Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Dokimasie auseinander, wobei die Forschung ab der Reform des Ephialtes, 462 v. Chr., herausgestellt sein soll. Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Dokimasie im Kontext einer "demokratischen" Ordnung erörtert wird und insbesondere der Zusammenhang zwischen der Gesellschaftsordnung sowie dem "formalen" Prozess der Dokimasie betrachtet werden soll. Konkret lautet die zugrunde liegende Fragestellung wie folgt: Welche Ziele verfolgte die Dokimasie nach der Reform des Ephialtes?
Zur Beantwortung der Forschungsfrage ist eine konkrete Beschreibung des Verfahrens der Dokimasie notwendig. Dabei sollen die verschiedenen Arten der Dokimasie, abhängig von den jeweiligen Positionen, ebenso Nennung finden. Eine zentrale Quelle dafür, stellt die Athenaion Politeia dar. Dies soll durch die quellenbasierte Erörterung der Fragestellung fortgesetzt werden. Dabei werden je zwei Verteidigungsreden beziehungsweise Anklagen analysiert, anhand derer Zusammenhänge zwischen der Organisation der Dokimasie sowie derer Ziele identifizierbar werden können. Hierbei sei genannt, dass die Ziele der Dokimasie nicht explizit erwähnt werden, sondern einerseits implizit aus den Fallanalysen hervorgehen und andererseits "Ansprüche" an die Beamten innerhalb der athenischen Demokratie erkennbar sind oder zumindest vermutet werden können.
Übergeordnete Relevanz für diesen Abschnitt der Arbeit haben ausgewählte Reden des Lysias. Des Weiteren ist die Quelle des Aischines von Bedeutung, welche verglichen beziehungsweise ergänzt werden kann durch Xenoph. Mem. Daraufhin sollen die gewonnen Erkenntnisse, unter Zuhilfenahme der bisher publizierten Forschungsliteratur, analysiert und verglichen werden. wobei außerdem eine Kategorisierung der Ziele der Dokimasie vorgenommen wird. Abgeschlossen wird die Arbeit durch eine kritische Reflexion der verwendeten Quellen sowie eine Kritik der Forschungsresultate.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Organisation der Dokimasie
2.1 Definition
2.2 Chronologie
2.3 Ablauf
2.4 Arten
3. Zusammenhang zwischen Organisation und Zielen der Dokimasie
3.1 Ansprüche an einen Beamten in der athenischen Demokratie
3.2 Fallanalysen - Dokimasiereden des Lysias
3.2.1 Verteidigung eines unbekannten Mannes
3.2.2 Verteidigung des Mantitheos
3.2.3 Anklage gegen Philon
3.2.4 Anklage gegen Euandros
3.2.5 Anklagen gegen Alkibiades - Gerichtsverhandlung
4. Ziele der Dokimasie
4.1 Politische Ziele der Dokimasie
4.2 Militärische Ziele der Dokimasie
4.3 Ziele der Dokimasie zur Überprüfung privater Umstände
4.4 Ziele der Dokimasie zur Überprüfung des Charakters
4.5 Bürokratische Ziele
4.6 Zusammenfassung
5. Ergebnisreflexion
5.1 Quellenkritik
5.2 Kritik der Forschungsergebnisse - Einordnung in die Forschung
6. Quellenverzeichnis und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Dokimasie auseinander, wobei die Forschung ab der Reform des Ephialtes, 462 v. Chr., herausgestellt sein soll. Daraus ist zu schlussfolgern, dass die Dokimasie im Kontext einer „demokratischen“ Ordnung erörtert wird und insbesondere der Zusammenhang zwischen der Gesellschaftsordnung sowie dem „formalen“1 Prozess der Dokimasie betrachtet werden soll.
Konkret lautet die zugrunde liegende Fragestellung wie folgt:
Welche Ziele verfolgte die Dokimasie nach der Reform des Ephialtes?
Die formulierte Frage ist relevant, weil die Dokimasie relativ streng organsiert gewesen zu sein scheint, worauf im folgenden Teil der Arbeit detaillierter eingegangen werden soll. Dabei ist wichtig, dass die spezifischen Inhalte der Dokimasie durchaus kategorisierbar sind: Grundsätzlich befasste sich die Dokimasie mit familiären Themen, wobei das Verhältnis des zu Überprüfenden zu dessen Eltern besonders häufig beleuchtet wurde. Dies ergänzten religiösen beziehungsweise kulturellen Aspekte sowie militärischen Fragen. Außerdem ist die steuerliche Dimension zu betrachten. Anhand jener Kategorien soll überprüft werden, ob und inwiefern die Überprüfung von Beamten bewusst genutzt wurde, um das politische System zu stabilisieren beziehungsweise welche weiteren Ziele be- standen.2 Zweifelsohne ist die Relevanz der Frage unmittelbar mit den Kompetenzen verschiedener Beamten zusammenhängend, wobei einbezogen werden sollte, dass der immer weiter ausdifferenzierte Beamtenapparat von großer Relevanz für die Stabilität des politische Systems Athens war. Diese Entwicklung ist spätestens mit der Reform des Ephialtes erkennbar.3
Zur Beantwortung der Forschungsfrage ist eine konkrete Beschreibung des Verfahrens der Dokimasie notwendig. Dabei sollen die verschiedenen Arten der Dokimasie, abhängig von den jeweiligen Positionen, ebenso Nennung finden. Eine zentrale Quelle dafür, stellt die Athenaion Politeia dar. Dies soll durch die quellenbasierte Erörterung der Fragestellung fortgesetzt werden. Dabei werden je zwei Verteidigungsreden beziehungsweise Anklagen analysiert, anhand derer Zusammenhänge zwischen der Organisation der Dokimasie sowie derer Ziele identifizierbar werden können. Hierbei sei genannt, dass die Ziele der Dokimasie nicht explizit erwähnt werden, sondern einerseits implizit aus den Fallanalysen hervorgehen und andererseits „Ansprüche“4 an die Beamten innerhalb der athenischen Demokratie erkennbar sind oder zumindest vermutet werden können. Übergeordnete Relevanz für diesen Abschnitt der Arbeit haben ausgewählte Reden des Lysias.5 Des Weiteren ist die Quelle des Aischines von Bedeutung, welche verglichen beziehungsweise ergänzt werden kann durch Xenoph. Mem.6 Daraufhin sollen die gewonnen Erkenntnisse, unter Zuhilfenahme der bisher publizierten Forschungsliteratur, analysiert und verglichen werden. wobei außerdem eine Kategorisierung der Ziele der Dokimasie vorgenommen wird. Abgeschlossen wird die Arbeit durch eine kritische Reflexion der verwendeten Quellen sowie eine Kritik der Forschungsresultate.
Das Buch „LYSIAS REDEN“ dient zur Einordnung der Fallanalysen und damit zur Interpretation jener. Der zweite Schwerpunkt der Literaturrecherche besteht in der allgemeinen Einordnung der Ziele der Dokimasie, wofür insbesondere die angeführten Aufsätze sinnvoll sind. Die Beantwortung der Forschungsfrage fundiert demzufolge auf einem Abgleich der genannten Erkenntnisprozesse.
2. Organisation der Dokimasie
2.1 Definition
Die Semantik des Begriffs „Dokimasie“7 erscheint relativ klar: Grundlegend beschreibt Dokimasie ein Verfahren zur Überprüfung einer Person, bevor jene die Erlaubnis erhält ein Amt anzutreten.8 Ergänzt werden kann zudem, dass die zu überprüfenden Personen jeweils bestimmte Bedingungen zu erfüllen hatten, welche im Verlauf der Dokimasie bewiesen werden mussten.9 In einen engen Zusammenhang dazu steht der Begriff „Apodokimasie“, welcher die Zurückweisung eines Beamten beschreibt.10
2.2 Chronologie
Die chronologische Aufarbeitung der Dokimasie verlangt insbesondere eine Betrachtung der verantwortlichen Institutionen. Dabei ist grundlegend aufzuführen, dass mit Beginn der Dokimasie die Verantwortung beim Areopag lag, was durch die Reformen des Ephialtes elementar verändert wurde. 462 v. Chr. wurde demnach die Kompetenz der Dokimasie an den Rat der 500 sowie die Geschworenengerichte übertragen.11 Des Weiteren veränderte sich die Organisation der Dokimasie, insbesondere im Verlauf des 5. Jahrhunderts, insofern, als das die Quantität der einzelnen Verfahren anstieg. Dies wurde ursächlich durch die quantitative Zunahme der Beamtenzahl bedingt. Dabei ist außerdem zu nennen, dass die Kompetenzen der Beamten ausdifferenziert wurden. Dies meint speziell, dass die zehn Archonten,12 spätestens im Verlauf des 5. Jahrhunderts, weitreichende Kompetenzen verloren hatten.13 Die Betrachtung der Quellen lässt jedoch auch die Überlegung zu, dass die Verlagerung der Dokimasie vom Areopag, zum Rat der 500 sowie den Geschworenengerichten durchaus zeitiger vorgenommen wurde. Demosthenes äußerte sich wie folgt:
„Denn Solon, der diese Methode auferlegt hat, hielt es nicht für richtig, dass die jüngeren Archonten, die durch das Los ernannt werden, um die Gesetze zu verabreichen, vor dem Amtsantritt zwei Prüfungen durchlaufen, eine im Rat und eine in den Gerichtshöfen [14
Daraus geht hervor, dass Solon bereits die Struktur vorgefunden habe, welche ähnlich zu den Beschreibungen in der Athenaion Politeia ist. Jene beschreibt eine Überprüfung der Archonten vor einem Gericht, welcher ein Verfahren im Rat der 500 vorausgegangen sei. Zudem wird ergänzt, dass die Kompetenz eines Gerichts, als letzte Instanz zu urteilen, nicht der ursprünglichen Struktur entspricht, sondern auf eine Reform zurückzuführen sei, wobei eine Konkretisierung dessen ausbleibt15. Die Athenaion Politeia bezieht sich jedoch auch explizit auf die Archonten, weshalb die Schlussfolgerung sinnvoll erscheint, dass der Rat der 500 sowie die Geschworenengerichte, nach der Reform des Ephialtes, 462 v. Chr., mit der Dokimasie der Archonten sowie aller weiteren Beamten vertraut gewesen waren. Zudem ist die Aussage des Demosthenes dahingehend zu hinterfragen, als das jener die Absicht verfolgen könnte, Solon als Begründer der Demokratie zu inszenieren, zumal die These, dass Ephialtes den Areopag entmachtete, relativ fundiert argumentiert wird.16
2.3 Ablauf
Die Verfahrensweise zur Durchführung der Dokimasie beschreibt die Athenaion Politeia, wobei grundsätzlich zu nennen ist, dass alle angehenden Beamten dazu verpflichtet waren, sich der Doki- masie zu unterziehen. Dabei differenzierte der Ablauf der Dokimasie wahrscheinlich relativ wenig, je nachdem, welche Ämter besetzt werden mussten.17 Außerdem sei genannt, dass die folgende Skizze der Dokimasieverfahren auf den Beschreibungen der Athenaion Politeia basiert, welche den zugehörigen Abschnitt damit einleitet, dass die Dokimasie durch den Rat der 500 beziehungsweise durch ein Geschworenengericht organisiert wurde.18
Eingeleitet wurde die Dokimasie, laut Athenaion Politeia, mit folgender Frage:
„Wer ist dein Vater und aus welchem Demos stammt er, und wer ist deines Vaters Vater, und wer ist deine Mutter, und wer ist deiner Mutter Vater und aus welchem Demos stammt er?“, (AP, 55.3)
Dies setzte sich fort, indem gefragt wurde, ob ein Altar des Apollon Patroos und des Zeus Herkeios vorliegen würde sowie nach dem Ort, an dem sich jene befanden. Außerdem wurde gefragt, ob die Eltern des zu Überprüfenden durch ihn gut behandelt wurden und ob die Steuern ordnungsgemäß gezahlt wurden. Nicht zu vernachlässigen ist die Thematik des abgeleisteten Militärdienstes, welche ebenfalls erfragt wurde.19 Daraufhin war der angehende Beamte dazu angehalten, seine Aussagen durch Zeugen verifizieren zu lassen, wobei die Zeugen danach gefragt wurden, ob sie eine Anklage formulieren wollten. Insofern dies der Fall war, folgte eine Anklagerede, welche entsprechend durch eine Verteidigungsrede beantwortet wurde. Spätestens danach wurde über den jeweiligen Sachverhalt abgestimmt, was im Rat der 500 durch Handzeichen und im Gericht durch Stimmkugeln praktiziert wurde. Explizit wird hervorgehoben, dass alle Verantwortlichen abzustimmen hatten, da somit die Möglichkeit eines Widerspruchs auch dann gegeben ist, wenn der der zu Überprüfende potenzielle Kläger „beseitigt“ (AP, 55.4) hat.20 Unabhängig davon, ob eine Debatte folgte, war die Abstimmung bindend, mit der Ausnahme, dass im Verlauf des 5. Jahrhunderts gegen das Urteil des Rates revisio- niert werden konnte, sodass ein Geschworenengericht die finale Entscheidung traf.21
„Nachdem sie auf diese Weise überprüft worden sind, schreiten sie zu dem Stein, auf dem das Opferfleisch liegt, und an dem auch die [zehn] Schiedsrichter ihren Eid leisten [...]“, (AP, 55. 5)
Damit wurde jener Abschnitt der Dokimasie eingeleitet, welcher vermeintlich eher kultische Motivation zur Ursache hatte. Am genannten Ort schwörten einerseits die Schiedsrichter deren Eid sowie andererseits die Zeugen, dass keine Einwände vorlagen. Anschließend leisteten die Beamten einen Schwur, welcher enthielt, dass sie ordnungsgemäß handeln und keine Geschenke annehmen werden, wobei dies wie folgt ergänz wurde:
„[.] falls sie (doch) irgendein (Geschenk) angenommen haben, eine goldene Statue weihen werden“., (AP, 55.5)
Selbigen Schwur leisteten die angehenden Beamten ebenso vor der Akropolis, woraufhin das Amt angetreten werden konnte.22
2.4 Arten
Bereits dargestellt wurde, dass sämtliche Beamte eine Dokimasie abzulegen hatten. Jedoch sind weitere Beispiele nicht zu vernachlässigen:
Beispielsweise wäre die Dokimasie von Männern zu nennen, welche das 18. Lebensjahr vollendeten und damit bezüglich deren Anerkennung als Bürger überprüft wurden. Die entsprechende Entscheidung wurde durch den Demos, ein Richterkollegium sowie den Rat organisiert. Zudem wurden die Ratsmitglieder sowohl durch den Rat als auch durch ein Richterkollegium überprüft. Außerdem aufzuführen ist die Dokimasie der Herolde, welche explizit auf eine geeignete Stimme getestet wurden. Auch Reiter und deren Pferde wurden im Rat geprüft, was ebenso auf Invalide zugetroffen hatte, die stattliche Unterstützungen verlangten. Auf Anweisung eines Richterkollegiums hatten sich Personen einer Dokimasie zu unterziehen, die vor der Volksversammlung reden wollten. Des Weiteren sei zum Abschluss der Auflistung darauf hingewiesen, dass auch Silbermünzen überprüft werden konnten, wobei insbesondere deren Echtheit hinterfragt wurde.23
[...]
1 Die Deklarierung der Dokimasie als „formalen“ Prozess meint schlussendlich die Tatsache, dass der Ablauf relativ streng organisiert scheint und damit möglicherweise sogar ein bürokratischer Akt gemeint sein kann: AP 55. 2 - 5.
2 AP 55. 2 - 5; vgl. Rhodes, Peter J.: s.v. „Dokimasia“, in: DNP, hrsg: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester.
3 Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie (4. Auflage). Paderborn, 1995, 273 - 291.
4 Die Terminologie sei eher unscharf verstanden und bezieht sich insbesondere auf die nachfolgend im Text erwähnte Quelle.
5 Lysias 14; 15; 16; 25; 26; 31.
6 Aischines 169, 170. in: Piepenbrink, Karen: Das Altertum (2. Auflage). Stuttgart, 2015, 69; Xen. Mem. 2.2.13. Perseus Digital Libary, Übersetzung von William Heinemann, 1923
7 AoKi^aoia.
8 Piepenbrink, Karen: Das Altertum (2. Auflage). Stuttgart, 2015, 69.
9 Rhodes, Peter J.: s.v. „Dokimasia“, in: DNP, hrsg: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester.
10 Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie (4. Auflage). Paderborn, 321; Hansen, Mogens Herman: Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes. Struktur, Prinzipien und Selbstverständnis (übersetzt von: Wolfgang Schuller), Berlin, 1995, 235.
11 Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie (4. Auflage). Paderborn, 323 - 324.
12 Archon eponymus, Basileus, Polemarchos, Thesmotheten
13 Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie (4. Auflage). Paderborn, 269 - 291.
14 Demosthenes 20.90.
15 AP, 55.2.
16 vgl. Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie (4. Auflage). Paderborn, 323 - 324.
17 Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie (4. Auflage). Paderborn, 321, 272.
18 AP, 55.2.
19 AP, 55.3.
20 AP, 55. 3 - 4.
21 Bleicken, Jochen: Die athenische Demokratie (4. Auflage). Paderborn, 321 - 322, 272.
22 AP, 55.5.
23 Rhodes, Peter J.: s.v. „Dokimasia“, in: DNP, hrsg: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester.