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Hausarbeit, 2021
22 Seiten, Note: 1,0
1 Einleitung
2 Definitionen zentraler Grundbegriffe
2.1 Behinderung
2.2 Inklusion
3 Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Deutschland
3.1 Die ICF
3.2 Dritter Teilhabebericht/ Repräsentativbefragung zur Teilhabe
3.2.1 Bildung und Ausbildung
3.2.2 Erwerbstätigkeit und materielle Lebenssituation
3.2.3 Gesundheitszustand
4 Grundeinkommen
4.1 Grundprinzip des Grundeinkommens
4.2 Beispiele von Studien zum Grundeinkomm e n
4.2.1 MINCOME in Kanada (1974 - 1979)
4.2.2 KELA in Finnland (2017 - 2018)
4.2.3 Pilotprojekt Grundeinkommen in Deutschland (2021 -2024)
4.3 Kritik am Grundeinkommen
5 Ausblick - erweiterte Teilhabe für MmB durch Grundeinkommen ?
5.1 Bildung und Ausbildung
5.2 Erwerbstätigkeit und materielle Situation
5.3 Gesundheit
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
Am 01.06.2021 startete eine Studie des Pilotprojekt Grundeinkommen mit 1.500 Teilnehmenden. 122 Personen erhalten demnach 1.200 € pro Monat, ohne Bedingungen. Gegenstand der Untersuchung ist der maximale Nutzen eines idealisierten Grundeinkommens ohne Finanzierungsmodell, weitere Studien sollen folgen. Gleichzeitig stellt Ulla Schmidt - MdB, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Bundesministerin a. D. - auf der Webseite der Bundesvereinigung Lebenshilfe fest, dass „[d]as Werkstattentgelt [trotz Vollzeitbeschäftigung] nur ein Taschengeld [ist]“ (Bundesvereinigung Lebenshilfe 19.03.2018) und es den Beschäftigten in Konsequenz an sozialer Wertschätzung fehle. Mit einem neuen Lohnmodell, „einem solidarischen Grundeinkommen wären behinderte Menschen in der Lage, ihr Leben stärker selbstbestimmt zu gestalten.“ (Bundesvereinigung Lebenshilfe 19.03.2018) Aber welche Chancen kann ein bedingungsloses Einkommen für Menschen mit Behinderung bereithalten? Die Beantwortung dieser Frage soll in dieser Arbeit im sozialpolitischen sowie heilpädagogischen Kontext näher nachgegangen werden.
Nach Klärung der grundliegenden Begrifflichkeiten in Kapitel 2, wird im dritten Kapitel dieser Arbeit versucht, die Situation der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu skizzieren. Insbesondere die Lebensbereiche Bildung, Erwerbstätigkeit und Gesundheit werden näher betrachtet und mit Daten über Personen ohne Beeinträchtigungen verglichen. Nach einer kurzen Einführung zum Thema Grundeinkommen in Kapitel 4 werden eine vergangene kanadische, eine kürzlich stattgefundene finnische und eine aktuelle deutsche Studie zum Thema Grundeinkommen vorgestellt und deren Ergebnisse präsentiert. Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse der Studien und die möglichen Auswirkungen eines Grundeinkommens auf die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen eingeordnet.
Da in der Literatur die Begrifflichkeiten Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Beeinträchtigungen oft synonym verwendet werden, wurde dieser Umstand auf diese Arbeit übertragen. Es findet jedoch keine Unterscheidung zwischen körperlichen oder geistigen, angeborenen oder erworbenen Behinderungen statt. Auch erhebt diese Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es handelt sich um komplexe Themen, die zum besseren Verständnis und eine leichtere Einführung heruntergebrochen wurden.
Um möglichst viele Personengruppen in der Sprache dieser Arbeit zu berücksichtigen, wurde der sogenannte Gender-Doppelpunkt verwendet, um Raum für alle sonst von der Sprache ausgeschlossenen Menschen zu lassen.
Die Originalliteratur der MINCOME- und KELA-Studie ist in Englisch verfasst und wurde vom Autor der Hausarbeit ins Deutsche übertragen.
Zu Beginn dieser Arbeit ist es notwendig, zunächst die zentralen Grundbegriffe zu definieren. Abhängig von Disziplinen und Kontexten, in denen diese Begriffe verwendet werden, existieren unterschiedliche Erklärungen dafür. Deshalb werden nun die für diese Arbeit essenziellen Begriffe Behinderung, Inklusion und Grundeinkommen definiert.
Der Begriff Behinderung wird grundsätzlich in zwei Modelle unterschieden:
a) Das medizinisch geprägte Modell, das Behinderung auf Merkmale eines Menschen reduziert
b) das psycho-soziale Modell, welches sich auf die Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt bezieht (vgl. Göppel und Rauh 2016, S. 20).
Wurde in der Vergangenheit noch allgemein vorwiegend das medizinische Modell verwendet, lässt sich heute anhand der Präambel der UN-Behindertenrechtskonvention ein Perspektivwechsel zum psycho-sozialen Modell erkennen. Darin berufen sich die Autor:innen der UN-BRK auf
„[.] [die] Erkenntnis, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern“ (Degener und Diehl 2015, S. 402).
Daraus erschließt sich, dass Behinderung etwas Komplexeres ist als die Reduzierung einer Person auf bestimmte Merkmale (die Person ist nicht behindert, sondern die Person wird behindert). Zusammenfassen lassen sich diese beiden Modelle als das bio-psycho-soziale Modell. Diese Erkenntnis soll zusätzlich zur Definition des Behinderungsbegriffs dieser Arbeit dienen.
Der Begriff Inklusion ist vielfach charakterisiert worden. Er ist ebenso umstritten und oft mit einer Vielzahl an Konzepten, Vorwürfen und Ängsten verknüpft (vgl. Göppel und Rauh 2016, S. 7). Inklusion versteht sich als Gegenteil zu einer gesellschaftlichen Exklusion, von der Menschen mit Behinderung besonders häufig betroffen sind. Ausschlaggebend für diese Exklusion ist eine oft mit der Behinderung assoziierte Minderung der Arbeitskraft. Dieser Personengruppe wird damit der Zugang zur Erwerbsarbeit erschwert. In der Folge wird die damit verbundene Teilhabe an Gesellschaft wesentlich eingeschränkt (vgl. Becker 2016, S. 31).
Inklusion kann somit als Gegenentwurf zur bestehenden Leistungsgesellschaft, die die Exklusion von Menschen mit geringerer Arbeitskraft hervorbringt, verstanden werden. So würde „[.] das Ziel einer inklusiven Gesellschaft [.] nur durch einen Paradigmenwechsel denkbar. Mit den Mitteln und Methoden der Aussonderung und Separation lässt sich keine Inklusion, keine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erreichen. [.] Inklusion, wenn man es denn so nennen möchte, ist eine Vision, ein langfristiges Ziel“ (Becker 2016, S. 260-261)
Die Betrachtung von Inklusion in diesem Kontext als utopisch zu bezeichnen, mag gerechtfertigt erscheinen und alle bisher realisierten Veränderungen auf dem Weg zur Verwirklichung dieser Idealvorstellung scheinen im Vergleich zu den gesetzten Zielen minimal. Doch „[.] Utopien verwirklicht man durch erste Schritte“ (Becker 2016, S. 261).
In diesem Kapitel werden Teilhabe im Sinne der ICF sowie die aktuelle Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen näher untersucht. Aussagekräftige, vergleichbare Daten für die Teilhabesituation von Menschen mit Beeinträchtigung in Deutschland werden für diese Arbeit aus der folgenden Studie für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Dritten Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen entnommen.
Die International Classification of Functioning, Disability and Health (kurz ICF) oder Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO 2001 entwickelt und nun mit einer Version für Kinder und Jugendliche zusammengeführt. (vgl. Seidel und Schneider 2021, S. 8)
Ziel der ICF ist es,
„[.] de[n] individuelle[n] Gesundheitszustand (als aktueller Gesundheitsstatus) einer Person näher [zu beschreiben], damit besser ausgedrückt werden kann, wie es einem Menschen mit einer Gesundheitsstörung im Alltag geht (Ist-Zustand). Die Beschreibung einer Diagnose ist dafür nicht ausreichend, da eine Diagnose alleine nicht deutlich machen kann, ob und welche Hilfen eine Person aktuell im Alltag benötigt.“ (Seidel und Schneider 2021 ebd.)
Die ICF fußt auf dem bio-psycho-sozialen Modell (das im zweiten Kapitel dieser Arbeit näher erklärt wurde) und berücksichtigt damit biologisch-medizinische Gesichtspunkte sowie psycho-soziale Faktoren, welche die beschriebenen Personen individuell beeinflussen. (vgl. Seidel und Schneider 2021 ebd.)
Der Begriff Teilhabe oder Partizipation bedeutet innerhalb der ICF das „Einbezogensein in eine Lebenssituation, also ,was ein Mensch alleine macht“ (Seidel und Schneider 2021, S. 14) Klassifiziert werden Aktivitäten und Partizipation in insgesamt neun Kapiteln (vgl. Seidel und Schneider 2021 ebd.), die ebenso im SGB IX benannt sind. Sie lauten:
“ 1) Lernen und Wissensanwendung
2) Allgemeine Aufgaben und Anforderungen
3) Kommunikation
4) Mobilität
5) Selbstversorgung
6) Häusliches Leben
7) Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen
8) Bedeutende Lebensbereiche
9) Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben“ (§ 118 SGB IX)
Um die Komponenten der Teilhabe universell zu gestalten, benutzt die ICF sogenannte Kodierungen, die wiederum im Zusammenhang mit Körperfunktionen, -strukturen, Aktivitäten, Partizipation/Teil- habe, Umweltfaktoren und personenbezogenen Faktoren gebildet und miteinander in Zusammenhang gesetzt werden. Wesentlich hierbei ist, dass konkrete Aussagen über diese Zusammenhänge zu einzelnen Personen getroffen werden können. Man unterscheidet hierbei zwischen kausalen Ursache-Wirkungs-Beziehungen und Wechselwirkungen. Ein Beispiel für eine Kausalität ist, dass eine Person mit einer Muskelspastik Probleme beim freien Gehen hat. Die Behinderung resultiert aus diesem kausalen Zusammenhang. Eine Wechselwirkung kann z.B. die Benutzung eines Hilfsmittels im Zu- sammenhang mit den Umweltfaktoren entstehen. Die Gestaltung der Umwelt hat in diesem Fall Einfluss auf die Wahl des Hilfsmittels und die Wahl des Hilfsmittels auf die Mobilität der Person. (vgl. Seidel und Schneider 2021, S. 18)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Wechselwirkungen zwischen den Komponenten der ICF (Broich 2021)
Abbildung 1 verdeutlicht, dass sich bestimmte Eigenschaften einer Person ein- oder wechselseitig beeinflussen und Veränderungen von Lebensbereichen wiederum Auswirkungen auf andere Berei- che haben. Diese Erkenntnis ist für die Gestaltung von Teilhabe ungemein wertvoll. Dieser systemi- sche Aufbau lässt sich mit dem eines Mobilees vergleichen, dessen Komponenten sich nach Bewegen stets neu ausrichten.
Die im Folgenden herangezogenen Daten wurden 2020 und 2021 vom Bundesamt für Arbeit und Soziales in der Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (4. Zwischenbericht) und dem Dritten Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen veröffentlicht. Die Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist eine vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH andauernde „bislang größte Studie zur sozialen Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“. (Harand et al. 2020, S. 16)
Der Teilhabebericht der Bundesregierung soll einen aktuellen Überblick über Lebenslagen und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Bundesrepublik Deutschland geben. Zu diesem Zweck wurden rund 810.000 Personen, die in ca. 370.000 Haushalten in Deutschland leben befragt (sog. Mikrozensu s: repräsentative jährliche Haushaltsbefragung der statistischen Ämter des Bundes und der Länder) sowie mehr als 30.000 weitere Personen aus rund 15.000 Haushalten im Rahmen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Zusätzlich wurden zwei Befragungen des Robert Koch-Instituts (RKI) und amtliche Statistiken ausgewertet. (vgl. Maetzel et al. 2021, S. 29-30)
Laut Bericht des BMAS lässt sich mit Blick auf die Teilhabe bei Bildung und Ausbildung eine positive Tendenz erkennen. So erhalten immer mehr Kinder, bei denen Beeinträchtigungen festgestellt werden, spezielle Förderung in Bildungseinrichtungen. Im Jahr 2018 wurden demnach 91,5 % der Kinder unter 8 Jahren wurden in regulären Tageseinrichtungen betreut. Lediglich 8,5 % der Kinder kamen in speziellen Einrichtungen unter. Der Anteil der Kinder und Jugendlicher mit Beeinträchtigungen, die eine Regelschule besuchten, stieg zwischen den Jahren 2014 und 2017 um 7,6 Prozentpunkte auf 41,7 %, jedoch sank der Anteil der Förderschüler:innen in derselben Zeitspanne nur um rund 5 %. (vgl. Maetzel et al. 2021, S. 122)
Grund für die weiterhin schleppende Inklusion von Schüler:innen mit Behinderung an allgemeinen Schulen sei vor allem deren fehlende Ausstattung. Da Ressourcen, die für inklusiven Unterricht an allgemeinen Schulen benötigt werden, größtenteils in Förderschulen gebunden sind, entscheiden sich Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung oft gegen den Besuch auf einer allgemeinen Schule. Dies fördert das segregierende System der Förderschulen, die parallel zu allgemeinen Schulen existieren und die Teilhabe im schulischen Bereich verhindern. (vgl. Borbe et al. 2016, S. 73)
Hinsichtlich der Schulabschlüsse besteht weiterhin eine große Diskrepanz zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen. 2017 hatten 8 % der Menschen mit Behinderung im Alter von 20 bis 64 keinen Abschluss - bei den Menschen ohne Behinderung nur 4,1 % nicht. Der Anteil der Personen mit Hauptschulabschluss lag bei Menschen mit Behinderung bei 38,3 % und bei denen ohne Behinderung bei 22,7% (vgl. Maetzel et al. 2021 ebd.)
Auch beim Thema Berufsausbildung herrschen sichtbare Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. 2017 hatten demnach 15 % der Personen ohne Beeinträchtigung keinen Berufsabschluss. Bei Menschen mit Beeinträchtigung lag die Zahl im Vergleich bei 20,5 %. Auch mehr akademische Abschlüsse besaßen Menschen ohne Beeinträchtigung (23,3 %) im Gegensatz zu Menschen mit Beeinträchtigung (10,3 %). (vgl. Maetzel et al. 2021, S. 123)
Diese Zahlen sind insofern bedeutend, da sich die Feststellung eines besonderen Förderbedarfes direkt auf den schulischen und beruflichen Werdegang ausübt. Die Autor:innen des Teilhabeberichts kommen weiterhin zu dem Schluss, dass
„[d]urch den umfassenden Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten, von Wissen und Handlungskompetenzen sowie von schulischen und beruflichen Abschlüssen Bildung eine Ressource für gesellschaftliche Teilhabe in jeder Lebensphase [ist]. Bildung hat damit einen starken Einfluss auf die Lebenslage und den sozialen Status von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Das wird besonders offensichtlich, wenn die Bedeutung formaler Bildungsabschlüsse für die Beschäfti- gungs- und Einkommenschancen betrachtet wird, die wiederum Auswirkungen auf die Wohnverhältnisse, die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben sowie den Gesundheitszustand haben.“ (Maetzel et al. 2021, S. 123)
Besonders im letzten Satz verweisen sie auf die Wichtigkeit einzelner Faktoren und die möglichen Wechselwirkungen, die mit ihnen einhergehen können. Bildung ist entscheidend für soziale Teilhabe, einen Arbeitsplatz aber auch, um ein gesundes Leben führen zu können.
Der Teilhabebericht ergab, dass Personen mit Beeinträchtigung weniger häufig einer Erwerbstätigkeit nachgehen (Stand 2017: 53 % Erwerbstätige mit Behinderung gegenüber 81 % Erwerbstätige). 40 % der befragten 16- bis 65-jährigen Personen, die nicht erwerbstätig sind und eine Behinderung haben, beziehen eine Rente (Nichterwerbspersonen ohne Behinderung: 14 %). Nur ein kleiner Teil dieser Personengruppe befindet sich noch in Ausbildung in Schulen und Hochschulen (14 %) - bei den Befragten ohne Beeinträchtigungen liegt der Prozentsatz bei 68 %. (vgl. Maetzel et al. 2021, S. 215)
Bruttostundenlöhne von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gleichen sich weiter an, wobei Menschen mit Beeinträchtigungen im Schnitt 1,38€ (brutto) pro Stunde weniger verdienen. Neben erhöhten Schwierigkeiten bei der Jobsuche gaben die Befragten Menschen mit Behinderung Renten (29 %), familiäre Einkünfte (8 %) und Arbeitslosengeld II als wichtige Einkommensquellen an (8 %). Aus den Befragungen ergab sich ein durchschnittliches Vermögen von 91.000 € für Menschen mit und 118.000 € für Menschen ohne Beeinträchtigungen. Die Hälfte der Personen mit Behinderung besaß laut Teilhabebericht weniger als 25.000 €, 3.500 € weniger als Menschen ohne Behinderung. Die Ergebnisse der Befragungen ergaben, dass sich Menschen mit Beeinträchtigungen öfter um ihre wirtschaftliche Situation sorgten (22 %) (vgl. Maetzel et al. 2021, S. 216)
Die Autor:innen weisen darauf hin, dass sich Arbeit vielfältig auf individuelle Entwicklung und die Teilhabechancen von Personen auswirkt. Sie kann, regelmäßig ausgeführt, stabilisierend auf die Lebensführung wirken, soziale Kontakte ermöglichen und gesellschaftliche Anerkennung schaffen. (vgl. Maetzel et al. 2021 ebd.) Beeinträchtigungen und Behinderungen können wiederum zur Einschränkung der Teilhabe am Arbeitsleben führen, die u.a. gesundheitliche Probleme, sozialen Rückzug und finanzielle Probleme (bis hin zur Armut) bedeuten können. (vgl. Maetzel et al. 2021, S. 217)
Auch hier zeigt sich erneut die bedeutende Rolle der Arbeit in der Leistungsgesellschaft und die durch sie ermöglichte Teilhabe an anderen Lebensbereichen. Sichtbare Barrieren in Betrieben und Ausbildungsstätten sowie nicht sichtbare Barrieren in Form von Vorurteilen in den Köpfen von Arbeitge- ber:innen, die bis zur Nichteinstellung führen können, erschweren Menschen mit Behinderungen demnach nicht nur die Teilhabe am Arbeitsleben, sondern auch die gesellschaftliche Teilhabe insgesamt.
Laut den Daten der Befragung schätzen Menschen ohne Beeinträchtigung ihren Gesundheitszustand größtenteils als sehr gut (38 Prozent) oder gut (56 Prozent) ein. Hingegen bewerten nur 6 Prozent ihr Befinden als mittelmäßig, die Kategorie schlecht wird von den Befragten nicht bedient. Bei den Menschen mit Beeinträchtigungen schätzen 73 Prozent ihre eigene Gesundheit als sehr gut oder gut ein, was durch einen sichtbaren Unterschied von 21 Prozentpunkten deutlich wird. 26 Prozent der Personen mit Beeinträchtigung beschreiben ihren Gesundheitszustand als mittelmäßig (20 Prozentpunkte Unterschied). Von den Befragten der Kategorie Menschen mit selbsteingeschätzter Behinderung ordnen sich wiederum nur 3 Prozent bei sehr gut und 22 Prozent bei gut ein. Das bedeutet einen Unterschied von 48 Prozentpunkten im Vergleich zur Kategorie Menschen mit Beeinträchtigung und 69 Prozentpunkten im Vergleich zu den nicht beeinträchtigten Personen. Mehr als die Hälfte (52. Prozent) der Befragten der dritten Kategorie ordnet die eigene Gesundheit bei mittelmäßig ein. 19 Prozent beschreiben ihren Gesundheitszustand als schlecht und 4 Prozent sogar als sehr schlecht. (vgl. Harand et al. 2020, S. 34)
Zu dem Begriff Grundeinkommen existiert keine eindeutige Definition. Es existieren diverse Modelle und Ideen unterschiedlichen Aufbaus und Struktur. In den Worten des Netzwerk Grundeinkommen soll das bedingungslose Grundeinkommen „[...] dazu beitragen, Armut und soziale Notlagen zu beseitigen, den individuellen Freiheitsspielraum zu vergrößern sowie die Entwicklungschancen jedes Einzelnen und die soziale und kulturelle Situation im Gemeinwesen nachhaltig zu verbessern.“ (Engelke 2020)
Um sich von Modellen zur Grundsicherung abzugrenzen, umfasst die Idee des im Sinne des Netzwerk Grundeinkommen vier Grundelemente:
1. „Existenz- und Teilhabesicherung
2. individueller Rechtsanspruch für alle Menschen
3. keine Bedürftigkeitsprüfung
4. kein Zwang zur Arbeit oder zu anderen Gegenleistungen“ (Engelke 2020)
Dieses Kapitel widmet sich der Heranführung an das Thema Grundeinkommen und wie ein mögliches Grundeinkommen in Deutschland gestaltet werden könnte. Dazu soll mithilfe von Daten verschiedener Modellversuche ein Überblick über die Vorteile eines Grundeinkommens vermittelt werden.
Joachim Weeber hat in seinem Buch Grundeinkommen - eine ökonomische Betrachtung die denkbaren Modelle einer Mindestsicherung zwei Begrifflichkeiten zugeordnet: den Grundeinkommensstrategien und den Grundsicherungsstrategien (siehe Abbildung 2) Letztere lassen sich bereits im bestehenden deutschen Sicherungssystem finden und sind an die Bedürftigkeit der Empfangenden gebunden. Varianten beider Strategien können wiederum entweder die Gesamtbevölkerung oder einzelne
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Mindestsicherungsmodelle im Überblick (Weeber 2021, S.7)
Das bedeutet konkret, dass momentan z.B. erwachsene Menschen mit Behinderung (nach vorangegangener Prüfung) Leistungen der Grundsicherung über das Sozialamt nach SGB XII beziehen können. (§ 41 SGB XII). Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen erübrige sich der Vorgang der Bedürftigkeitsprüfung jedoch theoretisch und Leistungen würden ohne Bedarfsprüfung bereitgestellt.
[...]