Diese Arbeit beschäftigt sich mit zwei der gefährlichen Brautwerbungen im Nibelungenlied und deren folgenschweren Konsequenzen für einen der Helden. Hierbei soll erörtert werden, inwieweit der Tod Siegfrieds im Zusammenhang mit seiner Brautwerbung um Kriemhild steht und welchen Einfluss diese auf das Schicksal der anderen handelnden Figuren hat.
Warum musste Siegfried sterben? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Nibelungenforschung seit geraumer Zeit. Wie kam es zum Verrat König Gunthers an seinem Helfer und Freund Siegfried? Und welche Rolle spielt hierbei die Brautwerbung rund um Kriemhild und die schöne Brünhild von Isenstein? Warum entschied man sich, eine der zentralen Schlüsselfiguren der Sage sterben zu lassen. Ein semantisch-dramaturgischer Effekt, um seine hinterbliebene Frau Kriemhild zu einer prominenteren Rolle innerhalb des Werks zu verhelfen? Oder doch die späte Rache für den doppelten Brautbetrug an Brünhild? Der Zusammenhang zwischen Siegfrieds Tod und der Brautwerbung um die Amazonenkönigin zieht sich wie ein roter Faden durch die ersten Aventiuren des Nibelungenlieds. So lassen sich Handlungsverlauf und Figurenmotivation immer wieder auf die komplexe und schwierige Beziehung zwischen Gunther und Siegfried zurückverfolgen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zwei Schönste und nur ein Held
2.1. Das Brautwerbungsschema nach Schmid- Cadalbert
2.2. Kriemhild - Werbung um die Schönste des Burgunden-Reiches
2.3. Brühnhild - die Eroberung der Amazone
3. Zwischen Brautbetrug und Heldentod
3.1. Der Streit der zwei Schönsten
3.2. Siegfrieds Tod als Schemabruch
4. Resümee
1 Einleitung
Warum musste Siegfried sterben? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Nibelungenforschung seit geraumer Zeit. Wie kam es zum Verrat König Gunthers an seinem Helfer und Freund Siegfried? Und welche Rolle spielt hierbei die Brautwerbung rund um Kriemhild und die schöne Brünhild von Isenstein? Warum entschied man sich, eine der zentralen Schlüsselfiguren der Sage sterben zu lassen. Ein semantisch- dramaturgischer Effekt, um seine hinterbliebene Frau Kriemhild zu einer prominenteren Rolle innerhalb des Werks zu verhelfen? Oder doch die späte Rache für den doppelten Brautbetrug an Brünhild? Der Zusammenhang zwischen Siegfrieds Tod und der Brautwerbung um die Amazonenkönigin zieht sich wie ein roter Faden durch die ersten Aventiuren des Nibelungenlieds. So lassen sich Handlungsverlauf und Figurenmotivation immer wieder auf die komplexe und schwierige Beziehung zwischen Gunther und Siegfried zurückverfolgen.
„Die Geschichte Siegfrieds ist zwar um mehrere konkurrierende Motive heroischer Provenienz (Hort, Drachenkampf, Eroberung Brünhilds, Ermordung) zentriert, erzählt sie aber nicht durchweg in heroischer Perspektive. Vielmehr erscheinen sie in Engführung mit höfischen Gattungsmustern und Wertordnungen. Das hybride Gebilde, das von der ersten Strophe an aufgebaut wird, erhält durch den Betrug an Brünhild immer klaffendere Risse du bricht mit Siegfrieds Ermordung zusammen.“1 (Müller, Jan- Dirk: Das Nibelungenlied. Berlin.2015.93)
Diese Arbeit beschäftigt sich mit zwei der gefährlichen Brautwerbungen im Nibelungenlied und deren folgenschweren Konsequenzen für einen der Helden. Hierbei soll erörtert werden, inwieweit der Tod Siegfrieds im Zusammenhang mit seiner Brautwerbung um Kriemhild steht und welchen Einfluss diese auf das Schicksal der anderen handelnden Figuren hat.
„Siegfried wird heimtückisch ermordet, der Erzähler spricht deshalb von einen ungetriuwen tôt («Tod aus Untreue»,988). Der Held selbst betont noch im Sterben gegenüber den Königen der Burgunden seine triuwe (989: ich was iu ie getriuwe,«ich habe Euch gegenüber immer Treue bewiesen»), er kann sich dabei auf die Verwandtschaft, der im mittelalterlichen Recht genau definiert ist (vgl. Widmaier 1993, S.22-29), zugleich jedoch auch auf die vor Isenstein getroffene Abmachung (386-388) beziehen, die zum Sieg über Brünhild geführt hatte.“2 (Ehrismann, Otfrid: Ehre und Mut – Âventiure und Minne. München.1995 S.215)
2 Zwei Schönste und nur ein Held
2.1. Das Brautwerbungsschema nach Schmid- Cadalbert
Die Forschung von Schmidt- Cadalbert beschäftigt sich unter anderem mit der Bedeutung der Erzählstruktur des Brautwerbungsschemas in der mittelalterlichen Literatur, vor allem in der Heldenepik. Grundlage dieses Schemas ist ein Brautwerber, welcher sich auf die Suche nach einer geeigneten Ehefrau begibt. Hierbei wird das Brautwerbungsschema durch eine unterschiedliche Anzahl an Handlungsfiguren, Handlungsstrukturen und einer festgelegten dreiteiligen Raumstruktur definiert. Letztere beinhaltet diverse Machtbereiche: Den des Werbers, den der Familie der zukünftigen Braut und einen zusätzlichen Raum, welcher die anderen beiden voneinander abgrenzt (zum Beispiel ein Meer, fernes Land). Für die Brautwerbung stehen dem Bräutigam diverse Helfer zur Verfügung.
„Die Brautwerbungsdichtung bindet die Ehe an den Einsatz des Werbers und seiner Helfer. Sie müssen «aus dem Eigenen heraustreten», die Braut in der Fremde gewinnen, Widerstände überwinden, ihre Kraft und ihre Verschlagenheit beweisen. Die Brautwerbungsdichtung bindet die Ehe auch an die Einwilligung der Braut, welche sich gegen den Willen des Vaters für den Werber entscheidet […] Die Gewinnung der Braut ist oft verknüpft mit Kriegszügen mit Kreuzzugscharakter […] Die Brautwerbungsdichtung zeigt den Werber als Herrscher und Eroberer, zugleich zeigt sie ihn auch n seiner Abhängigkeit von Ratgebern, Kriegern und Helfern.“3 (Schmid- Cadalbert, Christian: Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Bern.1985. S. 81-82)
Der Stoff des Nibelungenlieds verdeutlicht jedoch, dass dieses Zutun von Helfern und Ratgebern am Ende auch ins Negative umschlagen kann beispielsweise in eine ungewollte Abhängigkeitssituation. Schmidt- Cadalbert unterscheidet in seiner Publikation zwei Typen der Brautwerbung: die gefährliche und die ungefährliche. Im Nibelungenlied liegt mit der Werbung Siegfrieds um Kriemhild sowie Gunthers um Brünhild jeweils eine gefährliche Brautwerbung vor. Herbei muss der Held zahlreiche Prüfungen bestehen, den Brautvater sowie in manchen Fällen die Braut zunächst von sich überzeugen und gewinnen, ehe es am Ende zur Heimführung der Braut, samt anschließender Hochzeit kommen kann. Während der Minne Dienst in der höfischen mittelalterlichen Literatur von großer Bedeutung ist, kommt er bei der gefährlichen Brautwerbung selten zum Einsatz. Das Nibelungenlied bietet mit der Minne Siegfrieds um Kriemhild einen starken Gegensatz Brautwerbung Gunthers um Brünhild, bei welcher Betrug, Verrat und Gewalt zum Einsatz kommen. Das Brautwerbungsschema lebt von dem Motto: „Dem Stärksten gebührt die Schönste“. So steht nach dem Bezwingen aller Hürden am Ende nur dem stärksten Werber die schönste Braut zu. Das Nibelungenlied jedoch wartet mit zwei Schönsten und nur einem wahrhaften Helden auf. Doch inwiefern wird dies zum Problem innerhalb der Handlung?
„Die Nichterfüllung eines Handlungsfixpunktes muß als Schemabruch gewertet werden. Als bewußt gesetzt wird ein Schemabruch verstanden, wenn er funktional ist, d.h. wenn er die Folgehandlung beeinflußt.“4 (Schmid- Cadalbert, Christian: Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Bern.1985. S. 87)
Laut Peter Strohschneider gibt es für das gestörte Brautwerbungsschema im Nibelungenlied durch Zwei Schönste und nur einem Helden nur folgende Lösung: Siegfried muss aus der Welt geschafft werden, damit Gunther der Beste werden kann5 (vgl. Peter Strohschneider: Einfache Regeln – Komplexe Strukturen. Stuttgart/Leipzig.1997). Mit dieser These ermöglicht Strohschneider eine Erklärung für den frühen Tod des Helden innerhalb der Handlung. Doch wie kam es nun zu dieser Störung innerhalb der Brautwerbung?
2.2. Kriemhild – Werbung um die Schönste des Burgunden-Reiches
„Die Braut ist eine wohlbehütete Königstochter. Sie genügt den Anforderungen des Werbers insofern, als sie ihm ebenbürdig ist und ein konventionelles Schönheitsideal verkörpert. Meistens gibt sie dem Verlangen des Werbers statt und willigt ein, gegen den Widerstand ihres Vaters, heimlich in die Werbung und Entführung ein […] Eine wichtige Funktion kann der Braut als Vermittlerin zwischen Werber und Brautvater zukommen (Kudrun), in seltenen Fällen kann sie auch aktiv planen und handeln (Pamige/Pauge in MO). Eine Ausnahme bildet der wohl aus dem Orient stammende Typ des Kraftweibes, das als seine eigene Hüterin den Werber fordert. Weite Verbreitung fand dieser Typus im russischen Brautwerbermärchen. In der mittelhochdeutschen Brautwerbungsdichtung wirkt er eher fremd (NL: Brünhild; Ore: Bride).“6 (Schmid- Cadalbert, Christian: Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Bern.1985. S. 86)
Entsprechend den Ausführungen Cadalberts, vereinen sich in der Königstochter Kriemhild sämtliche Attribute, welche sich ein Brautwerber laut Schema nur wünschen kann. Sie ist eine adelige Königstochter, wird fortwährend als Schönheit betitelt, sowie als ein vil edel magedin 7 (vgl.: Heinzle, Joachim: Das Nibelungenlied und die Klage. Berlin.2015). Interessanterweise stellt das Nibelungenlied Ihre Figur auch zuerst und somit vor dem Helden der Sage Siegfried vor. Kriemhilds Brüder Gunther, Gernot und Gieselher übernehmen die Rolle des Brautvaters. Durch Kriemhilds hellseherische Träume (Falkentraum) verweigert Sie jedoch die Minne eines Werbers anzunehmen und sträubt sich so auch bei Siegfrieds Ankunft am Hof in Worms. Nachdem dieser sich schon mit Heldentaten und unmenschlichen Kräften, sowie Unverwundbarkeit rühmen kann, fordert er Gunther provozierend zum Kampf heraus.
[...]
1 Müller, Jan- Dirk: Das Nibelungenlied. Berlin.2015.S. 93.
2 Ehrismann, Otfrid: Ehre und Mut – Âventiure und Minne. München.1995 S.215.
3 Schmid- Cadalbert, Christian: Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Bern.1985. S. 81-82.
4 Schmid- Cadalbert, Christian: Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Bern.1985. S. 87.
5 Peter Strohschneider: Einfache Regeln – Komplexe Strukturen. Stuttgart/Leipzig. 1997.
6 Schmid- Cadalbert, Christian: Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Bern.1985. S. 86.
7 Heinzle, Joachim: Das Nibelungenlied und die Klage. Berlin.2015.