Das folgende Essay behandelt autonomes Fahren und deren Herausforderungen für das bestehende Rechtssystem des Strafrechts. Die Grundlage hierfür bilden Erläuterungen zum aktuellen technischen Stand des autonomen Fahrens. Im Hauptteil wird die aktuelle Rechtsgrundlage des autonomen Fahrens beleuchtet.
Fokus dieses Essays ist hierbei die Analyse, über die potentielle Haftung bei Unfällen. Die Tatbestände der fahrlässigen Körperverletzung, der fahrlässigen Tötung und der Straßenverkehrsdelikte werden exemplarisch dargestellt. Kapitel 3.2 beschäftigt sich mit der Entschuldbarkeit des „human-in-the- loop“. Im letzten Kapitel des Hauptteils werden mögliche Alternativen zur Haftungsregelung aufgezeigt. Das Essay schließt mit einem Fazit ab, welches die Frage klären soll, ob die autonome Mobilität mit dem deutschen Strafrecht kollidiert.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzei chnis
1. Einleitung 1.1. Problemstellung 1.2. Vorgehensweise
2. Autonomes Fahren - aktueller Stand der Technik
3. Rechtsgrundlagen: Gesetzliche Grundlagen des autonomen Fahrens 3.1. Haftung bei Unfällen 3.1.1. Fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB 3.1.2. Fahrlässige Tötung gemäß § 222 StGB 3.1.3. Straßenverkehrsdelikt gemäß § 315c I, III StGB 3.2. Verantwortlichkeit des „human-in-the-loop“ 3.3. Alternativen zur Haftungsregelung
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Autonomes Fahren hat das Potenzial, die Mobilität und den Verkehr von Personen und Gütern grundlegend zu revolutionieren.1 Die Medien verfolgen die technischen Fortschritte sowie Anwendungsmöglichkeiten engmaschig und komplettieren Beträge durch Skizzen von futuristisch aussenden Fahrzeugen.2 Gleichzeitig polarisiert das Thema der autonomen Mobilität in den Medien aufgrund von Veröffentlichungen über Unfälle mit autonomen Tesla-Fahrzeugen.3 Kritische Berichte belegen auch die Skepsis innerhalb der Bevölkerung vornehmlich zu Fragen der Ethik, der Haftung und der Zulassung.4
Das Inkrafttreten des 8. Gesetz zu den Änderungen des Straßenverkehrsgesetztes (8. StVGÄndG) vom 16.06.2017 zur Zulässigkeit von hoch- und vollautomatisierten Fahrzeugen im Straßenverkehr, gemäß §§ 1a und 1b StVG beweist, dass auf Bundesebene derzeit ein Prozess des Umdenkens stattfindet. Die Gesetzgebung arbeitet kontinuierlich an rechtlichen Grundlagen zur Einordnung von selbstfahrenden Kraftfahrzeugen, unter Berücksichtigung von Rechts- und Haftungsfragen.
1.1. Problemstellung
Durch autonome Fahrzeuge ausgelöste Verkehrsunfälle werfen einige Haftungsprobleme auf. Unfälle, die einen Sachschaden nach sich ziehen, betreffen primär das Zivilrecht. Wird jedoch ein Mensch verletzt oder getötet, greift das Strafrecht.5
1.2. Vorgehensweise
Das folgende Essay behandelt autonomes Fahren und deren Herausforderungen für das bestehende Rechtssystem des Strafrechts. Die Grundlage hierfür bilden Erläuterungen zum aktuellen technischen Stand des autonomen Fahrens (Kapitel 2). Im Hauptteil wird die aktuelle Rechtsgrundlage des autonomen Fahrens beleuchtet (Kapitel 3). Fokus dieses Essays ist hierbei die Analyse, über die potentielle Haftung bei Unfällen (Kapitel 3.1). Die Tatbestände der fahrlässigen Körperverletzung (Kapitel 3.1.1), der fahrlässigen Tötung (Kapitel 3.1.2) und der Straßenverkehrsdelikte (Kapitel 3.1.3) werden exemplarisch dargestellt. Kapitel 3.2 beschäftigt sich mit der Entschuldbarkeit des „human-in-the- loop“. Im letzten Kapitel des Hauptteils werden mögliche Alternativen zur Haftungsregelung aufgezeigt (Kapitel 3.3). Das Essay schließt mit einem Fazit ab, welches die Frage klären soll, ob die autonome Mobilität mit dem deutschen Strafrecht kollidiert.
2. Autonomes Fahren - aktueller Stand der Technik
Bei Betrachtung der medialen Publizierungen ist festzustellen, dass diese überwiegend von automatisierten und selten von autonomen Fahrzeugen handeln. Automatisiertes Fahren beinhaltet mehrere Phasen, die mit Assistenzsystemen beginnen und mit dem Endzustand des autonomen Fahrens endet. Hierbei übernimmt ein System im Fahrzeug alle Lenk-, Beschleunigungs- und Bremsmanöver. Da das Fahrzeug in der Lage ist, alle Verkehrssituationen zu bewerkstelligen, wird kein Fahrer mehr benötigt. Der Mensch nimmt hierbei die passive Rolle als Passagier ein, statt bisher aktiv am Verkehrsgeschehen teilzunehmen. Dies bedeutete auch, dass der Mensch dem System unterliegt und auch in Gefahrensituationen nicht eingreifen kann. Fahrzeuge, die diesen Entwicklungsstand erreicht haben, werden als autonom, selbstfahrend oder fahrerlos betitelt.6
3. Rechtsgrundlagen: Gesetzliche Grundlagen des autonomen Fahrens
Bisherige Rechtsnormen beruhten auf dem 1968 erlassenen Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr, das bislang vorsah, in jedem Kraftfahrzeug zwingend einen menschlichen Fahrer zu haben.7 Seit dem Erlass von Änderungen im Jahre 2017 genügt die Anwesenheit einer Person, die die Rolle eines Passagiers einnimmt und über die Möglichkeit verfügt, sich jederzeit über Fahrassistenzsysteme hinweg zu setzen (§§ 1a und 1b StVG). Trotzdem verlang die Rechtsordnung die Präsenz mindestens eines Menschen, der bei Bedarf die Steuerung des Kraftfahrzeuges übernehmen kann.
3.1. Haftung bei Unfällen
Mit Anwesenheit eines Menschen in jedem Kraftfahrzeug ändert sich die Haftung nicht signifikant. Voraussetzung hierfür ist die Option des Fahrers, die Steuerung des Fahrzeuges, unabhängig von dem Grad der Automatisierung des Fahrzeugs, jederzeit zurück zu erlangen.8
„Das deutsche Rechtssystem knüpft Strafbarkeit an einen Handlungsbegriff, der auf menschliches Verhalten oder Unterlassen abzielt. Damit scheidet ... die strafrechtliche Verantwortlichkeit des automatisierten Kraftfahrzeugs, der Hardware und der Software sowie aller sonstigen Komponenten aus.“9
Kommt es während einer autonomen Fahrt zu einer Ordnungswidrigkeit ist zu klären, ob der Fahrer gemäß § 24 StVG iVm § 49 StVO für den Verstoß verantwortlich ist. „[Eine Verkehrsordnungswidrigkeit] . setzt jedoch voraus, dass der Fahrer vorsätzlich oder fahrlässig handelte. Die Einhaltung der Verkehrsregelungen ist mit § 1a Abs. 2 Nr. 2 StVG aber auf die Fahrfunktion übertragen. . Eine Verschuldung des Fahrers wegen .. Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 2 BGB) wird man deshalb verneinen müssen.“10
„Als relevante Straftatbestände kommen bei Verletzungen durch ein autonomes Kraftfahrzeug insbesondere die fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB oder bei Unfällen mit fatalen Folgen die fahrlässige Tötung, § 222 StGB, in Betracht. Bei Handlungen im Straßenverkehr können zudem auf das Straßenverkehrsdelikt § 315c I, III StGB zurückzugreifen sein.“11
Die nachfolgenden Unterkapitel beschäftigen sich mit den vorangegangenen, potentiellen juristischen Tatbeständen.
3.1.1. Fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB
Fahrlässiges Verhalten gemäß § 229 StGB impliziert nicht den bewussten Verstoß gegen eine geltende Rechtsordnung. Vielmehr wird hierbei der Verwurf begründet, der Täter hätte erkennen können, dass sein Handeln ein Gefahrenpotential birgt.
Der Mensch als Passagier kann für eine fahrlässige Körperverletzung resultierend aus einem Verkehrsunfall mit einem autonomen Fahrzeug nicht belang werden. Allerdings ist zu prüfen, ob der Hersteller oder die Programmierer für ein fehlerhaftes System strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.
3.1.2. Fahrlässige Tötung gemäß § 222 StGB
Fahrlässige Tötung gemäß § 222 StGB liegt dann vor, wenn ein Mensch durch Missachtung seiner Sorgfaltspflicht den Tod eines Mitmenschen provoziert. Bezogen auf den Straßenverkehr kann die Sorgfaltspflicht beispielsweise durch Missachtung von Verkehrsregeln zu Grunde liegen.
Analog der fahrlässigen Körperverletzung kann bei einem fatalen Unfall der Hersteller bzw. der Programmierer strafrechtlich belangt werden, jedoch nicht der menschliche Passagier.
3.1.3. Straßenverkehrsdelikt gemäß § 315c I, III StGB
Verkehrswidriges Verhalten gemäß § 315c StGB liegt vor, wer ein Fahrzeug führt ohne die Befähigung hierzu. Für die Vollendung des Straftatbestandes genügt der bloße Eintritt einer Gefährdung von Dritten oder Sachwerten. Voraussetzung hierbei ist, dass der Täter explizit Führer des Fahrzeuges sein muss.
Da der Fahrer bei autonomen Kraftfahrzeugen zum Passagier und nicht aktiv in das Fahrgeschehen eingreift, kann im Falle eines Unfalls dem Straftatbestand gemäß § 315c nicht stattgegeben werden.
3.2. Verantwortlichkeit des „human-in-the-loop“
Der Begriff „in-the-loop“ bedeutet, dass der Fahrer in die Regelschleife der Fahraufgabe eingebunden ist und über ausreichende Kenntnisse zur Verkehrssituation verfügt.
„Der Human-in-the-Loop ist ein Mensch, der ein KI-System trainiert, testet und optimiert, damit es zuverlässigere Ergebnisse erzeugt“12 Bei der Programmierung profitiert das System von dem Erfahrungsschatz des Programmierers in Kombination mit der Arbeitsgeschwindigkeit des Rechners. Bei der Kollaboration können die jeweiligen Unzulänglichkeiten des Menschen und die der Maschine ausgeglichen werden, um definiertere Resultate zu erlangen.
Solange die künstliche Intelligenz in einem autonomen Fahrzeug arbeitet, muss der Fahrer auf keiner Ebene der Fahrzeugführung eingreifen, daraus folgt er wird vollständig oder zumindest teilweise aus dem loop genommen.13
Human-in-the-loop Systeme bedürfen eines Supervisors, der in schwierigen oder unbekannten Situationen Entscheidungen treffen kann und der KI neue Situationen beibringt. Die Verantwortlichkeit des „human-in-the-loop“ bei einem Verkehrsunfall bedarf nach einer Plausibilitätsprüfung eine individuelle Zurechnung. Es besteht die Gefahr, dass bei Systemfehlern oder -ausfällen, der Fahrer einen Handlungsbedarf gar nicht oder zu spät bemerkt. Für die Evaluierung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit muss der Einsatz von Maschinen im Straßenverkehr berücksichtigt werden. Vor Zuschreibung strafrechtlicherZuständigkeit ist daher die normative Angemessenheit sorgfältig zu prüfen.14
[...]
1 Vgl. Perret, F., Arnold, T., Fischer, R., de Haan, P., Haefeli, U., Verkehrspolitik, 2020, S. 55.
2 Vgl. Mitteregger, M., Bruck, E., Soteropoulos, A., Stickler, A., Berger, M. Dangschat, J., Scheuvens, R., Banerjee I., Stadtentwicklung, 2020, S. 2.
3 Vgl. https://www.tagesschau.de, Zugriff am 30.05.2021.
4 Vgl. Mitteregger, M., Bruck, E., Soteropoulos, A., Stickler, A., Berger, M. Dangschat, J., Scheuvens, R., Banerjee I., Stadtentwicklung, 2020, S. 2.
5 Vgl. Valerius, B., Sorgfaltspflichten, 2017, S. 9.
6 Vgl. Hermann, A., Brenner, W., Automation, 2018, S. 21.
7 Vgl. Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr vom 08.11.1968 (BGBI II, 1977), S. 809 ff.
8 Vgl. Ebert, I., Haftungsregelungen, 2017, S. 67.
9 https://www.lto.de, Zugriff am 27.04.2021.
10 Vgl. Ensthaler, J., Gollrad, M., Rechtsgrundlagen, 2019, S. 114.
11 https://www.informatik-aktuell.de, Zugriff am 30.05.2021.
12 https://atozofai.withgoogle.com, Zugriff am 04.06.2021.
13 Vgl. Nunes, D., Silva J., Boavida, F., human-in-the-loop, 2018, S. 57 ff.
14 Vgl. Nunes, D., Silva J., Boavida, F., human-in-the-loop, 2018, S. 105 ff.
- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Autonomes Fahren. Herausforderungen für das bestehende Rechtssystem im Strafrecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1156642