In der folgenden Untersuchung werden die osteuropäischen Länder Polen, Bulgarien und Tschechien in Hinblick auf ihre Politik, den Konsens in der Gesellschaft darüber und deren Beeinflussung in Hinblick auf die Demokratieentwicklung analysiert. Der Analyse wird ein pluralistisches Demokratieverständnis vorausgesetzt. Die Kulturtheorie wird zeigen, dass die politische Kultur ein ausschlaggebendes Kriterium für den Etablierungsprozess einer Demokratie darstellt. Polen und Bulgarien werden sich als weniger demokratisierte Länder im Vergleich zu Tschechien zeigen. Dies wird auf die stärker ausgeprägte politische Kultur in Tschechien zurückgeführt, welche in den anderen beiden Ländern deutlich geringer ausfällt.
Im Fazit wird die anfangs formulierte These, dass sich der Demokratisierungsfortschritt auf den Konsens der Gesellschaft über einen Systemwechsel hin zur Demokratie zurückführen lässt, bestätigt und darum erweitert, dass nach persönlicher Auffassung die Demokratisierung nicht auf einen theoretischen Ansatz und den jeweils benannten Faktor zurückzuführen ist, sondern ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren wohl als realistischer anzusehen ist. Weiterführend wird die Entstehung theoretischer Ansätze zur Thematik der Entdemokratisierungs und dem Democratic Backsliding angesprochen, welche auf den hier analysierten Zeitraum zum Anfang des 21. Jahrhunderts folgt.
Inhalt
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Der theoretische Rahmen
2. Die Indikatoren, das Vergleichsdesign und die Fallauswahl
a. Die Indikatoren
b. Vergleichsdesign
c. Fallauswahl
3. Fallbeschreibungen
a. Polen
b. Bulgarien
c. Tschechien
4. Analyse und Vergleich der Länder unter Einbezug der Kulturtheorie
III. Fazit
IV. Quellen- und Literaturverzeichnis
Abstract
In der folgenden Untersuchung werden die osteuropäischen1 Länder Polen, Bulgarien und Tschechien in Hinblick auf ihre Politik, den Konsens in der Gesellschaft darüber und deren Beeinflussung in Hinblick auf die Demokratieentwicklung analysiert.
Der Analyse wird ein pluralistisches Demokratieverständnis vorausgesetzt. Die Kulturtheorie wird zeigen, dass die politische Kultur ein ausschlaggebendes Kriterium für den Etablierungsprozess einer Demokratie darstellt. Polen und Bulgarien werden sich als weniger demokratisierte Länder im Vergleich zu Tschechien zeigen. Dies wird auf die stärker ausgeprägte politische Kultur in Tschechien zurückgeführt, welche in den anderen beiden Ländern deutlich geringer ausfällt. Im Fazit wird die anfangs formulierte These, dass sich der Demokratisierungsfortschritt auf den Konsens der Gesellschaft über einen Systemwechsel hin zur Demokratie zurückführen lässt, bestätigt und darum erweitert, dass nach persönlicher Auffassung die Demokratisierung nicht auf einen theoretischen Ansatz und den jeweils benannten Faktor zurückzuführen ist, sondern ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren wohl als realistischer anzusehen ist. Weiterführend wird die Entstehung theoretischer Ansätze zur Thematik der Entdemokratisierungs und dem Democratic Backsliding angesprochen, welche auf den hier analysierten Zeitraum zum Anfang des 21. Jahrhunderts folgt.
I. Einleitung
In der zu erstellenden Hausarbeit soll es um die Entwicklung der Demokratisierung in osteuropäischen Ländern gehen. Nachgesagt wird diesen ein Transformationsprozess in Richtung einer Demokratie, beziehungsweise nach neusten Erkenntnissen sogar teilweise schon eine Rückbildung des Demokratisierungsprozesses2. Dieser Prozess wird wiederum als Entdemokratisierung bezeichnet. Spannend machen die Betrachtung der osteuropäischen Zone die unterschiedlich stark ausgeprägten Stände der Konsolidierung einer Demokratie in den jeweiligen Ländern. Zur Messung der Demokratisierungsprozesse gibt es viele verschiedene Instrumente. So zeigt beispielsweise die Rangliste des Demokratieindexes 2019 von „The Economist“3, dass Tschechien mit einem Wert von 7,69 auf Rang 32 der Liste platziert ist, wogegen Rumänien auf Rang 78 schon deutlich niedriger platziert ist und Weißrussland mit Platz 150 weit abgeschieden vom restlichen Osteuropa liegt und bei insgesamt 167 platzierten Ländern fast das Ende der Rangliste darstellt. Die Hausarbeit soll über die Untersuchung der möglichen Ursachen für diese Unterschiede handeln. Das Seminarthema „Demokratieentwicklung im internationalen Vergleich“ wird durch den Vergleich mehrerer Länder zur Erkenntnisgewinnung über die Gründe für eine unterschiedlich schnell fortschreitende Konsolidierung einer Demokratie in den miteinander zu vergleichenden Ländern aufgegriffen. So kann die Arbeit thematisch in das vorrangegangene Seminar eingebettet werden. Die weiterführende Thematik der Entdemokratisierung wird dagegen in dieser Arbeit nicht aufgenommen, da sie auf der Grundlage einer anderen Theorie basiert und die Entdemokratisierung somit nicht das Hauptaugenmerk dieser Arbeit darstellt.
Eine Erklärung für unterschiedlich stark ausgeprägte Demokratisierungsprozesse könnte die unterschiedliche Akzeptanz einer demokratischen Politik in der Gesellschaft der jeweiligen Länder sein. Eine Demokratie kann nicht nur einfach von der Regierung ausgeführt werden, sondern sollte von der Bevölkerung auch als solche umgesetzt und gelebt werden, damit ein gemeinschaftlicher Konsens über die Politik herrscht. Herrscht ein weit verbreiteter Widerstand in der Bevölkerung gegen eine von der Regierung angestrebten Demokratie, kann keine vollständige Demokratisierung eines Landes stattfinden. Aus dieser Behauptung ergibt sich die in der Arbeit zu analysierende These: Die Etablierung einer Demokratie in einem Land hängt mit von der jeweiligen Akzeptanz der Bevölkerung ab. Um die These bestätigen oder widerlegen zu können, bildet den Anfang der Arbeit das Herleiten einer kausalanalytischen Fragestellung in Zusammenhang mit dem zu Grunde gelegten pluralistischen Demokratieverständnis und der Auswahl einer Transformationstheorie, hier die Kulturtheorie, welche das Phänomen der unterschiedlich ausgeprägten Demokratisierung in den verschiedenen Ländern erklären soll. Anschließend wird die für die Länderanalyse ausgewählte Vergleichsmethode des Most Similar Case Designs dargestellt und begründet genauso wie die Fallauswahl der zu vergleichenden Länder Polen, Bulgarien und Tschechien. Nachdem die Auswahl an Theorien und Fällen getroffen und begründet wurde, werden die ausgewählten Fälle in Bezug auf die zu untersuchenden Faktoren beschrieben. Im Anschluss daran werden die Länder in einer Vergleichstabelle noch einmal gegenüber gestellt, um sie miteinander zu vergleichen, und das Ergebnis unter zur Hilfenahme der Kulturtheorie erklärt. Daraufhin folgt eine Zusammenfassung der Analyse und die Beantwortung der Anfangs aufgestellten Frage. Im Fazit wird letztlich die vorher formulierte These bestätigt oder gegebenenfalls widerlegt. Abschließend werden weiterführende Gedanken, welche sich aus der Untersuchung ergeben werden, formuliert und ein kleiner Ausblick in Bezug auf Demokratisierungsprozesse gegeben. Damit jedoch der Demokratisierungsprozess hin zu einer Demokratie und nicht schon die Auswirkungen des Prozesses der Entdemokratisierung t abgebildet werden, wie sie in der Demokratieindextabelle von 2019 mutmaßlich zu sehen sind, wird eine Tabelle mit der Bewertung aus dem Jahr 2006 von „The Economist“ für die Untersuchung herangezogen. Diese wird die Demokratisierung in den Osteuropäischen Ländern in Bezug auf die zu Grunde liegende Fragestellung darstellen, da hier schon Änderungen aus dem Zeitraum nach der dritten Demokratisierungswelle mit einfließen können, jedoch noch keine Veränderungen in Bezug auf die Entdemokratisierung wahrnehmbar sind. Der Zeitraum nach der dritten Demokratisierungswelle ist ausschlaggebend für diese Analyse, da durch diese Welle auch die Osteuropäischen Länder von den Demokratisierungsprozessen betroffen waren.
II. Hauptteil
1. Der theoretische Rahmen
Um auf der Grundlage der voran gegangenen These eine Analyse durchzuführen, wird hier ein pluralistisches Demokratieverständnis vorausgesetzt. Nach der pluralistischen Demokratietheorie zeichnet sich eine Demokratie durch „Vielgliedrigkeit, Interessengruppen und Parteien [...], Akteurskonstellationen, politischen Institutionen und politische Kultur“ (Schmidt 2008: 210) aus. Wichtig sind also die „Vielgliedrigkeit der Sozialstruktur und der
Politik sowie freie, transparente, faire, wettbewerbsfähige Willensbildung und Entscheidungsfindung“ (Schmidt 2008: 212). Kern der Theorie ist demnach nicht die Machtkonzentration, sondern die Machtstreuung in einer Demokratie.
Leitmotiv des pluralistischen Demokratieverständnisses ist zudem die Bildung eines homogenen Volkswillens durch eine antiautoritäre Herrschaft und zugleich einer legislativen Kontrolle, wie es Rousseau schon lehrte (Vgl. Schmidt 2008: 211).
In dieser Arbeit soll weder speziell der staatszentrierte Pluralismus noch der Gesellschaftszentrierte Pluralismus verwendet werden, sondern ein allgemein gehaltener Pluralismus. So sieht Robert Dahl Partizipation und Wettstreit als eine zentrale Variable seiner gesellschaftszentrierten Polyarchie (Vgl. Schmidt 2008: 213). Seine Variante der Polyarchy entwickelt Dahl auf Grund der real nicht erreichbaren Idealdemokratie (Vgl. Schmidt 2008: 212). Ernst Fraenkel sieht dagegen auch Konflikt und Konsens einer Gesellschaft als Voraussetzung für eine stabile Demokratie (Vgl. Schmidt 2008: 220). Entscheidend ist hierbei, dass „der nicht-kontroverse Sektor [...] der zur Stabilität einer demokratischen Ordnung unverzichtbare Sockel an generellem Konsens“ (Schmidt 2008: 221) ist und sich aus der politischen Kultur ergibt. Der Begriff politische Kultur bezeichnet diesen Konsens einer Gesellschaft über grundlegende Werte zu Fragen in der Politik, also deren Einstellung zum politischen Handeln und den angestrebten Zielen der Politik. Zudem setze eine funktionierende pluralistische Demokratie voraus, dass der unstreitige Sektor weitaus größer sei als der streitige (Schmidt 2008: 221).
Die Demokratieentwicklung ist somit auch von der Beteiligung und dem Verständnis beziehungsweise der Unterstützung durch die Bevölkerung abhängig. Diese Annahme unterstützt den oben aufgeführten Gedanken, dass eine Demokratie durch die Bestätigung der Gesellschaft wächst. Somit müsste der Demokratiewert bei einer hohen Bestätigung durch die Gesellschaft höher ausfallen als in einer Gesellschaft, welche mit der angestrebten Politik der Regierung nicht einverstanden ist.
Aus diesem pluralistischen Demokratieverständnis leitet sich das zu erklärende Phänomen unterschiedlich weit fortgeschrittener Demokratisierungsprozesse ab. Auch die anfänglich aufgeführten Beobachtungen der Platzierung der verschiedenen Länder in dem Demokratieindex und das Erkenntnisinteresse der vergleichenden Politikwissenschaften leitet dazu an, das Phänomen der unterschiedlich weit fortgeschrittenen Demokratisierungsprozesse auf seine Ursächlichkeit zu prüfen.
Um die Entwicklung der Demokratisierungsprozesse zu erklären, benötigt es einer Transformationstheorie. Diese kann Faktoren für die Transformation hin zu einer Demokratie erklären. Eine Transformationstheorie, welche die politische Kultur als entscheidend für die Entwicklung der Demokratie in einem Land ansieht, ist die Kulturtheorie. Diese besagt, dass sowohl die religiös-kulturellen Zivilisationstypen als auch das soziale Kapital einer Gesellschaft entscheidend dafür sind, ob ein Demokratisierungsprozess stattfinden kann oder nicht. Eine entscheidende Aussage der Theorie ist, dass „eine fundamentalistisch-religiöse Kultur [...] die Verbreitung Demokratie stützender Normen und Verhaltensweisen in der Gesellschaft“ (Merkel 2010: 80) behindert. So sind die westliche Kultur, die lateinamerikanische Kultur und die japanische Kultur Demokratie fördernd, die slawischorthodoxe Kultur, die hinduistische Kultur und die afrikanische Kultur im Wesentlichen neutral gegenüber einem Demokratisierungsprozess und die konfuzianische und die islamische Kultur unvereinbar mit der liberalen Demokratie. Das soziale Kapital bildet sich aus gesellschaftlichen Werten, Tradition und Erfahrungen heraus, welche durch die Gesellschaft „gelernt, habitualisiert und historisch als social capital akkumuliert werden“ (Merkel 2010: 83). Sowohl die religiös-kulturellen Zivilisationstypen als auch das soziale Kapital können ausschließlich durch langfristige Prozesse verändert werden. In diesem theoretischen Ansatz wird das Gelingen der Demokratisierung zentral durch die Einstellung der Gesellschaft gegenüber der Demokratie und der Regierung bestimmt. Aus diesem Grund ist die Kulturtheorie dafür geeignet, die politische Kultur der Länder als ausschlaggebendes Kriterium für den Demokratisierungsgrad zu erklären. Somit ist die unabhängige Erklärungsvariable die „politische Kultur“. Weiterhin werden auf der Grundlage des pluralistischen Demokratieverständnisses die Faktoren „Wahlprozess und Pluralismus“ und „Politische Teilhabe“ hinzugezogen. Die Kategorisierung „Staatsform“ und „Funktionsweise der Regierung“ sollen den äußeren Rahmen des jeweiligen Falls anzeigen. Da eine Monarchie einer demokratischen Regierung und somit einem Demokratisierungsprozess eher entgegensteht.
Aus dem pluralistischen Demokratieverständnis, welches Vielgliedrigkeit und die Machtstreuung als Hauptmerkmal auszeichnet, ergibt sich also das zu untersuchende Phänomen der unterschiedlich ausgeprägten Demokratisierungen. Als Erklärungsansatz und zur Entwicklung der Erklärungsfaktoren wird die Kulturtheorie angewendet, welche die politische Kultur in das Zentrum der Demokratisierung stellt. Hieraus ergeben sich die zu untersuchenden unabhängigen Variablen „politische Kultur“, „Wahlprozess und Pluralismus“, „Politische Teilhabe“, „Staatsform“ und „Funktionsweise der Regierung“, welche den Zustand der abhängigen Variable „Ausprägung der Demokratisierung“ erklären sollen. Die theoretische Einordnung führt zu der kausalanalytischen Fragestellung: Auf welche Ursache lässt sich die unterschiedlich starke Ausprägung der Demokratisierung osteuropäischer Länder zurückführen?
[...]
1 Quelle: https://www.pontothinktank.org/wo-beginnt-und-endet-osteuropa/ (Zugriff: 27.03.2021)
2 Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/philip-manows-essay-ent- demokratisierung-der-demokratie-16810693.html (letzter Zugriff: 06.03.2021)
3 Quelle: https://www.in.gr/wp-content/uploads/2020/01/Democracy-Index-2019.pdf (letzter Zugriff: 11.04.2021)