Diese Arbeit befasst sich mit Orson Welles Werk "Krieg der Welten" und der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass dieses fiktive Hörspiel für eine reale Dokumentation gehalten wurde. Dabei wird vor allem auf den Text "Die Farbe der Wahrheit" von Hito Steyerl eingegangen, mit besonderem Fokus auf das Kapitel des "Phantom Trucks". Dabei soll überprüft werden, ob man anhand der Reaktion auf das oben genannte Hörspiel die von Steyerl benannte „Krise der dokumentarischen Repräsentation“ bestätigen kann. Es wird neben Steyerls Text auch auf die Präsentation des Hörspielwerkes, dessen Produktions- und sozialen Hintergrund sowie Lacans Theorie zur menschlichen Wahrnehmung eingegangen.
Beobachtet man die Entwicklung von digitalen Medien, kann man sagen, dass diese im Großen und Ganzen die Welt dem Menschen zugänglicher macht. Über Social Media Plattformen kann man mit Personen live chatten, welche sich in ganz anderen Ländern oder auch Kontinenten aufhalten. Mit einem Handy kann man raum- und zeitunabhängig auf eine unendliche Plattform von Wissen zugreifen. Man kann jederzeit nachschauen, wo gerade was passiert und auch die Immersion von Medien wird durch Fortschritte, wie zum Beispiel Virtual Reality oder Augmented Audio immer besser. Doch kann es auch problematisch werden, wenn diese Medien das Weltbild von Menschen manipulieren. Gerade in den 30er Jahren gab es einen großen Trend der Dokumentation und des Versuchs, die Welt so gut wie möglich abzubilden, doch ebenso Kritik an jenen Medien. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist das Hörspiel "Krieg der Welten" von Orson Welles, welches Menschen dazu brachte zu denken, das Ende der Welt stünde kurz bevor.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Begriff der Repräsentation
3. Die dokumentarische Krise der Repräsentation
3.1 Vorstellung von ‚Krieg der Welten‘
3.1.1 Die Rolle des Rundfunks
3.1.2 Entstehung eines Dokumentes
3.1.3 Erzeugung des ‚hinreichenden Bildes‘
3.1.4 Verkörperung einer Psychose
3.2 Krise
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
5.1 Primärliteratur
5.2 Sekundärliteratur
1. Einleitung
Beobachtet man die Entwicklung von digitalen Medien, kann man sagen, dass diese im Großen und Ganzen die Welt dem Menschen zugänglicher macht. Über Social Media Plattformen kann man mit Personen live chatten, welche sich in ganz anderen Ländern oder auch Kontinenten aufhalten. Mit einem Handy kann man raum- und zeitunabhängig auf eine unendliche Plattform von Wissen zugreifen. Man kann jederzeit nachschauen, wo gerade was passiert und auch die Immersion von Medien wird durch Fortschritte, wie zum Beispiel Virtual Reality oder Augmented Audio immer besser.
Doch kann es auch problematisch werden, wenn diese Medien das Weltbild von Menschen manipulieren. Gerade in den 30er Jahren gab es einen großen Trend der Dokumentation1 und des Versuchs die Welt so gut wie möglich abzubilden, doch ebenso Kritik an jenen Medien. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist das Hörspiel Krieg der Welten von Orson Welles, welches Menschen dazu brachte zu denken das Ende der Welt stünde kurz bevor.
Die folgende Arbeit befasst sich mit ebendiesem Werk und der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass das fiktive Hörspiel Krieg der Welten für eine reale Dokumentation gehalten wurde. Dabei gehe ich vor allem auf den Text Die Farbe der Wahrheit von Hito Steyerl2 ein, mit besonderem Fokus auf das Kapitel des Phantom Trucks 3, zur Prüfung der These, dass man anhand der Reaktion auf das oben genannte Hörspiel die von Steyerl benannte „ Krise der dokumentarischen Repräsentation “4 bestätigen kann. Dabei gehe ich neben Steyerls Text auch auf die Präsentation des Hörspielwerkes, dessen Produktions- und sozialen Hintergrund ein, sowie Lacans Theorie zur menschlichen Wahrnehmung.
2. Der Begriff der Repräsentation
Zur Prüfung einer „dokumentarischen Krise der Repräsentation “, stellt sich erstmal die Frage, was der Begriff der Repräsentation an sich bedeutet. Carl Schmitt5 definierte eben jenen Begriff in seinem Werk Verfassungslehre als einen Vorgang bei dem ein „unsichtbares Sein durch ein öffentlich anwesendes Sein sichtbar [gemacht] und vergegenwärtig[t] [wird]“6. Lutz Huth führt das Ganze noch weiter aus und bezeichnet die Repräsentation als eine Bedeutungsbeziehung, bei welcher das „[r]epräsentiert wird, was als groß und bedeutsam gilt“7.
Die Repräsentation ist demnach eine Veranschaulichung eines Objektes durch ein anderes, wobei Beide in einer ganz bestimmten Beziehung zu einander stehen. Diese Beziehung besteht zum einen darin, dass eines der Objekte im Moment der Repräsentation gegenwärtig, wohingegen das Andere abwesend ist. Dabei verfügt das abwesende, vertretene Objekt dem Repräsentierendem gegenüber einer gewisse Macht, da Ersteres den Status des „[B]edeutsam[en]“8 besitzt. Aufgrund dessen, dass der Repräsentierende also etwas „[B]edeutsam[es]9 “ vertreten darf, erhält es selbst auch eine Aufwertung des Status. Um diesen Status und damit auch die Repräsentation aufrecht zu erhalten, muss sich der Repräsentant jedoch nach bestimmten Vorgaben richten.
Gleichzeitig verfügt hingegen auch der Repräsentant eine gewisse Macht über das Vertretene. Zwar muss sich das repräsentierende Objekt bestimmten Vorgaben unterwerfen, jedoch behält es auch einen gewissen Spielraum in dem es den Vertretenen auf verschiedene Arten darstellen kann, ohne die Repräsentation direkt aufzulösen. Dadurch kann der Repräsentant auch zu einer Abwertung des Vertretenen führen.
Im dem zu behandelnden Textabschnitt von Steyerl wird nun insbesondere betrachtet, inwiefern bestimmte Medien als Dokumente die Welt und die Realität repräsentieren.
3. Die dokumentarische Krise der Repräsentation
In dem Kapitel des Phantom Truck 10 befasst sich Steyerl nun mit eben jenem Repräsentationsbegriff und beschreibt anhand einiger Beispiele eine Krise der Repräsentation im Dokumentarischen. Dabei schreibt sie, dass man das Ausmaß jener Krise schon allein daran bemessen kann, was zur Zeit der Publikation alles als „ Dokument “ akzeptiert wurde11. Hierbei versteht Steyerl als Dokument alle Medien, welche als Repräsentant der Realität fungieren, also als Beweise bestimmter Ereignisse12.
Eines ihrer aufgeführten Beispiele sind diesbezüglich unscharfe Bilder von angeblichen Militärgebäuden und Skizzen von Lastwagen, welche von Colin Powell13 vor der UN bewusst als falsche Beweise zur Legitimierung des Irakkrieges angeführt wurden14, was er nach dem Krieg zugab.15 Demnach begründet Steyerl die Krise darauf, dass Medien, welche eigentlich keine Repräsentanten der Realität sind, dennoch als solche akzeptiert wurden und wie diese Menschen manipulieren können.
Auch Orson Welles befasste sich mit der Reportage als „ Mögliches Mittel der Manipulation “16 und nutzte dies gezielt für sein Hörspiel Krieg der Welten aus. Dabei stellt sich nur die Frage, warum die Manipulation in beiden Fällen, trotz der schwachen Beweislage überhaupt möglich war.
3.1 Vorstellung von ‚Krieg der Welten‘
Das Stück ‚ Krieg der Welten ‘, basierend auf dem gleichnamigen Science-Fiction Roman17, handelt von der Eroberung der Welt durch Marsmännchen und wurde am 30. Oktober 1938 erstmalig ausgestrahlt. Dabei hat das Stück einen sich steigernden Aufbau, beginnend mit einem einleitenden Text vom Regisseur selbst, einem Wetterbericht und Musik, welche immer wieder von vereinzelnden Nachrichten-Einschüben unterbrochen wird.
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1 Breitinger, Eckhard: Rundfunk und Hörspiel in den USA 1930 – 1950. Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier 1992, S.179
2 Deutsche Filmemacherin und Autorin; Geboren 1966
3 Steyerl, Hito: Die Farbe der Wahrheit. Dokumentarismen im Kunstfeld. Wien: Verlag Turia + Kant 2008, S. 129-138
4 A.a.O., S. 129
5 Deutscher Staatsrechtler und politischer Philosoph; Geboren 1888, gestorben 07.04.1985
6 Schmitt, Carl: Verfassungslehre. Elfte Auflage. Berlin: Duncker & Humblot GmbH 2017; S. 209f.
7 Huth, Lutz; Krzeminski, Michael: „Zur Einführung: Spielarten des Repräsentativen.“ In: dies. (Hg.): Repräsentation. In Politik, Medien und Gesellschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann 2007, S.9
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Steyerl 2008, S. 129 – 138
11 A.a.O., S. 129
12 A.a.O., S.130
13 Ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten; Geboren 1937
14 Powell, Colin: „Speech at the United Nations (5 February 2003)“. Online veröffentlicht von TheHistoryProfessor (14.01.2014): https://www.youtube.com/watch?v=l9JM_uSG5Aw (letzter Zugriff: 30.07.2020)
15 o.V.: „Colin Powell regrets Iraq war intelligence. Former US secretary of state says information he provided leading tot he invasion of Iraq is a „blot“ on his record.“ (2011) Online: https://www.aljazeera.com/news/americas/2011/09/20119116916873488.html (letzter Zugriff: 30.07.2020)
16 Schöning, Klaus: „Die Wirklichkeit des Radios ist die Wirklichkeit des Radios, oder die Marsmenschen kommen. Hörspielmacher Orson Welles.“ In: ders. (Hg.): Hörspielmacher. Autorenporträts und Essays. Athenäum: Königstein/Ts. 1983, S.123
17 Geschrieben von H.G. Wells; veröffentlicht 1897