Ziel dieser Seminararbeit ist es, ein Verständnis der Grundlagen des Process Mining zu vermitteln und die Umsetzung anhand eines Praxisbeispiels der Firma Siemens darzustellen sowie kritisch zu bewerten.
Kapitel 1 dieser Seminararbeit dient der Einführung in die Thematik. Neben der Zielstellung werden auch der Aufbau der Arbeit sowie die wissenschaftliche Herangehensweise erörtert. In Kapitel 2 werden dann die Grundlagen des Process Mining erläutert. Dazu wird zunächst der Begriff definiert und genau erklärt, wie Process Mining funktioniert, welche Arten unterschieden werden und mit welchen Methoden und Techniken Process Mining arbeitet. Dieses Wissen wird zum Verständnis des darauf aufbauenden Teils benötigt. Kapitel 3 behandelt nämlich die zentrale Fragestellung dieser Seminararbeit und überprüft, ob das Unternehmen Siemens mit seiner Umsetzung des Process Mining in der Praxis zur Steigerung des Digitalisierungsgrades von Order2Cash-Prozessen einen Business Case geschaffen hat, an dem sich andere Unternehmen, die ähnliche Projekte planen, orientieren können. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse dieser
Arbeit zusammengefasst. Abschließend folgt ein Fazit
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit
1.4 Forschungsmethodik
2 Grundlagen des Process Mining
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Arten des Process Mining
2.3 Methodisches Vorgehen beim Process Mining
2.4 Algorithmen des Process Mining
2.4.1 Process Discovery – der Alpha-Algorithmus
2.4.2 Conformance Checking mittels Alignments
3 Business Case Siemens: „Digital Fit Rate in Order2Cash“
3.1 Abgleich Herausforderungen laut IEEE und Vorgehensweise Siemens
3.2 Ergebnis
4 Schlussbetrachtung
4.1 Zusammenfassung
4.2 Fazit
5 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Process Mining ist eine Kombination von Process-Science und Data Science.
Abbildung 2: Arten des Process Mining
Abbildung 3: Methodisches Vorgehen nach IEEE Task Force für Process Mining.
Abbildung 4: Prozesse durchlaufen meist eine breit gefächerte IT-Landschaft
Abbildung 5: Der Tatsächliche Verlauf eines Prozesses aus der echten Welt wird in EventLogs dargestellt
Abbildung 6: Für Preprocessing nutzt man unter Anderem die Operationen Selektion, Projektion und Aggregation
Abbildung 7: Anwendungsbeispiele für Selektion, Projektion und Aggregation nach Farbe
Abbildung 8: Benutzeroberfläche von Celonis
Abbildung 9: Qualitätskriterien für Process Mining Algorithmen
Abbildung 10: Mögliche Konstellationen des Prozessverlaufes
Abbildung 11: Alternativen zu Process Mining
Abbildung 12: Der ewartete Order2Cash Verlauf von Siemens, dargestellt mit Celonis.
Abbildung 13: Potentielle Auffälligkeiten bei einem Order2Cash Prozesskomplex mit Celonis
Abbildung 14: Übertragung einer Aufgabe an einen Bot mit Celonis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Alignment Tabelle
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
„The price of light is less than the cost of darkness.“1 Dieses Zitat des renommierten Marketingforschers Arthur C. Nielsen fasst die Ausgangssituation bei der Betrachtung des Themas Process Mining prägnant zusammen. Unternehmen haben in der Praxis meist nur einen geringen Einblick in ihre tatsächlichen betrieblichen Prozessverläufe. Die Vorstellungen der Mitarbeiter weichen oft erheblich von den wirklichen Abläufen ab.2 Gründe dafür sind unter anderem Rework, also sich wiederholende Tätigkeiten, die anhand statischer Prozessmodelle nicht darstellbar sind, Ausnahmen, Schattenprozesse sowie die häufige Änderung von Prozessen. Des Weiteren führen die Prozessteilnehmer oft nur einzelne Arbeitsschritte eines Gesamtprozesses aus und kennen die anderen Bestandteile des Prozesses nicht. IT-basierte Prozesse sind zudem von Natur aus wenig greifbar und sehr undurchsichtig.3 Gleichzeitig wird die heutige Unternehmenswelt jedoch bestimmt von Globalisierung und digitaler Transformation. Als Faktoren für mittel- und langfristigen unternehmerischen Erfolg gelten daher die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, die Sicherung von Produktqualität sowie die flexible Anpassung an Marktveränderungen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen Unternehmen einen genauen Überblick über ihre Ressourcen, Strukturen und Abläufe, d.h. über ihre Betriebsprozesse, haben.4
Genau dies wird durch Process Mining ermöglicht. Im Zuge der Verbesserung der Micro-Chip-Technologie und durch immer günstiger werdenden Speicherplatz werden nahezu überall und zu jeder Zeit Daten erhoben.5 Folglich liegt Unternehmen eine große Anzahl an Daten über jeden einzelnen Schritt ihrer Prozesse vor. Durch Process Mining können davon ausgehend schnell, objektiv und sehr genau Schritte zu deren Verbesserung und Optimierung erkannt werden. Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen wichtig, einen Einblick zu bekommen, wie sich ein Process-Mining-System sinnvoll und zielführend in die Unternehmensumgebung integrieren lässt.
1.2 Ziel der Arbeit
Ausgehend von der erläuterten Problemstellung beleuchtet die vorliegende Projektarbeit die analytische Disziplin des Process Mining anhand eines Beispiels aus der Praxis. Dabei steht folgende Forschungsfrage im Mittelpunkt:
· Kann das Vorgehen des Unternehmens Siemens, um mithilfe von Process Mining den standortübergreifenden Digitalisierungsgrad von Order2Cash-Prozessen zu erhöhen, als ein zielführender Business Case für Unternehmen dienen, die ähnliche Ziele verfolgen?
Aus dieser Fragestellung resultieren untergeordnete Teilfragen, die zur zentralen Fragestellung hinleiten:
- Was versteht man unter Process Mining? Welche Arten lassen sich unterscheiden?
- Wie genau funktioniert Process Mining? Mit welchen technischen Grundlagen arbeitet Process Mining?
- Wie setzt Siemens das Konzept des Process Mining um?
Ziel dieser Seminararbeit ist es, ein Verständnis der Grundlagen des Process Mining zu vermitteln und die Umsetzung anhand eines Praxisbeispiels der Firma Siemens darzustellen sowie kritisch zu bewerten.
1.3 Aufbau der Arbeit
Kapitel 1 dieser Seminararbeit dient der Einführung in die Thematik. Neben der Zielstellung werden auch der Aufbau der Arbeit sowie die wissenschaftliche Herangehensweise erörtert. In Kapitel 2 werden dann die Grundlagen des Process Mining erläutert. Dazu wird zunächst der Begriff definiert und genau erklärt, wie Process Mining funktioniert, welche Arten unterschieden werden und mit welchen Methoden und Techniken Process Mining arbeitet. Dieses Wissen wird zum Verständnis des darauf aufbauenden Teils benötigt. Kapitel 3 behandelt nämlich die zentrale Fragestellung dieser Seminararbeit und überprüft, ob das Unternehmen Siemens mit seiner Umsetzung des Process Mining in der Praxis zur Steigerung des Digitalisierungsgrades von Order2Cash-Prozessen einen Business Case geschaffen hat, an dem sich andere Unternehmen, die ähnliche Projekte planen, orientieren können. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst. Abschließend folgt ein Fazit.
1.4 Forschungsmethodik
Bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit fand die Methodik des Design Science Research Anwendung. Diese Forschungsmethode wird in der vergleichsweise jungen Disziplin Wirtschaftsinformatik bevorzugt angewendet.6 Es handelt sich dabei um einen konstruktionsorientierten Ansatz zur strukturierten Erkenntnisgewinnung sowie zur Überprüfung gewonnener Erkenntnisse. Um sich mit aktuellen Informationen der Forschungsfrage anzunähern, wurde zusätzlich eine Literaturrecherche mittels Google Scholar, Springer Link, Emerald Insight, Research Gate, AISeL, ECIS, SAGE Journals und Academic Search Complete durchgeführt. Ergänzend dazu wurde nach Veröffentlichungen von Unternehmen gesucht, die auf Process Mining spezialisiert sind, inbesondere der Firma Celonis. Besonders ausführlich war die Auseinandersetzung mit dem von Celonis unterstützten Anwendungsbeispiel von Siemens.
2 Grundlagen des Process Mining
In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen des Themas Process Mining erläutert. Hierbei werden vor allem der Begriff bestimmt sowie die bekanntesten Arten und Perspektiven des Process Mining beschrieben. Anschließend werden sowohl die genaue Funktionsweise als auch die zugrundeliegenden Methoden näher erklärt.
2.1 Begriffsbestimmung
Nach gängiger Definition umfasst Process Mining „Techniken im Bereich des Business-Process-Managements, die der Analyse von Geschäftsabläufen dienen. Es handelt sich um datengestützte Methoden der Prozessanalyse, bei denen die Auswertung von Event-Logs – in IT-Systemen gespeicherte Informationen zu einzelnen Prozessschritten – im Vordergrund steht“.7 Voraussetzung für Process Mining ist die Möglichkeit, Daten über die tatsächliche Ausführung eines betrieblichen Prozesses zu erheben. Dies ist immer dann möglich, wenn die Prozessausführung von einem oder mehreren IT-Systemen unterstützt wird und somit der Prozessverlauf in Form von Ereignisprotokollen detailliert aufgezeichnet werden kann.8 Process Mining beschreibt somit die systematische Analyse von Prozessen auf Basis ihrer digitaler Spuren, wodurch die Geschäftsprozesse rekonstruiert, ausgewertet und optimiert werden können.
Auf diese Weise stellt Process Mining die Brücke zwischen herkömmlicher modellbasierter Prozessanalyse (Simulationen sowie weitere Prozessmanagement-Techniken) und datenbasierter Analysetechniken wie maschinellem Lernen und Data Mining dar (vgl. Abbildung 1).9 So werden zuerst spezielle Data-Mining-Algorithmen auf die Ereignisprotokolle (digitale Spuren der einzelnen Prozessschritte), die Bewegungsdaten sowie die sogenannten Master-Dateien (z. B. Daten über einen bestimmten Kunden, die sich nicht ändern) angewandt, um durch die Identifizierung von Mustern und Trends in der Folge ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Geschäftsprozesse zu erreichen. Die durch Data Mining gewonnenen Einsichten werden anschließend mit Methoden der Process Science analysiert, um Einblicke in die tatsächliche Ausführung von Betriebsprozessen zu gewinnen. Ziel ist es, diese zu visualisieren und in der Folge effizienter gestalten zu können.10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Process Mining als Kombination von Process Science und Data Science [Quelle: Aalst 2016, S. 18]
2.2 Arten des Process Mining
Bezüglich der Analyse von Prozessen anhand von Ereignisdaten und Modellen lassen sich drei grundlegende Anwendungsarten unterscheiden. Dies sind Prozesserkennung (Process Discovery), Konformitätsprüfung (Conformance Checking) sowie Prozessverbesserung (Process Enhancement). Dabei variieren jeweils die Eingabe- und Ausgabeformen sowie die Beziehungen des Event-Logs zu einem Prozessmodell (vgl. Abbildung 2).11 Im Folgenden werden die drei Ansätze näher beschrieben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Arten des Process Mining [Quelle: Aalst 2016, S. 32]
§ Prozesserkennung (Process Discovery):
Auf Basis eines vorliegenden Ereignisprotokolls über die realen Event-Log-Daten als Eingabe wird durch Process Discovery automatisch ein Prozessmodell generiert bzw. erlernt (Model Learning), das die tatsächlichen Abläufe des Prozesses möglichst genau abbildet. Im Gegensatz zu manuell erstellten Modellen ist es dadurch möglich, Verhaltensweisen wie nebenläufige Ausführung und Synchronisation zu erfassen. Dabei können die Modelle in jeder gewünschten Modellierungssprache erstellt werden. Um ein möglichst genaues Bild über den realen Verlauf eines Prozesses zu erhalten, empfiehlt es sich, das vorliegende Ereignisprotokoll nach bestimmten Kriterien vorzuverarbeiten.12
§ Konformitätsprüfung (Conformance Check):
Ziel der Konformitätsprüfung ist es, durch eine Abweichungsanalyse den Grad der Übereinstimmung zwischen einem bereits vorhandenen Prozessmodell und den realen Ereignislogdaten desselben Prozesses zu bestimmen. Bei dem bereits bestehenden theoretischen Modell kann es sich entweder um einen manuell anhand von Richtlinien oder Arbeitsanweisungen erstellten Prozess oder auch um ein durch Process Discovery automatisch erzeugtes Prozessmodell handeln, dessen Güte dann näher beleuchtet werden kann. Etwaige Abweichungen werden nach Schwachstellen untersucht und gegebenenfalls optimiert.13
§ Prozesserweiterung/-verbesserung (Process Enhancement)
Mithilfe der Informationen aus den Ereignislogdaten kann ein vorhandenes Prozessmodell angepasst und erweitert werden. Ziel ist dabei, ein besseres Verständnis des Prozesses durch zusätzliches Wissen wie beispielsweise Zeitdauern zwischen den einzelnen Prozessschritten herzustellen. Andererseits dienen die Erkenntnisse auch der Verbesserung bzw. Optimierung des bestehenden Prozessmodells.14
2.3 Methodisches Vorgehen beim Process Mining
Ein Process-Mining-Projekt ist komplex und verläuft in mehreren Einzelschritten. Zur Orientierung existiert das L*-Lebenszyklusmodell, dass vom Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) konzipiert wurde (vgl. Abbildung 3).15
[...]
1 Zitiert nach Mason 2011.
2 Vgl. Sifters Process Performance 2018, 0:01-1:10.
3 Vgl. Sifters Process Performance 2018, 1:36-5:02.
4 Vgl. Peters, Nauroth 2019, S. 3.
5 Vgl. Aalst 2016, S. 3 f.
6 Vgl. Portmann 2017, S. 108.
7 Ionos SE 2021.
8 Vgl. Aalst 2016, S. 17.
9 Vgl. Aalst 2016, S. VII.
10 Vgl. Aalst 2016, S. 17.
11 Vgl. Laue et al. 2020, S. 196.
12 Vgl. Laue et al. 2020, S. 196 f.
13 Vgl. Laue et al. 2020, S. 197.
14 Vgl. Laue et al. 2020, S. 197.
15 Vgl. IEEE 2012.