. Als Begründer dieser Disziplin gilt Aristoteles. Er beschreibt die Ethik als eine praktische Philosophie und unterscheidet damit als Erster die praktische von der theoretischen Philosophie. Das Wort Ethik stammt aus dem Griechischen ethos und bedeutet Gewohnheit, Sitte oder Brauch. Nur wer Handlungsregeln und Wertmaßstäben nicht unüberlegt folgt, sondern sich Gedanken über das Gute macht, handelt laut Aristoteles ethisch (Pieper, 2017, S. 15 – 22). Der Begriff ethos, wie ihn Aristoteles beschreibt, steht im Zusammenhang mit der ethike theoria, welche als philosophische Tätigkeit die Frage der Vernunft in Bezug auf die bestehenden Sitten und Bräuche sieht und diese in Frage stellt, da es dem Menschen als Vernunftwesen nicht zusteht, sich blind durch Vorgaben leiten zu lassen (Fischer, Gruden, Imhof & Strub, 2008, S. 20). Die philosophische Ethik beschäftigt sich dabei grundlegend mit der Frage: Wie soll ich handeln? Sie versucht zu klären, was moralisch richtig und gegeben, gut, falsch oder schlecht ist, und versucht dann dieses Urteil zu begründen (Wiesing, 2012, S. 23).
Zu unterscheiden gilt das Wort Moral, welches aus dem lateinischen Wort mos stammt und ein Synonym für Sitte ist (Pieper, 2017, S. 22). In Bezug auf die Ethik erscheint immer wieder der Begriff Moral. Dieser wird in der Alltagssprache häufig als bedeutungsgleiches Wort für Ethik verwendet. In der Philosophie haben diese Begriffe zwei unterschiedliche Bedeutungen (Marckmann, 2015, S. 4). Die Moral entwickelt sich aus Grundsätzen und Normen, die traditionell, religiös oder gesellschaftlich geformt werden (Eisenmann, 2012, S. 42). Die 10 Gebote sind ein Beispiel für moralisches Handeln mit religiösem Hintergrund. Die Moral gibt an welches Verhalten als richtig und welches Verhalten als falsch angesehen wird. Während die Moral mit dem Handeln unmittelbar verbunden ist, erschließt die Ethik die kognitive Struktur eines gewissen Handelns und macht durch die Aufschlüsselung und Reflektion moralischer Handlungen dessen Strukturen transparent (Marckmann, 2015, S. 4; Pieper, 2017, S. 13 - 20; Eisenmann, 2012, S. 42). Mit der Ethik gelingt es uns, moralische Konflikte und Konsequenzen zu erfassen, zu durchdenken und uns nach logischer Überlegung für bestimmte Handlungsweisen zu entscheiden (Pieper, 2017, S. 13; Fischer et al., 2008, S. 23).
Die Philosophische Ethik wird in zwei Teildisziplinen unterteilt. Die Allgemeine Ethik (Grundlagenethik) und die Angewandte Ethik. Die Pflegeethik ist wiederum als Bereichsethik der angewandten Ethik aufzufassen. In Bereichsethiken werden spezifische ethische Fragen des jeweiligen Bereiches erfasst (Lay, 2004, S. 37 – 38).
Die Pflegeethik hat sich Jahrzehnte lang an der Medizinethik orientiert. Mit Florence Nightingale, kam es Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer zunehmenden Professionalisierung der Pflege (Steinkamp & Gordijn, 2010, S. 20; Lay, 2004, S. 84). „ Die Rolle der Krankenschwester innerhalb der Pflege […] änderte sich von der gehorsamen Helferin des Arztes zu einer unabhängigen qualifizierten Kraft, die für das was sie in ihrem Beruf tut (oder nicht tut), zur Rechenschaft gezogen werden kann “ (Fry in Lay, 2004, S. 83). Bei der Bereichsethik der Pflege, handelt es sich vor allem um das korrekte Handeln auf der Grundlage gewisser Normen, Werte und Prinzipien. Während Ärzte/Ärztinnen meist nur mit medizinischen Belangen konfrontiert sind, hat die Pflegekraft die Aufgabe, sich auch um persönliche Belange des/der Patienten/Patientin als Ganzes zu sorgen und psychisches, physisches und soziales Wohlbefinden zu fördern und nicht nur die Krankheit und dessen Behandlung in den Fokus zu stellen (Eisenmann, 2012, S. 126 – 127). Auf viele ethische Fragen in der Pflege gibt es nicht nur eine Antwort. Es geht darum eine Antwort auf die Frage zu finden, was in einer spezifischen Situation das gute und richtige Handeln auszeichnet (Riedel, 2017, Absatz 2). Der ICN Ethik Kodex (International Council of Nurses) wurde als Leitfaden für ein Handeln nach ethischen Werten entwickelt und gilt als pflegerisches Berufsethos. Der Kodex enthält eine Zusammenstellung von Verhaltensweisen und -maximen, welche sich im Bereich der Pflege als zweckmäßig erwiesen haben (Lay, 2004, S. 40). Die pflegerische Handlung beruht immer auf der Achtung der Menschenrechte und der Achtung der Würde des Patienten. Der Berufskodex fordert die Pflegekräfte über die Normen heraus, eine ethische Reflexion der jeweiligen Pflegesituation zu erheben (Rabe, 2009, S. 33). Potentiell ethische Konfliktfelder entstehen vor allem in Bereichen, in denen Menschen nicht fähig sind selbst Entscheidungen zu treffen. Dabei hilft die pflegerische Berufsethik den Pflegekräften in konfliktreichen Handlungsfeldern diskurs- und handlungsfähig zu bleiben (Monteverde, 2012, S. 28). Die Reflexion solcher Konflikte erfolgt anhand der Verwendung von Instrumenten der philosophischen Ethik (Monteverde, 2012, S. 27). Ansätze der philosophischen Ethik, wie die der Deontologie und der Teleologie, eignen sich, um den im exemplarischen Fallbeispiel entstehenden Konflikt um bestimmte Normen, Werte und Prinzipien zu erörtern (Monteverde, 2012, S. 20 -21; Maio, 2017, S. 19). Darüber hinaus gibt es andere Ansätze der philosophischen Ethik, welche in dieser Hausarbeit jedoch nicht näher betrachtet werden.
Werte und Normen entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte aufgrund von Kultur und Gesellschaft und leiten das menschliche Handeln. Im Laufe des Lebens verändern oder passen sich Normen und Werte an. Diese werden meist durch Erziehung, sozialen Status und/oder der Gesellschaft geprägt, in der Menschen miteinander leben. Sie sind in der Lage diese Werte und Normen zu erkennen, zu reflektieren und sie gegeben falls zu verändern (Schreiner in Lay, 2004, S. 31; Steinkamp et al., 2012, S. 55). Wenn Menschen ethisch argumentieren, beziehen Sie sich daher stetig auf Normen, Werte und Prinzipien.
Werte werden als erstrebenswerte oder moralisch gut betrachtete Eigenschaften eines Individuums in der Gesellschaft gesehen (Steinkamp et al.; 2010, S. 50). Sie entwickeln sich aus sozialen Gewohnheiten, Regeln, Religion und Sitten (Eisenmann, 2012, S. 143). Werten wird dabei ein viel höherer Stellenwert zugeschrieben als dem Selbstzweck (Steinkamp et al.; 2010, S. 55). Sie sind notwendig, um in einer Gesellschaft miteinander auszukommen. Grundlegende Werte sind zum Beispiel Ehrlichkeit oder Fürsorge (Eisenmann, 2012, S. 148; Maio, 2017, S. 15). Es ist gut sich daran zu halten, man wird aber nicht zu konkreten Handlungen gezwungen. Da Wertverstöße nicht sanktioniert werden, haben sich in der Ethik Normen entwickelt (Eisenmann, 2012, S. 193). Diese sagen aus, was in einer Situation notwendig und als allgemein gültig angesehen wird (Steinkamp et al.; 2012, S. 56).
Normen, wie oben erwähnt, sind Handlungsvorschriften, welche sagen was getan oder nicht getan werden soll (Eisenmann, 2012, S.196; Maio, 2017, S. 14). Das Wort Norm kommt aus dem lateinischen norma und wird mit Richtschnur oder Maßstab übersetzt. Richtschnur im Sinne einer Verhaltenserwartung an der sich das Handeln orientieren soll, eine sogenannte ethisch – moralische Zielvorstellung. (Eisenmann, 2012, S. 196 – 205; Maio, 2007, S. 14). Diese können formell (Gebote) oder auch informell sein (Traditionen) (Pieper, 2017, S. 34). Im Unterschied zu juristischen Normen, werden moralische Normen nur durch sogenannte weiche Maßnahmen sanktioniert, zum Beispiel durch soziale Ächtung (Maio, 2017, S. 14). Ein Beispiel für eine moralische Norm wäre das Gebot der Nächstenliebe. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Körtner, 2012, S. 14). Es wird erwartet, dass sich das Handeln jedes Menschen an diesem Gebot orientiert. Während den Werten eine begründende Funktion zukommt, haben die Normen die Aufgabe, zur konkreten Umsetzung der abstrakten Werte anzuleiten. Aus Grundwerten wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit sind in der Vergangenheit auch Gesetze entstanden, zum Beispiel das deutsche Grundgesetz mit dem ersten Artikel, „Die Menschenwürde ist unantastbar“. Solche Gesetze stellen eine Normierung des Verhaltens dar (Eisenmann, 2012, S. 215 – 216).
In der Ethik gehen Prinzipien über die Normen hinaus und rechtfertigen normbezogenes Handeln (Eisenmann, 2012, S. 201; Fölsch, 2008, S. 35; Maio, 2017, S. 17).
Normen sind meist nur für bestimmte Situationen oder Handlungen ausgelegt während Prinzipien meist mehrere Normen und Werte umfassen. Ein Beispiel für ein ethisches Prinzip wäre die allgemein bekannte Goldene Regel „ Was du nicht willst was man dir tu, das füg auch keinem andern zu “ (Körtner, 2012, S. 14; Pieper, 2017, S. 34). Die Goldene Regel soll dazu fungieren, den Menschen anzuregen, über sein Verhalten zu reflektieren und nicht aus einem unmittelbaren Wollen (Interesse oder Bedürfnis) heraus zu handeln, da es nur dann eine moralisch korrekte Handlung ist (Pieper, 2017, S. 34). Im Alltag stoßen Pflegekräfte oft auf Probleme in denen moralische Unsicherheit entsteht. In der Pflegeethik eignen sich besonders Ansätze der Prinzipienethik, da diese bei Entscheidungen eine Orientierung geben, da sie als handlungsleitende Regeln einen Spielraum für Interpretation lassen. Denn auch wenn jede ethisch relevante Pflegesituation individuell erscheint, gibt es dennoch Gemeinsamkeiten. Diese Gemeinsamkeiten werden als Prinzipien ausgedrückt (Fölsch, 2008, S. 35). Handlungsleitende Prinzipien in diesem Fallbeispiel sind die des Wohltuns und der Fürsorge. Diese werden im nächsten Kapitel genauer erläutert.
Wenn mehrere Werte oder ethische Prinzipien in Widerspruch geraten und eine unvermeidbare Handlung erfordern, aber letztendlich ein Wert oder Prinzip als moralisch richtig benannt werden kann, wird von einem moralischen Konflikt gesprochen (Eisele, 2017, S. 16). Ethische Konflikte entstehen zwischen zwei oder mehr Personen, welche unterschiedliche Wertvorstellungen haben (Frewer, Bruns & May, 2012, S. 36).
Pflegekräfte sind in ihrer Arbeit immer wieder mit ethischen Konflikten konfrontiert. Gerade wenn es um stellvertretende Entscheidungen bei pädiatrischen Patienten/Patientinnen geht (Nickel – Schampier, 2017, S. 13).
Eine naheliegende Strategie den Konflikt zu beleuchten, besteht darin die Klärung aus allgemeinen moralischen Grundsätzen der normativen Ethik abzuleiten und diese multiperspektiv zu beleuchten. Diese reflektieren, beurteilen und begründen einzelne moralische Werte und Prinzipien (Lay, 2004, S. 98; Bleisch & Huppenbauer, 2011, S. 50). In der Literatur werden unterschiedliche Instrumente vorgeschlagen, die eine Entscheidungsfindung erleichtern sollen. Im weiteren Verlauf werden die Ansätze der deontologischen und der utilitaristischen Theorie näher betrachtet (Bleisch et al., 2011, S. 51).
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