„Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“ Von
Kants berühmten vier Fragen, die richtungsweisend für die Fragestellung der
verschiedenen philosophischen Bereiche sind, soll im folgenden v.a. seine Ethik näher
untersucht werden. Die grundlegende Frage, was der Mensch tun soll, beschäftigt
Philosophen schon so lange, wie philosophiert wird. Aber besonders ethische
Fragestellungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie gerade nicht nur für den Fachmann
von Bedeutung sind, sondern dass sie sich in allen Lebensbereichen finden. Zu Zeiten
Kants noch undenkbar, führen die Fortschritte der modernen Technik dazu, dass zentrale
ethische Fragen bis in Medizin und Politik hineinreichen. Unser Menschenbild und die
Frage, was mit Angehörigen dieser Spezies getan werden darf und wovor sie bewahrt
werden müssen, gewann neue Brisanz.
Aber nicht erst bei diesen kritschen ethischen Fragen treten unsere Vorstellungen zu
Tage, schon in unserer Lebenspraxis bewerten wir ständig unser Handeln und das
unserer Mitmenschen moralisch. Allerdings hinterfragen wir meistens nicht unsere
ethische Einstellung, so dass unser Handeln zwar durch eine moralische
Grundüberzeugung geleitet wird, wir uns dieser aber in der Regel nicht ausdrücklich
bewusst sind. Diese Normen und Werte, die hinter menschlichen Handlungen stecken,
aufzuzeigen und zu erklären, ist eine der Aufgaben der Philosophie. Es ist philosophisch
umstritten, ob aus dem, was Menschen in der Regel tun, abgeleitet werden kann, was sie
tun sollen. Kant verneint diesen Ansatz und spricht ihm jegliches Recht ab, ein objektives
Kriterium zu sein. Um wirklich beurteilen zu können, ob eine Handlung moralisch gut ist,
muss von aller Empirie abgesehen werden und statt dessen ein oberstes moralisches
Prinzip gefunden werden, dass für alle Menschen gilt. Auf der Suche nach diesem Prinzip
der Sittlichkeit deckt Kant die Unzulänglichkeit vorheriger Ansätze auf und setzt ganz neu
an.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Grundlegung der Metaphysik der Sitten
2.1 Die verschiedenen philosophischen Bereiche nach Kant:
2.2 Gutes Handeln im täglichen Leben
2.3 Was ohne Einschränkung gut ist: der gute Wille
2.4 Der Begriff der Pflicht:
3. Das oberste Prinzip moralischen Handelns
3.1 Der kategorische Imperativ
3.2 Das Reich der Zwecke und das Prinzip der Autonomie
4. Schlussbetrachtung
5. Literatur
1. Einleitung
„Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“[1] Von Kants berühmten vier Fragen, die richtungsweisend für die Fragestellung der verschiedenen philosophischen Bereiche sind, soll im folgenden v.a. seine Ethik näher untersucht werden. Die grundlegende Frage, was der Mensch tun soll, beschäftigt Philosophen schon so lange, wie philosophiert wird. Aber besonders ethische Fragestellungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie gerade nicht nur für den Fachmann von Bedeutung sind, sondern dass sie sich in allen Lebensbereichen finden. Zu Zeiten Kants noch undenkbar, führen die Fortschritte der modernen Technik dazu, dass zentrale ethische Fragen bis in Medizin und Politik hineinreichen. Unser Menschenbild und die Frage, was mit Angehörigen dieser Spezies getan werden darf und wovor sie bewahrt werden müssen, gewann neue Brisanz.
Aber nicht erst bei diesen kritschen ethischen Fragen treten unsere Vorstellungen zu Tage, schon in unserer Lebenspraxis bewerten wir ständig unser Handeln und das unserer Mitmenschen moralisch. Allerdings hinterfragen wir meistens nicht unsere ethische Einstellung, so dass unser Handeln zwar durch eine moralische Grundüberzeugung geleitet wird, wir uns dieser aber in der Regel nicht ausdrücklich bewusst sind. Diese Normen und Werte, die hinter menschlichen Handlungen stecken, aufzuzeigen und zu erklären, ist eine der Aufgaben der Philosophie. Es ist philosophisch umstritten, ob aus dem, was Menschen in der Regel tun, abgeleitet werden kann, was sie tun sollen. Kant verneint diesen Ansatz und spricht ihm jegliches Recht ab, ein objektives Kriterium zu sein. Um wirklich beurteilen zu können, ob eine Handlung moralisch gut ist, muss von aller Empirie abgesehen werden und statt dessen ein oberstes moralisches Prinzip gefunden werden, dass für alle Menschen gilt. Auf der Suche nach diesem Prinzip der Sittlichkeit deckt Kant die Unzulänglichkeit vorheriger Ansätze auf und setzt ganz neu an.
Kant geht grundsätzlich von einer Philosophie der Freiheit aus und setzt voraus, „daß es im menschlichen Erkennen und Handeln, in Recht, Geschichte und Religion, in ästhetischen und teleologischen Urteilen Elemente gibt, die unabhängig von aller Empirie gültig sind; denn nur dann können sie nicht erfahrungswissenschaftlich, sondern müssen philosophisch erkannt werden.“[2]
Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten vorgestellt werden unter besondere Berücksichtigung der verschiedenen Formulierungen des kategorischen Imperativs und der Idee eines Reichs der Zwecke.
2. Die Grundlegung der Metaphysik der Sitten
2.1 Die verschiedenen philosophischen Bereiche nach Kant:
In seiner Vorrede kommt Kant zuerst auf die Einteilung der antiken Philosophie in die Bereiche Physik, Ethik und Logik zu sprechen, die er aufnimmt. Er unterteilt dann die Philosophie in materiale und formale Vernunfterkenntnis, wobei die formale sich „mit der Form des Verstandes und der Vernunft selbst und den allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt" beschäftigt, während die materiale nur „irgend ein Objekt“[3] betrachtet. Die formale Philosophie findet sich in der Logik wieder, der materialen Vernunfterkenntnis wiederum gehören Physik und Ethik an, denn sie haben es „mit bestimmten Gegenständen und den Gesetzen zu tun, denen sie unterworfen sind.“[4] So teilt sich dieser zweite Bereich wiederum in das, was ist, also die Naturlehre, die Physik, die sich mit den Gesetzen der Natur beschäftigt und in das, was sein soll, die Sittenlehre, die Ethik, die die Gesetze der Freiheit bestimmt, ein. Während die Logik frei von jeder Erfahrung ist, können die materialen Formen auch ins Empirische reichen. Eine Philosophie, die sich aber eben nicht auf „Gründe der Erfahrung“[5] bezieht, sondern „lediglich aus Prinzipien a priori ihre Lehren vorträgt,“ bezeichnet Kant als „reine Philosophie.“[6]
Zum einen gehört natürlich die Logik zur formalen und damit zur reinen Philosophie, ebenso gut aber auch die Metaphysiken. In Anlehnung an Aristoteles spricht Kant auch von der Metaphysik als der Ersten Philosophie und nennt seine Metaphysik der Sitten darum auch Erste praktische Philosophie. Wichtig für diese Arbeit ist die Metaphysik der Sitten, die Kant strikt von aller Anthropologie trennt. Aber er gesteht ein, dass dieser in pragmatischer Hinsicht durchaus eine wichtige Rolle zukommt, so dass er der praktischen Anthropologie im alltäglichen Leben keineswegs die Bedeutung abspricht. Dennoch versucht er sich an dem rein rationalen Teil, der jede Empirie außenvor lassen soll, um eine „reine Moralphilosophie“[7] zu begründen, die sich eben nicht nur auf praktische Gesetze, sondern auf ein moralisches Gesetz stützt.
Kant begründet seine strikte Abkehr von allen empirischen Tatsachen damit, dass „der Grund der Verbindlichkeit“[8] in „in Begriffen der reinen Vernunft“ a priori gesucht werden muss und damit unabhängig sein muss von „der Natur des Menschen, oder den Umständen in der Welt, darin er gesetzt ist“[9]. Als „Leitfaden und oberste Norm“ ist „eine Metaphysik der Sitten ... also unentbehrlich notwendig“ , auch wenn Kant eingesteht, dass es schwer ist, „sie in seinem Lebenswandel in concreto wirksam zu machen“.[10]
Die GMS besteht aus einer Vorrede und drei großen Kapiteln und zwar dem „Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen“, dem „Übergang von der populären Moralphilosophie zur Metaphysik der Sitten“ und dem „Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft“.
Ihre Aufgabe fasst Kant folgendermaßen zusammen: „Gegenwärtige Grundlegung ist aber nichts mehr, als die Aufsuchung und Festsetzung des obersten Prinzips der Moralität.“[11]
2.2 Gutes Handeln im täglichen Leben
Kant gesteht schon der allgemeinen menschlichen Vernunft die Fähigkeit zu, sittlich gut zu handeln. Also selbst wenn man „unerfahren in Ansehung des Weltlaufs, unfähig auf alle sich ereignenden Vorfälle desselben gefasst zu sein“[12] ist und nicht über „weit ausholende Scharfsinnigkeit“ verfügt, kann man doch moralisch handeln. Denn ich brauche mich im Prinzip nur zu fragen, ob ich wollen kann, dass mein Handlungsprinzip auch für andere gelte. Unabhängig von jeder philosophischen Erkenntnis wird so gutes Handeln möglich, allerdings gilt natürlich auch hier, dass es für diese Beurteilung nicht darum geht, persönliche Vor- und Nachteile abzuwägen, sondern zu klären, ob meine Handlungsmaxime in einer allgemeinen Gesetzgebung tauglich ist. Kant weiß aber auch, wie schwer es Menschen fällt, aus Vernunftgründen gegen ihre Neigungen zu handeln, wenn er bemerkt: „Der Mensch fühlt in sich selbst ein mächtiges Gegengewicht gegen alle Gebote der Pflicht, die ihm die Vernunft so hochachtungswürdig vorstellt, an seinen Bedürfnissen und Neigungen, deren ganze Befriedigung er unter dem Namen der Glückseligkeit zusammenfasst.“[13]
Auch wenn es bei einer konkreten Handlung möglich ist, moralisch gut zu handeln, gilt immer noch, „daß alle sittlichen Begriffe völlig a priori in der Vernunft ihren Sitz und Ursprung haben“ und „daß sie von keinem empirischen und darum bloß zufälligen Erkenntnisse abstrahiert werden können“[14], sondern ihre Begründung außerhalb der empirisch erfahrbaren Welt liegen muss.
Auf diese Begründung Kants wird im Folgenden näher eingegangen.
[...]
[1] Kant,Immanuel: Logik (1800), S. 448
[2] Höffe,Otfried: Kant, S.14
[3] Kant,Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S.19
[4] Ebd, S.19
[5] Ebd, S.20
[6] Ebd, S.20
[7] Ebd, S.20
[8] Ebd, S.20
[9] Ebd, S.20
[10] Ebd, S.20
[11] Ebd, S.26
[12] Ebd, S.43
[13] Ebd, S.45
[14] Ebd, S.54